Titel: | Der Feueralarm-Telegraph in New-York. |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. LXXV., S. 279 |
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LXXV.
Der Feueralarm-Telegraph in
New-York.
Ueber den Feueralarm-Telegraph in
New-York..
Wer das Centralbureau in Mercerstreet besucht, wird von den feinen und kostbaren
Apparaten überrascht, welche in jenem kleinen, dem Feuertelegraphendienst geweihten
Raume angehäuft sind. Drei Seiten des Zimmers sind vollständig von den Apparaten
eingenommen, von denen die empfindlichsten durch Glasgehäuse gegen jeden Staub
geschützt werden müssen. An der Eingangsseite bemerkt man circa 200 Drähte, welche hier von allen Punkten der Stadt zusammenlaufen,
jeder mit einem kleinen messingenen Schlüssel versehen, mit dessen Hülfe er in die
Kette eingeschaltet wird. Rechts von diesen Drähten ist ein großer
„Ankündiger,“ ähnlich den in Gasthöfen gebräuchlichen
angeordnet, darüber ein Morse'scher Magnet und eine
kleine Glocke. Unterhalb und vor diesem Ankündiger ist ein Druckapparat und zu
beiden Seiten des letzteren ein Zeigerapparat, ähnlich denen der Stationshäuser,
aufgestellt. An der entgegengesetzten Seite des Zimmers steht auf einem Tische unter
einem Glaskasten, aber stets in Bereitschaft, eine prachtvolle Maschine. Auf den
ersten Anblick möchte man sie beinahe für ein complicirtes mechanisches Musikwerk
oder eine kleine Orgel halten; denn man bemerkt 6 mit Stiften besetzte Walzen nebst
Stahlkämmen. Dieses Instrument hat die Bestimmung, das Alarmzeichen nach jedem
Spritzenhaus bis nach Harlem zu senden, eine Aufgabe deren es sich mit großer
Präcision entledigt.
Nehmen wir der näheren Erläuterung wegen an, von der Glocke ertöne ein Alarmzeichen.
Das angeschlagene Signal bedeute die Zahl 256. In demselben Augenblicke enthüllt auch der
„Ankündiger“ diese Zahl, der Druckapparat schreibt sie
dreimal und die Glocke wiederholt sie noch zweimal. Ein Beamter schaltet die Drähte
ein, während ein anderer einen Messingknopf, der die nämliche Zahl enthält, auf die
Spindel der Maschine in dem Glaskasten steckt und eine Feder berührt. Sofort beginnt
die Maschine sich zu bewegen, wobei sie 2 – 5 – 6 an jeder Alarmglocke
der Stadt ertönen läßt, dann 5 Secunden pausirt, abermals 2 – 5 – 6
anschlägt und nach einer abermaligen Pause die nämliche Zahl wiederholt. Während
dieses Vorganges schaltet der Beamte die nach den Glockenthürmen führenden Drähte
ein, und sendet das nämliche Alarmzeichen dreimal auch dorthin: in kurzer Zeit ist
die Kunde durch die Glocken verbreitet.
Das Nächste ist nun zu constatiren welche Löschapparate sich in der Nähe der
Brandstelle befinden. Der Beamte zieht daher ein Täfelchen, welches die dem ersten
Alarmzeichen entsprechenden Nummern der Spritzen und Geräthwagen enthält, aus den
Fächern eines niedlichen Gestelles. Kaum ist dieß geschehen, da ertönt das
Glockenzeichen 3 – 3 – 3. Dieses ist ein Privatsignal von Seite eines
Pompiers, Polizeimannes oder Brandcommissärs, welcher das Alarmzeichen nicht genau
gehört hat, und den Ort des Brandes zu wissen wünscht. Hierauf wird die Nummer der
Station, von welcher das Alarmzeichen 2 – 5 – 6 kam, nach der durch
den „Verkündiger“ bezeichneten Station in Form von
Glockensignalen telegraphirt. Eine derartige Anfrage kommt vielleicht von einem
halben Dutzend Stationen.
Inzwischen sind die Glocken im Bureau verstummt, der automatische Apparat hat sein
Alarmzeichen abgegeben, die abgegangenen Feuerspritzen sind registrirt und der
Beamte beschäftigt sich nun mit der Ermittelung der Gebäude, welche in der
Nachbarschaft der Station liegen, von der das Alarmsignal ausgegangen ist, um
hieraus auf die Wahrscheinlichkeit eines größeren Brandes zu schließen. Jede
Besorgniß wird aber sehr bald durch das Signal 2 – 2 – 2 – 6
beschwichtigt, welches anzeigt, daß die Feuerspritze Nr. 6 von der Brandstätte
zurückgekehrt ist, zum Beweis daß es sich nur um ein unbedeutendes Feuer oder einen
blinden Lärm handelt. Sofort bringt der Beamte das Täfelchen Nr. 6 wieder an seinen
Ort im Gestell, um dadurch zu constatiren daß der betreffende District nicht länger
unbeschützt sey. Die übrigen Spritzen kündigen auf gleiche Weise ihre Rückkehr an.
Wenige Minuten, nachdem die letzte Feuerspritze ihren Rückweg angetreten hat, trifft
seitens der Polizeistation des Districtes, in welcher die Brandstelle liegt, ein
Bericht über den Umfang und die Entstehungsweise des Brandes, sowie über den muthmaßlichen Schaden
ein, was sofort in das Register eingetragen wird.
Zwei- bis dreimal in der Nacht wird telegraphischer Appell gehalten, um sich
zu überzeugen ob die Thurmwächter auf ihrem Posten und wach sind. Zu dem Ende
schaltet der Beamte sämmtliche Thurmdrähte in die Kette ein und gibt das
Privatsignal, welches die Wächter durch Anschlagen ihrer Thurmnummern an der Glocke
des Bureau's beantworten.
Als ein Beispiel, wie sehr der Gehörssinn durch beständige Uebung geschärft wird,
führen wir an, daß ein Telegraphist aus der Art und Weise, wie die Zahlen
angeschlagen werden, mit der größten Sicherheit schließen kann, ob das Signal von
dem richtigen Thurm kommt, oder ob ein anderer Thurmwächter antwortet. Wenn z.B. der
Thürmer Nr. 6 zuerst für sich antwortet, dann den Versuch macht, für Nr. 9 zu
antworten, so entdeckt der Beamte im Centralbureau sofort den Unterschied in der
Manipulation des längeren Signales. In diesem Falle, oder wenn überhaupt keine
Antwort eintreffen sollte, wird ein Bote ausgesendet, um Erkundigung einzuziehen,
warum der Thurm ohne Wächter ist.
Wo man jeden Augenblick gegenwärtig seyn muß, das Alarmsystem in Thätigkeit treten zu
lassen, da müssen auch die Leitungen stets complett, die Batterien in gutem Stande
seyn und die Apparate correct arbeiten. Um die Gewißheit zu verschaffen, daß Alles
in Ordnung sey, hilft hier die Musik auf eine sehr sinnreiche Weise aus. Eine Anzahl
an die Hämmer eines Harmonikons befestigter elektromagnetischer Spiralen bildet mit
den Platten des Instrumentes die gegenüberliegenden Pole. Dieses Harmonikon wird mit
dem übrigen Mechanismus in Verbindung gesetzt. Wenn nun Alles in Ordnung ist, so
ertönt eine vollständige Tonleiter innerhalb der Octaven von C bis C. Sollte aber irgendwo eine Störung
stattfinden, so fallen einer oder mehrere Töne aus und deuten dadurch an, wo der Ort
der Störung zu suchen ist. (Aus der New York Evening
Post durch den Scientific American, März 1872,
S. 177.)