Titel: | Ueber Farbenbestimmungen; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. XXXVI., S. 137 |
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XXXVI.
Ueber Farbenbestimmungen; von Dr. C. Stammer.
Stammer, über Farbenbestimmungen.
Wenn auch naturgemäß der Farbe der Zuckerfabricationsproducte ihrer Zusammensetzung gegenüber nur eine
untergeordnete Wichtigkeit zugesprochen werden kann, so sind doch Farbenvergleiche
und Farbenschätzungen so häufig und so nothwendig, daß man sie wohl nur deßhalb noch
nicht durch Farbenmessungen ersetzt hat, weil es bisher an einem allgemein
annehmbaren Mittel hierzu fehlte. Ein großer Theil der eigentlichen Reinigungsarbeit
in der Zuckerfabrication läßt sich auf die Umwandlung eines dunkelgefärbten in ein
mehr oder weniger farbloses Product zurückführen oder ist wenigstens von dieser
Umwandlung unzertrennlich; außerdem beruht unser Urtheil über den verhältnißmäßigen
Werth der Arbeit in gewissen Fabricationsstadien auf dem Vergleich der Farbe, und
für die Werthschätzung der Knochenkohle ist noch immer ihre Entfärbungskraft
entscheidend – kurz die Umstände, welche seit Jahren die Bemühungen nach
Auffindung eines praktischen Farbenmessungsinstrumentes veranlaßten, haben an
Gewicht eher gewonnen, als verloren, trotzdem man beim Handel mit Zucker der Farbe
kein entscheidendes Gewicht mehr beilegt.
Besonders bei der Beurtheilung der Gesammtarbeit bis zur Füllmasse, oder auch der
Filtration allein bildet die Feststellung der Farbe entweder des Endproductes
allein, oder die gleichzeitige der unfiltrirten und filtrirten Säfte (an richtig
entnommenen Durchschnitten) ein sehr wesentliches Moment; allerdings darf diese
Feststellung nicht in der bloßen Beurtheilung nach dem Augenschein bestehen, sondern sie muß, zur Vermeidung grober Irrthümer,
durch wirkliche Farbenmessung vorgenommen werden.
Das von mir vor einer Reihe von Jahren empfohlene ChromoskopPolytechn. Journal, 1861, Bd. CLIX S. 341. erfüllte den beabsichtigten Zweck in zufriedenstellender Weise und ist von
den Chemikern vieler Zuckerfabriken mit Erfolg benutzt worden. Wenn die Bestimmungen
mit demselben vielleicht hier und da der äußersten Schärfe entbehrten, welche man
gewohnt ist, von den Angaben des Polarisationsinstrumentes zu erwarten, so war doch die Genauigkeit für die
zu erzielenden praktischen Zwecke unzweifelhaft vollkommen genügend und die
Feststellung der Farbe in einer für alle Instrumente gleichwerthigen und daher
vergleichbaren Zahl war ein Vorzug, dessen sich kein anderes der bisher vorgeschlagenen oder
empfohlenen Farbenmessungsinstrumente erfreut.
Trotz der guten Eigenschaften des Chromoskopes war ich doch in den letzten Jahren
bemüht, dasselbe durch ein brauchbareres Instrument zu ersetzen, indem sich im Laufe
der Zeit einige Uebelstände herausstellten, welche die allgemeinere Anwendung des
nützlichen Apparates behinderten. Unter diesen ist der allerdings hohe Preis
desselben wohl der hauptsächlichste. Begründet in der Annahme der horizontalen
Beobachtungsröhre von veränderlicher Länge und der dadurch bedingten Gestalt des
Apparates, war der hohe Herstellungspreis nur durch eine wesentliche Abänderung der
Beobachtungsweise zu umgehen. Außerdem Hatte die Anwendung einer normalen
Meßflüssigkeit, so sehr die Leichtigkeit und Sicherheit ihrer Darstellung bestechen
mußte, doch auch ihre mißliche Seiten. Die Farbe derselben war zwar in gewissen
Grenzen Hinreichend constant, nöthigte aber dennoch zur zeitweisen Controlle durch
Vergleich mit einem Normalglase und machte somit die Unabhängigkeit des Instrumentes
von diesem letzteren wenigstens theilweise illusorisch. Ferner trübte sich die
Farbeflüssigkeit oder das Verschlußglas nach längerer Zeit und zwang so zu einer
öfteren störenden Reinigung des Instrumentes. Dieses sind die wichtigsten
Uebelstände, welche sich bei fleißiger Benutzung desselben herausstellten, und
welche zu beseitigen mir endlich gelungen ist.
Das neue Instrument, dem ich den Namen „Farbenmaaß“ beigelegt
habe, unterscheidet sich sehr erheblich von dem alten Chromoskope; es ist schon oben
angedeutet, daß die horizontale Beobachtungsröhre durch eine verticale, die somit
einerseits offen bleiben konnte, ersetzt ist. Damit war allerdings die Anwendung
einer Normalfarbelösung von vornherein ausgeschlossen; als Vergleichsobject habe ich
ein gefärbtes Glas gewählt, welches allen praktischen Anforderungen entspricht, wie
durch zahlreiche Versuche festgestellt ist. Es ist mir so zunächst gelungen, das
Farbenmaaß zu etwa der Hälfte des früheren Preises herzustellen und demselben die
allgemeinere Anwendbarkeit zu sichern. Ohne hier die Art näher zu beschreiben, wie
die Schwierigkeit überwunden wurde, welche die Construction eines Instrumentes bot,
das die Farben voll so sehr verschieden gefärbten Producten, von der hellsten
Deckkläre bis zur dunkelsten Melasse nicht nur zu vergleichen, sondern durch
bestimmte Zahlen festzustellen, dienen sollte, will ich nur erwähnen, daß die Wahl
des geeigneten Glases als Vergleichsfarbe anfangs fast unausführbar erschien. Es
soll dieselbe nicht allein in ihrer eigentlichen Färbung derjenigen der meisten
Fabrikproducte genau entsprechen, um bei den nicht in allzu abnormer Weise davon abweichenden
wenigstens einen genügenden Vergleich zuzulassen, sondern sie muß dabei auch von
derjenigen Dunkelheit seyn, bei welcher die Vergleichung am sichersten geschehen
kann, und mit welcher sowohl die hellsten, wie die dunkelsten Producte gemessen
werden können.
Es ist ferner selbstverständlich, daß auch die Gläser für alle Instrumente genau
gleiche Farbe haben müssen.
Daß diese Bedingungen erfüllt sind, wird die Benutzung des Instrumentes zeigen; ein
hinreichender Vorrath sorgfältigst ausgewählten Glases steht mir zur Verfügung, aus
welchem jedes Instrument vier Farbegläser erhält. Je zwei derselben bilden zusammen
die mit 100 bezeichnete Normalfarbe, während man für besonders helle Flüssigkeiten
ein einzelnes, für dunklere drei oder vier Gläser anwenden kann, die dann die Farben
50, 150 und 200 darstellen. Dabei ist die Einrichtung des Instrumentes eine solche,
daß es sich auf's Leichteste auseinandernehmen und reinigen läßt, ja es genügt für
regelmäßige Anwendung einfaches Ausspülen mit Wasser oder mit der betreffenden
Flüssigkeit. Jede Messung ist in kürzester Zeit beendigt, die Handhabung, wie ich
nach vielfacher Erfahrung versichern kann, eine äußerst praktische, rasche und einfache. Die Rechnung, durch eine der
Gebrauchsanweisung beigegebene Tabelle abgekürzt, kann nach Belieben für eine
bestimmte Dichte oder für einen bestimmten Zuckergehalt ausgeführt und die die Farbe
ausdrückende Zahl für diese angegeben werden.
Gegenüber den anderweiten bisher in Vorschlag, aber für Zuckerfabriken nur in sehr
beschränkte Anwendung gekommenen Farbenmessungsinstrumenten will ich hier nicht die
Einzelheiten bezeichnen, welche bei dem meinigen „neu und
eigenthümlich,“ und die, welche anderen entlehnt sind, aber ich kann
die Ansicht nicht verhehlen, daß nur das meinige eine allgemeinere Anwendung für
alle vorkommenden Bedürfnisse der Fabrikpraxis, sowie einen Vergleich der Angaben
der verschiedenen Instrumente unter sich gestattet. Die
übrigen Instrumente konnten entweder nur zur Bestimmung der Entfärbungskraft der
Knochenkohle, oder zu einer beschränkten Anzahl von Farben-Vergleichen, ohne
sichere Constanz des Vergleichsmaaßes dienen, außerdem untersagt deren Preis jede
größere Verbreitung, welcher auch die Art der Beobachtung überhaupt entgegensteht.
Es gilt dieß ganz besonders von dem Duboscq'schen
Instrumente, wie es von Commerson beschrieben worden
ist.Comptes rendus, 1868, t. LXVII p. 1330; Jahresbericht für
Zuckerfabrication VIII., S. 272.
Nach der Meinung Einiger sollen sich grüne oder graugrüne Farben leichter und
sicherer vergleichen lassen als gelbe. Ich habe dieß bei zahlreichen Beobachtungen
und Vergleichen gar nicht bestätigt gefunden, will aber doch für Diejenigen, welche
die grüne Farbe vorziehen sollten, bemerken daß man hierzu nur ein passend blau
gefärbtes Stück Glasscheibe zwischen das Auge und das Instrument zu bringen braucht,
um je nach der gewählten Schattirung dieses Glases grüne oder graugrüne Farben zum
Vergleich zu erhalten.
Indem ich anführe, daß ich den Verkauf meines Farbenmaaßes Hrn. E. Steinkrautz in Berlin (Charlottenstraße 4) übergeben
habe, lasse ich hier einige Beispiele aus der Praxis folgen, um zu zeigen, in
welcher Form sich die Farbenmessungen darstellen.
1. Farbe eines Rohzuckers. 26,048 Gramme zu 200
Kubikcentimeter gelöst, ergaben am Farbenmaaß und nach der Tabelle die Farbe 5,0.
Dieselbe Lösung zeigte eine Polarisation des Zuckers von 95 Proc., entsprechend
einem Zuckergehalt der Lösung von 11,8 Proc. Auf 100 Zucker ist also die Farbe
42,4.
2. Farbe der Füllmasse. Bei der Rohzuckerfabrication
bildet bekanntlich die Bestimmung der Füllmasse nach Gewicht und Zuckergehalt die
Grundlage für die Berechnung der Auslieferung. Bestimmt man noch die Farbe des
Durchschnittsmusters, so wird das Urtheil über die Qualität der Arbeit
vervollständigt und der Vergleich zwischen verschiedenen Zeiten und Fabriken
ermöglicht. Die Lösung von 26,048 Grm. zu 200 K. C. ergab z.B. die Farbe 1,31. Aus
der Polarisation folgte der Zuckergehalt dieser Lösung zu 10 Proc., derjenige der
Füllmasse zu 80 Proc. Hiernach betrug die Farbe der Füllmasse für 100 Theile Zucker
13 u.s.w.
3. Entfärbung während der Filtration des Dünnsaftes. Ein Durchschnittsmuster des unfiltrirten
Dünnsaftes wog kalt 12 Proc. und polarisirte 10 Proc. Farbe, nach directer Ablesung
und der Tabelle 8,33.
Das entsprechende Durchschnittsmuster des filtrirten Dünnsaftes wog kalt 10,5 Proc.,
polarisirte 9,1 Proc. und zeigte Farbe 1,11. Berechnet man diese Farbe auf gleiche
Schwere mit dem unfiltrirten Dünnsaft, so findet man 1,27. Hiernach betrug die
bewirkte Entfärbung 84,7 Proc. der ursprünglichen Farbe. Rechnet man nach gleichem
Zuckergehalt, so findet man 85,3 Proc., also nahezu Dasselbe; letzteres ist
natürlich richtiger, erfordert aber genaue Zuckerbestimmung.
4. Entfärbung, wie sie während der Filtration des Dicksaftes erzielt wurde.
Dicksaft vor der Filtration 51 Proc.; Farbe nach dem Vermischen mit dem gleichen
Volumen Wasser 5,0, also für den Dicksaft selbst 10. Filtrirter Dicksaft 47 Proc.
schwer, Farbe der auf doppeltes Volumen gebrachten Flüssigkeit 2,17, also des
Dicksaftes 4,34, auf 51 Proc. reducirt 4,72, mithin Entfärbung 10–4,72 = 5,28
oder 52,8 Proc.
5. Entfärbungskraft eines Musters Knochenkohle. Da es bei der Bestimmung derselben auf das Verhältniß
zwischen Kohle und Zuckerlösung, auf Temperatur und Zeit, ja auf die Natur des zum
Versuche benutzten Productes wesentlich ankommt, so ist nur eine vergleichsweise
Feststellung der Entfärbungskraft des Musters mit derjenigen einer Knochenkohle von
bekannter Güte möglich.
Die Farbe einer Lösung irgend eines Rohzuckers oder eines der Fabrication entnommenen
Saftes sey zu 12 gefunden worden bei einer Schwere von 15 Proc. Gleiche Mengen der
zu vergleichenden Kohlen seyen mit gleichen Quantitäten dieser Lösung in gleicher
Weise gleich lange erhitzt worden, und haben nach dem Abkühlen, Filtriren und
Reduciren auf dieselbe Schwere von 15 Proc. als Farben ergeben: bei der
Vergleichskohle 1,5, bei dem zu prüfenden Muster 3,5. Hiernach wäre die
Entfärbungskraft der ersteren 15–1,5 oder 90 Proc., für die letztere
15–3,5 oder 76,6. Diese letztere ist also nur 85 Proc. von jener.