Titel: | Ueber ein neues Hygrometer; von W. G. Whitehouse. |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. L., S. 188 |
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L.
Ueber ein neues Hygrometer; von W. G. Whitehouse.
Vorgetragen in der Royal Society. – Aus Chemical News, vol. XXV p. 123, März
1872.
Whitehouse, über ein neues Hygrometer.
Wenn man auch zugeben muß, daß Mason's Thermometer mit
nasser Kugel als hygrometrisches Hülfsmittel von großem praktischen Nutzen ist, so
liegt doch ein wesentlicher Mangel darin, daß seine Angaben bei Temperaturen unter
0° C. aufhören oder werthlos sind. Es entsteht daher die Frage, ob es kein
Mittel gibt, diesem Uebelstande abzuhelfen. Dem zur Anfeuchtung der Kugel dienenden
Wasser irgend eine andere Flüssigkeit zu substituiren, oder hinzuzufügen, ginge
nicht an, weil das Instrument alsdann aufhören würde ein Prüfungsmittel für die rein
hygrometrische Capacität der Luft zu seyn. Man muß sich daher nach irgend einem
hygrometrischen Körper umsehen, welcher die Feuchtigkeit leicht und rasch aus der
Luft absorbirt und zugleich die Messung und Registrirung des Betrages dieser
Absorption gestattet. Im Hinblick auf die Genauigkeit und praktische Verwendbarkeit
irgend eines für diesen Zweck bestimmten Instrumentes hätte man folgende Punkte als
wesentlich in's Auge zu fassen:
1) daß jederzeit eine Oberfläche von bestimmtem und unveränderlichem Inhalte zur
Absorption der Feuchtigkeit zu exponiren wäre;
2) daß der Apparat einfach, billig und bequem zu handhaben sey;
3) daß die hygrometrische Substanz fortwährend und stetig erneuert werden könne, und
vor allen Dingen,
4) daß die Messung auf thermometrischem Wege vor sich gehen müsse.
Vorstehende Bedingungen schienen durch keine feste
hygrometrische Substanz, alle aber durch Anwendung concentrirter Schwefelsäure erfüllt zu werden. Letztere könnte in Form
eines äußerst feinen Flüssigkeitsfadens über die Kugelfläche eines Thermometers
ausgebreitet werden, und zwar mittelst eines heberförmigen Haarröhrchens, dessen
eines Ende auf der oberen Seite der Kugel aufliegt, während das andere Ende in den
Säurebehälter getaucht ist. Durch geeignete Vorkehrungen ließe sich auf beliebige
Dauer ein continuirlicher Zufluß herstellen. Die Absorption der Feuchtigkeit würde
nothwendig von einem Steigen der Temperatur, proportional der absorbirten
Feuchtigkeitsmenge, begleitet seyn, während das Schwefelsäurehydrat, nachdem es
seinen Dienst geleistet, von der Kugel in ein untergestelltes Gefäß abtropfen
würde.
Der Verfasser hat nun zur Constatirung des in Rede stehenden Principes wirklich ein
Instrument construirt, und mit demselben auf dem meteorologischen Bureau zu London
mehrere Wochen lang Beobachtungen angestellt. Es besteht im Wesentlichen aus drei
gleichen, in einem geeigneten Gestell neben einander angeordneten Thermometern, das
eine mit nasser, das zweite mit trockener und das dritte mit säurebenetzter
Kugel. Die bei Anwendung dieses Instrumentes gewonnene Erfahrung hat gezeigt, daß
mit einem zweckmäßig construirten Behälter ein continuirlicher gleichmäßiger Zufluß
auf beliebige Dauer herzustellen ist. Die Größe dieses Zuflusses ist von der Länge
und dem inneren Durchmesser des Capillarhebers abhängig, sowie von der
Höhendifferenz zwischen dem Niveau der Flüssigkeit im Behälter und der
Ausflußmündung des Hebers. Es ist klar, daß ein zu rascher, sowie ein zu spärlicher
Säurezufluß, bei der herrschenden Temperatur der Luft, die Sicherheit des Resultates
beeinträchtigen würde. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß die Schwankungen in
der Zuführung der Säure einen ziemlich weiten Spielraum gestatten, innerhalb dessen
keine wesentliche Aenderung in der Empfindlichkeit des Instrumentes bemerkbar ist.
Für eine Kugel von 1 Quadratzoll Oberfläche reicht ein Tropfen per Minute hin. Diese Zeit, welche übrigens zwischen 40
und 100 Secunden variiren darf, wird nach den von der Kugel abfallenden Säuretropfen
notirt. Die unter solchen Umständen erforderliche Menge reiner concentrirter
Schwefelsäure beträgt ungefähr 20 Unzenmaaße per
Woche.
Die Temperatur der Säure im Behälter ist die der umgebenden Luft. Die durch das
Thermometer angezeigte Temperaturerhöhung ist der Feuchtigkeitsmenge zuzuschreiben,
welche von der über die Kugelfläche sich ausbreitenden und fortwährend sich
erneuernden dünnen Säureschichte absorbirt wird, und scheint ein genaues Maaß
derselben zu seyn. Während also dieses Instrument, wie das Mason'sche, die Bestimmung hat, den Betrag der hygrometrischen
Feuchtigkeit der Luft auf thermometrischem Wege zu messen, ist es doch in seinem
Princip und seiner Wirkungsweise von ganz entgegengesetztem Charakter. Während das
gewöhnliche Thermometer mit nasser Kugel beim Nullpunkt seiner Scale in einer
vollkommen gesättigten Luft sich befindet, und seine Wirkung von dem Betrag der
Wärme abhängt, welche bei der Verdunstung des Wassers an der Kugeloberfläche
absorbirt und latent wird, befindet sich das mit Säure begossene Thermometer beim
Nullpunkt in einer vollkommen trockenen Atmosphäre, und seine Action hängt von dem
Betrag der latenten Wärme ab, welche, durch die Condensation der Dünste an der
Kugeloberfläche frei wird.
Ein nach vorstehendem Princip construirtes Hygrometer wäre offenbar dem Einfluß der
Kälte gänzlich entzogen, während seine Empfindlichkeit so bedeutend ist, daß sie
anfangs beinahe in Verlegenheit setzt. Dieselbe läßt sich jedoch dadurch leicht
reguliren und nöthigenfalls beliebig abschwächen, daß man die Säure mit Glycerin
verdünnt, einer ebenfalls hygrometrischen Flüssigkeit, wiewohl ihre thermischen
Wirkungen weit weniger ausgeprägt sind, als diejenigen der Schwefelsäure.
Es bedarf einer sehr sorgfältigen Reihe von Beobachtungen, um den relativen Werth der
Instrumente mit nasser und mit säurebenetzter Kugel zu bestimmen, wobei man das
Verhältniß eines jeden derselben für jeden Punkt der Scale, von der absoluten
Trockenheit bis zur Sättigung, und bei Temperaturen von + 24 oder 27° C. bis
– 18°C. notiren müßte. Dieß ist nothwendig, bevor das neue Instrument
Anspruch machen kann, eine Stelle unter den anerkannten Apparaten der Meteorologie
einzunehmen.