Titel: | Ueber die Carbolsäure Präparate der Firma F. C. Calvert und Comp. in Bradford bei Manchester; von Dr. Herm. Hager. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. CXXVII., S. 548 |
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CXXVII.
Ueber die Carbolsäure Präparate der Firma F. C. Calvert und Comp. in Bradford
bei Manchester; von Dr. Herm.
Hager.
Ueber die Carbolsäure-Präparate von Calvert und Comp. in
Bradford.
Die großartigste Carbolsäure-Fabrik ist die von F. C. Calvert und Comp. in Bradford bei Manchester;
denn sie versorgt alle Welttheile mit ihren in der That vortrefflichen
Carbolsäure-Fabricaten. Von der Güte derselben hat der Verf. sich durch
Autopsie und chemische und physikalische Prüfung überzeugt. Er zählt diese Präparate
hier auf und gibt gleichsam einen Auszug des Preiscourantes der Fabrik.
Medicinische Carbolsäure Nr. 1 zum
inneren Gebrauch. Diese Säure befindet sich in Flaschen von weißem Glase
mit dem Namen der Firma, mit Aufschriften in goldenen Buchstaben etc. Sie wird
flüssig bei 41° C. und ist auflösbar in 20 Theilen Wasser; diese Lösung hat
wenig oder fast keinen Geruch und Geschmack. In der Verdünnung mit 50 Theilen Wasser
wird sie von der Firma auch empfohlen als Gurgelwasser, bei jederlei Krankheit und
Reizung des Halses, Asthma, Aronchitis etc., auch als Einspritzung als ein
herrliches Mittel bei Fällen von Spermatorrhöe. Diese Carbolsäure ist in der That
ganz rein, frei von Wasser, Kresylalkohol und anderen schweren Phenolen.Man s. die Mittheilung von Prof. Church in diesem Bande des polytechn. Journals S. 280
(erstes Novemberheft 1871). Letztere sind zwar auch desinficirende Stoffe, aber weniger löslich in
Wasser.
Carbolsäure Nr. 2 zum äußeren
Gebrauch ist auch eine reine Säure, enthält aber noch 2,6 Proc.
Feuchtigkeit und eine Spur Kresylalkohol. Sie befindet sich in Flaschen mit dem auf
dem Glase abgeformten Namen der Firma, mit Etiquett-Aufschriften in schwarzen
Buchstaben. Sie wird bei 34° C. flüssig und ist in 25 Theilen Wasser
auflöslich. Die Firma empfiehlt die wässerige Lösung dieser Säure auf eiternde
Theile des Körpers, welche üblen Geruch verursachen, sowie auch bei frischen
Verwundungen zum Zwecke der Blutstillung und auch Verhütung der Eiterung der Wunden,
ferner bei Hautkrankheiten, wie z.B. gegen Aussatz, Krätze, Kopfgrind etc. In dem
Verhältniß von 1 Th. Carbolsäure auf 10 Th. Pomade erhält man eine Mischung, welche
sich als Unguentum pediculorum sehr gut eignet. Die
Firma bemerkt von dieser Säure weiter:
Diese Säure löst sich in Glycerin gänzlich auf, und eine solche Lösung ist von
verschiedenen englischen Aerzten mit den allerglücklichsten Resultaten angewendet
worden, um Carbunkel, schorfartige Bräune, Fistel, Hämorrhoiden und Brandschäden zu
heilen; in diesem letzteren Falle kann man mit Vortheil für Glycerin Olivenöl
substituiren im Verhältniß von 10 (besser 15) Th. Oel zu 1 Th. der Säure.
Carbolsäure Nr. 3, welche bei 27° C. flüssig wird.
Diese Säure ist nach der Untersuchung des Verf. als eine 94,5 procentige zu
betrachten, d.h. enthält 5,5 Procent Wasser.Die Trennung und Bestimmung der Carbolsäure bewirkt der Verf. bei der
wässerigen Lösung derselben einfach durch zweimaliges Ausschütteln mit
Chloroform. Der ganze Carbolsäuregehalt des Wassers geht in das Chloroform
über. Sollte die Scheidung der Chloroformschicht von der Wasserschicht nicht
scharf genug seyn, so gibt man etwas concentrirte Glaubersalzlösung dazu.
Enthält die Carbolsäurelösung zugleich mehr als 1/8 ihres Volumens
Weingeist, so ist derselbe durch gelindes Erwärmen im Wasserbade
abzudunsten, nachdem man die Flüssigkeit mit Aetzkalilauge stark alkalisch
gemacht hat. Nach der Verdampfung des größten Theiles des Weingeistes
neutralisirt man mit verdünnter Schwefelsäure oder Salzsäure und schüttelt
die Carbolsäure mit Chloroform aus. Die Chloroformschicht sammelt man in
einem vorher mit Wasser naß gemachten Filter, und wenn der letzte Tropfen
Wasser abgetropft ist, gießt man die Chloroformlösung in ein tarirtes
Schälchen, läßt darin das Chloroform an einem kalten Orte abdunsten, und
wägt.Ist die Carbolsäure mit Kalk, Magnesia, Eisensalz etc. gemischt, so behandelt
man die Substanz mit verdünnter Schwefelsäure, setzt dann ca. 1/5 Volum Weingeist hinzu, läßt die Salze
sich absetzen, macht das Filtrat mit Kalihydrat stark alkalisch, verdampft
den Weingeist im Wasserbade und verfährt wie oben angegeben. Enthält die
Carbolsäuresubstanz Kohle, so ist diese besonders mit verdünnter Kalilauge
zu digeriren. Da sie sich aber erst in 40 bis 50 Th. Wasser löst, so enthält sie einige
Procente Kresylalkohol und andere schwere Phenole. Sie ist hauptsächlich zu
Desinfectionen niederer Art brauchbar.
Preise im Kleinverkauf.
Nr. 1
Flaschen
von
1
4
8
16
Unzen engl.
2,0
4,0
6,50
9,50
Franken.
Nr. 2
„
„
1
4
8
16
Unzen engl.
1,25
2,50
4,0
6,50
Franken.
Nr. 3
„
„
16
Unzen engl.
4,0
Franken.
Von Seifen mit Carbolsäure
verfertigt die Firma Calvert mehrere Sorten. Eine Seife
gegen Hautkrankheiten etc. ist durchsichtig und von rother Farbe, enthält 20 Procent
reiner Säure und darf, wie die Firma bemerkt, nur auf Rath des Arztes gebraucht
werden.
Dr. Erasmus Wilson, der
ausgezeichnetste Arzt in England für Hautkrankheiten, sagt in seiner Zeitschrift,
October 1869, daß diese Arten von Seife äußerst nützlich sind bei folgenden
Krankheiten: Keratoderma (horniger Haut) und Ichtyosis (Fischschuppenaussatz), Hyperidosis
(übermäßigem Schwitzen)
und Osmidrosis (stinkendem Schweiß). Der Haut werde eine
größere Frische verliehen, als durch irgend eine andere Seife. Diese Seifen bieten
zu gleicher Zeit ein Mittel zur Reinigung des Blutes (?) und zur Desinficirung.
Preis im Kleinhandel: Schachtel mit 3 Täfelchen 4 Franken, 1 Täfelchen 1 Fr. 50
Cent.
Die Toiletten-Seifen mit Carbolsäure besitzen
vorzugsweise die antiseptischen und desinficirenden Eigenschaften der Carbolsäure.
Sie erhalten die Haut weiß und bewahren sie vor Reizung und den unangenehmen Folgen
des Schwitzens und der Ausdünstung. Sie sind auch anwendbar zur Reinigung des
Kopfes, um die Bildung von Hautschuppen zu verhindern, um jede Spur von Kopfgrind
etc. zu vertreiben. Sie sind ferner brauchbar gegen Hautausschläge und alle anderen
Hautkrankheiten. Da diese Seifen wegen eines geringeren Carbolsäuregehaltes eine
milde Wirkung haben, so kann man sich derselben ohne weitere Besorgniß sowohl für
die Reinigung der Kinder, als auch für die Toilette erwachsener Personen bedienen.
Die Firma macht darauf aufmerksam: Personen, die an Fieber, Scharlachfieber, Typhus
etc. leiden, sollten sich mit dieser Seife waschen lassen, und diejenigen welche
solche Kranken pflegen oder besuchen, sich auch damit waschen, um so jeder
Ansteckung vorzubeugen. Das Waschen mit dieser Seife soll ein Mittel gegen den Biß
und Stich kleiner Insecten seyn.
Die Firma verfertigt eine besondere Seife zum Waschen der Hunde, welche nicht nur
Flöhe und anderes dergleichen Ungeziefer vernichtet, sondern auch den unangenehmen
Geruch vertreibt, welcher den Hunden zuweilen eigenthümlich ist. Diese Seife ist
natürlich auch ein herrliches Mittel gegen Krätze, Räude und Hautjucken. Preis im
Kleinhandel à Schachtel mit drei Täfelchen 2
Franken, à Täfelchen 75 Centimes. Preis im
Kleinhandel für Hundeseife 75 Centimes per
Täfelchen.Bei Bestimmung der Carbolsäure in Seife schmilzt man in einem Kolben 20 Grm.
der Seife bei Wasserbadwärme in einer verdünnten Schwefelsäure, welche aus
20 Grm. verdünnter Schwefelsäure (1 zu 5) und 80 Kubikcentimetern Wasser
gemischt ist, setzt auf den Kolben einen Kork und schüttelt einige Male
kräftig durch einander, bis in der Ruhe die abgeschiedene flüssige
Fettschicht frei von unzersetzten Seifestückchen erscheint. Man läßt in der
Wärme das Fett sich absondern und erkalten, sammelt die wässerige
Flüssigkeit (wenn nöthig ist sie zu filtriren) und schüttelt sie erkaltet
mit Chloroform aus. Mit der vom Chloroform decantirten Flüssigkeit wird die
Fettsubstanz noch zwei bis drei Mal durchgeschüttelt, damit ihr aller
Carbolsäuregehalt entzogen werde, und die erkaltete wässerige Flüssigkeit
jedes Mal mit einer neuen Portion Chloroform ausgeschüttelt. Auf 1 Th.
Carbolsäure wird man im Ganzen 6 bis 10 Theile Chloroform verbrauchen. Die
Menge Carbolsäure, welche in den 100 Kubikcentimetern wässeriger Flüssigkeit
dennoch zurückgehalten werden könnte, beträgt höchstens 0,025 Grm.
Ueber die Wirkung der Carbolsäure sagt die Firma: Die
Carbolsäure besitzt zwei
Eigenschaften von besonderem Werthe: 1) sie hemmt augenblicklich jede Art von
Fäulniß, und 2) sie zerstört alle faulen Keime, alle Insecten und schädlichen
Pflanzen. In heißen Gegenden dient die Säure dazu, der Zersetzung von Stoffen,
welche dem Thierreiche oder der Pflanzenwelt angehören, Einhalt zu thun, sowie auch
dazu, das Eindringen von Insecten, Ungeziefer und Reptilien in Wohnungen, Gärten
etc. zu verhindern, da diese Thiere gewöhnlich den Geruch der Carbolsäure nicht
ertragen können.
Gebrauchsanweisung für die Carbolsäure im flüssigen
Zustande, Nr. 5. (Diese Sorte wird von dem großbritannischen
Handelsraths-Collegium empfohlen.) Zur Desinficirung soll man 500 Grm. (1
Pfd.) Säure mit 50 Litern (100 Pfd.) Wasser unter starkem Schütteln mischen, ehe man
sich der Säure bedient. Damit besprengt man die zu desinficirenden Orte und Stellen.
Diese Mischung ist vollkommen unschädlich und hat auf Hausgeräthschaften und andere
Gegenstände, so wie auf Holz, Eisen und andere Metalle keinerlei Einfluß. Die
concentrirte Säure ist ätzend; aber man kann die Einwirkung derselben auf die Haut
leicht vermindern, dadurch nämlich, daß man die Haut mit Olivenöl einreibt.
Für Hospitäler, Militärwachen etc. soll man in Zeiten epidemischer Krankheiten eine
Auflösung aus 1 Th. der Säure mit 200 Th. Wasser gebrauchen, um damit die Fußböden
zu besprengen, um die Geräthe und Utensilien damit zu waschen, und um die Geschirre
zu desinficiren.
In den Sälen der Typhus-, Blattern- und Cholerakranken soll man 1 Th.
Carbolsäure mit 40 Th. nassem Sande mischen, und diese Mischung, offen auf Tellern
ausgebreitet, ausstellen, indem man dafür sorgt, die Teller hin und wieder durch
solche mit frischer Masse zu ersetzen. Auch soll man ein Laken, stark mit der
Auflösung der Säure getränkt, vor der Thüre des Krankenzimmers aufhängen, um das
Eindringen der mit Ansteckungsstoff geschwängerten Luft in die anderen Räume zu
verhüten.
Zur Desinfection von Gossen, Cloaken, Abtritten, Pferdeställen, Schlachthäusern,
Fleischmärkten, Schlächterläden, Kellern, Werkstätten etc., wo stets ungesunde
Gerüche vorhanden sind, soll man sich einer Mischung von 1 Th. Carbolsäure mit 100
Th. Wasser bedienen. Diese wird auch empfohlen, um die Höfe damit zu besprengen, um
die Insecten zu vernichten und das Unkraut zwischen dem Steinpflaster auszurotten.
Alles Ungeziefer, namentlich Wanzen, Läuse, Fliegen, Ameisen, Heuschrecken,
Schlangen und anderes kriechendes Ungeziefer, kann mit dieser Mischung vernichtet
werden.
Preis im Kleinhandel für die Säure Nr. 5. Flaschen à 8 Unzen engl. 1 Fr. 50 Cent., à 16 Unzen 2 Fr. 50 Cent. Preis im Großhandel 2 Franken per Liter.
Carbolisirtes Pulver wird in Schachteln verkauft, deren
Decket mit einigen Löchern durchbohrt sind, um die Benutzung des Pulvers zu
erleichtern; es enthält 15 Proc. reine Säure. Die Gebrauchsanweisung sagt: Für
Krankenzimmer breitet man dasselbe auf einem Teller oder in irgend einem anderen
Geschirr aus; das Pulver emittirt dann beständig den Dunst der Carbolsäure, wodurch
die Verbreitung des Fiebers, der Cholera, der Blattern und jeder anderen Krankheit
verhindert wird. Man muß die Masse alle 24 Stunden erneuern. Einem Leichnam muß.
man, ehe man ihn in den Sarg legt, 1 Kilogramm des Pulvers auf den Boden des Sarges
streuen, und ihn mit einem in Carbolsäurelösung getränkten Laken bedecken, um jede
Verbreitung von üblem Geruch und jede Ansteckung zu verhüten. Das Pulver läßt sich
benutzen in Ställen, Retiraden, Abtritten etc., anstatt der aufgelösten, flüssigen
Masse. Um Fleisch vor Fliegen, Würmern etc. zu bewahren und vor Fäulniß zu schützen,
soll man das Pulver auf einen Teller daneben stellen. Dieses
Desinficirungs-Pulver ist in viereckigen Blechbüchsen, im Uebrigen nicht
stark riechend. Man kann es leicht von den Gegenständen wegnehmen und abwischen, auf
welche es zufällig fällt. Das Vehikel ist eine unschädliche, unauflösliche und
unzerstörbare Substanz (Thonerde). Preis des Pulvers im Kleinhandel: in Schachteln
à 1/2 Pfd. engl. 75 Cent. à 1 Pfd. 1 Fr. 50 Cent., à 2 Pfd. 2 Fr. 50 Cent. (Pharmaceutische Centralhalle, 1871, Nr. 35.)