| Titel: | Ueber Zugstörung in Kaminen welche mehreren Stockwerken gemeinsam sind; von Prof. Dr. H. Meidinger. | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. XLIX., S. 185 | 
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                        XLIX.
                        Ueber Zugstörung in Kaminen welche mehreren
                           								Stockwerken gemeinsam sind; von Prof. Dr. H. Meidinger.Aus der vom Verfasser herausgegebenen „badischen Gewerbezeitung für
                                    											Haus und Familie.“
                                 									
                           							
                        Mit Abbildungen.
                        Meidinger, über Zugstörung in gemeinsamen Kaminen.
                        
                     
                        
                           Die bei uns ziemlich verbreitete Bauart der gemeinsamen Kamine, in welche die Oefen
                              									aus den verschiedenen Stockwerken einmünden, hat eine Reihe von gelegentlichen und
                              									dauernden Mißständen im Gefolge, welche zu häufigen Klagen der Bewohner Anlaß geben,
                              									ohne daß jedoch eine Abhülfe möglich wäre. Wie oft kommt es vor, daß in der nicht
                              									geheizten Stube eines oberen Stockwerkes Rauch aus dem Ofen tritt, wenn unmittelbar
                              									darunter Feuer angemacht wird. Gleichfalls ereignet es sich, wenn auch seltener, daß
                              									es unten raucht, wenn oben Feuer angezündet wird. Der Verfasser hat jeden Sommer
                              									wiederholt Gelegenheit, das Letztere auf seinem zu ebener Erde gelegenen Bureau
                              									wahrzunehmen. – Es ist ferner eine bekannte Erfahrung, daß es in oberen
                              									Stockwerken oft kaum gelingen will, ein starkes Feuer in Gang zu bringen und die
                              									Stuben genügend zu durchwärmen, während im untersten Stock (Parterre) das Feuer
                              									stets lebhaft brennt. Die Ursache des schlechten Zuges kann nicht an der geringeren
                              									Höhe der Kamine liegen, denn an anderen Orten zeigt sich auch in oberen Stockwerken
                              									das Feuer untadelhaft; ja mittelst eines kurzen, etwa 3 Meter langen Rohrstückes
                              									läßt sich ein Ofen in bessere Gluth bringen, als bei seiner Verbindung mit dem
                              									Kamine. Untersucht man die Sache näher, so findet man, daß überall, wo das Feuer in
                              									oberen Stockwerken schlecht brennt, die Rauchleitung in einen von unten
                              									aufsteigenden gemeinsamen Kamin einmündet. In oberen Stockwerken, die besondere
                              									Kamine haben, brennt das Feuer immer gut. Letztere Thatsachen sind nicht allgemein
                              									anerkannt, während, der Zusammenhang bei den obigen sich von selbst ergibt.
                           Die Mißstände des gelegentlichen Rauchens in den Wohnungen werden ohne Zweifel von
                              									vielen Baumeistern nicht für erheblich genug erachtet, um von der theils etwas
                              									bequemeren, theils etwas billigeren, theils etwas Raum sparenden Bauart der
                              									gemeinsamen Kamine abzugehen. Uns würde das Rauchen jedoch allein schon ausreichen,
                              									um letztere geradezu polizeilich verbieten zu lassen. Es ist nachgewiesen, daß
                              									Erstickungen bei Schlafenden vorkamen, indem der Rauch eines anderen Stockwerkes in
                              									die Wohnungen einzog, und wenn solche Fälle nicht öfter eintreten, so liegt der Grund
                              									wohl lediglich an dem scharfen Geruch des Rauches, wodurch derselbe bald
                              									wahrgenommen wird und sogar Schlafende geweckt werden, wie dieß dem Verfasser selbst
                              									zweimal begegnete.
                           Wenn es uns gelingt, zum Bewußtseyn zu bringen, daß auch die dauernde Calamität der
                              									ungenügenden Erwärmung in oberen Stockwerken, resp. des schlechten Zuges, eine
                              									nothwendige Folge der gemeinsamen Kamine ist, so vermag vielleicht dieser Hinweis
                              									auf die ihren Zweck großentheils verfehlende Bauart die oben genannten Rücksichten
                              									bei einer unser hausliches Behagen so tief berührenden Frage als nicht mehr
                              									maaßgebend erscheinen lassen.
                           Man vermag experimentell leicht in einer Jedermann verständlichen Weise den Beweis zu
                              									liefern, daß gemeinsame Kamine stets schlechten Zug in oberen Stockwerken zu Stande
                              									bringen, der unter gewissen Bedingungen noch besondere Schwächung erfahren kann. Als
                              									Hülfsmittel hierzu dient ein Apparat, bestehend aus einem senkrechten Rohr, in
                              									welches in geeigneten Abständen drei horizontale Schenkel eingesetzt sind, die
                              									gewissermaßen die Röhrenmündungen dreier über einander befindlichen Stockwerke
                              									darstellen sollen. Das senkrechte Rohr wurde außerdem in 2 Theilen hergestellt,
                              									einem längeren oberen und kürzeren unteren Stück und mit einem Mantel umgeben, um in
                              									den Zwischenraum kaltes oder warmes Wasser gießen zu können; diese Ausführung hat
                              									den Zweck, die Bedingungen des Rauchens zu demonstriren.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 203, S. 186
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 203, S. 186
                              
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 203, S. 186
                              
                           
                              
                              Fig. 4., Bd. 203, S. 186
                              
                           
                              
                              Fig. 5., Bd. 203, S. 186
                              
                           
                              
                              Fig. 6., Bd. 203, S. 186
                              
                           
                           Die Figuren 1–6
                              									zeigen den Apparat vollständig zusammengestellt. Er ruht auf einem gußeisernen Fuß,
                              									über dessen Dorn die unten offene Röhre geradezu gestülpt ist; das große Gewicht des
                              									Fußes (4 Pfd.) schützt den Apparat vollständig vor dem Umkippen. An jeder
                              									Seitenröhre ist ein Schieber mit Blechhülse, in die eine Kerze eingesteckt wird,
                              									angebracht. Die Kerze ist bei den Versuchen so zu richten, daß ihr Rand den Rand der
                              									Seitenröhre gerade berührt, die Flamme erhält dann die richtige Stellung vor der
                              									Oeffnung. Die Oeffnungen der Seitenröhren lassen sich mit Deckeln schließen.
                           Gemeinsame Kamine bewirken schlechten Zug in oberen
                                 										Stockwerken. Der Apparat ist zusammengesetzt wie in Fig. 1. Der Mantel ist zweckmäßig mit Wasser gefüllt,
                              									welches von wenigen (etwa 5) Graden höherer Temperatur ist, als der
                              									Versuchsraum.
                           1. Versuch. Man zündet die vor den drei Seitenröhren befindlichen Kerzen an. Sofort
                              									gibt sich ein bedeutender Unterschied zu erkennen in der Stärke, mit welcher die
                              									Flammen in die Röhren eingeblasen werden: die unterste ist horizontal, die mittlere
                              									etwas schief und die oberste fast senkrecht, nur schwach in die Röhre hineinziehend.
                              									Man bläst jetzt die unterste Flamme aus, dann die mittlere; es gibt sich kein
                              									merklicher Unterschied in dem Verhalten der obersten Flamme zu erkennen. Man setzt
                              									endlich den Deckel auf die unterste und mittlere Seitenrohröffnung (schließt also
                              									den Kamin am dritten Stockwerk gewissermaßen ab); man findet jetzt, daß die oberste
                              									Flamme lebhaft eingeblasen wird (Fig. 2), ebenso
                              									stark wie vorher die unterste Flamme. Umgekehrt: löscht man, während die drei
                              									Flammen brennen, zuerst die oberste, dann die mittlere, dann deckt man auch die
                              									entsprechenden Oeffnungen zu; alles dieß erweist sich ohne Einfluß auf das Verhalten
                              									der untersten Flamme.
                           Aus diesen Versuchen ist der Schluß zu ziehen, daß bei gemeinsamen Hauskaminen, die
                              									gleichweit gebaut sind und in ihrer vollen Weite oben ausmünden, der Zug im
                              									untersten Stockwerk stark und unveränderlich ist; in den oberen Stockwerken ist er
                              									schwächer, und um so mehr, je höher nach oben, dabei ist es gleichgültig, ob unten
                              									Feuer brennt oder nicht. Der Zug ist jedoch auch dann stark in oberen Stockwerken,
                              									wenn dieselben einen besonderen Kamin haben.
                           2. Versuch. Man setzt einen kleinen Hut auf die Ausmündung der Röhre, von 2/3 der
                              									Weite der letzteren. Man wiederholt alsdann die Versuche in derselben Reihenfolge
                              									wie vorher. Es zeigt sich sofort, daß wenn die drei Flammen vor den offenen
                              									Seitenröhren angezündet werden, die unterste stark wie vorher eingeblasen wird, die
                              									mittlere sehr schwach, und die obere wird zurückgeblasen durch einen daselbst aus der Röhre austretenden
                              									Luftstrom; setzt man ein brennendes Rauchkerzchen in den unteren oder mittleren
                              									Schenkel, so sieht man Rauch aus dem obersten Schenkel heraustreten (s. Fig. 3). Schließt man die beiden unteren Seitenrohre,
                              									so wird die oberste Flamme wiederum stark in der Weise eingeblasen, wie in Fig. 4. Es ergibt sich hieraus, daß Verengerungen des
                              									Kamines an seiner Ausmündung, die so häufig absichtslos vorgenommen werden, indem
                              									ein rundes Rohr auf den gemauerten viereckigen Kamin aufgesetzt wird, um die
                              									Ausströmung des Rauches über den Dachfirst zu ermöglichen, sich bei gemeinsamen
                              									Kaminen sehr nachtheilig auf den Zug in oberen Stockwerken erweisen, während das
                              									unterste davon nicht berührt wird, ebenso wenig ein einfacher Kamin.
                           Der Grund dieser Erscheinung ist darin zu suchen: Eine mit warmer Luft erfüllte, oben
                              									geschlossene Röhre zeigt in Folge des Ueberdruckes der äußeren kälteren Luft eine
                              									von unten nach oben zunehmende Spannung, deren größte Stärke am oberen Ende von der
                              									Höhe der Röhre und dem Temperaturunterschied der inneren und äußeren Luft abhängt.
                              									Wird die Röhre oben ganz geöffnet, so entströmt die warme Luft und es gibt eine
                              									dauernde aufwärts gerichtete Luftströmung, wenn die Röhre, oder vielmehr die Luft in
                              									derselben, erwärmt wird. Ebenso kann die warme Luft auch durch Oeffnungen an jeder
                              									tieferen Stelle der Röhre ausströmen und sie wird solches selbst fortsetzen, nachdem
                              									oben an der Ausmündung nur ein kleiner Durchlaß hergestellt ist, durch welchen die
                              									warme Luft nicht genügend rasch entweichen kann, so daß immer noch ein geringer
                              									Ueberdruck derselben gegen die Rohrwandung vorhanden bleibt. Wird im untersten
                              									Stockwerk eines dreistöckigen Hauses Feuer gemacht und deckt man den Kamin oben zu,
                              									so zieht der Rauch in das oberste Stockwerk, oder wenn hier die Rohrklappe
                              									geschlossen seyn sollte, in das mittlere Stockwerk hinein; dabei kann das Feuer
                              									unten trefflich brennen. Diese wie alle anderen berührten Thatsachen lernte
                              									Verfasser in eigener Erfahrung kennen. Der Verfasser bewohnt in Carlsruhe allein ein
                              									schmales dreistöckiges Haus; eines Tages erfüllte sich der mittlere Stock mit dem
                              									heftigsten Rauche; Feuer brannte bloß im untersten Stock und lebhaft. Die
                              									Untersuchung ergab, daß die Deckplatte des dem Kamin aufgesetzten Rohrstückes durch
                              									Abrosten der Verbindung niedergesunken war und die Ausmündung des Kamines somit
                              									völlig geschlossen hatte. Der Rauch trat nun da, wo er seinen nächsten Ausgang fand,
                              									im mittleren Stock, aus; das obere Stockwerk, wo sich die Schlafstuben befinden, hat
                              									einen besonderen Kamin. Bei dieser Gelegenheit möge noch die Bemerkung beigefügt
                              									werden, daß in diesem mittleren Stock bei starkem Frost die Stuben kaum zu
                              									erwärmen sind, während im obersten Stock mit seinem besonderen Kamin (natürlich auch
                              									im untersten) die Erwärmung zu jedem gewünschten Grade gebracht werden kann.
                           Aehnlich wie eine Verengerung an der Ausmündung des Kamines verhält sich starker
                              									Wind; derselbe treibt bei gemeinsamen Kaminen lediglich in den obersten Stock das
                              									Feuer oder den Rauch hinein, die tieferen Stockwerke bleiben unberührt; bei
                              									Stockwerken mit eigenem Kamin wird der Einfluß des Windes auf den Zug durch die Form
                              									des Kamines an der Ausmündung bedingt.
                           Die folgenden Versuche sollen die Bedingungen zur Anschauung
                                 										bringen, unter welchen beim Feuermachen Rauch in einem anderen Stockwerk
                                 										austreten kann.
                           3. Versuch. Man füllt den unteren kleinen Mantel mit Wasser von circa 10 Grad höherer Temperatur als die umgebende Luft,
                              									den oberen Mantel mit möglichst kaltem Wasser; Brunnenwasser von 9° R. reicht
                              									aus, wenn die Luft mindestens 15° R. hat. Das mittlere Seitenrohr bleibt
                              									geschlossen, das oberste und unterste sind offen; in das letztere wird ein
                              									brennendes Rauchkerzchen hineingestellt. Man nimmt sofort wahr, daß der Rauch
                              									desselben gänzlich aus dem obersten Schenkel heraustritt (Fig. 5). Das oberste Seitenrohr wird jetzt geschlossen, das mittlere
                              									geöffnet, der Rauch tritt jetzt hier aus. Ist somit ein Kamin in seinem oberen
                              									Theile kälter, in seinem unteren wärmer als die äußere Luft, so zieht der Rauch,
                              									wenn im unteren Stockwerk Feuer angemacht wird, oben in die Stuben hinein. Es sucht
                              									nämlich die im kalten Kamintheil befindliche Luft niederzusinken, die im warmen
                              									Theil befindliche Luft aufzusteigen. Beide nehmen ihren gemeinschaftlichen Ausgang
                              									an einer vorhandenen Zwischenöffnung. Dieser Fall des Rauchens wird nicht feiten
                              									beobachtet, insbesondere wenn auf Frost milde Witterung folgt.
                           4. Versuch. Man füllt die beiden Mäntel mit möglich kaltem Wasser (von mindestens 6
                              									Grad niederer Temperatur als die Luft); das mittlere Seitenrohr bleibt vorerst
                              									geschlossen. Man stellt ein brennendes Rauchkerzchen in den obersten Schenkel;
                              									sofort nimmt man wahr, daß der Rauch zum untersten Schenkel heraustritt und dauernd
                              									diesen Weg allein nimmt (Fig. 6). Ebenso nimmt der
                              									Rauch diesen Ausgang, wenn das oberste Rohr geschlossen und in das mittlere das
                              									Kerzchen eingestellt wird. Ist also ein Kamin seinem ganzen Verlaufe nach kälter als
                              									die äußere Luft und man macht in einem oberen Stockwerk Feuer an, so raucht es
                              									unten, die in dem Kamin niedersinkende kalte Luftströmung zieht den Rauch mit in die
                              									Bewegung hinein. Das Feueranmachen im untersten Stockwerk würde in diesem Falle nicht
                              									gelingen, bevor nicht der Rückzug durch starkes Feuer innerhalb des Kamines
                              									unterdrückt wäre.
                           Alle die im Vorhergehenden in ihren Ursachen nachgewiesenen, oft so empfindlichen
                              									Zugstörungen können nicht zur Entstehung kommen, wenn jedem Stockwerk ein besonderer
                              									Kamin zugetheilt wird. Auch in einem gleichen Stockwerk sollte ein Kamin von nicht
                              									mehr als zwei Oefen den Rauch ableiten; am zweckmäßigsten würde es selbst seyn,
                              									jedem Ofen einen besonderen Kamin zu geben. Verschiedene Ofenleitungen, die aus dem
                              									gleichen Stockwerk in einen Kamin münden, wirken zwar auch etwas zugmindernd auf
                              									einander, doch rufen sie nie die oben erwähnten Störungen hervor.
                           Der beschriebene Zugapparat wird von Blechner Schlebach u.
                              										Sohn in Carlsruhe zu dem Preise von 3 Thlrn.
                              									geliefert. Der Verfasser hat eine besondere Anweisung dazu gefertigt, in welcher die
                              									Versuche der Reihe nach, verbunden mit kurzen Erläuterungen, angeführt sind. Der
                              									Apparat darf als ein treffliches physikalisches Lehrmittel für Schulen angesehen
                              									werden, um der Jugend das Verständniß für einen in unser häusliches Leben so tief
                              									eingreifenden Vorgang zu eröffnen und ihr die Mittel an die Hand zu geben, denselben
                              									richtig zu leiten. Es gibt dabei wenig Vorrichtungen, welche gleich einfach und
                              									billig, den Geist in ähnlicher Weise zu beschäftigen geeignet sind.