Titel: | Ueber den Siemens'schen Gas-Regenerativofen; von Hennecart. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. CII., S. 418 |
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CII.
Ueber den Siemens'schen Gas-Regenerativofen; von
Hennecart.
Nach dem Bulletin de l'industrie minérale, t. XV livr. 2; aus der berg- und
hüttenmännischen Zeitung, 1871, Nr. 47.
Hennecart, über den Siemens'schen
Gas-Regenerativofen.
Die Siemens'schen Gasöfen, Ende 1861 in England zur
Glasfabrication angewendet, wurden in Frankreich nach der Londoner Ausstellung
eingeführt; 1862 wurden diese Oefen von verschiedenen Glas- und Hüttenwerken
errichtet und verbreiteten sich schnell, besonders bei der Glasindustrie.
Doch folgte diesem Aufschwung 1866 eine lebhafte Reaction; in Frankreich, Belgien und
Deutschland zeigten sich Mißerfolge, wie sie überall nach zu kurzen Versuchen
vorzukommen pflegen. Gleichzeitig wurden angeblich viel einfachere Systeme
angepriesen, die weniger kostspielig, leichter zu betreiben seyn und vollständige
Gasausnutzung leisten sollten; bei ihnen verwarf man aber den Regenerator, das
Hauptelement des Siemens'schen Ofens. Heute besitzt
dieser die Oberhand; man hat durch mehrjährige Erfahrungen seinen Werth schätzen
gelernt und jene Industriezweige, welche sehr hohe Temperaturentwickelung brauchen,
haben ihn besonders günstig aufgenommen.
Der Regeneratorofen bezweckt, zur Temperaturentwickelung des Ofens die durch die
Flamme entweichende Hitze zu benutzen. Diese erreicht man durch die Regeneratoren,
Kammern von feuerfesten Steinen, durch welche Luft oder Gas, die den Ofen speisen,
und die Verbrennungsproducte, welche zur Esse ziehen, abwechselnd in verschiedenen
Richtungen strömen. Während die verlorene Flamme durch zwei Kammern eintritt und
sich die Hitze bedeutend erniedrigt, gelangen Luft und Gas an dem unteren Theil
zweier anderer Kammern an, die vorher erwärmt sind, und erlangen während des
Aufsteigens eine zunehmende Hitze. Hat man eine genügende Hitzesteigerung erreicht,
so kehrt man die Stromrichtung um; die abgekühlten Regeneratoren erhalten durch den
Rauch die verlorene Wärme wieder, während die anderen die Wärme, welche sie
angesammelt haben, an Luft und Gas abgeben. Die Verbrennung wird also durch Fluida
genährt, welche eine sehr hohe Temperatur besitzen und deren erwärmende Thätigkeit
zu einer hohen Stufe gelangt.
Da die Erfahrung zeigte, daß die Erwärmung der Luft allein ungenügende Resultate
liefert, wurde Siemens veranlaßt, den Brennstoff in Gas
zu verwandeln und dieses mit hoher Temperatur zu verbinden. Indem er das Princip der
Gaserzeugung durch unvollständige Verbrennung beibehielt, gab er die Gebläsegeneratoren auf und erfand einen natürlichen Zugofen, welcher bei passend ausgewähltem Brennmaterial
leicht zu betreiben und zu unterhalten ist, nach dem Bedarf die Gasproduction
ziemlich gut regelt und eine Pressung erzeugt, welche das Gas bequem und
ungefährlich bewegt.
Ein leicht brennender Stoff, der seinen Zustand auf dem Rost gar nicht oder nur wenig
verändert, eignet sich am besten zur Gasbereitung. Die Luft durchstreicht leicht die
dicke und gleichförmige Schicht; man braucht keine Esse und hat regelmäßige
Verbrennung. Sie verliert dabei allen Sauerstoff und entweicht bei hinreichender
Temperatur, fast ganz in Kohlenoxyd umgewandelt. Leichte Kohks oder Cinder eignen
sich gut, aber die Großindustrie kann diese Producte nicht anwenden, sie hat mit
seltenen Ausnahmen Mineralkohlen adoptirt, welche neben dem Kohlenstoff noch
flüchtige Producte enthalten, deren Anwesenheit das durch die Verbrennung gewonnene
Gas anreichert. Fast alle Steinkohlen passen, freilich in verschiedenem Grade, zum
Vergasen bei natürlichem Zuge, nur die mageren Kleinkohlen sind ganz unbrauchbar;
sie verstopfen die Roste und verlassen dieselben ohne die geringste Veränderung
erlitten zu haben.
Auch die halbfetten und fetten Kohlen, sofern sie sich in Staubform befinden, geben
keine guten Resultate; ein Theil der ersteren entzündet sich nicht und fällt
hindurch, während die anderen so compacte Kohksklumpen bilden, daß es immerwährender
Arbeit bedarf, dieselben zu zerbrechen und die Oeffnungen zu verstopfen, durch
welche die Luft hervorströmt und das gebildete Gas nutzlos verbrennt. Am besten paßt
die vom Staub
befreite Stückkohle, der Betrieb ist besonders leicht mit halbfetten Kohlen, die
wenig backen und gasreich sind, fast ohne Arbeit niedergehen und ein reiches
Brenngas von niedriger Temperatur liefern.
Beim Verlassen der Generatoren enthalten die Gase gleichzeitig Verbrennungs-
und Destillationsproducte; sie bestehen aus Kohlenoxyd, einfachem und schwerem
Kohlenwasserstoff, Kohlensäure, Wasserdampf und Stickstoff. Das Verhältniß jedes
dieser Elemente wechselt mit der angewendeten Kohle und den Umständen, unter denen
man sie verbrennt.
Aus zahlreichen Analysen, welche unter sehr verschiedenen Verhältnissen ausgeführt
wurden, erhellt, daß bei Oefen in gutem Zustande die Umwandlung der Kohlensäure in
Oxyd um so vollständiger erfolgt, je höher die Temperatur auf dem Roste ist; das
Verhältniß jenes Gases kann auf 4 und 4 1/2 Proc. sinken, dieses dagegen auf 24 und
25 Proc. steigen. Kühlen sich die Herde aber ab, so steigt die Säure auf 8 bis 10
Proc., während das nutzbare Gas auf 15 bis 18 Proc. sinkt. Gleichzeitig bekundet
sich eine bedeutende Abnahme in der Gasentwickelung, welche für die Sicherung eines
guten Ofenganges zu mangelhaft wird.
Der kalte Gang, eigen den schlechten Brennstoffen, kann sich auch bei besseren Kohlen
einfinden, wenn dieselben in zu großen Mengen oder zu naß aufgegeben werden; mäßige
und regelmäßige Chargen und gut aufbewahrte Kohlen, zumal Kleinkohlen, tragen ganz
außerordentlich zu gutem Gange der Generatoren bei.
Die Einrichtung dieser Apparate wechselt mit der Natur der zu verbrennenden Kohle;
fette, in der Hitze zusammenbackende Kohlen können nur auf verticalen oder sehr
wenig geneigten Rostflächen angewendet werden; die Schichten müssen dick seyn, 1,20
bis 1,40 Meter ist keine übertriebene Höhe; zahlreiche Oeffnungen müssen das häufige
Aufbrechen der Kohks gestatten. Für weniger backende Kohlen muß die Neigung kleiner
seyn; 50 bis 55 Grad und eine Schicht Kohle von 0,80 bis 1,00 Meter genügen. Wendet
man sehr magere Kohlen oder kleine Kohks an, so gasen dieselben stets sehr leicht
und die Rostneigung muß sich 45 Grad nähern.
Die Roste werden durch horizontale Treppen oder circa 30
Grad gegen den Horizont geneigte Stäbe gebildet, jene eignen sich für wenig backende
Kohlen, sind leicht zu unterhalten, aber für die Arbeiter ungemein belästigend;
diese passen nur für Fettkohlen, welche voluminöse Kohks bilden und beim Reinigen
nicht massenhaft niedergehen. Eine Combination beider Arten ist oft
vortheilhaft.
Der Querschnitt des Luftzutrittes durch den Rost muß möglichst klein seyn, um über
den Stäben eine sehr lebhafte Verbrennung zu erzeugen. Bei Fettkohlen schadet eine
etwas große Oeffnung wenig, wohl aber bei schwer brennenden Kohlen. Eine freie
Oeffnung von 45 bis 50 Quadratmetern auf jede in 24 Stunden verbrannte Tonne scheint
gute Resultate zu liefern.
Die Anbringung der Generatoren muß zwei Hauptbedingungen erfüllen: sie müssen stets
mehr Gas liefern als nothwendig ist und demselben in den producirenden Theilen und
auf dem ganzen zu durchströmenden Wege hinreichenden Druck geben. Die Anzahl der
Generatoren muß so groß seyn, daß sie immer gewechselt werden können; unter
gewöhnlichen Verhältnissen, d.h. bei Rostflächen von 1,60 bis 1,75 Met. Breite,
verwandelt jeder Apparat in 24 Stunden 1800 bis 2200 Kilogrm. Kohlen in Gas. Je nach
dem vorhandenen Raum vertheilt man die Generatoren in Gruppen oder Batterien; das
Gas vereinigt sich in einem Sammler, welcher für mehrere Oefen gemeinsam seyn kann;
jeder dieser letzteren, wie jeder Gaserzeuger muß leicht und vollkommen von den
übrigen zu isoliren seyn.
Die Pressung ist erforderlich, um in der Brennstoffmasse einen gleichmäßigen Luftzug
zu sichern, um eine natürliche Gascirculation in den langen Canälen zu erzeugen und
um den Rücktritt der Luft zu verhindern, wodurch partielle Verbrennung oder
Explosionen entstehen würden. 3 Meter Niveauunterschied zwischen dem Generatorenrost
und der Ofensohle geben genügenden Auftrieb. Ein so starker Terrainunterschied ist
aber selten vorhanden und hilft man sich dann mit abkühlenden Hebevorrichtungen. Der
ansteigende Theil besteht aus einer Ziegelesse von 4 bis 5 Meter Höhe, welche auf
den Generatoren steht; die Temperatur des Gases entwickelt eine ansteigende Kraft,
die dasselbe in die horizontalen Arme und in die aus Blech bestehenden
niedersteigenden stößt. Hierbei kühlt sich das Gas ab und wenn die Querschnitte
richtig gewählt sind, so erhält es eine doppelte oder dreisache Dichtigkeit, wie die
ursprüngliche; dieß erzeugt die Gasbewegung. Der Querschnitt der Leitungsröhren und
deren Oberfläche können in ziemlich weiten Grenzen variiren. Kohlen, welche ein
reichliches, gutes Gas von wenig hoher Temperatur liefern, brauchen nur 10
Quadratdecimeter Querschnitt und 6 bis 8 Quadratmeter Oberfläche auf jede in 24
Stunden verbrannte Tonne (20 Ctr.) Kohlen. Bei Fettkohlen thut man besser, mit
Rücksicht auf den starken Ruß und die hohe Gastemperatur gegen 12 Quadratdecimeter
Querschnitt nur 15 bis 16 Quadratmeter Oberfläche pro
Tonne zu geben. Unter diesen Umständen können die Gase eine horizontale Entfernung
von über 80 Meter geradlinig oder mehrfach gekrümmt durchströmen und am Canalende
doch noch einige Pressung besitzen. Hier kommen sie fast erkaltet und stark condensirt an, d.h.
vollständig geeignet, die Vertheilungsklappe und das Umsteuerungsventil frei zu
durchstreichen. Aus Gußeisen hergestellt und mit einem Querschnitt zwischen 1/4 und
1/3 desjenigen des unteren Leitungsarmes halten solche Ventile gut. Sie widerstehen
mehrere Jahre, ohne bedeutende Veränderungen zu erleiden.
Die Regeneratoren, deren Zweck wir oben kennen lernten,
sind zu je vieren in zwei Gruppen vertheilt. Die eine Gruppe steht an dem unteren
Theil mit der Gaszuleitung in Verbindung, die andere mit der Luft; beide Fluida sind
sonach während ihrer Erhitzung getrennt und vereinigen sich erst an dem Ofenpunkt wo
die Verbrennung beginnen soll.
Die Regeneratoren werden tiefer gestellt als die Oefen, gewöhnlich befinden sie sich
direct unter diesen und dienen als deren Träger. Bei dieser Anordnung treten Gas und
Luft, durch ihre Erwärmung stark gepreßt, mit Druck in den Ofen, wo die Verbrennung
ohne Luftzutritt erfolgt und unabhängig von der Essenwirkung. Der Zug erfordert
nicht viel über 15 Meter Höhe und an der Essenspitze 6 bis 8 Quadratdecimeter auf
jede in 24 Stunden verbrannte Tonne Kohlen. Auf den Werken, welche der Vegetation
schädliche Dämpfe erzeugen, besonders auf Glashütten welche schwefelsaures Natron
zerlegen, muß man eine genügende Höhe geben, um die stark condensirten sauren Gase
vom Erdboden abzuhalten, deren Einwirkung besonders in der feuchten Jahreszeit
außerordentlich heftig ist. Blecherne Essen sind für die Siemens'schen Oefen nicht vortheilhaft. Die Abkühlung des Rauches und die
Erwärmung von Gas und Luft verlangen, um vollkommen zu seyn, feuerfeste Steine,
deren Größe und Gewicht mit der erzeugten Temperatur und der Brennstoffmenge im
Verhältniß stehen. Sehr große und hohe Regeneratoren sind die besten; man darf sich
vor Uebertreibung der Dimension nicht scheuen. Die Steine bilden geradlinige Canäle,
deren Reinigung leicht seyn muß; dieser Umstand ist für Glashütten wichtig, wo die
in Gasform fortgetragenen Glasstoffe sich in den unteren Ziegelreihen condensiren
und schnell Verstopfungen bewirken.
Die ersten Siemens'schen Regeneratoren waren sehr
beschränkt und ungenügend; der Rauch entwich mit einer Temperatur von 600 bis
700°C. Die Kammerdimensionen wurden allmählich erhöht und erhält jede Gruppe
einen Fassungsraum von 2 bis 3 Kubikmeter auf je eine in 24 Stunden verbrannte Tonne
Kohlen. Die Regeneratoren für die Luft sind 5 Mal so groß als die für das Gas; an
allen aber ist der durch die Steine gebildete Raum genau gleich.
Die durch Anwendung der Regeneratorenöfen erzielte Ersparniß an Brennmaterial war beträchtlich,
aber sehr wechselnd nach den Umständen, unter denen man sie anwendete.
Dieser neue Apparat hat auf den meisten Werken gestattet, die alten Ofendimensionen
bei gleicher Arbeitsdauer bedeutend zu erhöhen, oder die Anzahl der Schmelzungen
unter Beibehaltung der primitiven Anordnungen zu vergrößern. Der Brennstoffaufwand,
sehr oft auch die Arbeit, änderten sich dabei gegen früher nicht und die Ersparniß
war außerordentlich groß.
In anderen Industriezweigen, wo verschiedene zwingende Umstände die Beibehaltung der
alten Oefen bedingten und wo die Arbeitsdauer durch die Ruhezeiten der Arbeiter
begrenzt war, war der Effect weniger auffällig; eine gewisse Kohlenersparniß wurde
dennoch erzielt und außerdem erhielt man einen Apparat von großer
Productionsfähigkeit und Anwendbarkeit, dessen Vorzüge um so mehr hervortreten, je
besser man ihn in der Praxis kennen lernt.