Titel: | Resultate der in Preußen gemachten Versuche mit der Einrichtung einer telegraphischen Verbindung zwischen Reisenden und Fahrpersonal in den Eisenbahnzügen. Zusammengestellt im königl. preuß. Handelsministerium, November 1871. |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. XXVI., S. 106 |
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XXVI.
Resultate der in Preußen gemachten Versuche mit
der Einrichtung einer telegraphischen Verbindung zwischen Reisenden und Fahrpersonal in
den Eisenbahnzügen. Zusammengestellt im königl. preuß. Handelsministerium, November
1871.
Versuchsresultate mit einer telegraphischen Verbindung zwischen
Reisenden und dem Fahrpersonal in dem Eisenbahnzügen.
In Folge des Erlasses des kgl. preuß. Handelsministeriums vom 26. Januar 1869 sind
die Versuche über die telegraphische Verbindung in den Eisenbahnzügen zwischen den
Reisenden und dem Zugbegleitungs-Personal auf den preußischen Eisenbahnen
fortgesetzt und ist darüber Folgendes an Se. Excellenz den Hrn. Handelsminister
berichtet worden:
Die Direction der oberschlesischen Eisenbahn hat das von der
Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn angewendete elektrische System
während des Winters 1869–1870 bei den zwischen Cosel und Myslowitz
coursirenden Localzügen in Gebrauch gehabt.
Die Erstarrung der angewendeten Daniell'schen Batterie und
demzufolge Unterbrechung der Wirkung ist schon bei mäßiger Kälte eingetreten.
Außerdem werden zum Zweck des dauernden Gebrauches der Einrichtung mannichfache
Abänderungen der Details für erforderlich gehalten. Auf Grund der gewonnenen
Erfahrung erachtet die Direction das elektrische System, da dasselbe einer zu
sorgfältigen Behandlung und einer ganz besonderen Aufsicht bedarf, nicht für
geeignet, um unter allen Umständen den zu erreichenden Zweck sicher zu stellen und
bemerkt, daß ein dringendes Bedürfniß zu einer solchen oder ähnlichen Einrichtung
sich bisher auf den Bahnstrecken ihrer Verwaltung nicht geltend gemacht hat.
Das Directorium der Berlin-Potsdam-Magdeburger
Eisenbahn-Gesellschaft hat (vom November 1869 bis März 1870) einen Courierzug
zwischen Berlin und Cöln mit einem pneumatischen Klingelzug ausgerüstet. Die
Einrichtung hat sich im Allgemeinen bewährt, doch ist bis jetzt noch kein Fall
vorgekommen, in welchem dieselbe zur Anwendung gebracht wäre. Sie besteht darin, daß
eine Hauptleitung von Bleiröhren unter den Wagen entlang und zwischen denselben, mit
übersponnenen Gummiröhren verbunden, nach dem Zugführer-Coupé im
Packwagen geführt wird, wo sich ein Wecker-Apparat befindet. Um letzteren in
Thätigkeit zu setzen, resp. die an demselben befindliche Arretirung zurückziehen zu
können, ist in jedem Wagen (unter einer Bank verdeckt befestigt) ein
blasebalgartiger Ballon angebracht, welcher aus einander gezogen werden kann und
dadurch die Luft in der Hauptleitung verdünnt. Das Auseinanderziehen des Ballons
geschieht durch ein Gewicht, dessen Auslösung wiederum von jedem einzelnen
Coupé und von den etwa vorhandenen Bremssitzen, also auch von dem im Dienst
befindlichen Aufsichtspersonal aus geschehen kann. Zu diesem Zweck befinden sich in
den Zwischenwänden der Wagen und in den Bremshäuschen birnenartige Luftballons,
welche durch einen für gewöhnlich mit einem Glase überdeckten Knopf gedrückt werden
können, wodurch die Luft in der von jeder solchen Birne nach dem oben erwähnten
Apparate führenden Nebenleitung in Bewegung gesetzt und sowohl das Gewicht, als auch
eine nach außen fallende Scheibe ausgelöst wird. Diese Nebenleitungen bestehen
gleichfalls aus Bleiröhren.
Die Direction der Berlin-Görlitzer Eisenbahn-Gesellschaft hält
telegraphische Apparate der gedachten Art auf den Zügen überhaupt nicht für
nothwendig, schlägt jedoch für den Fall, daß dergleichen Einrichtungen getroffen
werden sollten, die Einführung des Sprechrohres vor.
Die Direction der niederschlesisch-märkischen Eisenbahn hat eine
Communications-Vorrichtung zwischen den Reisenden und dem Zugpersonal
mittelst elektrischer und pneumatischer Apparate bei den zwischen Berlin und
Oderberg coursirenden Eilzügen und in den zwischen Berlin und Breslau fahrenden
beiden Personenzügen eingeführt. Nach den bisher gemachten Beobachtungen functionirt
der Apparat zweckentsprechend, auch hat eine mißbräuchliche Anwendung desselben
seitens des Publicums nicht stattgefunden.
Die Verwaltung der Cöln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft berichtet über
die von der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn in dem Courierzuge
zwischen Cöln und Berlin getroffene pneumatische Einrichtung, daß der Apparat nicht
immer den Anforderungen, welche an ihn gestellt werden mußten, entsprochen habe. In
einzelnen Fällen hat die Klingel zu läuten angefangen, ohne daß das Personal oder
ein Reisender dazu Veranlassung gegeben hatte. Zur Zeit, als Schneewetter, Frost und
Regen abwechselnd eintraten, zeigte sich auch, daß die Klappe, welche an dem Wagen
sich öffnen soll, wenn ein Signal gegeben ist, eingefroren war.
Die Direction der rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft, welche keine Versuche
mit der Einrichtung einer telegraphischen Verbindung bei den Zügen angestellt hat,
motivirt dieß dadurch, daß in jedem der rheinischen Bahnzüge Wagen fremder
Verwaltungen laufen, welche nach bestimmter Reihenfolge einrangirt seyn müssen und, weil dieselben
nicht mit entsprechendem Leitungsapparat versehen sind, die Anbringung einer
durchgehenden Verbindung unmöglich machen. Außerdem wurde die Verbindung auf ihren
Zügen dadurch entbehrlich, daß sämmtliche Stationen mit wenigen Ausnahmen in kurzer
Entfernung von einander liegen, und daß die Schaffner bei dem auf den rheinischen
Bahnen gebräuchlichen Billetrevisions-Verfahren fast fortwährend sich auf den
Wagentritten den Coupés entlang bewegen und in steter persönlicher Verbindung
mit den Reisenden bleiben können.
Die Direction der westphälischen Eisenbahn hat zur telegraphischen Verbindung einen
pneumatischen Klingelzug-Apparat in zwei auf der Strecke
Münster-Holzminden, resp. Warburg coursirenden Personenwagenzügen seit Mai
1868 und April 1869 eingerichtet. Die Kosten für je einen aus drei Personenwagen und
einem Gepäckwagen bestehenden Zug haben 350 Thaler betragen. Im Allgemeinen haben
sich diese Klingelzug-Apparate gut gehalten und functionirten im März 1870
noch ebenso gut als zur Zeit der Neubeschaffung. Ein Gebrauch von diesen
Klingelzug-Apparaten ist indessen bisher, nachdem dieselben zwei Jahre in den
Zügen vorhanden gewesen sind, von dem reisenden Publicum noch nicht gemacht worden,
auch ist kein Fall des Mißbrauches vorgekommen.
Die Direction der Ostbahn hat bei einem in den Eilzug zwischen Bromberg und
Alexandrowo eingestellten Packwagen, einem Postwagen und einem Personenwagen ohne
Verbindung mit der Locomotive die Versuche mit der im Jahre 1868 getroffenen
elektrisch-telegraphischen Einrichtung fortgesetzt. Dieselbe ist jedoch dem
reisenden Publicum noch nicht durch Bekanntmachung zur Benutzung überwiesen worden.
Es sind einzelne Unterbrechungen theils durch Beschädigung der Verbindungsstücke,
theils durch Ermittelung geeigneter galvanischer Batterien zur Erzielung einer
constanteren Stromstärke herbeigeführt worden. Die Einrichtung kann nach den
Ergebnissen der Versuche bei Anwendung großer Aufmerksamkeit in Unterhaltung und
Behandlung der galvanischen Batterie und in der Lösung und Wiederanbringung der
Verbindungsdrähte zwischen den einzelnen Wagen betriebsfähig unterhalten werden und
erscheint zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet; sie muß jedoch, ehe sie
zur allgemeinen Einführung empfohlen werden kann, weiter erprobt und resp. in
einzelnen Theilen verbessert werden. Namentlich sind die Isolatoren an den
Kopfwänden der Wagen und die Verbindungsstücke stark genug zu construiren, da
dieselben beim Auf- und Absteigen der Schaffner und beim Kuppeln der Wagen
leicht beschädigt werten. Die angewendete Batterie von sechs Daniell'schen Zink-Kupfer-Elementen (die ursprüngliche Zahl von zehn Gläsern
konnte der kurzen Leitung wegen auf sechs reducirt werden) blieb in letzter Zeit,
wenn die Kette während des Aufenthaltes des Zuges in Bromberg und Alexandrowo
mehrere Stunden hinter einander geöffnet wurde, drei bis vier Wochen constant und
bedurfte die Ankerstellung des Elektromagnetes während dieser Zeit keiner
Regulirung, auch gab dieselbe keine willkürlichen Signale durch die Erschütterung
während der Fahrt. Gegen Einfrieren ist die Batterie durch Aufstellung im geheizten
Packmeister-Coupé gesichert worden.'
Die Direction der Saarbrücker Eisenbahn hat mit der im Jahre 1868 getroffenen
Einrichtung der elektro-telegraphischen Verbindung in den Zügen weitere
Versuche angestellt. Die Vorrichtung functionirte während vier Monate in
befriedigender Weise und haben sich besonders zwei Hauptbestandtheile derselben,
nämlich die Signalgeber der Coupés und die Verbindung der einzelnen Wagen
unter einander, bewährt; hingegen hat sich bei der zum Betriebe der Vorrichtung
dienenden Batterie und bei dem Signalwecker für das Maschinenpersonal eine
Abänderung der Constructionsprincipien als nothwendig erwiesen.
Die Batterie, aus Elementen nach Siemens und Halske mit Diaphragma von Papiermasse bestehend, zeigte
nicht die durchaus nothwendige andauernde Betriebsfähigkeit und bedarf überhaupt
einer fast permanenten Aufsicht. Diesen Mängeln wurde durch Anwendung von Elementen
nach Léclanché vollständig abgeholfen. Die
Léclanché'schen Elemente wirkten ein
volles Jahr lang constant und erforderten bei dieser Standfähigkeit unbedeutende
Aufsicht, sowie sehr geringen Aufwand an Material, auch sichert die eigenthümliche
vierkantige Form dieser Elemente eine solide Verpackung, welche wegen der
Erschütterung während der Fahrt unbedingt nöthig ist.
Der Signalwecker für das Maschinenpersonal ist weggelassen worden, weil das
gewünschte Resultat damit nicht erreicht werden konnte, und ist nur der kleinere im
Zugführer-Coups befindliche Signalwecker bestehen geblieben. Die Verbindung
des Zugführers mit dem Maschinenpersonal soll durch eine mit der Dampfpfeife in
Connex gebrachte Signalleine hergestellt werden.
Die Frage, ob ein Bedürfniß zur allgemeinen Einführung einer telegraphischen
Verbindung zwischen sämmtlichen Wagen auf den Personenzügen vorliegt, glaubt die
Direction verneinen zu müssen.
Die Direction der hannoverschen Eisenbahn hat Versuche mit einem
elektrisch-optischen Signal angeordnet, indessen bisher in Folge der
Kriegsereignisse noch nicht zur Ausführung gebracht.
Die Direction der Bebra-Hanauer Eisenbahn hat Versuche mit elektrischem System unter Anwendung
von Léclanché'scher Batterie angestellt und
zwar vorläufig nur eine Verbindung von zwei Coupés eines Personenwagens mit
dem Zugführer-Coupé im Packwagen zur Ausführung gebracht. Zur
Allarmirung des Maschinenpersonales diente eine vom Zugführer gehandhabte
Signalleine. Bei den Versuchen gelang es, den Zug auf ebenen und wenig geneigten
Strecken innerhalb 30 Secunden, auf Gefällstrecken von 1 : 100 innerhalb einer
Minute zum Stehen zu bringen.
Die Direction der nassauischen Eisenbahn hat mit dem von Prudhomme erfundenen elektrischen ApparatBeschrieben im polytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXXI S. 166. Versuche in einem Personenzuge ungefähr zwei Monate lang angestellt und
spricht sich günstig über die Functionirung des Apparates aus. Von Seiten des
Publicums hat keine Benutzung desselben stattgefunden.
Die Direction der bergisch-märkischen Eisenbahn hat für die neuen Wagen zu den
Courier- und Schnellzügen der Route Berlin-Aachen die Anlage einer
Röhrencommunication für pneumatische oder elektrische Signalisirung vorgesehen,
jedoch Versuche noch nicht angestellt. Auf den Local-Routen sind diese
Versuche nicht zur Ausführung gebracht, weil die außerordentlich schwankende
Frequenz der einzelnen Verkehrsabschnitte, verbunden mit der im Interesse der
Wagenausnutzung gebotenen Dirigirung der Trains von Hauptlinien nach Zweigbahnen und
umgekehrt einen steten Wechsel in der Zugstärke bedingt. Die Direction hält darum
eine Communication zwischen sämmtlichen Wagen für nicht geeignet und meint, daß
jeder Wagen für sich auszurüsten sey, ferner, daß es genüge, durch eine helltönende
Glocke, deren Zuggriff eventuell mit dünner Glasplatte abzuschließen wäre, den
nächsten Bremser zu allarmiren, von welchem die Hülfe direct oder durch Herbeirufen
des Zugführers zu erfolgen hätte, wobei ein Anhalten des Zuges möglichst vermieden
werden müßte. Anstatt der Glocke könnte auch ein Knallsignal Anwendung finden.
Es mag hier noch ein vom Major Westkered erfundener und
demselben patentirter Zugsignal-Apparat, welcher auf der
London-Brighton und Süd-Küste-Eisenbahn geprüft worden ist,
Erwähnung finden. Dieser zur Verbindung zwischen den Passagieren, den Schaffnern und
den Locomotivführern eines Zuges construirte Apparat wirkt mechanisch und ist dabei
die Reibung im Vergleich zu anderen ähnlichen Einrichtungen auf ein Minimum reducirt
worden.
Die Vorrichtung besteht darin, daß durch das Herabfallen eines in der
Coupéscheidewand durch zwei Eisenstäbe gehaltenen Stöpsels, welcher gelöst werden kann, die
darin befestigte Schnur, welche über eine oberhalb des Berührungspunktes der
Eisenstangen angebrachte Rolle läuft, angezogen wird, und dann die Signalleine in
Bewegung setzt. Durch Entfernen des Stöpsels aus seiner Ruhestellung nähern sich die
durch Federn in Spannung gehaltenen Eisenstangen, wodurch gleichzeitig zwei
Signalscheiben außerhalb des Wagens zur Bezeichnung des Coupés, in welchem
das Signal gegeben ist, sichtbar werden. Die Zug-, resp. Signalleinen, sind
aus dünnen Eisenstäben gebildet, welche, unter der Mitte des Wagens hängend, eine
Vorwärts- und eine Rückwärtsbewegung gestatten und die von den Coupés
auslaufenden Schnüre aufnehmen. Die Verbindung dieser straffen Signalleinen zwischen
den einzelnen Wagen wird durch Eisendrahtschnüre der Art vermittelt, daß die
Bewegung der Buffer, ohne Einwirkung auf das Signalgeben auszuüben, erfolgen kann,
auch eine Verkürzung und Verlängerung der einzelnen Verbindungstheile leicht
ausführbar ist. Nach Anziehen der Zugleine, resp. Entfernung des Stöpsels in irgend
einem Personen-Coupé, löst sich der Anker eines an der Querwand des
Schaffnerwagens (Coupés) befindlichen Hebelwerkes, der mit einem Gewicht
belastete Hebelarm desselben fällt in Folge dessen herab, die an ihm befestigte
Kette, welche zu der unter den Wagen hängenden Signalleine führt, wird angezogen und
hierdurch das Signal dem Locomotivführer mitgetheilt, beziehungsweise direct die
Locomotivpfeife zum Ertönen gebracht. (Zeitung des Vereines deutscher
Eisenbahnverwaltungen, 1872 S. 109.)