Titel: | Ueber combinirte guß- und schmiedeeiserne Tragbogen; von P. H. Jackson. |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. CXX., S. 436 |
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CXX.
Ueber combinirte guß- und schmiedeeiserne
Tragbogen; von P. H.
Jackson.
Aus dem Scientific American, April 1872, S.
243.
Mit einer Abbildung.
Jackson, über combinirte guß- und schmiedeeiserne
Tragbogen.
Mit gußeisernen Bogenträgern verhält es sich wie mit langen Säulen welche einer
gewissen biegenden Kraft unterworfen sind, und bei ihrem Widerstande sind die
Gesetze maaßgebend welche auf die Stärke sowohl von Balken als auch von Säulen Bezug
haben. Doch kommen bei ihnen wegen ihrer gestreckten Curvenform in erster Linie die
Festigkeitsgesetze der Balken in Betracht.
Der Metallbogen in einem Stück unterscheidet sich
wesentlich von einem steinernen Bogen. Bei dem letzteren wird wegen Anwendung
separater Blöcke nur die Widerstandsfähigkeit des Materiales gegen Zusammendrückung
in Anspruch genommen, während bei der Anwendung eines Bogens in einem Stück sowohl Ausdehnung als auch Zusammendrückung
in's Spiel kommt. Ein aus Stein oder Ziegeln construirter Bogen ist eine
Zusammenstellung von Wölbsteinen in Curvenform, wobei jeder Wölbstein von dem
anderen getrennt und nur der Zusammendrückung unterworfen ist. Ein je größeres
Gewicht auf dem Bogen lastet, um so stärker wird die Zusammendrückung und
Compactheit dieser Wölbsteine. Die resultirende Spannung oder der Bogendruck wird
durch die Widerlager oder Gewölbpfeiler aufgenommen. Sollten die Widerlager ein
wenig nachgeben, so würde dieses nur eine fernere Senkung der Gewölbsteine zur Folge
haben und die Stärke des Bogens nicht in demselben Grade afficiren, als solches
durch Verlängerung der schmiedeeisernen Zug- oder Spannstange bei einem
gußeisernen Tragbogen der Fall wäre, indem bei dem letzteren zum Bruche eine geringe
Durchbiegung hinreicht, eine kleine Verlängerung der Stange aber an sich schon eine
beträchtliche Senkung zur Folge hat.
Bei dem gußeisernen Tragbogen kommt, wie beim geraden Balken, sowohl Ausdehnung als
auch Zusammendrückung in Betracht, und beide sind an denjenigen Punkten am größten,
welche von der neutralen Achse des Querschnittes am weitesten entfernt sind. Es
kommt daher der Bruch an einem dieser beiden extremen Punkte vor. Beim Gußeisen
verhält sich die rückwirkende zu der absoluten Festigkeit wie 6 1/2 : 1, und da
dasselbe eine starre krystallinische Substanz ist, schwach in ihrem Widerstande
gegen das Zerreißen, in Vergleich mit demjenigen gegen das Zerdrücken, so gestaltet
sich die Justirung der schmiedeeisernen Zugstange, welche einen gewissen Grad von
Ausdehnbarkeit besitzt, die nach Maaßgabe der Belastung des Trägers in's Spiel
kommt, zu einem Gegenstande der Rechnung, welche sich auf Versuche stützen
sollte.
Textabbildung Bd. 204, S. 437
Gewöhnlich sind die Bogen dieser Träger aus einem Stück
gegossen und enthalten an ihren Enden Vertiefungen zur Aufnahme der schmiedeeisernen
Spannstangen. Man dehnt die letzteren durch Erhitzen aus, befestigt sie in den Enden
des Trägers und läßt sie in Folge der Abkühlung sich zusammenziehen, wodurch sie nun
die Widerlagen zur Aufnahme des horizontalen Schubes bilden. Wären die Stangen zu
lang, so würden sie nicht den vollen Schub aufnehmen, und der Träger würde sich so
weit durchbiegen, daß sein unterer Rand einer Spannung ausgesetzt wäre, der das
Gußeisen nicht widerstehen könnte. Sollten aber die Zugstangen, und dieses kommt
häufiger vor, zu kurz seyn, so sind sie gleich Anfangs einer starken Schubwirkung
ausgesetzt, welche zu dem eigentlichen durch die Belastung veranlaßten Schub
hinzugefügt, leicht einen Bruch zur Folge haben kann. Schmiedeeisen von bester
Qualität dehnt sich innerhalb der Elasticitätsgrenze für je 10 Tonnen directen Zuges
per Quadratzoll um ungefähr 1/1000 seiner Länge aus;
für gewöhnliches Eisen sind 8 Tonnen per Quadratzoll
anzunehmen. Ein gußeiserner bogenförmiger Träger mit schmiedeeiserner Zugstange kann
daher nicht als ein elastischer Bogen zwischen festen Widerlagen betrachtet
werden.
Die Sorglosigkeit womit gewöhnlich diese schmiedeeisernen Spannstangen mit
gußeisernen Tragbogen verbunden werden, Mangel an Kenntniß der richtigen
Verhältnisse zwischen dem Bogen und der Spannstange, unvollkommener Guß, schlechte
Verschweißung und große atmosphärische Aenderungen sind die Ursachen der schlimmen
Erfahrungen, welche man mit diesen Trägern im Verlauf der letzten Jahre in
New-York gemacht hat.Der Verfasser ist als Eisenconstruction-Inspector im Baudepartement
der Stadt New-York angestellt. Der letzte Fall dieser Art kam in einem Gebäude an der südöstlichen Ecke der
56sten Straße und der 6ten Avenue am 28. November des verflossenen Jahres vor. Das
Thermometer war in wenigen Stunden um 22 Fahrenheit'sche Grade gefallen, und die 3
Zoll dicke Stange des Trägers an der Anschweißungsstelle auseinander gegangen.
Dieser Träger, dessen Spannweite zwischen den Widerlagern 25 Fuß betrug, hatte die
Bestimmung 125 Tonnen zu tragen, und brach unter einer Last von ungefähr 60 Tonnen.
Angesichts dieser Thatsache und meiner bei der Prüfung von 270 dieser Träger
gemachten Beobachtungen gelange ich zu dem Schluß, daß auf je 10 Tonnen Last, womit
die Bogenweite beschwert wird, 1 Quadratzoll Querschnitt der Spannstange gerechnet
werden sollte. Betrachtet man den Bogen als biegsam und die Stange als eine
gewichtlose Sehne, so gilt die Formel
H = US²/8V
worin H den horizontalen Schub,
S die Spannweite in Fußen, V den Sinusversus in Fußen und U die
gleichmäßige Belastung per Fuß der Spannweite
bedeutet.