Titel: | Ueber Verstärkung von Feuerrohrkesseln. |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. LXVII., S. 268 |
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LXVII.
Ueber Verstärkung von
Feuerrohrkesseln.
Mit einer Abbildung.
Ueber Verstärkung von Feuerrohrkesseln.
In einem als „Warnung und Rath für Dampfkesselbedürftige“
bezeichneten Artikel im hannoverschen Wochenblatt für Handel und Gewerbe empfiehlt
der Verfasser, als welchen wir wohl Hrn. Prof. Dr. Rühlmann vermuthen dürfen, den Dampfkesselbesitzern,
denen ja nach den neueren Gesetzen immer mehr die Verantwortlichkeit und der Schadenersatz im Fall
entstehender Explosionen zufällt, sich so weit als möglich nach Selbsthülfe
umzusehen und vor Allem jedes Mittel zu ergreifen, wodurch, so weit es menschliche
Einsicht und Vorsicht vermag, jeder plötzlichen Dampfkesselzerstörung vorgebeugt
werden kann. Nächst einem gewissenhaften verständigen Heizer ist wohl das wichtigste
Mittel, Explosionen vorzubeugen, daß man dem Kessel die größtmögliche
Widerstandsfähigkeit gibt, d.h. daß er nach Gestalt, Construction, Ausführung und
Material geeignet ist, viel höheren Drücken mit Sicherheit Widerstand zu leisten,
als die normalen Pressungen sind, womit die regelrechte Betriebsarbeit des Kessels
verrichtet wird. Den beiden erstgenannten Eigenschaften entspricht aber keine
Kesselgattung besser (erfüllt auch zugleich die Bedingung der Wohlfeilheit bei der
Anschaffung), als der einfache Cylinderkessel, mit überall kreisförmigen
Querschnitten, mehr oder weniger halbkugelförmigen Endflächen und mit unter ihm
befindlichen Rosten. Dessenungeachtet wird, namentlich für den größeren
Fabrikbetrieb, die Verwendung dieser Kessel immer seltener und dafür die Benutzung
der Kessel mit Innenfeuer, der sogen. Cornwallkessel (mit einem Feuerrohr), und der
Fairbairnkessel (mit zwei Feuerrohren) immer
häufiger, und zwar ganz besonders deßhalb, weil letztere sich dadurch auszeichnen,
daß man mit ihnen rasch und viel Dampf machen kann und daß sie eine sehr einfache
Einmauerung erfordern. Dagegen haben sie (nächst dem Uebel, verhältnißmäßig schwer
und theuer zu seyn) den großen Fehler daß sie nicht die Kessel der größten
Widerstandsfähigkeit sind.
Die Gründe für diesen letzteren Fehler sind mehrfach. Erstens sind die Ingenieure
noch nicht darüber einig, welche Wanddicken man den betreffenden Feuerrohren zu
geben hat, damit sie große Festigkeit gegen Zerreißen besitzen. Zweitens setzen alle
Berechnungen nach empirischen Formeln voraus, daß die Querschnitte der Feuerröhren
ursprünglich (nach vollendeter Herstellung) überall gleiche Kreise bilden, was kein
Constructeur (im mathematischen Sinn) erreichen kann, ferner daß diese überall
gleiche Kreisform sowohl nach Entfernung der polizeilichen Revisionspressung (bei
der ersten und bei der nachher zu wiederholenden Wasserdruckprobe), als nach
längerem Betrieb des Kessels, noch unverändert erhalten bleibt. Drittens darf, wenn
man auch letzterer Forderung so viel als möglich zu entsprechen sucht, die Wanddicke
doch nicht über eine gewisse Größe hinausgehen, will man anders sogen. unganze
Bleche vermeiden. Viertens leiden die Dampfkessel mit inneren Feuerröhren an höchst
ungleicher Ausdehnung, indem die Scheitel der Feuerröhren die intensivste Hitze
aufzunehmen haben, die tiefsten Stellen dagegen (zumal wenn diese mit Flugasche,
Ruß und Kohlenklein belegt sind) die geringste Hitze erfahren, und endlich der
Hauptkessel oben und unten noch anderen Temperaturen ausgesetzt ist. Daß hierdurch
schädliche Formänderungen, Lecken der Nietstellen und Nähte etc. hervorgerufen
werden, bedarf wohl keines besonderen Beweises.
Das beste Mittel, diesen Uebelständen (unter Voraussetzung sorgfältiger Wartung und
Pflege des Kessels) zu begegnen, sind und bleiben die Verstärkungen der Feuerröhren,
entweder durch auswendig angenietete Reifen (Ringe) nach Fairbairn, oder durch quer durchgeführte conische Wasserröhren nach Galloway. Leider werden diese Verstärkungsmethoden der
Feuerröhren noch lange nicht von allen Dampfkesselfabrikanten in Anwendung gebracht.
Die Fairbairn'schen Reifen nicht, weil man der ganz
falschen Ansicht ist, man könne diese durch größere Wanddicken ersetzen (natürlich
abgesehen davon, ob die Bleche bei diesen Dicken unganz sind oder nicht), man
brauche die veränderte (ursprüngliche?) Kreisquerschnittsform nicht zu beachten etc.
etc. Die Galloway-Wasserverbindungsröhren nehme
man nicht, weil sie den Anschaffungspreis des Kessels erhöhen (natürlich unbeachtet
lassend, daß dann die Blechwände dünner werden und das Gewicht des Kessels sich
verhältnißmäßig vermindert) und Veranlassung zu Undichtheiten geben, die Reinigung
der Feuerröhren erschweren u. dergl. m.
Was bei diesem Zustande der Sache die Dampfkesselbedürftigen zu thun haben, ist
leicht zu beantworten, einfach dahin, daß sie von den betreffenden Lieferanten
(Kesselfabrikanten) künftig niemals mehr Dampfkessel von mehr als 3 Met. Länge mit
weiten Feuerröhren (cornische Kessel) annehmen, wenn solche nicht nach irgend einer
der beiden genannten Methoden verstärkt wurden.
Das Gesetz schreibt allerdings diese Verstärkungen nicht vor, einfach deßhalb nicht,
um die Freiheit der Constructeure nicht zu beschränken, bietet aber auch keinen
Ersatz, wenn durch das Zusammendrücken langer Feuerröhren dem Kesselbesitzer ein
Unglück oder doch mindestens eine (oft höchst unangenehme) Betriebsstörung bereitet
wird. Die Erfahrung bestätigt die Nothwendigkeit des Anbringens einer oder der
anderen Verstärkungsweise überall, indem es Thatsache ist, daß die meisten der
jüngst stattgehabten Explosionen sich bei Cornwallkesseln und zwar durch
Zusammendrückung oder völliges Zerreißen der Feuerröhren ereigneten. So fand
kürzlich eine Kesselexplosion in der Rockemann'schen
Getreidemühle in Hannover statt, über welche sich die königl. technische Deputation
für Gewerbe in Berlin in einem ausführlichen Gutachten an den Handelsminister unter
Anderem folgendermaßen aussprach:
„Die Fehlerhaftigkeit der Kesselconstruction ist nicht zu leugnen. Es ist
ebenso die Verbindung der Böden mit den Feuerröhren durch Umkrempung und
Vernietung ohne Anwendung von Winkeleisen zu tadeln, als besonders der Mangel
von Fairbairn'schen Ringen bei einem so langen
Kessel, wie der explodirte es war.“
„Es ist zu bedauern, daß die Fabrikanten auf die Anbringung der genannten
Ringe noch immer nicht den gehörigen Werth legen, obwohl auf ihren Nutzen seit
dem Jahre 1865 wiederholt aufmerksam gemacht worden ist und es sich
herausgestellt hat, daß gerade diejenigen cornischen Kessel, welche sie
entbehren, am häufigsten Explosionen ausgesetzt sind.“
Einige deutsche Kesselfabrikanten machen bereits seit längerer Zeit von den Fairbairn'schen Verstärkungsringen (Reifen) nützlichen
Gebrauch, so unter anderen auch die hannoversche Actien-Maschinenbauanstalt
in Linden (vormals G. Egestorff), welche diese Reifen so
gestaltet und anbringt, wie nachstehende Abbildung zeigt.Bei zwei neuen Dampfkesseln dieser Fabrik, wobei das eine Feuerrohr 4,86 Met.
Länge und 0,65 Met. Durchmesser hatte, war ein solcher Ring als Verstärkung
angebracht, bei dem anderen Feuerrohr von 9,42 Met. Länge und 0,84 Met.
Durchmesser waren deren zwei vorhanden. In beiden Fällen hatte man die
Reifen stets zwischen den peripherischen Nietreihen angebracht und den
unteren Nietkopf nicht conisch, sondern gleich den oberen, also cylindrisch
gestaltet. Der Verstärkungsreif a, b, c, d ist aus
dreizölligem Winkeleisen gebildet und wird nicht direct auf das Feuerrohr k, k gelegt, sondern unter Zwischenbringen von Büchsen
i, i mittelst Nieten f,
g befestigt.
Textabbildung Bd. 204, S. 271
Hierdurch erreicht man, daß sich das Wasser zwischen Ring a, b, c, d und Feuerrohr k, k frei bewegen
kann und keine dicke Metallmasse dem Feuer dargeboten wird. Hierdurch verhütet man
das Verbrennen der betreffenden Stelle, welches mehr oder weniger eintreten kann,
wenn man den Ring (Reif) unmittelbar auf dem Feuerrohr befestigt. Ein etwaiges
Leckwerden der Nietstellen bei f oder g dadurch, daß die Ausdehnungen von Ring a, b, c und Feuerrohr k, k
zu verschieden sind, ist bei guter Arbeit nicht zu befürchten.
Fletcher, der Oberingenieur des Manchester
Dampfkesselrevisions-Vereines, hat kürzlich dieselbe Reifenanordnung für den
Fall in Vorschlag gebracht, daß man diese Verstärkung bei alten Kesseln nachträglich
anbringen will, und hat deßhalb den Ring zweitheilig gemacht, damit er durch das
Mannloch leicht eingebracht und über die Nietreifen geschoben werden kann; man sehe
die betreffende Mittheilung in diesem Bande des
polytechn. Journals S. 12 (erstes Aprilheft 1872).