Titel: Der patentirte Röhrenkessel von Paucksch und Freund; beschrieben von Theobald Obach, Ingenieur.
Fundstelle: Band 204, Jahrgang 1872, Nr. IV., S. 13
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IV. Der patentirte Röhrenkessel von Paucksch und Freund; beschrieben von Theobald Obach, Ingenieur. Aus der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines, 1872 S. 52. Mit Abbildungen auf Tab. I. Paucksch und Freund's Röhrenkessel. Im Nachstehenden mache ich einige Mittheilungen über einen Röhrenkessel, welcher in Deutschland große Anerkennung gefunden hat, und dessen Einführung in Oesterreich ich mir zur Aufgabe gemacht habe; es ist dieß der den HHrn. Paucksch und Freund in Landsberg a. W. patentirte Röhrenkessel, bei dessen Construction vorzugsweise die erleichterte Reinigung der Röhren und des Kesselkörpers in Betracht gezogen ist. Ehe ich diese Kessel näher beschreibe, will ich einige Bemerkungen über Röhrenkessel im Allgemeinen machen. Als bekannt darf ich voraussetzen, daß die Röhrenkessel mit Bezug auf schnelle und wohlfeile Dampfbildung jeder anderen Kesselconstruction vorzuziehen sind. Alle bisherigen Systeme leiden jedoch unter dem gemeinsamen Hauptfehler der schwierigen und oft unmöglichen Reinigung. Daß schlechte Reinigung beim Röhrenkessel unfehlbar Durchbrennen der Röhren, Undichtwerden, Zerspringen der Röhrenplatten u. dergl. zur Folge hat, weiß jeder Fachmann und Industrielle. Die Röhrenkessel mit Feuer um die Röhren haben noch gewöhnlich den Nachtheil eines zu geringen Wasserinhaltes. Zur Entfernung des Kesselsteines oder zur Verhinderung der Bildung desselben hat man vielseitige Versuche gemacht; es haben sich jedoch weder die mechanischen noch die chemischen Mittel in der großen Praxis bewährt. Meiner Ansicht nach ist die glücklichste Lösung der Frage über Beseitigung dieser großen Calamität eine Kesselconstruction, welche es ermöglicht, die Ausscheidungen des Wassers auf einer Stelle im Inneren des Kessels anzusammeln, die vom Feuer nicht berührt wird, und von welcher sie leicht entfernt werden können. Kommt einer solchen Kesselconstruction noch der allgemeine Vortheil der Röhrenkessel zu gut, nämlich die Verdampfung durch dünnwandige Röhren, vermeidet sie dagegen die den Röhrenkesseln bisher anhaftenden Mängel, ist sie dabei zweckmäßig ausgerüstet und dauerhaft, so kann man einen solchen Kessel nach praktischen Begriffen als nahezu vollkommen betrachten. Der von Paucksch und Freund angefertigte Kessel ist aber berechtigt, auf diesen hohen Grad von Brauchbarkeit Anspruch zu machen Wie aus Figur 11, dem Längenschnitt, und Figur 12, dem Querschnitt, ersichtlich ist, besteht der Kessel aus einem cylindrischen Mantel, welcher an zwei aufgebördelte Böden genietet ist. Diese Böden bilden die Röhrenplatten, in welche die Röhren eingesetzt sind; je nach dem Durchmesser des Kessels werden diese Böden durch 2 bis 4 Längsanker mit einander verbunden. Die Röhren gehen durch die ganze Länge des Kessels und sitzen in den Röhrenplatten mit abgedrehten Anschlußflächen ohne irgend vernietet, verstemmt oder verschraubt zu seyn, wie ich später beschreiben werde. Ihre Vertheilung im Körper des Kessels ist eine solche, daß zwei Gruppen gebildet werden, zwischen denen ein freier Raum bleibt, in welchem ein erwachsener Mann sich leicht bewegen kann. An dem vorderen Boden ist ein Hals angebracht, der mit einem Deckel verschließbar ist. Derselbe dient als Mannloch und als Schlammsammler. Der Dom ist ohne alle Winkelversteifungen aufgesetzt, die Kesselarmatur ist die landesübliche, der Rost ist gewöhnlich ein Planrost. Die Ausrüstung des Ofens besteht außer den üblichen Schiebern etc., in einer gußeisernen Stirnplatte, welche mit den Zugverschlüssen, den Feuerungsthüren etc., und überdieß mit zwei großen Reinigungsthüren versehen ist, die je eine Röhrengruppe decken. Die Kessel werden angefertigt von: 3–6 Fuß Durchmesser, 8–18 Fuß Länge, 28–96 Feuerröhren, 160–1400 Quadratfuß Heizfläche. Die Blechstärke hängt vom Durchmesser des Kessels ab. Die Röhren haben für alle Kessel 2 1/2 Zoll lichte Weite und 1/8 Zoll Wandstärke. Ich will nun die Vortheile der einzelnen Anordnungen in der Construction, sowie die Manipulationen mit den Röhren näher beschreiben. Die Einsetzungsweise der Röhren ist sehr einfach. Die Röhren sind nirgends befestigt; sie sind nur durch Druck in die Löcher der Platten hineingepreßt. Am oberen und unteren Ende der Röhren ist eine Verdickung, welche je aus einem schwach conisch abgedrehten Ringe gebildet ist, der auf das Rohr gelöthet wurde. Die Böden sind conform ausgebohrt; das Einpressen der Röhren geschieht in der Weise, daß eine Stange durch das Rohr geschoben wird, welche auf einer Seite, nämlich dem dickeren Ende des Rohres, eine Platte trägt, die auf das Rohr drückt, während auf der anderen Seite eine hohle Kappe aufgesteckt wird, die an der Röhrenplatte aufsitzt; zu Folge der Höhlung kann das Rohr mit diesem Ende über die Rohrplatte hervortreten. Das Ausziehen der Röhren geschieht in der gleichen Weise ebenfalls mit der Stange; es wird nur die Scheibe an Stelle der Kappe und diese an Stelle der Scheibe gesetzt. Sowohl beim Einziehen, als auch, wenn nöthig, beim Ausziehen kann mit Hammerschlägen nachgeholfen werden, die auf das verdickte und angestählte Ende der Stange gegeben werden. Die Behandlungsweise der Röhren ist daher eine sehr einfache und ich bezeichne dieß als den ersten und hauptsächlichsten Vortheil. Ein zweiter Vortheil der dem Paucksch- und Freund'schen Kessel zu gut kommt, ist das glücklich gewählte Anbringen des Einsteighalses; dieser ist nämlich durch die Einmauerung vor dem Feuer geschützt und befindet sich also in ihm das Wasser in Ruhe, es wird sich daher in ihm vorzugsweise der Schlamm ansammeln, wodurch die Kesselsteinbildung wesentlich vermindert ist. In der That zeigt sich bei Abnahme, des Deckels, daß sich der Schlamm in einer nach dem Kessel zu verdünnten Schicht abgelagert hat. Zur Entfernung dieses Schlammes während des Betriebes geht durch den Deckel ein Rohr mit Hahn, wodurch von Zeit zu Zeit abgeblasen wird. Dieser Hals hat noch einen anderen nicht unwesentlichen Zweck, nämlich den, daß sich der Kesselbesitzer ohne schwierige Besteigung des Kessels selbst von der Beschaffenheit des Inneren überzeugen kann. Die Kesselsteinbildung ist durch erwähnte Anordnung ziemlich beseitigt und es kann nun als dritter Vortheil hervorgehoben werden: „Die Anordnung des Feuers unter dem Kessel.“ Dadurch sind die Röhren und Röhrenplatten nicht direct der Stichflamme ausgesetzt, so daß diesen eine größere Dauerhaftigkeit gesichert ist. Diese Anordnung gestattet ferner die Anwendung eines geräumigen Rostes, auf dem sich gutes und schlechtes Brennmaterial langsam und vollständig verbrennen läßt. Als vierten Vortheil kann ich die praktische Ausrüstung des Ofens bezeichnen. Die Stirnplatte trägt, wie erwähnt, außer den Feuerungsthüren, Zugverschlüssen etc. noch die Reinigungsthüren für die Röhren; es kann somit die ganze Bedienung und Reinigung von vorn geschehen. Die Reinigung der Röhren kann während des Betriebes geschehen; denn wenn eine der Thüren geöffnet wird, so ist auf dieser Hälfte der Zug unterbrochen, während er auf der anderen Hälfte fortwirkt, was dadurch ermöglicht ist, daß eine Trennungswand zwischen die beiden Thüren eingesetzt ist. Der Heizer kann daher die Röhren mit einer Krücke durchfahren und die Flugasche in den dafür bestimmten Raum hinter den Kessel stoßen, ohne von der Hitze irgend belästigt zu werden. Besonders bei schlechtem Brennmaterial ist diese leichte Reinigungsweise von großer Wichtigkeit. Als fünfter Vortheil, den diese Kessel mit den übrigen Röhrenkesseln gemein haben, ist noch zu erwähnen, daß sie im Verhältniß zu ihrer Heizfläche weniger Raum brauchen und weniger Gewicht haben, als z.B. ein Cornwall-, Bouilleur- oder sonstiger Cylinder-Kessel. Durch die angeführten Constructions Vortheile ist auch der große Erfolg des Paucksch- und Freund'schen Kessels erklärt. In einer Fabrik in Schlesien wurden einige Verdampfungsversuche gemacht, worüber die Civilingenieure Schwanitz und Serger in der von ihnen veröffentlichten Brochüre wie folgt berichten: „Zu unseren Untersuchungen bot uns die Zuckerfabrik der Herren Barone von Richthofen zu Gutschdorf in Schlesien eine passende Gelegenheit dar, da sich daselbst neben einem von Paucksch und Freund gelieferten, und seit vorigem Jahre im Betriebe befindlichen Röhrenkessel, auch noch Kessel anderer Construction, namentlich ein seit Kurzem aufgestellter Cornwall-Kessel im Betriebe befanden, so daß sich daselbst vergleichende Untersuchungen an den verschiedenen Kesselconstructionen anstellen ließen. Die von uns vorgenommenen, nachstehend näher beschriebenen Verdampfungsversuche, zu denen der Director obiger Fabrik, Hr. Fuchs, bereitwilligst die Erlaubniß ertheilte, fanden unter Assistenz desselben am 11. d. M. statt. Zu diesen Versuchen diente uns: 1) Ein Cornwall-Kessel von 6 Fuß 4 Zoll Durchmesser, 30 Fuß Länge, mit zwei durchgehenden Feuerröhren von 30 Zoll innerem Durchmesser und einer gesammten Feuerfläche von 797,7 Quadratfuß. Die Rostfläche betrug 25 Quadratfuß und befindet sich dieselbe innerhalb der beiden Feuerröhren. 2) Ein Röhrendampfkessel von 6 Fuß Durchmesser, 18 Fuß Länge, mit 96 durchgehenden Feuerröhren von 2 1/2 Zoll Durchmesser und einer gesammten Feuerfläche von 1355 Quadratfuß. Die Rostfläche betrug 25 Quadratfuß. An jedem dieser beiden Kessel war ein patentirter Wassermesser von Siemens und Halske in Berlin angebracht. Das Heizungsmaterial bestand aus niederschlesischer, aus Waldenburg bezogener, sogenannter Kleinkohle Nr. 3. Das Speisewasser hatte einen Wärmegrad von 45° R. Die Zeit der angestellten Versuche dauerte 10 Stunden, während welcher Zeit jedem dieser Kessel 5200 Pfund Kohle zugewogen und auch verbraucht wurden. Die Kohlen waren mehr oder weniger gefroren. Die Höhe des Wasserstandes beider Kessel wurde beim Beginn der Versuche genau festgestellt und bei Beendigung derselben in gleicher Höhe übernommen. Der Stand der beiden Wassermesser wurde gleichzeitig notirt. Die Dampfspannung in beiden Kesseln betrug während der Versuchszeit constant circa 60 Pfund. Nach Verlauf der Mündigen Versuche ergaben sich folgende Resultate: ad I. Der Cornwall-Kessel hatte mit den verbrauchten 5200 Pfund Kohlen nach Ausweis des Wassermessers 15,8 Kubikmeter = 31,600 Zollpfund Wasser verdampft, also: mit 1 Pfund Kohle 6,08 Pfund Wasser. ad II. Der Röhrenkessel hatte mit dem gleichen Quantum Kohlen von 5200 Pfund nach dem Ausweise des Wassermessers 21,2 Kubikmeter = 42,400 Zollpfund Wasser verdampft, also: mit 1 Pfund Kohle 8,15 Pfund Wasser. Zieht man den großen Durchmesser beider Kessel mit entsprechend hohem Dampfraume und einem hinlänglich großen Dampfdome in Betracht, – ferner, daß während der Versuchszeit die Dampfspannung constant blieb, und der Dampfverbrauch ein gleichmäßiger war, so ist ein Mitfortreißen von Wasser nicht anzunehmen, eventuell müßte dieser Umstand bei beiden Kesseln gleich groß aufgefaßt werden.“ Nach Ausweis vorstehend gegebener Zahlen verdampft somit der Röhrenkessel mit 1 Pfund Kohle 2,07 Pfund, also 1/3 Wasser mehr als der Cornwall-Kessel, bei der Anwendung der Röhrenkessel obiger Größe. Der Grund liegt indessen nicht allein in der dem Wasser durch die vielen Feuerröhren günstigen Zuführung der Wärmeeinheiten, sondern auch darin, daß die Feuerröhren während des Betriebes des Kessels gereinigt werden können. – In der Zuckerfabrik Gutschdorf geschieht dich alle 24 Stunden. Die Einrichtung, welche in der Anordnung der Einmauerung der Röhrenkessel für das Reinigen der Röhren getroffen ist, dient auch dazu, die höchst vortheilhaft in die Böden eingesetzten Feuerröhren nöthigenfalls leicht auswechseln zu können. Die in der Fabrik der HHrn. Paucksch und Freund selbst angestellten Versuche ergaben folgende Resultate: Bei Feuerung mit niederschlesischer Stückkohle aus Waldenburg verdampfte 1 Pfund Kohle 9,071 Pfund Wasser. Bei Feuerung mit schlesischer Stückkohle (Grube Mathilde) verdampfte 1 Pfund Kohle 9,796 Pfund Wasser; bei Feuerung mit westphälischer Stückkohle (Grube Herne-Bochum bei Herne) verdampfte 1 Pfund Kohle 9,7983 Pfund Wasser. Diese Zahlen sprechen besser, als meine früheren Erklärungen für die vorzügliche Leistung der Kessel. Man hat diese günstigen Resultate anfänglich bezweifelt und die Behauptung aufgestellt, daß das Wasser in den Kesseln nicht verdampft, sondern mit fortgerissen worden sey. Diese Angriffe veranlaßten die HHrn. Paucksch und Freund, Verdampfungen mit offenem Kessel, d.h. bei geöffnetem oberen Mannloche vorzunehmen; aber auch diese Versuche ergaben ein nicht minder günstiges Resultat: 1 Pfund englische Steinkohle verdampfte 8,875 Pfund Wasser. Es sind ähnliche Resultate in der Praxis bisher nur selten und bei ganz neuen Röhrenkesseln erreicht worden; das eigene Interesse der Kesselbenützer dürfte es daher dahin bringen, daß in Zukunft nur noch Röhrenkessel mit den erwähnten Constructionen und praktischen Vortheilen der Paucksch- und Freund'schen Kessel angewandt werden. In nächster Zeit werden einige dieser Kessel auch in Wien im Betriebe seyn. Den Locomotivbauern empfehle ich, Versuche mit der Einsetzungsweise der Röhren auch bei Locomotiven zu machen, denn bei Locomobilen hat sie sich vorzüglich bewährt. Es soll mich freuen, wenn ich durch diese kurze Mittheilung das Interesse der Industrie unterstützt hätte, sowie ich mich auch für jede weitere Auskunft bereit erkläre.

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