Titel: | Neuester Streichgarn-Selfactor der Sächsischen Maschinenfabrik (vormals R. Hartmann) in Chemnitz; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman. |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. XXVIII., S. 113 |
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XXVIII.
Neuester Streichgarn-Selfactor der
Sächsischen Maschinenfabrik (vormals R. Hartmann) in
Chemnitz; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman.
Aus den „Technischen Blättern,“ 1871, viertes Heft S.
258.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Zeman, Beschreibung des neuesten Streichgarn-Selfactors der
Sächsischen Maschinenfabrik in Chemnitz.
In den letzten 10 Jahren haben die selbstthätigen Spinnmaschinen, die sogenannten Selfactors mannichfache Verbesserungen und auch auf dem
Gebiete der Streichgarnspinnerei eine erheblichere
Anwendung erfahren.
Schon auf der letzten Pariser Ausstellung hatte die bekannte Firma Richard Hartmann in Chemnitz, deren Etablissements im April 1870
in den Besitz einer Actiengesellschaft übergegangen sind, einen Selfactor für
cardirte Wolle und für Vigogne ausgestellt, welcher wegen seiner zweckmäßigen
Construction und der bequemen Zugänglichkeit seiner Theile sich auszeichnete und von
welchem schon mehr als 500 Exemplare in Spinnereien des In- und Auslandes
Eingang gefunden haben. Dieser Selfactor, ein Sprößling des Parr-Curtis'schen Systemes, ertheilte den Spindeln während eines
Spieles der Maschine drei verschiedene Geschwindigkeiten, welche sehr leicht und
schnell regulirbar sind.Abbildungen dieses Selfactors in 1/5 natürlicher Größe brachte Armengaud's
Progrès de l'Industrie, vol. II.
Unter Beibehaltung dieser Eigenthümlichkeit hat die Sächsische Maschinenfabrik in
diesem Jahre einen neuen patentirten Selfactor zur Ausführung gebracht, welcher
durch gelungene Construction und mannichfache Verbesserungen die Aufmerksamkeit der
Spinnereitechniker verdient und deßhalb in Nachstehendem mit Hülfe der beigegebenen
AbbildungenUm leicht übersichtliche Skizzen zu erhalten,
wurden bekannte Theile weggelassen, andere absichtlich in ihren Dimensionen
verändert, näher zusammen oder weiter auseinander gerückt. beschrieben werden soll.
Aus der Seitenansicht in Figur 1 ist zunächst zu
entnehmen, daß die Hauptwelle A und die vor ihr liegende
Steuerwelle D quer im Headstock, in der Längenrichtung
des Selfactors gelagert sind. Auf der Hauptwelle sitzen drei Riemenscheibenpaare
verschiedener Größe (Fig. 2, Schnitt und hintere Ansicht), um die Hauptwelle, beziehungsweise
die Spindeln mit verschiedenen Geschwindigkeiten in Drehung zu versetzen, je nachdem
der eine oder der andere Riemen treibend wirkt. Der Wagenauszug erfolgt durch die
auf der kurzen Welle B steckende Schnecke G, der Wageneinzug durch die Schnecke H auf der Welle F; G₁
und H₁ bezeichnen die Gegenschnecken.
Ehe wir auf die Betrachtung des Steuerungsmechanismus eingehen, seyen kurz die
verschiedenen Zustände beleuchtet, in welchen sich die einzelnen Theile der
Maschinen während der bekannten, auf einander folgenden Bewegungen eines vollen
Spieles der Spinnmaschine befinden.
I. Ausfahren des Wagens.
Die Lieferungscylinder a (Fig. 1) geben eine gewisse
Länge des Vorgespinnstes, entsprechend der zu erzielenden Garnnummer und der
Verspinnbarkeit der Wolle. Die Abstellung erfolgt durch den Lieferungszähler. (Fig.
1: Scheibe b, Hebel c,
Ausrückschiene d der Cylinderkuppelung.)
Der Wagen bewegt sich mit ungleichförmiger Geschwindigkeit nach Außen. Im Beginne ist
dieselbe um wenig größer als die Umfangsgeschwindigkeit der Lieferungswalzen. Nach
Abstellung der letzteren nimmt die Wagengeschwindigkeit bis zum Schlusse der
Ausfahrt allmählich ab, in welcher Zeit die Streckung des abgegebenen Vorgarnes
stattfindet.
Die Spindeln drehen sich während der Vorgarnlieferung mit der geringsten, der ersten Geschwindigkeit; es macht die Hauptwelle A durch die Riemenscheibe R₁ circa 130 Umdrehungen pro Minute. Nach Einstellung der Lieferungscylinder
nehmen die Spindeln eine größere, die zweite
Geschwindigkeit an, nachdem die Hauptwelle durch die Riemenscheibe R₂ mit etwa 250 Umdrehungen pro Minute betrieben wird. Kurz vor Beendigung des
Wagenauszuges tritt endlich die größte, die dritte Spindelgeschwindigkeit ein, da
nun die Hauptwelle durch die Riemenscheibe R₃
ungefähr 380 Umdrehungen pro Minute empfängt.
Die Zahl der Spindeldrehungen, die Dauer der verschiedenen Drehperioden, mit einem
Wort: der Wechsel der relativen Spindelgeschwindigkeiten hängt vom Spinnmaterial,
von den Anforderungen an das fertige Gespinnst ab, und wird nach Bedarf auf einfache
Weise durch den Drehungszähler (Scheibe j, Sperrhebel L, Falle K u.a. in Fig. 4) regulirt.
II. Nachdrehen der Fäden.
Die Spindeln drehen sich mit der dritten Geschwindigkeit
weiter.
Im Allgemeinen steht der Wagen still. Beim Spinnen scharf gedrehter Kettengarne
jedoch findet wegen der eintretenden Verkürzung der Fäden eine geringe
Einwärtsbewegung des Wagens (Wagenrücklauf) statt, dessen Hervorbringung (Fig. 11) zum
Schluß näher erwähnt werden soll.
Sowie der Wagen an das Ende der Ausfahrt gelangt war, wurde durch den Balancier W (Fig. 1) eine Drehung der
Steuerungswelle D
Die Steuerungswelle hat die vom Parr-Curtis-Selfactor bekannte Einrichtung, weßhalb
dieselbe hier nicht weiter berührt wird. um 180 Grad erzielt. Die hierdurch bewirkte Excenterstellung übt jedoch
ihren vollen Einfluß erst nach Vollendung des Nachdrehens aus, worauf später des
Näheren einzugehen ist.
III und IV. Abschlagen der Fäden und Einfahren des
Wagens.
Diese Perioden bieten zu speciellen Bemerkungen vorläufig keinen Anlaß; es sey denn,
daß schon jetzt auf die weiter unten näher berührte verbesserte Quadrantenbewegung
hingewiesen werde.
Gelangt der Wagen beim Einfahren an das Ende seines Weges, so drückt die
Aufwinderwelle gegen den inneren Vorsprung des Balancier
W, senkt die Steuerungsplatte, mit welcher derselbe
durch den gebogenen, in Figur 1 abgebrochen
angedeuteten Arm verbunden ist, und veranlaßt dergestalt neuerdings eine halbe
Umdrehung der Steuerungswelle D.
Zufolge der soeben erwähnten Umsteuerung nehmen die vier auf der Steuerungswelle D sitzenden Excenter E₁ bis E₄ sowie der
Steuerungsmechanismus die in Figur 3 bis 7 angedeuteten
Stellungen ein. Hierbei zeigt uns Figur 3 die
Steuerungshebel im großen Headstock von rückwärts angesehen, Figur 4 den Mechanismus
zur Riemenstellung von vorn, endlich Figur 5 bis 7 den soeben
bemerkten Mechanismus in den drei verschiedenen Positionen während der I. und II.
Bewegungsperiode (Ausfahren und Nachdrehen) der leichteren Uebersichtlichkeit wegen
in einfachen Strichen.In Figur
8 ist der Riemenmechanismus für die III. und IV. Periode skizzirt,
welcher durch die Umsteuerung in die Stellung der Figur 5 gelangt
ist.
Das Excenter E₁ verlegt den ersten Riemen auf die
Treibscheibe R₁ durch Hebel, welche vollständig
in der Skizze Figur
5 angedeutet sind. Hier muß schon auf die eigene Anordnung der
Riemenscheiben für die erste Spindelgeschwindigkeit aufmerksam gemacht werden.
Die Scheiben R₁ und R₁' sitzen lose auf der Hauptwelle. Liegt jedoch der erste Riemen auf der Scheibe R₁ , so wird zufolge der in Figur 9 in der
Ansicht und in Fig.
2 im Durchschnitt gezeichneten Sperrradanordnung k die Hauptwelle bei der Drehung mitgenommen und den Spindeln durch den
Twistwürtel T die erste Geschwindigkeit ertheilt.
Durch das mit der Scheibe R₁ verbundene Zahnrad
I pflanzt sich die Bewegung der Hauptwelle
vermittelst mehrerer Zahnräder nach vorn auf die Lieferungscylinder und nach
rückwärts auf die Wagenauszugswelle weiter.
Das Excenter E₂ dreht den Arm f um den oberen (mit der Falle K gemeinschaftlichen) Drehpunkt nach rechts, wobei der zweite und dritte Riemen
unverändert auf den Leerscheiben R₂
beziehungsweise R₃' verharren. Der Arm f ist am unteren Ende mit der in horizontalen Führungen
gleitenden Schiene g drehbar befestigt, ebenso durch
einen Stift mit der oberhalb liegenden Gleitschiene h.
Da die am oberen Ende des Hebels f angebolzte Falle K gegen den festen Anschlag i am Headstock sich anlehnt, so muß bei Drehung des Excenters E₂ der Arm f in
Verbindung der Gleitschienen g und h nach rechts aus der Stellung der Figur 8 in jene der Figur 5 sich
begeben. Die Feder l am Hebel f (Fig.
4) bleibt angespannt, indem das Excenter E₄ ein Zurückgehen der Gleitstange g und
daher auch der Theile f und h verhindert. Damit die eben bemerkte Verschiebung der Gleitschienen keine
Aenderung in der Stellung der zweiten Riemengabel (für
die Scheiben R₂ und R₂') bewirke, sind deren Verbindungsbolzen in Schlitze eingelassen.
Die mit der Losscheibe R₂' vermittelst Kegelräder
in Verbindung stehende Welle C, sowie das Abschlagsrad
M₁ (Fig. 2) laufen vorläufig
leer mit.
Zum Excenter E₂ ist noch zu bemerken, daß es auch
die Kuppelung der Wagenauszugswelle und zwar durch den Hebel k₁ (Fig. 3) einrückt.
Das Excenter E₃ öffnet die Frictionskuppelung N der Einzugsschnecken H,
H₁ und rückt ferner die Lieferungswalzen mittelst des Hebels e ein, welcher durch die Schiene d mit der betreffenden Klauenkuppelung in Verbindung steht.
Nimmt also der Riemenführermechanismus die in Figur 5 skizzirte Stellung
ein und haben die vorstehend angegebenen Ein- und Ausrückungen stattgefunden,
so beginnt das Ausfahren des Wagens. Die Cylinder a
liefern Vorgarn, welchem die Spindeln einen ganz schwachen Draht ertheilen. In Folge
der Drehung der Cylinder empfängt die in Figur 1 angedeutete
Zählscheibe b ihre Bewegung. Sowie das nöthige
Vorgespinnst abgegeben ist, drückt der Stellstift an der Scheibe b auf den Hebel c und drängt
diesen zur Seite, worauf durch eine Feder die Kuppelungsstange d verschoben und die fernere Drehung der
Lieferungscylinder unterbrochen wird. Die Wagengeschwindigkeit beginnt nun
abzunehmen, die Spindeln dagegen drehen sich mit erhöhter, der zweiten Geschwindigkeit weiter, indem die in Figur 6 verzeichnete
Riemenumstellung eintritt.
Zu diesem Behufe lüftet die Drehungszählscheibe J, welche
für jedes Spiel der Maschine von der auf der Hauptwelle sitzenden Schraube S (Fig. 2) einmal
herumgedreht wird, durch den Bolzen l den Sperrhebel L. Dadurch wird die zweite
Riemengabel frei und durch die in Figur 3 ersichtliche Feder
m zur Vollscheibe R₂ gezogen. Trotzdem der erste Riemen auf
der Treibscheibe R₁ verbleibt, nehmen die
Hauptwelle mit dem Twistwürtel T resp. die Spindeln die
höhere Geschwindigkeit an. Von R₁ und dem auf der
Nabe dieser Scheibe aufgekeilten Zahnrad I wird nur noch
die Bewegung wie vorher auf die Wagenauszugswelle B
übertragen.
Wie Figur 5 und
6 die
Stellung der Riemen für die erste und zweite, so veranschaulicht Figur 7 die Riemenstellung
für die dritte Geschwindigkeitsperiode.
Nähert sich nämlich der Wagen dem Ende seiner Ausfahrt – etwa auf 120 bis 200
Millimeter –, so müssen die Spindeln von dem dritten
Riemen ihre Drehung
erhalten. Es hebt aus diesem Grunde der Stift 2 an der Zählscheibe J die Falle K, worauf wegen
der Feder l der Arm f mit
der dritten Riemengabel nach links schwingt und letztere
zur Vollscheibe R₃ rückt, während durch die obere
Gleitschiene h der zweite
Riemenführer zu dessen Leerscheibe R₂'
zurückgeführt und von dem Sperrhebel L wieder erfaßt
wird.
Der Wagen erreicht inzwischen die äußerste Stellung und veranlaßt durch den Balancier
W eine halbe Umdrehung der Steuerungswelle D, was folgende Aenderungen herbeiführt:
Das Excenter E₁ verlegt den ersten Riemen auf die Leerscheibe R₁', weßhalb die Wagenauszugswelle B stehen bleibt. Ueberdieß öffnet auch das Excenter E₂ durch den Hebel k₁ (Fig. 3) die Kuppelung dieser Welle.
Das Excenter E₃ erhält die Lage, daß der Hebel q (Fig. 3) für seine weitere
Aufgabe frei wird. E₄ endlich verläßt die
Gleitschiene g, deren durch die Spiralfeder l angestrebte Verschiebung nach links bisher verhindert
wurde. Dieselbe erfolgt jedoch erst am Schluß der Periode des Nachdrehens.
Haben die Fäden den erwünschten Draht erhalten, so hebt der Stift 3 an der
Zählscheibe J die Falle K
zum zweitenmale. Die Feder l zieht sofort den Arm f mit der dritten Riemengabel
und der unteren Gleitschiene g an, und bringt diese
Theile aus der Stellung der Figur 7 in jene der Figur 8, wobei
sämmtliche Riemen auf den Leerscheiben laufen.
Die Gleitschiene g löst durch ihre Verschiebung die
Kuppelung des Drehungszählers, indem sie gegen die schiefe Kante des Hebels j (Fig. 1) anstößt und
dadurch die Klaue u zurückschiebt. Dieselbe Schiene g bringt noch den winkelförmigen Sperrhebel v (Fig. 3 und 4) in jene Lage, daß der
bisher zurückgehaltene Einrückhebel s durch den Zug der
Feder p die Abschlagsbremse M schließt.
Um jedoch das Einsetzen dieser Frictionsscheibe behufs des Abschlagens der Fäden nicht allzu rasch eintreten zu lassen und dadurch bei der
vorhergehenden großen Spindelgeschwindigkeit schädliche Schläge herbeizuführen, so
ist eine ganz einfache Vorrichtung, der sogenannte „Moderateur“ angebracht worden, dessen Beschreibung weiter
unten folgt.
In Folge der Einrückung der Frictionsscheibe M geht die
Drehung der Leerscheibe R₂' durch Kegelräder
(Fig. 2)
auf die stehende Welle C, das Rad M₁ und die Bremsscheibe M, durch welche
die Hauptwelle, beziehentlich die Spindeln langsam, entgegengesetzt wie bisher
bewegt werden.
Durch das Abschlagen wird bekanntermaaßen die Aufwindersenkungsrolle o (Fig. 1) nach links bewegt
und hierbei der Hebel w aufwärts gedreht. Da nun dieser Hebel bei
ausgefahrenem Wagen gerade unter der Rolle am Winkelhebel x sich befindet, so wird in Folge dessen durch die Verbindungsstange y der Sperrhebel z des
Einschlagshebels t für die Einzugsbremse
zurückgezogen.
Nun wurde beim letzten Umsteuern der Arm q, wie oben
bemerkt, vom Excenter E₃ (Figur 3) freigelassen. Es
fällt daher im Momente des Zurückziehens des Sperrhebels z die Bremsscheibe N ein; zugleich aber wird
durch das Stängelchen r der Einrückhebel s für die Abschlagsbremse M
ausgelegt. Die dritte Periode ist beendet und das Einfahren des Wagens nimmt seinen
Beginn.
Die Aufwindemechanismen gelangen in bekannter Weise zur Thätigkeit und es muß nur
bezüglich der Quadrantenbewegung hervorgehoben werden, daß dieselbe die Verbesserung
aufweist, welche beim Schlumberger'schen Selfactor auf
der Pariser Ausstellung im Jahre 1867 zu sehen war.
An dem Quadrantenarm Q (Figur 1) ist am oberen
Ende eine Stange P angelenkt, welche unten durch den Arm
U mit dem Wagen verbunden ist. Die Stange P läuft mit der Rolle längs einer Bahn, der
Quadrantenschiene R. Beim Einfahren zieht der Wagen den
Quadrantenarm Q nach, und da die Bahn so geformt ist,
daß bei jeder Spindelumdrehung gerade die freigewordene Fadenlänge aufgewunden wird,
so findet eine regelmäßige Kötzerbildung statt.Näheres über diese „Verbesserung des
Quadranten“ hat zuerst Prof. Kick in seinem Ausstellungsbericht: Beiträge zur
Spinnereimechanik, Wien 1868, S. 39 mitgetheilt. Dieselbe Abhandlung ist in
Grothe's Spinnerei und Weberei auf der
Pariser Ausstellung 1867, Berlin 1869, S. 62 übergegangen. Eine Abbildung
und Beschreibung von Schlumberger's Selfactor mit
neuer Quadrantenbewegung ist in Armengaud's
Publication industrielle, t. XVIII p. 247 und Taf. 21 bis 25 erschienen.Soviel der Verf. in Chemnitz in Erfahrung brachte, stammt die neue
Quadrantenbewegung vom ehemaligen Ingenieur bei N. Schlumberger in Guebwiller (Elsaß), Hrn. Paul Hirtz ab, welcher dieselbe im Jahr 1862 am
Baumwollselfactor, im Jahr 1863 am Kammgarnselfactor zuerst anbrachte.Vor etwa vier Jahren trat Hr. Hirtz bei Rich. Hartmann (jetzt Sächsische Maschinenfabrik) in
Chemnitz ein, und entwarf hier den im obigen Aufsatz besprochenen
Streichgarnselfactor.
Am Ende des Wagenrücklaufes vollzieht sich eine neue Umsteuerung, um sämmtliche
Theile in ihre Anfangsstellung zurückzuführen, von welcher wir oben ausgegangen
sind.
So viel über diesen Streichgarn-Selfactor zum Verspinnen von ungedrehtem Vorgarn. Ist aber die zu erzeugende
Garnnummer durch einmaliges Spinnen nicht zu erreichen, ist also der Proceß zweimal
durch eigentliches Vorspinnen und Feinspinnen durchzuführen, so muß bei der letzten Operation das
gezwirnte Vorgarn zuerst aufgedreht, dann verzogen, schließlich aber mit dem
umgekehrten neuen Draht versehen werden.
Das Aufdrehen des Vorgespinnstes ist während dessen Lieferung zu vollenden; die
Spindeln müssen daher mit der größten Geschwindigkeit sich umdrehen und zu diesem
Zweck muß die Hauptwelle statt wie früher von dem ersten,
nun vom dritten Riemen ihre Bewegung erhalten. Im
Uebrigen bleibt die Aufeinanderfolge der Geschwindigkeiten unverändert.
Zu diesem sogenannten „Doppelspinnen“
oder „Surfiliren“ läßt sich der
vorliegende Selfactor ohne Weiteres durch Austausch des einfachen Sperrhebels L (Figur 4) mit dem in Figur 10
ersichtlichen doppelten Sperrhebel L, L' umwandeln. Die
eine Sperrnase erfaßt wie früher den zweiten, die andere
den dritten Riemenführer.
Der hieraus entspringenden Modification in der Riemenstellung wurde in Fig. 5 bis 8 durch
punktirte Fortsetzung des Sperrhebels L, L' Rechnung
getragen und dieselbe ist mit einigen Worten erklärt.
Da die Spindeln im Beginn der Wagenausfahrt mit der dritten Geschwindigkeit sich umdrehen sollen, so liegt der dritte Riemen auf der Vollscheibe R₃. Wird durch den Stift 1 des Drehungszählers der Sperrhebel L, L' gelüftet, so rückt der zweite Riemen gerade wie vorher auf die Vollscheibe R₂, der dritte Riemen aber begibt sich
– durch die Feder n (Figur 10) angezogen
– in die Ruhelage. Es drehen sich nun während des stattfindenden
Wagenverzuges die Spindeln mit der mittleren Geschwindigkeit und zwar so lange, bis
durch den Stift 2 von der Scheibe J die Falle K gehoben wird, worauf die Riemenstellung der Figur 7 wieder
Geltung erlangt. Nach Beendigung des Nachdrahtes erhalten die verschiedenen Theile
der Riemensteuerung die in Figur 8 ersichtliche Lage.
Bezüglich des ersten Riemens ist nur zu bemerken, daß er
während der Dauer der Wagenausfahrt wie vorher auf der Treibscheibe R₁ verharrt, da auf diesen Riemenführer der neue
Sperrhebel gar keinen Einfluß nimmt.
Die Umsteuerung am Ende des Wagenrücklaufes bewirkt, daß das Excenter E₂ den Arm f wie
früher nach rechts dreht; allein da die dritte
Riemengabel nun durch den Sperrhebel L, L'
zurückgehalten wird, so gelangt der dritte Riemen statt
auf die Leerscheibe R₃' auf die Vollscheibe R₂. Alles Andere bleibt unverändert.
Wir haben nun zum Schluß noch die nähere Anordnung des „Moderateur“ und des „Wagenrücklaufes“ zu besprechen.
Als Zweck des Moderateur wurde schon vorher angegeben, das rechtzeitige Einsetzen des
Abschlagsrades M₁ zu bewirken, damit den Spindeln
Zeit verbleibe nach der Periode des Nachdrehens nahezu in Ruhe zu kommen. Auf der stehenden Welle
C sitzt aus diesem Grunde unterhalb des zweiten
Kegeltriebes (für das Abschlagsrad M₁) eine
Schraube O, in deren Gänge der Hebel s' (Fig. 2) dann einfällt,
wenn nach der zweiten Auslegung der Falle K –
also am Schluß der II. Periode – die Schiene g
sich verschiebt und dadurch den winkelförmig gebogenen Sperrhebel v (Fig. 3) vom Einrückhebel
s entfernt. Die Feder p
vermag derzeit nur den Moderateurhebel s' in einen der
Schraubengänge einzuführen, ohne die Abschlagskuppelung zu schließen. Erreicht aber
der Hebel s' die in Figur 2 punktirt
angedeutete Höhe, so wird der Einrückhebel s angezogen
und das Abschlagsrad M₁ mit der Bremsscheibe M gekuppelt.
Je nachdem der Hebel s' weniger oder mehr Schraubengänge
zu durchlaufen hat, je nachdem also die Schraube O höher
oder tiefer gestellt wird, tritt der Zeitpunkt des Abschlagens der Fäden, der
Retourdrehung der Spindeln früher oder später ein. Damit der Moderateurhebel nach
dem Passiren der Gewindegänge nicht zu tief sich herabdrehe, ist rückwärts an
demselben eine Nase angegossen.
Die Anordnung zur Erzielung des Wagenrücklaufes, im Falle hart gedrehtes Kettengarn
gesponnen werden soll, ist aus Fig. 11 zu entnehmen.
Durch die vordere und hintere Stirnplatte des Wagenmittelstückes geht die dünne Achse
1, welche am vorderen Ende mit einem flachen Schraubengewinde versehen, hinten aber
durch Feder und Nuth gegen Drehung gesichert ist. Die Mutter der Schraubenspindel
bildet die eine Hälfte 2 einer Zahnkuppelung, deren andere Hälfte mit dem Rad 3 ein
Stück bildet. Letztere sitzt lose auf der verlängerten Nabe des Kuppelungstheiles 2,
welchen eine Spiralfeder außer Eingriff zu halten sucht. In das Rad 3 greift die mit
einem Stufenwürtel zusammengegossene Schraube ohne Ende 4, deren Lagerung in einem
Stelleisen am Wagen liegt. Dieser Stufenwürtel correspondirt mit einem etwas
kleineren Würtel 5 auf der Achse der Spindeltrommeln.
An dem vorerwähnten Stelleisen sitzt oben noch eine Rolle 6, über welche eine am
vorderen Kuppelungsmuff 2 befestigte Schnur nach der hinten am großen Headstock
angebrachten Doppelschnurrolle 7 läuft.
Sobald der ausfahrende Wagen seinen äußersten Stand erreicht, stößt der Kopf der
Schraubenspindel 1 gegen ein Winkelstück 8 am kleinen Headstock. In Folge dessen
wird die Spindel mit der Mutter zurückgeschoben, durch Zusammendrücken der
Spiralfeder die Zahnkuppelung geschlossen und die Bewegung der Spindeltrommelwelle
durch die endlose Schnur über den Würteln 4 und 5 auf die Schraube 4 übertragen.
Diese Schraube setzt das Zahnrad 3, beziehungsweise die ganze Zahnkuppelung in Drehung, wobei die
Schnur vorn auf den Hals der Kuppelungshälfte aufgewickelt und das Gewicht 9 hinten
am großen Triebstock gehoben wird.
Durch Drehung der Mutter 2 schiebt sich die Schraubenspindel 1 heraus und es muß
– des unverrückbaren Anschlages 8 wegen – der ganze Wagen vom kleinen
Headstock sich entfernen, gegen die Cylinder rücken.
Ist nun der Nachdraht beendet und erfolgt nach dem Abschlagen der Wageneinzug,
entfernt sich also der Kopf der Schraubenspindel 1 vom Anschlag 8, so rückt die
Spiralfeder die Zahnkuppelung aus einander und das Gewicht 9 verursacht durch sein
Herabgehen das Zurückdrehen der vorderen Kuppelungshälfte 2, so daß die Spindel in
die frühere Lage sich begibt. Je nachdem man die Schnur auf eine niedere oder höhere
Spur des Stufenwürtels 5 legt, wird die Geschwindigkeit des Wagenrücklaufes
verändert.
Noch fühlt sich der Verfasser verpflichtet, der Direction der Sächsischen
Maschinenfabrik für das freundliche Entgegenkommen Dank zu sagen, mit welchem
dieselbe ihm den Eintritt in ihre Etablissements gestattete und seine beabsichtigten
Studien förderte.