Titel: | Zur Chemie der Entglasung; von Dr. H. E. Benrath, d. Z. technischer Director der Glashütte Lisette bei Dorpat. |
Autor: | H. E. Benrath |
Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. X., S. 19 |
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X.
Zur Chemie der Entglasung; von Dr. H. E. Benrath, d. Z. technischer Director der Glashütte Lisette bei
Dorpat.
Benrath, über Entglasung des Glases.
Obgleich nahezu 1 1/2 Jahrhunderte verstrichen sind, seit Réaumur die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen auf die interessante
Erscheinung der Entglasung, das Opak- und Krystallinischwerden scheinbar
homogenen, durchsichtigen Glases, wenn dasselbe längere Zeit hindurch auf der
Temperatur des Erweichens erhalten wird, hingewiesen; ungeachtet zahlreiche
sorgfältige Beobachtungen über das Aeußere der Erscheinung, sowie über die Umstände
und Bedingungen, unter denen sie hier oder dort eingetreten, oder regelmäßig
einzutreten pflegt, in dieser Zeit registrirt worden, stehen wir der Entglasung
dennoch als einer ungelösten Frage gegenüber. Faßt man die übereinstimmenden
Ergebnisse der verschiedenen Arbeiten in Kürze zusammen, so ist constatirt, daß
Gläser der verschiedenartigsten Zusammensetzung unter geeigneten Umständen sich
entglasen, ja daß, wie
Leydholt
Comptes rendus, 1852, t. XXXIV p. 565; polytechn. Journal
Bd. CXXV S. 76. solches nachgewiesen hat, auch scheinbar homogenes, amorphes Glas Krystalle
einschließen könne, und von dem augenscheinlich entglasten somit wohl nur graduell
zu unterscheiden ist, und daß endlich vornehmlich solche Gläser, die mehr
Kieselsäure enthalten, als der Sättigung RO, 3SiO² entspräche, zu rascher und
vollständiger Entglasung geneigt erscheinen.
Was sind nun aber die die amorphe Glasmasse durchsetzenden Krystalle? Sind sie mit
der nicht augenfällig krystallinisch erstarrten Mutterlauge gleich zusammengesetzt,
also krystallisirtes Glas, welche Ansicht in neuester Zeit namentlich von Pelouze
Polytechn. Journal, 1855, Bd. CXXXVII S. 182. vertreten worden; sind sie, was auch behauptet worden, von jener
verschieden, aber unter einander gleicher Zusammensetzung, oder, wie Dumas
Ebendaselbst S. 187 und in seinem Handbuch der angewandten Chemie. solches wiederholt als wahrscheinlich hingestellt, „unbestimmte
Gemenge bestimmter Silicate“ und „ihrer Constitution nach
als Analoga der aus einem Gemenge fester Fettsäuren erhaltenen
Krystallmasse“ aufzufassen?“ Es wäre noch Eines denkbar, und
dieses kommt, allem Anscheine nach, der Wahrheit am nächsten, daß die Krystalle je
nach den Umständen krystallisirte Verbindungen wären, die zu einander in keiner
directen Verbindung zu stehen brauchen.
Pelouze hat bekanntlich die vergleichenden Analysen, auf
die er seine eben angeführte Ansicht stützt, eine Ansicht die mit der sämmtlicher
anderer Autoren, wie Dumas, Splitgerber,Erdmann's Journal, 1849, Bd. XLVIII S. 82; im
Auszug im polytechn. Journal Bd. CXIII S. 28.
TerreilPolytechn. Journal, 1858, Bd. CXLVIII S. 58. u.a.m. im Widerspruche steht, nicht publicirt. Wie jene fand auch ich bei
den nachstehend aufgeführten, von mir untersuchten Probestücken, den
Kieselsäuregehalt der entglasten Fragmente durchgehend größer als den der demselben Handstücke entnommenen unentglasten.
I. Durch wiederholtes Aufwärmen im Kühlofen zum größten Theile entglastes, in den
entglasten Schichten fasergypsähnliche Structur zeigendes Spiegelglas hiesiger
Hütte:
obere u. untere
entglaste Schicht
unentglast
gebliebene Mitte
Kieselsäure
71,08
69,96
Schwefelsäure
0,47
0,51
Thonerde + Eisenoxyd
1,49
2,06
Kalk
15,82
15,31
Natron
12,16
Kali
11,14
––––––––––
––––––––
100,00
100,00
II. Herdglas hiesiger Hütte, in durchsichtiger grüner Masse weiße, zarte,
rosettenartig gruppirte sechsseitige Täfelchen, und strahlig-krystallinische
Knollen einschließend:
Knollen
durchsicht. Masse
Kieselsäure
69,33
69,17
Schwefelsäure
0,42
1,22
Thonerde + Eisenoxyd
7,88
7,23
Kalk
13,13
13,08
Natron
9,24
9,30
––––––––
––––––––
100,00
100,00
III. Versuchsweise hergestelltes Glas, bei langsamem Abkühlen im Schmelzofen
theilweise in kugeligen Körnern entglast:
Entglastes
Unentglastes
Kieselsäure
78,14
77,47
Schwefelsäure
0,52
0,73
Thonerde + Eisenoxyd
1,91
1,92
Kalk
8,88
9,66
Natron
10,55
10,22
––––––––
––––––––
100,00
100,00
Dasselbe Resultat wurde bei der Untersuchung theilweise entglaster Barytgläser
gewonnen (man s. die Abhandlung des Verfassers über Barytgläser im polytechn.
Journal, 1871, Bd. CCII S. 422). Ist nun aber auch aus den eben angefühlten, so wie
aus allen mir bekannten Analysen, ein solcher gesteigerter Kieselsäuregehalt der
entglasten Theile erwiesen, so muß andererseits zugegeben werden, daß die
Unterschiede im Ganzen so geringe sind, daß sie keinenfalls genügen, über die
Constitution der ausgeschiedenen Krystalle auch nur annähernd Auskunft zu geben. Es
kann solches aber nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt daß wir gar keine Garantie
dafür besitzen, daß die als entglast bezeichnete Substanz auch nur annähernd frei
von unverändertem amorphem Glase ist. An grobkrystallinischer Probe kann man sich
oft schon bei genauerer Betrachtung mit unbewaffnetem Auge davon überzeugen, daß wir
es hier stets mit einem Gemenge krystallisirter und unkrystallisirter Materie zu
thun haben; dasselbe findet man bei mikroskopischer Betrachtung der
mikrokrystallinischen Massen. Krystalle und erstarrte Mutterlauge haften dabei
durchgängig so fest aneinander, daß eine mechanische Trennung beider, selbst bei
grobkrystallinischen Proben, nicht ausführbar ist, und so schien mir der Weg den
seiner Zeit Leydholt eingeschlagen hat, um die Krystalle
in scheinbar homogenem Glase nachzuweisen, das Anätzen mit Flußsäure, oder für den
vorliegenden Fall, eine
theilweise Zersetzung der fraglichen Massen mittelst dieser Säure, gerathen, und der
einzige, auf dem möglicherweise brauchbare Resultate gewonnen werden könnten. Ich
behandelte somit meine Proben mit einer zur völligen Zersetzung der fein gepulverten
Masse nicht hinreichenden Quantität wässeriger Flußsäure in der Wärme, entfernte das
Zersetzte, und unterwarf den Rest einer Analyse.
Der Prüfung in dieser Weise wurden zunächst 2 Proben gut durchgeschmolzenen,
fehlerfreien Spiegelglases unterworfen, welche scheinbar homogen, nach erfolgtem
Anätzen doch eine Menge mikroskopischer Krystallnadeln und Nadelcomplexe erkennen
ließen, und deren Zusammensetzung gefunden war:
I.
II.
Kieselsäure
70,05
68,67
Schwefelsäure
Spur
0,80
Thonerde + Eisenoxyd
0,85
2,36
Kalk
16,55
13,75
Natron
12,55
14,42
––––––
––––––
100,00
100,00
Fein gepulvert wurden die Proben mit wässeriger Flußsäure digerirt, abgedampft, mit
überschüssiger Schwefelsäure in üblicher Weise zersetzt, in mit Salzsäure
angesäuertem Wasser aufgenommen und möglichst rasch und vollständig ausgewaschen. I
hinterließ 7 Proc., II 2 Proc. Zersetzungsrest, deren Zusammensetzung:
I.
II.
Kieselsäure
70,34
69,91
Thonerde + Eisenoxyd
1,62
2,40
Kalk
18,53
15,71
Natron
9,51
11,98
–––––––
––––––
100,00
100,00
Bei beiden Gläsern hatte somit eine ähnliche Einwirkung der Flußsäure stattgefunden,
der Kieselsäuregehalt des Rückstandes war nur sehr wenig,
der Kalkgehalt desselben dagegen bedeutend höher, als in dem ursprünglichen
Glase.
In der Erwartung daß gröber krystallinische Massen wo, wie bei der Einwirkung der
wässerigen Flußsäure auf feste Substanz die Größe des Kornes und damit die
Actionsfläche von großem Einfluß auf die Zersetzung seyn mußte, ungetrübtere
Resultate geben würden, unterwarf ich nun der theilweisen Zersetzung das oben
erwähnte entglaste Spiegelglas von der Zusammensetzung:
Kieselsäure
71,08
Schwefelsäure
0,47
Thonerde + Eisenoxyd
1,49
Kalk
15,82
Natron
11,14
––––––
100,00
5,26 Grm. entglaste Substanz wurden, möglichst fein gepulvert, mit Wasser, welchem 5
Proc. concentrirter wässeriger Flußsäure zugesetzt waren, unter stetem Umrühren in
der Wärme digerirt, und zur Trockne verdampft, hierauf durch wiederholte Behandlung
mit rauchender Salzsäure die Fluoride zersetzt, das Lösliche mit salzsäurehaltigem
Wasser aufgenommen, und der Rest sorgfältig ausgewaschen. Die zur Trockne verdampfte
Lösung lieferte an Basen:
Thonerde + Eisenoxyd
0,0260 Grm.
Kalk
0,4180 „
Natron
0,2765 „
––––––––––
Somit, in Beziehung auf die im Glas überhaupt vorhandenen:
Im GanzenvorhandenGrm.
Nach derZersetzungausgezogenGrm.
Somit nach derI. Einwirkungerhalten:
Proc.des Vorhandenen
Bleibenim RestGrm. Proc.
Thonerde + Eisenoxyd
0,078
0,026
33,3
0,052
66,7
Kalk
0,832
0,418
50,0
0,414
50,0
Natron
0,586
0,277
52,8
0,309
47,2
Der Rest wurde einer abermaligen theilweisen Zersetzung unterworfen, und im
Verdampfungsrückstande des Auszuges gefunden:
Thonerde + Eisenoxyd
0,0205 Grm.
Kalk
0,1480 „
Natron
0,1490 „
Somit wie oben dargestellt:
Im 1. RestvorhandenGrm.
AusgezogenGrm.
Ausgezogen,Proc. des erstenRestes
2. RestGrm.
2. Rest, Proc.des
ursprüngl.Vorhandenen
Thonerde + Eisenoxyd
0,052
0,021
40,4
0,031
39,8
Kalk
0,414
0,148
35,7
0,266
22,2
Natron
0,277
0,149
53,9
0,128
21,8
Der im ursprünglichen Glase um ca. 1/3 über den
Natrongehalt steigende Kalkgehalt war somit durch die zwei theilweisen Zersetzungen
dem Natrongehalte nahezu gleich geworden. Nach nochmaliger Einwirkung von Flußsäure,
und Behandlung der Masse wie oben, verblieben an unzersetztem Rückstande 0,586
Grm., also ca. 10 Proc. der ursprünglichen Masse, dessen
Zusammensetzung:
Kieselsäure
78,56
Thonerde + Eisenoxyd
2,56
Kalk
8,79
Natron
10,09
–––––
100,00
Der Kalkgehalt war somit noch weiter gefallen, und enthielt der Rest sehr nahezu
gleiche Aequivalente Kalk und Natron; der Kieselsäuregehalt war um 8,6 Proc.
gestiegen, und schien solches Verhalten darauf hinzuweisen, daß wir das Wesen der
Entglasung in der Ausscheidung saurer, und daher schwerer als die Glasmasse
schmelzbarer Silicate, hier etwa eines Salzes der Zusammensetzung NaO, CaO,
8SiO²:
Kieselsäure
80,3
Kalk
9,4
Natron
10,3
–––––
100,0
zu suchen hätten, was mit den bisherigen Beobachtungen gut
stimmen, und unter Anderem auch das Auftreten von Entglasungserscheinungen bei
nachstehenden von mir untersuchten Gläsern erklären würde.
Opalisirend gewordenes Spiegelglas von Smoljäninow in Rjäsan (Rußland); spec. Gew.
2,412; Zusammensetzung:
Kieselsäure
73,70
Schwefelsäure
0,70
Thonerde + Eisenoxyd
1,89
Kalk
6,53
Natron
17,18
––––––
100,00
Ueberschuß an Kieselsäure über die Sättigung RO, 3SiO² = 2,3 Proc.
Weißes, undurchsichtiges entglastes Glas von Fr. Siemens
in Dresden:
Kieselsäure
73,64
Schwefelsäure
0,38
Thonerde + Eisenoxyd
1,59
Kalk
7,85
Natron
16,54
––––––
100,00
Ja ein von Splitgerber
Erdmann's Journal Bd. LXVII S. 34. untersuchtes, hierher gehöriges Glas könnte als Beispiel für eine Spaltung nach Aequivalenten
aufgeführt werden:
Kieselsäure
77,63
Thonerde
0,59
Kalk
6,25
Natron
15,53
––––––
100,00
oder, nach Abzug von 1,28 Proc. Thon:
Splitgerber's Glas
2 (2NaO, CaO) 21SiO²
Kieselsäure
77,9
77,8
Kalk
6,4
6,9
Natron
15,7
15,3
––––––
––––––
100,0
100,0
Entglasung nach der Gleichung:
2 (2NaO, CaO) 21SiO² = 2NaO, CaO, 9SiO² + 2NaO,
CaO, 12SiO².
Doch, so plausibel solche Erklärung im Ganzen schien, so mußte sie noch experimentell
geprüft, resp. erwiesen werden. Ich stellte mir somit zunächst ein paar Gläser der
Zusammensetzungen 2 (NaO, CaO) 14SiO² und NaO, CaO, 8SiO² dar.
Ersteres zeigte, nach langsamen Erkalten im Schmelzofen, nur an der Oberfläche
Spuren beginnender Entglasung (kleine Krystallwarzen), letzteres dagegen ließ
bereits bei Beginn der Temperaturabnahme in der durchsichtigen und bei raschem
Erkalten scheinbar homogen erstarrenden Masse rundliche Körner erkennen, deren Menge
und Größe allmählich zunehmend, nach erfolgtem gänzlichen Erstarren des Glases, den
ganzen Probehafen bis auf einzelne kleine, durchsichtig gebliebene,
zwischengelagerte Partien erfüllte. Die durchsichtigen Theile ließen sich in
krummschaligen Stücken leicht von den entglasten mechanisch trennen. Zusammensetzung
der
entglasten Masse
durchsicht. Thle.
Kieselsäure
78,14
77,47
Schwefelsäure
0,52
0,73
Thonerde + Eisenoxyd
1,91
1,92
Kalk
8,88
9,66
Natron
10,55
10,22
––––––
––––––
100,00
100,00
Zusammensetzung der entglasten Masse, nach Abzug von Thon und Glaubersalz:
NaO, CaO, 8SiO²berechnet:
Kieselsäure
79,9
80,3
Kalk
9,4
9,3
Natron
10,7
10,4
–––––
–––––
100,0
100,0
War nun die, wie erwähnt, sehr vollständige Entglasung der obigen Masse ein
krystallinisches Erstarren der Verbindung NaO, CaO, 8SiO² gewesen, so mußte,
wurde sie in der bisherigen Weise durch Flußsäure theilweise zersetzt, der
Zersetzungsrest mit der obigen gleiche Zusammensetzung zeigen.
7 Grm. entglaster Masse wurden mit Flußsäure und Schwefelsäure, wie oben, behandelt,
und der Rest ausgewaschen. Es blieben auf dem Filter 1,568 Grm. Substanz der
Zusammensetzung:
Kieselsäure
95,02
Thonerde
0,70
Kalk
1,95
Natron
2,33
––––––
100,00
Bei Wiederholung des Versuches mit ca. 5 Grm. Substanz
gewann ich einen Zersetzungsrest von 0,93 Grm., welcher sich, bei ca. 200maliger Vergrößerung, als aus spärlichen
Glasfragmenten mit unebener, stark zerfressener Oberfläche und kleinen
säulenförmigen Krystallen, so wie aus solchen zusammengesetzten Krystallcomplexen
bestehend erwies, und dessen Procentzusammensetzung war:
Kieselsäure
98,49
Thonerde
0,80
Kalk
0,34
Natron
0,37
––––––
100,00
Hiernach kann es somit keinem Zweifel unterliegen, daß wir es in den obigen Resten,
dann aber auch in dem Glase, dem solche entstammen, mit während des allmählichen
Erkaltens krystallinisch ausgeschiedener Kieselsäure zu thun haben. Diese
Kieselsäure war nicht etwa ungelöst gebliebener Quarz des Gemenges, denn die
durchgeschmolzene Masse ließ, rasch erkaltet, oder zu haarfeinen Fäden ausgezogen,
keine Spur von unverschmolzenen, sonst stets augenfälligen Theilen oder Knötchen,
erkennen.
Hatte nun aber auch bei dem in Rede stehenden sehr sauren Glase eine derartige
Ausscheidung krystallisirter Kieselsäure (die Spaltung RO, 4SiO² = RO,
3SiO² + SiO² erforderte 20,0 Proc., gefunden 18,1 Proc.)
stattgefunden, so konnte es immerhin noch fraglich erscheinen, ob sie stets, z.B.
auch bei der Entglasung basischerer Gläser vorkomme. Andererseits konnten neben der
Kieselsäure auch noch andere krystallinische Silicate auftreten.
Zu einem folgenden Versuche diente ein sehr basisches, durchgängig in einander
durchdringenden, radial-strahligen Sphäroïden entglastes
Bouteillenglas, dessen spec. Gew. = 2,532, die Zusamensetzung:
Kieselsäure
63,91
Schwefelsäure
0,55
Thonerde + Eisenoxyd
13,97
Kalk
14,52
Alkalien
7,05
–––––
100,00
mithin sehr nahe der Sättigung: RO, 2SiO² +
R²O³, 2SiO² entsprechend. Der Behandlung mit Flußsäure wurden
unterworfen 4,5 Grm.; Rest 1,047 Grm., aus farrenkrautähnlichem Krystallcomplexe und
einzelnen säulenförmigen Krystallen, so wie einer geringen Menge stark angefressener
Glasfragmente bestehend. Zusammensetzung:
Kieselsäure
69,95
Thonerde + Eisenoxyd
15,91
Kalk
2,10
Alkalien
12,04
–––––
100,00
Unter der durch das mikroskopische Bild gerechtfertigten Annahme, daß die 2,10 Proc.
Kalk unzersetztes Glas (14,4 Proc.) repräsentiren, berechnet sich die
Gesammtzusammensetzung der Krystalle nach Abzug des Glases auf:
Albit(NaO, Al²O³,
6SiO²)
Kieselsäure
70,9
69,3
Thonerde + Eisenoxyd
16,2
19,1
Natron
12,9
11,6
–––––
–––––
100,0
100,0
welche Zusammensetzung, wie aus der nebenstehenden berechneten
ersichtlich, der des Albits nahe kommt. Da nun aber, nach Kjerulf und Bischof,Chemische Geologie, zweite Auflage, Bd. II S. 393. aus einer gegebenen Gesteinmasse Feldspath krystallisirt, dessen Gehalt an
Kieselsäure ein höherer, als der Durchschnittsgehalt des Muttergesteines an dieser Säure, dieser letztere
aber nuruur
ca. 64 Proc. beträgt, so sieht man sich zu der Annahme
gezwungen, daß auch bei diesem basischen Glase neben einer Oligoklas- (2NaO,
2Al²O³, 9SiO²) Ausscheidung, eine solche von krystallisirter
Kieselsäure stattgefunden.
Aehnliche Ergebnisse, d.h. ebenfalls die gleichzeitige Ausscheidung von Feldspath und
Kieselsäure, gab die Untersuchung eines grobstrahligkrystallinischen Herdglases
hiesiger Hütte, dessen Gesammtzusammensetzung war:
Kieselsäure
70,18
Schwefelsäure
0,33
Thonerde + Eisenoxyd
4,55
Kalk
11,51
Natron
13,43
–––––
100,00
Bei wiederholter partieller Zersetzung gewann ich Reste, aus angefressenen
Glasfragmenten und Krystallcomplexen bestehend, deren Zusammensetzung:
I.
II.
III.
Kieselsäure
76,02
80,30
75,30
Thonerde
5,43
5,32
6,29
Kalk
6,56
5,27
7,09
Natron
11,99
9,11
11,32
––––––
––––––
–––––
100,00
100,00
100,00
welche sich berechnen lassen als:
I.
II.
III.
Oligoklas
23,5
22,9
27,2
Glas (Na,Ca) 0,2 SiO²
46,3
34,0
44,3
krystallis. Kieselsäure
30,2
43,1
28,5
––––––
––––––
––––––
100,0
100,0
100,0
Tritt nun, wie wir gesehen haben, Ausscheidung krystallisirter Kieselsäure auch bei
Gläsern ein, deren Sättigung der Formel RO, 3 SiO² noch nicht einmal
entspricht, so könnte man sich diesen Theil der Entglasung als bei niederer
Temperatur eintretende Spaltung nach der Gleichung:
RO, (2 + x) SiO² = RO,
2SiO² + x SiO²
denken; indeß erscheint es mir sehr fraglich, ob solches der
Fall, ja ob wir es in den unentglasten Gläsern, wenn es solche gibt, deren
Gesammtzusammensetzung den Sättigungsgraden: RO; 3SiO²; RO, 4SiO² etc.
entspricht, notorisch mit dreifach-, vierfach- u.s.w. kieselsauren
Salzen zu thun haben. Dem
ganzen Verhalten des Glases bei Schmelze und Entglasung nach drängt sich, mir
wenigstens, die Ueberzeugung auf, daß wir nicht
drei- oder vierfachsaure Verbindungen, sondern
Lösungen von Kieselsäure in Glas (etwa RO, 2SiO²) vor uns haben, wo
dann, in Analogie mit dem Verhältnisse bei allen Lösungen, verschiedenen
Temperaturen auch verschiedene Maximalgehalte an gelöster Substanz entsprechen. Im
scheinbar homogenen Glase haben wir dann eine rasch erstarrte übersättigte Lösung,
oder eine übereilte, daher unvollständige, unterdrückte Ausscheidung. Treten
geeignete Umstände ein, so ein Wiedererweichen, Bewegung innerhalb der Masse etc.,
so vervollständigt sich die Ausscheidung, und wachsen die Krystalle. Was für die
Kieselsäure gilt, gilt natürlich auch für andere in Glas lösliche Verbindungen,
seyen sie binäre oder complicirte, so auch für den Feldspath. Von diesem
Gesichtspunkte aus erscheinen dann die gewöhnliche Entglasung, das in größeren oder
geringeren Mengen und Krystallen eintretende Ausscheiden von krystallisirtem
Chromoxyd, in Pelouze's Chromavanturin,Polytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXIX S. 155. sowie auch das bei langsamem Erkalten oder beim Wiedererwärmen stattfindende
Trübwerden des phosphorsauren Kalk oder Zinnoxyd enthaltenden Milch- und
Alabasterglases, als ganz analoge Vorgänge. (Im Auszuge
aus des Verfassers „Beiträge zur Chemie des Glases,“ Dorpater
Doctordissertation, 1871.)