Titel: Ueber das Ansehen der Milch unter dem Mikroskop, vor und nach dem Butterschlagen und Abrahmen; von Boussingault.
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XXIII., S. 66
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XXIII. Ueber das Ansehen der Milch unter dem Mikroskop, vor und nach dem Butterschlagen und Abrahmen; von Boussingault. Aus den Annales de Chimie et de Physique, 4. série, t. XXV p. 382; März 1872. Mit Abbildungen auf Tab. II. Boussingault, über das Ansehen der entrahmten etc. Milch unter dem Mikroskop. Unter dem Mikroskop zeigt die Milch nach dem Schlagen ein bedeutend verändertes Ansehen; selbstverständlich sind die Butterkügelchen weniger zahlreich vorhanden; überhaupt läßt sich geschlagene Milch leicht erkennen. Vollständig abgerahmte Milch unterscheidet sich von nicht entrahmter durch eine bläuliche Färbung; dieser Unterschied ist jedoch bei nur theilweiser Entrahmung für das unbewaffnete Auge nicht wahrnehmbar, wogegen die Prüfung unter dem Mikroskop bei einiger Uebung deutlich erkennen läßt, ob die Milch eines Theiles ihres Rahmes beraubt ist. Im Verlaufe meiner Versuche über das Butterschlagen (Agronomie, 2e édition, t. IV p. 159) hatte ich häufig Gelegenheit, auf dem Objectträger die Charaktere der normalen, der geschlagenen und der abgerahmten Milch, sowie der vom Schlagen des Rahmes herrührenden Buttermilch zu beobachten. Ich gebe hier die bildlichen Darstellungen des Ansehens der Butterkügelchen der unter diesen verschiedenen Verhältnissen untersuchten Milch. Durch meine Untersuchungen habe ich constatirt, daß man durch das Schlagen der Milch selbst bei der geeignetsten Temperatur und in Butterfässern von der besten Construction, bei weitem nicht den ganzen Buttergehalt gewinnt. In der geschlagenen Milch bleiben immer noch Butterkügelchen zurück, welche sich durch noch so lange Zeit fortgesetztes Schlagen (Buttern) nicht vereinigen lassen, wovon man sich durch das Mikroskop überzeugen kann. Wenn der aus dem Butterfasse genommene Butterkuchen nicht sämmtliches Fett enthält, welches die Milch hätte liefern sollen, so muß das Fehlende nothwendig in der Buttermilch zurückgeblieben seyn, was auch wirklich der Fall ist. Ich habe die Menge der in der Buttermilch zurückgebliebenen Butter auf zweierlei Weise bestimmt; erstens, indem ich dieselbe aus dem Verluste beim Schlagen der Milch, deren Buttergehalt bekannt war, berechnete, und zweitens, indem ich das Gewicht des Fettes direct bestimmte. Butter Aus 1000 Th. Milch, welche enthielten 40,4 wurden durch das Schlagen im Durchschnitt gewonnen 29,5 Differenz, die Menge der in 970,5 Th. Buttermilch     zurückgebliebenen Butter repräsentirend 10,8 1000 Th. Buttermilch würden demnach an Butter enthalten 11,1 Bei sieben directen Bestimmungen wurden erhalten   9,3 In der Buttermilch blieb daher der vierte Theil des ganzen Buttergehaltes der Milch zurück; daraus ist die Gegenwart der Butterkügelchen erklärlich, welche man in einem Tropfen geschlagener Milch unter dem Mikroskop wahrnimmt. Figur 5 ist die Abbildung eines Tropfens normaler Milch vor dem Schlagen; Figur 6 die von einem Tropfen Buttermilch. In Fig. 5 liegen die Fettkügelchen dicht an einander die freien Räume sind von geringer Ausdehnung. In Figur 6 erscheinen die Butterkügelchen weit weniger zahlreich, zu einzelnen Gruppen vereinigt, und etwas heller, wahrscheinlich weil durch die Wirkung des Schlagens Kügelchen mit einander verschmolzen sind; sie widerstehen jedoch in diesem Zustande einer vollständigen Vereinigung. Bei längerem ruhigen Stehen unter Umständen wo die Buttermilch nicht sauer wird, steigt ein Theil dieser zerstreuten Butterkügelchen an die Oberfläche der Flüssigkeit; die auf diese Weise entstandene Rahmschicht ist jedoch so dünn, daß es schwierig wird sie abzuschöpfen. Das Abschöpfen dieses Rahmes, in den seltenen Fällen wo er sich vor dem freiwilligen Gerinnen der Buttermilch an der Oberfläche ansammelt, ist. übrigens von sehr geringem Belang. Die dem Schlagen entgangene Butter verbessert natürlich die Qualität der Buttermilch, mag dieselbe zur Käsebereitung oder zur Schweinemast benutzt werden. Wegen der Gegenwart dieser Butterkügelchen müssen die mageren Käse eine gewisse Menge Fett enthalten, mögen sie mit geschlagener oder mit abgerahmter Milch bereitet seyn. Entrahmte Milch. – Die Milch theilt sich bei ruhigem Stehen in einer Temperatur von 12 bis 15° C. nach vierundzwanzig Stunden in zwei Schichten; die obere derselben, der Rahm, ist leichter und consistenter, als die untere; letztere ist schwerer und in Folge ihres Wassergehaltes dünnflüssiger. Diese untere Schicht ist die entrahmte Milch, und zwar ist dieselbe stets mehr oder weniger entrahmt, da das Aufsteigen der Fettkügelchen nach oben nur allmählich und langsam stattfindet. Wenn man den Rahm abschöpft, bevor sich die ganze Menge desselben an der Oberfläche angesammelt hat, so geschieht dieß um das Gerinnen des Käsestoffes zu verhüten, welches eintritt sobald in Folge der Einwirkung der Luft Milchsäure gebildet wird. Dieses Gerinnen des Käsestoffes übt einen um so nachtheiligeren Einfluß auf das Ergebniß des Abrahmens aus, als das Coagulum, indem es sich niederschlägt, eine beträchtliche Menge Butterkügelchen mitreißt. Hiervon kann man sich leicht überzeugen, wenn man frische Milch mit einer Säure, z.B. mit Essig versetzt; die Milch gerinnt sofort und das Coagulum sammelt sich am Boden des Gefäßes, bedeckt von fast wasserklarem Serum (Molken); es sammelt sich dann bei ruhigem Stehen kein Rahm mehr an der Oberfläche, weil sämmtliche Fettkügelchen von der mit der Essigsäure verbundenen Käsesubstanz mitgerissen worden sind. Eine ähnliche Wirkung zeigt sich in mehr oder weniger auffallendem Grade, wenn das Entrahmen unter Umständen stattfindet, welche eine freiwillige Bildung von Milchsäure begünstigen. Die Milch theilt sich dann in drei Zonen; die obere derselben besteht aus Nahm, welcher vor dem Gerinnen des Käsestoffes zur Oberfläche gestiegen ist und sich dort angesammelt hat. Der geronnene Käsestoff bildet die untere Zone; die mittlere ist Serum oder Molke. Es ist klar, daß die Menge des unter diesen Umständen abgeschiedenen Rahmes von dem rascheren oder langsameren Eintreten der Milchsäurebildung bedingt seyn und daß dessen Menge um so geringer ausfallen muß, je mehr Butterkügelchen von dem Coagulum umschlossen werden. Aus dem Vorstehenden wird es begreiflich, daß die Menge der in einer abgerahmten Milch enthaltenen Butter sehr verschieden seyn muß. Milch, welche in 100 Theilen 3,62 Butter enthielt, zeigte nach vierundzwanzigstündigem ruhigen Stehen noch einen Gehalt von 1,4 Proc. Butter. Das Emporsteigen des Rahmes und sein Ansammeln an der Oberfläche war daher bei weitem noch nicht beendigt. Milch, welche nach dem Appert'schen Verfahren conservirt und dadurch vor Säurebildung, somit vor dem Gerinnen geschützt worden war, zeigte nach dreijährigem Stehen ein fast ganz klares, mit einer dicken Rahmschicht bedecktes Serum. Hier hatte also eine vollkommene, in der Praxis nicht erreichbare Entrahmung stattgefunden. Entrahmte Milch ist selbst unter den günstigsten Umständen niemals ganz frei von Butter; es kommt jedoch zuweilen vor, daß sie in 100 Theilen nicht mehr als 0,3 bis 0,4 Fettsubstanz enthält. Eine derartige entrahmte Milch zeigt das in Figur 7 dargestellte Ansehen. Buttermilch. – Der Rahm, wie man ihn durch Ruhigstehenlassen der Milch unter Umständen welche ein Gerinnen derselben nicht zulassen, erhält, hat keineswegs eine constante Zusammensetzung; sein Gehalt an Butter ist verschieden, je nachdem er von der ihn imprägnirenden Milch mehr oder weniger vollständig abgeschieden ist. Den zum Butterschlagen bestimmten Rahm läßt man nicht abtropfen, wie dieß mit dem zum Küchengebrauch bestimmten Rahme geschieht. Ein im September v. J. gesammelter Rahm enthielt 18,5 Procent Butter; ein gut abgetropfter Rahm hingegen enthält davon 37 bis 40 Procent. Nach der Abscheidung der Butter vom Rahme durch das Schlagen bleibt eine Flüssigkeit zurück, welche das Ansehen der normalen Milch hat, obschon sie nicht so viel Fett enthält als solche. Zwei Analysen ergaben für die Menge der in 100 Theilen geschlagenen (entbutterten) Rahmes noch enthaltenen Butter die Zahlen 1,72 und 1,76. Unter dem Mikroskop zeigt die Buttermilch zahlreiche, sehr kleine Kügelchen (Fig. 8); das Bild ist aber verworren, weil diese Milch in Folge kleiner, in der Flüssigkeit zerstreuter, geronnenem Käsestoff gleichender Partikel ziemlich opak ist. Es ist jedoch nicht wohl möglich, unter dem Mikroskop die Buttermilch in ihrem Ansehen mit der Milch zu verwechseln; es läßt sich mittelst des Mikroskops sogar erkennen, ob eine Buttermilch mit entrahmter Milch vermischt wurde, eine Fälschung welche zuweilen ausgeführt worden ist, um entrahmter Milch, namentlich aber geschlagener (entbutterter) Milch das Ansehen von normaler Milch zu ertheilen.

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Tafel Tab.
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Tab. II