Titel: | Ueber die Erzeugung von Kälte und die Fabrication von Eis mittelst Methyläther, nach dem Verfahren von Tellier. |
Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. LI., S. 191 |
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LI.
Ueber die Erzeugung von Kälte und die Fabrication
von Eis mittelst Methyläther, nach dem Verfahren von Tellier.
Tellier's Eiserzeugung mittelst Methyläther.
Der Berichterstatter der Zeitschrift Engineering
besichtigte kürzlich in Auteuil bei Paris eine interessante Fabrik welche von Hrn.
Tellier, dem Erfinder einer
Eisbereitungs-Maschine, dirigirt wird, und theilt darüber Folgendes mit.
Tellier's Verfahren beruht auf der Verdunstung von
Methyläther. Dieser ist bekanntlich eine dem gewöhnlichen Aether analoge Verbindung
von der Formel C²H³O, welche durch Einwirkung von Schwefelsäure auf
Methylalkohol oder Holzgeist (C²H⁴O) entsteht. Der Methyläther ist
aber weit flüchtiger als der gewöhnliche Aether; er ist nämlich bei gewöhnlicher Temperatur und
gewöhnlichem Druck gas- oder dampfförmig und läßt sich nur durch starke
Abkühlung oder Zusammendrückung zu einer Flüssigkeit verdichten. Diese siedet unter
dem Druck einer Atmosphäre schon bei circa 21° C.
Der Methyläther kann hiernach bei gewöhnlicher Temperatur nur unter beträchtlichem
Druck in flüssigem Zustande erhalten werden. Tellier hält
immer eine hinreichende Menge desselben in gußeisernen Gefäßen, die einen Druck von
10 Atmosphären aushalten können, vorräthig. An jedem solchen Gefäße befindet sich
ein kleiner Hahn, welcher so vorgerichtet und gedichtet ist, daß kein Methyläther
entweichen kann. Wenn derselbe geöffnet wird, tritt Methyläther aus dem Gefäße
heraus an die Luft; er verwandelt sich dabei augenblicklich in Dampf und absorbirt
dabei eine große Menge Wärme. Ein solches Gefäß mit Methyläther bildet hiernach ein
ergiebiges Kältereservoir, und es ist, wenn man den verdampften Aether nicht wieder
gewinnen will, sehr einfach, augenblicklich Eis zu bereiten; Tellier hat auch vorgeschlagen, diese Methode anzuwenden, wenn es sich
darum handelt, z.B. für chirurgische Zwecke schnell kleine Mengen von Eis zu
beschaffen, und dasselbe auf andere Weise nicht zu erlangen ist.
Bei der Fabrication von Eis und der industriellen Erzeugung niedriger Temperaturen
muß man aber selbstverständlich den verdampften Methyläther verdichten, um ihn
wiederholt benutzen zu können, und dieß geschieht dadurch, daß man den Dampf einem
starken Druck aussetzt. Die Wirkung des Apparates beruht dann auf der beständigen
Circulation derselben Masse von Methyläther, welche abwechselnd einfach durch
Austritt aus einem Gefäß verdampft und durch Compression verdichtet wird. In ein
hölzernes, mit einer Umhüllung von Stroh und Filz versehenes Gefäß bringt man eine
Flüssigkeit, welche eine hinreichend niedrige Temperatur ertragen kann, ohne zu
frieren; gewöhnlich benutzt man dazu eine Lösung von Chlorcalcium in Wasser. In
dieser hölzernen Kufe ist eine Reihe von Röhren, umgeben von einem cylindrischen
Mantel, angebracht. Mittelst einer rotirenden Pumpe wird die Flüssigkeit aus der
Kufe heraus gezogen und durch die Röhren hindurch wieder in dieselbe hinein
getrieben; es findet also eine beständige Circulation der Flüssigkeit statt, und
dadurch wird in der Flüssigkeit, in welche die Formen mit dem Wasser, welches
frieren soll, eingetaucht sind, allenthalben eine nahezu gleiche Temperatur
unterhalten. Der in einem Gefäß von der Form eines stehenden Cylinders enthaltene
Methyläther tritt in den Mantel welcher die Röhren umgibt, breitet sich als Dampf
über die große Oberfläche der letzteren aus und entzieht ihnen Wärme, kühlt also die
in ihnen circulirende Flüssigkeit ab. Eine von einer Maschine getriebene Pumpe zieht den Methylätherdampf
aus dem anderen Ende des cylindrischen Mantels wieder heraus und treibt ihn wieder
in den erwähnten stehenden Cylinder, wobei er sich wieder zur Flüssigkeit
verdichtet; das Niveau des flüssigen Methyläthers in dem Cylinder wird in dieser
Weise fast constant erhalten. Alle Röhren (natürlich nicht die in dem Mantel
befindlichen) sind dicht mit schlechten Wärmeleitern überzogen, mit Ausnahme einiger
Theile, welche mit aus der Feuchtigkeit der sie umgebenden Luft entstandenem Eis
bedeckt bleiben, und dazu dienen., daß die mit dem Betriebe des Apparates
beauftragten Arbeiter um so leichter erkennen können, ob derselbe functionirt. Die
Pumpe ist in einem doppelten Mantel eingeschlossen, und in dem ringförmigen Raume um
den Körper der Pumpe circulirt beständig ein Strom von kaltem Wasser, um die bei der
Compression des Methylätherdampfes frei werdende Wärme aufzunehmen. Alle
Vorsichtsmaßregeln sind getroffen, um das Entweichen von Dampf, welches sowohl einen
Verlust bedingen, als auch wegen der Brennbarkeit des Dampfes gefährlich seyn würde,
zu verhüten. Alle Dichtungen sind aus Kautschuk hergestellt, da diese Substanz der
Einwirkung des Methyläthers gut widersteht. Die Hähne haben Schraubenenden, welche
in spitze Kegel auslaufen, und sitzen auf einer Bleiliderung. Der Pumpenkolben ist
mit metallenen Liderungsringen versehen; die Liderung der Kolbenstange besteht aus
zwei Ringen, zwischen denen beständig ein Oelstrom unterhalten wird. Das Oel fließt
aus einem Reservoir in einem gleichmäßigen, dünnen Strahl in die Liderung, dringt
dann in den Körper der Pumpe und geht mit dem Methyläther in die Gefäße. Der größere
Theil desselben wird nachher abgesondert, indem man die Mischung durch eine
Seihvorrichtung gehen läßt; aber gleichwohl ist der Oelverbrauch sehr bedeutend.
Die Temperatur der Chlorcalciumlösung wird auf – 10° C. erhalten. Das
producirte Eis ist weiß, mit unregelmäßiger Krystallisation.
Um eine niedrige Temperatur für technische Zwecke hervorzubringen, läßt man die kalte
Chlorcalciumlösung in dem abzukühlenden Raume circuliren, indem man sie abwechselnd
immer wieder durch die Röhren der Kufe leitet, um sie wieder abzukühlen. Der Verf.
hat im Sommer 1871 bei dem wärmsten Wetter bei Tellier
Kammern angetroffen, in denen derselbe auf diese Art die Temperatur auf –
2° C. erhielt.
Das Tellier'sche Verfahren wird bereits in vielen
Industrien, wie in Brauereien, in Stearinkerzen-Fabriken, bei der Fabrication
von Nitroglycerin, bei der Krystallisation von Salzen, bei der Präservation von
Fleisch angewendet. Besonders in letzterer Hinsicht hat Tellier sehr gute Erfolge erzielt. Das Verfahren zum Präserviren des
Fleisches, welches er
anwendet, ist in unserer Quelle nur ganz kurz und undeutlich beschrieben; er wendet
aber darnach nicht bloß Kälte an, sondern stellt auch ein Vacuum her. Tellier beschäftigt sich jetzt mit dem Project, in
Australien nach seinem Verfahren fabrikmäßig Fleisch zu präserviren, und dasselbe
dann auf mit Kühlmaschinen versehenen Schiffen nach Europa zu importiren. (Engineering, September 1871, S. 179; polytechnisches
Centralblatt, 1872 S. 38.)