Titel: | Ueber eine vom Webermeister F. Bettlach in Berlin erfundene und vom Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen prämiirte Vorrichtung zur Bewegung der Lade am Webstuhl; von Dr. Max Weigert. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. XCV., S. 396 |
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XCV.
Ueber eine vom Webermeister F. Bettlach in Berlin erfundene
und vom Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen prämiirte Vorrichtung zur
Bewegung der Lade am Webstuhl; von Dr. Max Weigert.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Bettlach's Vorrichtung zur Bewegung der Lade am
Webstuhl.
Die Fabrication doppelt breiter Stoffe, welche mit mehreren Schußfarben bearbeitet
werden, erforderte bis zur Einführung der durch Robert Kay in Bury (in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts) erfundenen
Wechsellade zwei Arbeiter am Webstuhl, von denen der eine, welcher die Bewegung der
Tritte und Lade gleichzeitig besorgte, die Schützen von der einen Seite des Gewebes
nach der anderen schnellte, während eine zweite Person (der sogenannte Schußjunge)
dieselben auffing und zurückwarf.
Die Wechsellade, welche somit das Lancirverfahren – bei dem der Einschlag in
der ganzen Breite des Gewebes hin und her geht – erleichterte, wurde
vervollkommnet zur Brochirlade, welche gestattete, beim Brochirverfahren, wo der
Schuß nur an den Stellen des Stoffes eingetragen wird, bei denen er im Muster
figurirt, zu gleicher Zeit eine Anzahl Schützen in der Breite des Gewebes in
Bewegung zu setzen.
Bei Geweben jedoch, welche einen großen glatten Fond und nur an den Kanten
verschiedenartige Musterung haben, – wie z.B. bei den sogenannten
Grandfond-Shawls – bei denen weder das Lancirverfahren (der
kostspieligen Vergeudung des Musterschusses wegen, der im größten Theil des Gewebes
flott liegen und aufgeschnitten werden würde) – noch die Brochirlade
praktische Anwendung finden kann, müßte der Arbeiter, wenn er außer der Bewegung der
Lade, welche durch die Hand geschieht, noch die Schußfarben einzeln an beiden Seiten
des Gewebes eintragen sollte, zur Beschleunigung der Arbeit eine zweite Person zu
Hülfe nehmen. Diese Schußjungen sind indessen, besonders in großen Städten, sehr
schwer zu erlangen, der Schulzwang hindert ihre Beschaffung, und sie bilden eine
große Plage der Weber.
Diesem Uebelstande nun soll die zu beschreibende Vorrichtung Abhülfe schaffen. Sie
gestattet dem Arbeiter, das Weben der erwähnten Stoffe allein, in der nämlichen Zeit
als zu Zweien, auszuführen, indem sie die Bewegung der Lade seiner Hand entzieht.
Durch den an der Jacquardmaschine befindlichen Hebel, welcher durch den Tritt gesenkt und
gehoben wird, werden mittelst Schnüren Hebel in Bewegung gesetzt, welche zwei an den
inneren Seitenwänden des Stuhles befindliche nasenförmig gestaltete
Hebelvorrichtungen vor- und rückwärts ziehen. Dieselben sind an den
Ladenarmen befestigt und bewirken durch ihre Bewegung gleichzeitig die Bewegung der
Lade, welche somit ohne Mitwirkung der Hand des Webers durch den Fuß beim Treten des
Maschinentrittes geschieht.
Außerdem ist die Schützenbewegung derartig eingerichtet, daß der Schneller zu
gleicher Zeit mit einem Zuge die Schützen aus beiden Schützenkästen herausschnellen
kann. Beim Grundschuß, welcher durch die ganze Breite des Gewebes eingeschlagen
wird, befindet sich natürlich in den zur Wirkung kommenden Kästen der Wechsellade
nur ein Schütze, welcher von der einen nach der anderen Seite geschnellt wird. Beim
Musterschuß jedoch, welcher nur an den beiden Kanten figurirt, schnellt der Weber
mit einem leichten Ruck aus den beiden auf der Schützenbahn befindlichen Kästen die
Schützen zu gleicher Zeit hinaus, um sie dann wieder zurückzuwerfen.
Genauer läßt sich die beschriebene Vorrichtung aus den Zeichnungen. Fig. 1–3 erkennen. In
denselben bedeutet:
a den Maschinentritt,
b den Maschinenschwengel,
c zwei an der Zimmerdecke befindliche zweiarmige Hebel,
welche durch die Schnüre d mit dem Maschinenschwengel
und durch d' mit den an den unteren Enden der vorderen
Seitenpfosten des Stuhles befindlichen Hebeln c'
verbunden sind. Die Schnüre d'' führen zu den um e' drehbaren nasenförmigen Hebelvorrichtungen e, e, welche bei e'' mit der
Lade f verbunden sind.
Beim Treten des Maschinentrittes senkt sich b, und mit
ihm d, dadurch wird d'
gehoben, d'' gesenkt, und die Hebelvorrichtung c vorn herabgedrückt, während sich der bei e'' befindliche Theil hebt und die Lade
herausbewegt.
Das Zurückfallen der Lade, welches schon durch das eigene Gewicht derselben erfolgen
würde, wird beim Heben des Maschinentrittes durch die oben über die Rollen m gehenden, unten mit den Hebeln n verbundenen Schnüre g regulirt.
Zur Verdeutlichung der Schützenbewegung diene: Der Schneller l bewegt mittelst der Schnur o den auf der
rechten Seite des Stuhles befindlichen um i' drehbaren
zweiarmigen Hebel h' und schnellt den Schützen nach
links; zu gleicher Zeit wird durch die Schnur k der auf
der linken Stuhlseite angebrachte, um i drehbare
einarmige Hebel h nach rechts bewegt und dadurch der Schütze
in dieser Richtung hinausgeschnellt. Beide Schützen werden also durch den nämlichen
Schnellerzug zu gleicher Zeit in Bewegung gesetzt. (Aus den Verhandlungen des
Vereines zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1871 S. 211.)