Titel: | Siemens' Patent-Schmelzwanne mit continuirlichem Betriebe auf der Glashütte des Grafen Danneskiold bei Copenhagen. |
Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. IX., S. 14 |
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IX.
Siemens'
Patent-Schmelzwanne mit continuirlichem Betriebe auf der Glashütte des Grafen Danneskiold bei Copenhagen.
Ueber Siemens' Glasschmelzofen mit continuirlichem
Betriebe.
In jeder Glasfabrik findet man ein besonderes Local, nicht selten von bedeutenden
Dimensionen, welches zum Anfertigen, Trocknen und Aufbewahren der Häfen, in denen
die Glasmassen geschmolzen werden, verwendet wird. Ein mit vielen Häfen versehenes
Local ist das beste Zeugniß für den guten und geregelten Betrieb einer Glasfabrik.
Ist nun eine wohl versehene Hafenstube der Stolz des Fabrikanten, so ist sie auch
eine Quelle der Bekümmerniß, wenn diese Reihen sich lichten, und jeder Fachmann
weiß, wie leicht dieß vorkommen kann, wie eine weniger sorgfältige Sortirung des
Rohmateriales oder eine weniger sorgsame Anfertigung (Fehler, welche sich erst nach
Monaten zeigen), oder einige wiederholte Unfälle bei der Auftemperung oder dem
Einsetzen Unordnung in die Hafenstube bringen kann, ohne daß es dem Fabrikanten
möglich ist, diesem Uebel gleich abzuhelfen, und mit Bangigkeit sieht dieser dann
dem Zeitpunkt entgegen, wo er wegen Mangel an hinreichend trockenen Häfen den
Betrieb für längere Zeit einstellen muß.
Weil nun außerdem die Häfen einen großen Kostenaufwand bei dem ganzen Apparat des
Glasschmelzens beanspruchen, so ist es ganz natürlich, daß man in den letzteren
Jahren, wo die Glasfabrication in so mancher Richtung einen rationelleren Weg
eingeschlagen hat, auch diesem Theil der Fabrication die Aufmerksamkeit zugewendet
hat. Die Erfahrung hat gelehrt, daß niedere Häfen mit großer Oberfläche den hohen
und engen vorzuziehen sind, und die Verfolgung dieses Grundsatzes führt leicht auf
den Gedanken, den ganzen beschwerlichen Hafen-Apparat durch einen einzigen
großen Hafen seine Wanne) als Schmelzofen zu ersetzen. Solche Versuche sind auch
– theilweise in ziemlich großem Maaßstabe – vorgenommen worden, haben
aber, so weit mir bekannt, nicht zu dauernd guten Resultaten geführt. Die
Schwierigkeit liegt theilweise darin, ein Material zu finden, welches der
auflösenden Kraft der Alkalien und der geschmolzenen Glasmasse in der Hitze
widerstehen kann, und theilweise darin, die einzelnen Schichten der Glasmasse auf
gleicher Temperatur zu erhalten. Schon in einem gewöhnlichen Hafen kommt es öfters
vor, daß das Glas streifig wird, wenn die Wärmegrade oben und unten im Ofen
verschieden sind; aber solche Verschiedenheiten kommen noch leichter bei der Wanne
vor, weil die große Oberfläche derselben schneller abgekühlt wird, sobald die Arbeitslöcher einige
Zeit geöffnet sind, die mittleren Schichten aber noch dünnflüssig bleiben, während
die niederen durch die äußere Abkühlung schon steif werden.
Ich war eben beschäftigt, einige kleinere Versuche mit Wannenöfen anzustellen, und
hatte zu diesem Zweck einen kleinen Versuchsofen mit regenerativer Gasfeuerung
angelegt, als ich in einer technischen Zeitschrift eine ausführlichere Beschreibung
von Fr. Siemens' neuem Wannenofen las. Die sinnreiche
Weise, auf welche die Aufgabe gelöst war, veranlaßte mich auf dieses Verfahren zu
reflectiren und für die hiesige Fabrik das Patent für Dänemark zu erwerben.
Einerseits um über etwaige Störungen im Betriebe und sonstige Nachtheile, welche das
neue System mit sich führen könnte, Erfahrungen zu sammeln, andererseits um den
bekannten Widerwillen der Glasmacher gegen alles Neue zu überwinden, ließ ich
während des Baues des neuen Ofens meinen kleinen Versuchsofen gleich nach der neuen
Art umbauen. Dieser kleine Ofen war zwei Monate in ununterbrochener Thätigkeit und
wurde erst gelöscht, nachdem der größere Ofen in Gebrauch genommen war. An letzterem
ist jetzt, seit drei Monaten gearbeitet worden, ohne daß der Betrieb irgend einen
Tag unterbrochen worden wäre; jeder Zeit war gutes Glas in reichlichem Maaße
vorhanden.
Das Eigenthümliche bei dem Wannenofen von Siemens besteht
darin, daß der Erfinder die einzelnen Stufen des Schmelzprocesses gesondert hat,
damit jede derselben in einem besonderen Raume ausgeführt werden kann. In dem großen
Schmelzraum wird das Gemenge eingelegt und das Einschmelzen bewerkstelligt. In Folge
seines specifischen Gewichtes sinkt das geschmolzene Glas zu Boden und fließt durch
die dort angebrachten Canäle in den nächsten Raum, wo es in einem dünnen Strom über
eine Brücke geleitet wird, wobei gewissermaßen jedes einzelne Theilchen der
geschmolzenen Glasmasse der unmittelbaren Einwirkung der Gasflamme ausgesetzt ist
Nachdem die Glasmasse hier den größten Hitzegrad überstanden hat, sinkt sie in den
für die Läuterung bestimmten Raum und endlich von diesem in den Arbeitsraum, um dem
Glasmacher zur weiteren Behandlung zu dienen. Die Glasmasse ist demnach, bis sie den
Arbeitsraum erreicht, in einer ununterbrochenen schlangenförmigen Bewegung; jede
einzelne Abtheilung des Glaserzeugungsprocesses (Schmelzen, Läutern und Ausarbeiten)
wird ununterbrochen und zu gleicher Zeit ausgeführt, eine jede in dem dazu
bestimmten Raum, und zwar so, daß zur selben Zeit wo man das Gemenge in das eine
Ende des Ofens legt, die fertige Masse am anderen Ende ausgearbeitet wird. Wir haben
also einen Ofen mit vollständig continuirlichem Betriebe, bei welchem eine Besetzung von
Arbeitern die andere ablöst, und keine andere Unterbrechung vorkommt als die, welche
den Arbeitern zum Ausruhen nothwendig ist; während man bisher einen solchen
continuirlichen Betrieb nur bei den sogenannten französischen Oefen kannte, welche
mit bedeckten Häfen höchstens zu feineren Weißglaswaaren benutzt werden konnten, ist
durch die Erfindung von Fr. Siemens derselbe Endzweck auf
eine weit vollkommenere Weise erreicht worden, und zwar so, daß der neue Ofenbetrieb
sich namentlich für gewöhnlichere Glassorten (wie Bouteillenglas) eignet.
Die Schwierigkeiten, welche bisher mit der Anwendung des Wannensystemes verbunden
waren, sind durch Siemens' Erfindung vollständig
beseitigt. Wie oben erwähnt, bestanden diese Schwierigkeiten namentlich in der
Herstellung eines hinlänglich feuerfesten Materiales zur Anfertigung der Wannen, und
demnächst in der verschiedenen Temperatur der einzelnen Schichten der Glasmasse. In
Siemens' Ofen bleibt dagegen jede einzelne Abtheilung
ununterbrochen auf derselben Temperatur und das geschmolzene Glas fließt in dem
Arbeitsraume in dem Maaße ein, als der Inhalt desselben durch die Ausarbeitung
vermindert wird; zum Erkalten ist keine Zeit gegeben. Daß also der Ofen die bei
gewöhnlichen Oefen bei dem Uebergange von Schmelzhitze zur Arbeitshitze
unvermeidliche Aenderung der Temperatur nicht erleidet, – daß ferner jeder
einzelne Raum immer in derselben Höhe von schmelzender oder geschmolzener Glasmasse
bedeckt und dadurch der unmittelbaren Einwirkung der Hitze entzogen ist, diesen
Umständen müssen wir es zuschreiben daß diese Oefen in viel geringerem Grade als
gewöhnliche Wannenöfen unter der Einwirkung der Hitze leiden; vielleicht müssen wir
es auch, wenigstens in Bezug auf den Boden, der stetigen Bewegung der Glasmasse
zurechnen, daß die geschmolzene Masse außer Stand gesetzt ist, auf einen einzelnen
Punkt einzuwirken; endlich ist es dem eigenthümlichen Verfahren beim Schmelzen (daß
dieses jedesmal nur mit kleinen Einlagen ausgeführt und daß das schmelzende Gemenge
über einen großen Raum verbreitet wird) zuzuschreiben, daß sich keine Glasgalle
bildet und daß diese Oefen weniger als gewöhnliche Glasöfen durch die Alkalidämpfe
angegriffen werden.
Selbstverständlich ist es am rathsamsten, ein so gutes und feuerfestes Material als
nur möglich zu verwenden; daß man sich aber auch mit weniger gutem behelfen kann,
habe ich gefunden, indem ich die zum Boden der Wanne bestimmten Steine nicht in
hinlänglicher Menge zur rechten Zeit geliefert bekommen konnte, und daher einen
Theil des Bodens aus gewöhnlichen englischen feuerfesten Steinen (Ramsay), auf die
hohe Kante gestellt,
bauen ließ, ohne daß sich nur eine Spur von Auflösen des Bodens gezeigt hat. Bei Siemens habe ich eine Wanne gesehen, deren Boden (aus
Sandthon) nach sechsmonatlichem Betriebe vollkommen unbeschädigt war, so daß nur die
Wände einer Erneuerung bedurften.
Indem ich nun zur Besprechung der Vortheile der Siemens'schen Patent-Wanne übergehe, muß ich die Bemerkung
vorausschicken, daß ich die regenerative Gasfeuerung früher nicht angewendet habe,
und daß ich daher nicht mit Sicherheit unterscheiden kann, was in Bezug auf
Brennstoff- und Materialverbrauch der regenerativen Gasfeuerung und was dem
Wannensystem zu Gute kommt. Doch unterliegt es kaum einem Zweifel, daß das
Wannensystem in jenen beiden Punkten unmittelbare große Vortheile mit sich führt,
indem der Wärmeverlust vermieden wird, welcher unter anderen Umständen stattfinden
würde, wenn der Ofen von der Schmelzhitze zur Arbeitshitze gebracht würde, so wie
auch der Wannenofen eine vollständigere Ausnutzung der Hitze gestattet, da das
Gemenge über einen größeren Raum verbreitet wird, und daher die Hitze auf einmal auf
eine größere Masse desselben einwirken kann, als dieses bei einem gewöhnlichen
Schmelzofen möglich ist. Ein Gemenge von so strengflüssiger Beschaffenheit, daß es
in einem gewöhnlichen Glasofen kaum geschmolzen werden könnte, wenigstens nicht ohne
unverhältnißmäßigen Feuerungsaufwand, und welches in einem regenerativen Hafenofen
gewiß sehr lange Zeit zum Schmelzen gebrauchen würde, schmilzt ohne Schwierigkeit im
Wannenofen. Das Gemenge welches ich verwendet habe, besteht aus einem an Kali
ziemlich armen Feldspath in Verbindung mit Kalkmergel und mit Zusatz von Sand,
Flußspath und etwas Kochsalz. Es ist dieß ein Gemenge welches ich in unseren älteren
Oefen gar nicht hätte schmelzen können, und welches jetzt im Wannenofen ein gutes,
vollständig blankes und sehr haltbares Glas gibt. – Als besonderen Vortheil
des Wannenofens muß ich ferner angeben, daß die bedeutenden Kosten der Häfen
gänzlich in Wegfall kommen; der Ofen selbst ist nicht viel theurer als ein
gewöhnlicher Glasofen, und wenn man berücksichtigt daß Boden und Decke mehrere
Campagnen aushalten können, so stellt er sich sogar billiger. Endlich erspart man
den Theil des Gemenges, welches sich in Form von Herd- oder Canalglas sonst
der Bearbeitung entzieht oder höchstens nach einer abermaligen Schmelzung verwendet
werden kann.
Doch besteht der wesentliche Vortheil des neuen Ofens im continuirlichen Betrieb und
in der daraus folgenden größeren Erzeugungsfähigkeit.
Der Betrieb der Bouteillenöfen ist auf den meisten Hütten so geordnet, daß entweder
12 Stunden mit 2 Stunden Ruhezeit (also 10 Arbeitsstunden) 20–21 Mal in 30 Tagen (demnach
200–210 Arbeitsstunden in 30 Tagen), oder 9 Stunden mit 1 Stunde Ruhezeit
(also 8 Arbeitsstunden) 27–28 Mal in 30 Tagen (demnach 216 bis 224
Arbeitsstunden) gearbeitet wird; dagegen kann bei Siemens' Wannenofen dieselbe Zahl von Glasmachern, in zwei Schichten
getheilt, in 30 Tagen 30 Mal 12 Stunden mit 2 Stunden Ruhezeit, also in 30 Tagen 300
Arbeitsstunden arbeiten. Wenn nun auch die Production nicht ganz im Verhältniß zu
der verlängerten Arbeitszeit wächst, so kann sie doch auf diese Weise durch dieselbe
Besetzung um 1/4 bis 1/3 gesteigert werden. Der Arbeitsverdienst der Glasmacher
steigert sich mit der vergrößerten Production; ihre Arbeit ist bei dem neuen System
zwar eine verlängerte, aber sie geht zu geregelten Zeiten vor sich, und
außergewöhnliche Arbeiten wie Häfeneinsetzen, Häfenstopfen, Glasausschöpfen u.s.w.
fallen weg. – Sollte das Verlangen nach achtstündiger Arbeitszeit sich auch
auf die Glasfabrication erstrecken, so wird man demselben ohne Nachtheil entsprechen
können, indem man in 24 Stunden mit 3 Besetzungen anstatt mit 2 wechselt. Die
Glasproduction wird hierdurch noch gesteigert werden, theils weil man die
Ruhestunden erspart, theils weil die Arbeiter in der kürzeren Zeit eine
verhältnißmäßig größere Arbeit liefern als in der längeren Arbeitszeit. – Da
bei Siemens' Wannenofen wie bei jedem anderen Glasofen,
besonders solchen mit Gasfeuerung, der Feuerungsverbrauch keineswegs in dem
Verhältnisse steigt als der Ofen vergrößert wird, so eignet er sich namentlich für
Großbetrieb.
Einen Fehler hat dieser Ofen mit jedem Wannenofen gemein, daß nämlich nur eine Glasmasse oder Farbe gearbeitet werden kann.
Indessen wird man wohl auf den meisten mittelgroßen Hütten, wenn auch unter
eingeschränkteren Verhältnissen, so viele Arten von Bouteillen in derselben Farbe
und Masse herzustellen haben, daß es sich lohnt sie in einem solchen Ofen anfertigen
zu lassen.
Mein Wannenofen ist zwar nicht so groß, als mir erwünscht wäre, ich habe ihn aber
doch mit gutem Erfolge angewandt. Es arbeiten daran 2 Besetzungen à 7 Mann,
deren Production aber so groß ist wie die einer Besetzung von 18 Mann bei einem Ofen
älterer Einrichtung. Siemens hat bei jedem seiner
Wannenöfen 2 Besetzungen à 12 Mann. Von großer Bedeutung für den kleineren
Betrieb wäre es, wenn man den ganzen Ofen durch eine niedere Mauer der Länge nach
theilen könnte, so daß man gleichzeitig in zwei Glasmassen zu arbeiten vermöchte.
Aus Furcht daß sich die Zwischenmauer nicht halten würde, habe ich dieß noch nicht
versucht. Auch habe ich den Wanennofen bis jetzt nur zur Bouteillenfabrication
gebraucht; es scheint aber keinem Zweifel zu unterliegen, daß er zu den meisten anderen
Glassorten zu verwenden ist, besonders zu gewöhnlichem Weißglas.
Bekanntlich hat Siemens continuirliche Häfen nach
denselben Grundsätzen wie die Wannenöfen construirt, welche sich besonders in den
Fällen empfehlen, wo in mehreren Glassorten gearbeitet werden soll. Ich habe sie zu
Medicingläsern in einem gewöhnlichen französischen Ofen mit directer Einfeuerung
angewandt, und zwar mit ziemlich gutem Erfolge; sie eignen sich jedoch besser zur
Verwendung bei Gasfeuerung, da durch diese eine größere Ueberhitze hervorgebracht
werden kann.
Durch Fr. Siemens' Erfindung treten die Glashütten in die
Reihe der geregelten Fabriken ein. Die Uebelstände welche früher der Glasfabrication
dadurch anhafteten, daß die Arbeit zu verschiedenen Zeiten, bald am Tage, bald in
der Nacht ausgeführt werden mußte, und daß die Arbeiter in unmittelbarer Nähe der
Hütte wohnen mußten, um zur Arbeit geweckt zu werden wenn die Glasmasse gaar war,
sind hierdurch entfernt. Die Arbeiter treffen zur bestimmten Zeit in der Hütte ein
und verlassen dieselbe zur bestimmten Zeit, ganz wie in jeder anderen Fabrik. Der
ganze kostspielige Apparat der Arbeiterwohnungen kann also wegfallen, und es ist die
Möglichkeit gegeben, die Glashütten nach den großen Städten, den Plätzen des
Absatzes zu verlegen, wodurch die Entwickelung der Glasindustrie sehr gefördert
würde.
Bernh. Friehling.