Titel: | Ueber die Verwendungen des Dynamits; von Barbe. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. CXXV., S. 542 |
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CXXV.
Ueber die Verwendungen des Dynamits; von
Barbe.
Aus den Comptes rendus, t. LXXIII p. 1045; October
1871.
Barbe, über die Verwendungen des Dynamit.
Der bekanntlich von dem schwedischen Ingenieur Alfred Nobel erfundene Dynamit wird in Deutschland, Oesterreich, Schweden,
Norwegen, Belgien, England, sowie in ganz Amerika, selbst bis Australien hin, seit
mehreren Jahren in sehr großen Mengen verbraucht. Dieser explosive Körper, dessen
Basis das Nitroglycerin bildet, besitzt die Kraft dieses Sprengöles ohne dessen
Gefährlichkeit.
Ungeachtet der raschen Entwickelung der Dynamitfabrication und der Vortheile welche
die Verwendung dieses Sprengmittels bei bergmännischen Arbeiten darbot, war das neue
Pulver in Frankreich beim Ausbruche des Krieges mit Deutschland beinahe unbekannt.
Das in Paris beim Ministerium des öffentlichen Unterrichtes gebildete
wissenschaftliche Vertheidigungscomité genehmigte die Anwendung des Dynamits
zur Vertheidigung der belagerten Stadt im Principe, und das dem Ministerium der
öffentlichen Arbeiten unterstellte Bewaffnungs-Comité erhielt die
Aufgabe, in Paris eine Fabrik von Nobel'schem
Sprengpulver zu errichten.
Ende Novembers waren in Paris schon zwei solcher Fabriken in Thätigkeit, welche per Tag ungefähr 300 Kilogrm. Dynamit von ziemlich
befriedigender Beschaffenheit lieferten. In den Monaten December und Januar wurden
mit diesem Präparate auf dem Plateau von Avron, in le Drancy, in Buzenval und an
verschiedenen anderen Orten mehrfache militärische Operationen ausgeführt.
Zu derselben Zeit beabsichtigte auch das Vertheidigungs-Comité (Comité d'étude des moyens de
défense) zu Tours den Dynamit anzuwenden und suchte denselben aus
dem Auslande zu beziehen. Dieser Plan scheiterte aber an den vom Kriegszustande
geschaffenen Schwierigkeiten und erst im October war die Delegation der Regierung
der Nationalvertheidigung im Stande, eine Dynamitfabrik in der Provinz zu
errichten.
Dieselbe wurde im äußersten Süden Frankreichs errichtet, an der Mittelmeerküste zu
Paulille bei Pont-Vendres im Departement der Ostpyrenäen. Von Ende November
an vermochte diese Fabrik den Bedürfnissen der Armee Genüge zu leisten und die
Genietruppen waren durch dieses Präparat mit einem mächtigen Vertheidigungsmittel
ausgerüstet.
Seit dieser Zeit steht die Fabrik in regelmäßigem Betriebe und ist nun zu einer rein
industriellen Unternehmung geworden. Sie liefert ungefähr 15000 Kilogrm. Dynamit per Monat für das Kriegs- und Handelsministerium.
Das Gesammtgewicht der bis jetzt fabricirten Producte übersteigt 80,000 Kilogrm.
Die gewöhnlichen Kunden der Fabrik zu Paulille sind Bergbautreibende und Unternehmer
von Tunnels und submarinen Arbeiten in Frankreich, Italien, Spanien, Afrika; das
Etablissement hat sogar eine Versendung nach Mexiko gemacht. Diese Consumenten
finden die Anwendung des Dynamits anstatt der gewöhnlichen Sprengmittel aus
denselben Gründen vortheilhaft, welche die Bergwerksbesitzer und Unternehmer anderer
Länder zu seiner Benutzung veranlaßt haben.
Die sehr lebhafte Wirkung dieses Präparates und seine Eigenschaft unter Wasser zu
explodiren, verleihen demselben einen besonderen Werth beim Arbeiten auf sehr
festem, wie auf sehr klüftigem und sehr wasserreichem Gestein (im schwimmenden
Gebirge).
Bereits mehrfach war man auf Arbeitsplätzen wo das Gestein zu hart oder zu maß war,
um mit gewöhnlichem Sprengpulver in Angriff genommen werden zu können und wo die
Arbeit so wenig fortschritt, daß der Bergmann fast verzweifelte oder daß der
erforderliche Aufwand an Menschenkraft ganz außer Verhältniß zu dem erzielten
Resultate stand, mittelst des Dynamits im Stande den Bergbau mit Vortheil weiter zu
treiben.
Von der großen Ueberlegenheit des Dynamits gegenüber allen bisher angewendeten
Sprengmitteln hat man bei dem der Leitung des Oberingenieurs Chauvizé in Beziers anvertrauten Baue der Südbahn ein sehr
schlagendes Beispiel gehabt.
Der auf der Baulinie Montpellier-Rodez liegende Tunnel von Saint-Xist
wurde, um rascher vollendet werden zu können, mit fünf Richtschächten und Betrieb
von Oertern und Gegenörtern, sowie von Stollen an seinen beiden Mundlöchern,
gleichzeitig in Angriff genommen; dieser Tunnel steht in hartem Jurakalk. Das
Gestein wurde nach kurzer Zeit so wasserreich, daß durch Anwendung von Sprengpulver
und die Benutzung der gewöhnlichen Bohr- und Schießmethode weder die Schächte
noch die Stollen und Strecken in's Feld gebracht werden könnten; inzwischen wurde
der übrige Theil der Bahnlinie vollendet und es ließ sich der Zeitpunkt voraussehen,
wo die Eröffnung derselben durch die Nichtfertigstellung dieser wichtigen Arbeit
aufgehalten werden mußte. Man schritt sonach zur Anwendung des Dynamits. Sobald die
Arbeiter unter der Anleitung ihrer Ingenieure einige Uebung erlangt hatten, rückte
man um 0,30 Meter in den
Abteufen und um 1,30 Meter beim Streckenbetriebe per Tag
vor. Zuletzt blieb in Folge der Ueberfüllung der Eisenbahnen und der dadurch
bedingten Hemmung des Transportverkehres eine bedeutende Ladung von Nobel'schem Pulver einige Wochen lang aus, wodurch man
sich genöthigt satz die Arbeiten mit gewöhnlichem Sprengpulver fortzuführen. Sofort
fiel das Vorrücken beim Abteufen auf 0,08 Meter und beim Streckenbetrieb auf 0,30
Met. per Tag, obgleich dieselbe Arbeiterzahl angelegt
blieb.
Besonders in der Verminderung der Handarbeit stellen sich die Vorzüge des Dynamits
als Sprengmittel heraus. Die Bohrlöcher sind von geringerem Durchmesser, nehmen
jedoch mehr Gestein in der Tiefe weg. Nun bildet aber bekanntlich das Abbohren der
Sprenglöcher den am längsten dauernden Theil der Bohr- und Schießarbeit,
sobald das Gestein hart ist. Der Ankauf des Dynamits kostet ebenso viel und noch
mehr als die entsprechende Menge Pulver, aber die Handarbeit wird in solchem Grade
vermindert, daß die Gesammtausgaben bei der Verwendung des Dynamits sich als
geringer herausstellen, wozu noch kommt daß ein rascheres Vorgehen ermöglicht
ist.
Indessen verliert der Dynamit, welcher zweimal theurer ist als das gewöhnliche
Sprengpulver, von seinen Vorzügen Manches, sobald das Gestein, auf welchem er zur
Verwendung kommt, nicht hart, klüftig oder wasserführend (schwimmend) ist. In
derartigen Fällen leistet das gewöhnliche Pulver bessere Dienste und gestattet einen
vortheilhafteren Grubenhaushalt.