Titel: | Die Fabrication der comprimirten Schießbaumwolle nach Professor Abel's Verfahren. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. LXXXVII., S. 374 |
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LXXXVII.
Die Fabrication der comprimirten Schießbaumwolle
nach Professor Abel's
Verfahren.
Aus Chemical News, vol. XXIV p. 141; September
1871.
Ueber die Fabrication der comprimirter Schießbaumwolle in
England.
Die Patent Safety Gun-cotton Factory (früher Prentice und Comp. in
Stowmarket, Suffolk) hat auf der internationalen Ausstellung in London Proben von
comprimirter Schießbaumwolle ausgestellt, welche nach Prof. Abel's Verfahren dargestellt ist. Derselbe hat sein Verfahren
folgendermaßen beschrieben.
Das Material für die Fabrication dieser Schießbaumwolle ist nicht gewöhnliche
Baumwolle, wie bei Schönbein's ursprünglichem Verfahren,
noch zu lockeren Fäden versponnene langhaarige Baumwolle, wie man sie bei v. Lenk's Fabricationssystem anwendet. Jede Art von
Baumwoll-Abfall, z.B. der sogenannte Maschinen-Abfall (machinery waste), kann verwendet werden, sofern er ganz
rein und von lockerer Beschaffenheit ist, so daß die Säure ihn leicht durchdringen
kann. Der Proceß der Umwandlung der Baumwolle in die am meisten explosive Form von
Schießbaumwolle oder Trinitrocellulose ist von dem im Jahre 1846 zuerst angewendeten
im Princip nicht verschieden. Die vorher sehr sorgfältig getrocknete Baumwolle wird,
in kleinen Quantitäten auf einmal, in eine vollkommen kalte Mischung von 1 Th.
Salpetersäure (von 1,5 spec. Gew.) und 3 Th. Schwefelsäure (von 1,85 spec. Gew.)
eingetaucht und dann 24 Stunden lang mit ungefähr ihrem zehnfachen Gewicht der
gemischten Säuren in Berührung gelassen, damit ihre Umwandlung möglichst vollständig
stattfinde. Die Gefäße, welche die Baumwolle und die Säuren enthalten, werden
verschlossen und möglichst kühl erhalten, und wenn der geeignete Zeitraum verflossen
ist, bringt man den Inhalt derselben in einen Centrifugalapparat, durch welchen die
Schießbaumwolle von dem größten Theil der überschüssigen Säure getrennt wird. Man
taucht dieselbe dann
mit Hülfe einfacher mechanischer Vorrichtungen, und in sehr kleinen Quantitäten auf
einmal, in ein großes Volum Wasser. Man bezweckt dabei, die in der Schießbaumwolle
zurückgebliebene Säure so rasch mit Wasser zu verdünnen, daß eine Erhitzung und
durch dieselbe veranlaßte heftige oxydirende Wirkung der Salpetersäure auf die
Schießbaumwolle – eine Wirkung, welche selbst bei der kürzesten Dauer einen
nachtheiligen Einfluß auf die Qualität und vielleicht auch auf die Haltbarkeit des
Productes ausüben würde – vermieden wird. Die Einführung dieser
Vorsichtsmaßregel und die lange fortgesetzte Digestion der Schießbaumwolle mit einem
beträchtlichen Ueberschuß von Säuren bilden die hervorragenden Verbesserungen,
welche Baron v. Lenk an dem Schönbein'schen Proceß angebracht hat.
Nach dieser vorläufigen Waschung wird die Schießbaumwolle im Centrifugalapparat
ausgeschleudert und dann zweimal in einem großen Volum Wasser gewaschen und jedesmal
wieder ausgeschleudert. Man bearbeitet sie darauf in einem Holländer von derselben
Art, wie man ihn zur Darstellung des Papierzeuges benutzt, und versetzt sie dadurch
in den Zustand feiner Zertheilung, welcher für die nachherige Umwandlung in eine
homogene comprimirte Masse nothwendig ist. Dabei findet zugleich eine sehr
gründliche Reinigung statt, welche bei der nächsten Operation fortgesetzt wird.
Diese besteht in der Behandlung in einer „poaching“-Maschine, in welcher die Schießbaumwolle
in einem sehr großen Volum etwas warmen Wassers, welches man von Zeit zu Zeit
erneuert, umher geschlagen wird. Diese letzte Waschoperation wird ununterbaochen
fortgesetzt, bis die Schießbaumwolle eine sehr strenge Probe auf ihre Reinheit
genügend bestanden hat, und dauert im Allgemeinen ungefähr 48 Stunden. Diese Methode
des Waschens bildet einen der größten Vorzüge des jetzigen Fabricationssystemes. Das
Haupthinderniß der vollständigen Reinigung der Schießbaumwolle bestand früher in dem
hartnäckigen Zurückbleiben von Unreinigkeiten innerhalb der hohlen Fasern, v. Lenk schrieb zur Entfernung derselben wochenlanges
Waschen in fließendem Wasser und darauf folgendes Kochen mit sehr verdünntem Alkali
vor. Aber durch die Bearbeitung in den beiden erwähnten Maschinen wird die
Capillarwirkung der Faser sehr verringert, und das Waschen findet bei dieser Methode
so eindringend statt, daß das Material an der Außenseite entschieden in drei Tagen
vollständiger und gleichmäßiger gereinigt wird, als früher durch Processe, welche
sechs bis acht Wochen in Anspruch nahmen.
Nach Beendigung des Waschprocesses wird die breiförmige Schießbaumwolle durch
Anwendung von Formen und nachheriges Pressen in einer hydraulischen Presse in
compacte Stücke von cylindrischer oder anderer Form und ungefähr der Dichte des
Wassers verwandelt, deren Dimensionen je nach den speciellen Anwendungen, für welche
sie bestimmt sind, verschieden sind. Während der ganzen Fabrication ist die
Schießbaumwolle naß, also absotut unentzündbar. Nach der Compression wird das
fertige Material auf heißen Platten, zu denen die Luft an den Seiten freien Zutritt
hat, getrocknet und dann zur Aufbewahrung oder Versendung in leichte hölzerne Kisten
verpackt.
Die in der beschriebenen Weise dargestellte comprimirte Schießbaumwolle hat vor den
früher fabricirten Formen dieses explosiven Körpers entschiedene Vorzüge in Bezug
auf Dichtigkeit, Gleichmäßigkeit, Haltbarkeit und Sicherheit. Sie muß sehr fest
eingeschlossen seyn, damit ihre explosive Kraft durch die gewöhnlichen Arten des
Erhitzens mittelst einer Flamme oder eines anderen heißen Körpers entwickelt werde;
wird sie in offener Luft, oder in die gewöhnliche Verpackung eingeschlossen,
entzündet, so blitzt sie nicht mit explosiver Heftigkeit in eine Flamme auf, wie die
Schießbaumwolle in Form von Wolle und Garn, sondern brennt einfach. Sie kann jedoch
in freier Luft mit großer Heftigkeit explodiren und dabei die kräftigste zerstörende
Wirkung ausüben, wenn sie durch die Wirkung einer Detonation, wie sie durch die
Explosion einer kleinen Quantität fest eingeschlossenen Knallquecksilbers entsteht,
entzündet wird. In dieser Hinsicht gleicht sie dem Nitroglycerin und diese
Eigenschaft macht sie offenbar zu vielen wichtigen Operationen des Militärwesens,
des Bergbaues und des Ingenieurwesens anwendbar. Wenn die Schießbaumwolle sich nicht
in der stark comprimirten Form befindet, in welcher sie jetzt dargestellt wird, ist
sie einer Explosion nicht fähig, sofern sie nicht sehr fest
eingeschlossen ist.
Die Fabrik der Patent Safety Company versendet
wöchentlich 8 bis 10 Tonnen comprimirte Schießbaumwolle. Die brittische Regierung
läßt auch Fabriken zur ausgedehnten Fabrication dieses Artikels einrichten, welcher
für verschiedene militärische Zwecke in den Dienst eingeführt worden ist und auch
als explosives Agens für untermeerische Sprengungen benutzt werden soll.