Titel: | J. Stearns' System, auf einem einzigen Drahte gleichzeitig nach beiden Richtungen zu telegraphiren. |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XV., S. 31 |
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XV.
J. Stearns' System,
auf einem einzigen Drahte gleichzeitig nach beiden Richtungen zu
telegraphiren.
Nach der San Francisco
Scientific Press, April 1872, S. 241.
Mit einer Abbildung auf Tab. II.
Gleichzeitiges Telegraphiren nach beiden Richtungen auf bloß einem
Drahte.
Zur Erläuterung des Stearns'schen Systemes, welches durch
seinen Erfolg in Amerika bereits eine praktische Bedeutung erlangt hat, dient uns
die schematische Abbildung Fig. 2.
Nach der gewöhnlichen Methode, Depeschen von einer Station zur anderen, z.B. von K nach K' zu befordern,
nimmt ein Signal, wenn der Schlüssel bei K
niedergedrückt und der Contact bei a mit dem positiven
Pol der Batterie E hergestellt wird, seinen Weg durch b, l und das Relais M nach
3, von da über den Telegraphendraht A, B durch 7 und das
Relais M' nach 5, b' und zum
negativen Pol a' der
Batterie E'. Die Drähte c, G
und c', G' mit ihren Erdplatten vertreten die Stelle des
zurückleitenden Drahtes. Die Modification nun, mit deren Hülfe es möglich ist,
Signale auf dem Draht A, B gleichzeitig nach beiden
Richtungen zu senden, ist folgende:
Bei gewöhnlichen Apparaten sind die Relais M und M' mit einfachen Drähten nach
einer Richtung, bei dem Doppeltransmissionssystem
jedoch mit zwei Drähten nach entgegengesetzten Richtungen umwickelt. Der zweite Draht läuft von 1 durch
2, rings um das Relais M nach 4, und von da durch eine
Widerstandsspirale oder einen Rheostaten X nach dem
Draht c, G der Erdplatte. Aehnlich ist die Anordnung auf
der Station B, wo jedoch der positive Pol der Batterie
mit dem Boden in Verbindung steht.
Die Folge dieser Einrichtung ist, daß ein von der Batterie E ausgehender Strom bei 1 sich theilt. Die eine Hälfte nimmt ihren Weg um
das Relais M durch den von links nach rechts gewundenen
Draht, nämlich via 1 und 3 längs des Telegraphendrahtes
A, B nach der Station B,
während die andere Hälfte das nämliche Relais, aber in dem von rechts nach links
gewundenen Draht umkreist, und via 2 und 4 durch X nach der Erdplatte G ihren
Weg nimmt. Die nämliche Verbindung und Stromtheilung findet an der zweiten Station
B statt.
Durch diese Theilung des galvanischen Stromes – von dem die eine Hälfte nach
dem Erdboden, die andere Hälfte durch den Telegraphendraht geleitet wird –
ist die Möglichkeit gegeben, Depeschen gleichzeitig und ohne gegenseitige Störung
nach beiden Richtungen zu befördern. Es ist dieses jedoch nicht so zu verstehen, als
ob ein Theil der Signale mittelst des Bodenstromes befördert würde. Sämmtliche
Signale gehen durch den einen Hauptdraht hin und zurück, wie den mit der Theorie
dieses Gegenstandes vertrauten Elektrikern bekannt ist.
Bei der Ausführung des in Rede stehenden Systemes sind an jedem Ende der Linie zwei
Instrumente auf einem Tische aufgestellt, wovon das eine die Depeschen empfängt, das
andere sie gleichzeitig absendet. Quer über die Mitte des Tisches zieht sich eine
Scheidewand zwischen beiden Instrumenten, damit der Schall der letzteren sich nicht
störend vermische.
Nur eine Bedingung setzt die vollkommene Wirksamkeit des Systemes voraus, nämlich
die, daß eine gleiche Theilung des Stromes bei 1 und 5
stattfinde. Dieses Resultat wird mit Hülfe eines bei X
und X' eingeschalteten Rheostaten erzielt. Befindet sich
z.B. ein zwischen beiden Stationen 100 Meilen langer Draht in vollkommen arbeitsfähigem Zustande, so muß
der Widerstand des Rheostaten X äquivalent seyn dem
Widerstande eines vollkommen isolirten Drahtes von der genannten Länge. Wenn aber in
Folge ungünstiger Witterung oder unvollkommener Isolation der Telegraphendraht einen
größeren Widerstand, z.B. einen Widerstand äquivalent einem 150 Meilen langen Drahte
darbietet, so läßt sich dieser Extrawiderstand von 50 Meilen Drahtlänge
augenblicklich bei X anbringen und somit das verlangte
Gleichgewicht wieder herstellen.
Es knüpfen sich an vorstehendes System noch einige minder wichtige Details, welche
größere oder geringere Schwierigkeiten darbieten; es ist aber alle Hoffnung
vorhanden, dieselben auf Grund weiterer Forschung und Erfahrung zu überwinden und
schließlich einen Erfolg zu erzielen, durch welchen die Leistungsfähigkeit jeder
Telegraphenlinie geradezu verdoppelt wird. Die Western Union
Telegraph Company in San Francisco hat jetzt das Erfindungspatent des Hrn.
Joseph Stearns (in Boston, Mass.) für den Bereich der
Vereinigten Staaten an sich gebracht. Die Doppelapparate sind einige Zeit in
New-York im Gebrauch gewesen und zwar mit so befriedigendem Erfolg, daß die
Gesellschaft beabsichtigt sie in allen ihren Bureaus einzuführen, wo es der Drang
der Geschäfte wünschenswerth erscheinen läßt.