Titel: | Ueber Concentration der Schwefelsäure; von R. Hasenclever. |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XLV., S. 125 |
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XLV.
Ueber Concentration der Schwefelsäure; von R. Hasenclever.
Aus den Berichten der deutschen chemischen
Gesellschaft zu Berlin, 1872, Nr. 11.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Hasenclever, über Concentration der Schwefelsäure.
Bekanntlich wird die in den Bleikammern dargestellte Schwefelsäure bis zu einem
specifischen Gewichte von 1,7 oder 60° Baumé in Apparaten aus Blei
concentrirt und erst die 60grädige Säure auf 66° Baumé (spec. Gew. =
1,835) in Gefäßen aus Platin oder Glas weiter eingedampft.
Die sämmtlichen zur Concentration auf 60° Baumé angewandten Apparate
von Blei sind mehr oder weniger der Zerstörung unterworfen und es ist von großer
Wichtigkeit, das Verhalten des Bleies in Berührung mit Schwefelsäure bei
verschiedenen Temperaturen zu beobachten. Versuche, welche wir vor einigen Jahren im
Laboratorium der chemischen Fabrik Rhenania anstellten,
ergaben, daß, als man reine Schwefelsäure in Berührung mit einem doppelt raffinirten
Blei eindampfte, bei einer Temperatur von 165° C. schweflige Säure entwich,
bei 178° C. und einer Concentration der Säure auf 57° Baumé
deutlich der Geruch von Schwefelwasserstoff zu erkennen war, bei 180° C. und
einer Concentration der Säure auf 58° B. starke Zersetzung der Säure unter
Aufschäumen und Abscheidung von Schwefel eintrat.
Dieselben Erscheinungen haben andere Fabrikanten und auch ich im Großen beobachtet.
Durch Ueberhitzung der Schwefelsäure trat so bedeutende Gasentwickelung ein, daß der
ganze Inhalt der Pfannen heftig aufwallte, Schwefel durch gegenseitige Zersetzung
von schwefliger Säure und Schwefelwasserstoff ausgeschieden und bei arsenhaltiger
Säure gelbe Flocken von Schwefelarsenik gefällt wurden. Man ist vielfach geneigt
gewesen, den Grund dieser Erscheinungen in Verunreinigungen des Bleies zu suchen.
Sowohl in den chemischen Fabriken wurde das Blei auf fremde Metalle geprüft, als
auch die Bleilieferanten, veranlaßt durch Reclamationen ihrer Abnehmer über
schlechte Haltbarkeit der Pfannen, vielfach Analysen machen ließen. In den mir
bekannten Fällen wurden nur sehr unbedeutende Verunreinigungen des Bleies
nachgewiesen. Durch genaue Controlle der Concentration mit Thermometer konnten wir
bisher mit der Haltbarkeit der Apparate zufrieden seyn, bis wir vor einigen Wochen
in einer Eindampfpfanne eine lebhafte Entwickelung von Gasblasen in der
Schwefelsäure schon bei 135° C. beobachteten. Das Gas bestand aus Wasserstoff,
ohne daß im Blei wesentliche Beimengungen nachgewiesen werden konnten.
Da mir bekannt war, daß die Klagen über schlechte Haltbarkeit der Bleipfannen häufig
vorkommen, seitdem die meisten Bleihütten ihr Werkblei mit Zink entsilbern, so
vermuthete ich, daß ein reines, weiches Blei, wie es nach der neuen Methode
producirt wird, dem Angriff der Säure weniger widerstehen möchte.
Ich verschaffte mir eine Probe Mechernicher Blei von
folgender Zusammensetzung:
99,9941
Proc. Blei,
0,0006
„ Silber,
0,0008
„ Kupfer,
0,0040
„ Antimon,
0,0005
„ Eisen.
Dieses Blei wurde mit chemisch reiner Schwefelsäure von 54° B. im Kolben
erwärmt. Schon bei 40° C. bemerkte man kleine Gasblasen vom Blei aus
aufsteigen. Bei 80° C. trat schon eine ganz deutliche, wenn auch nicht sehr
starke Gasentwickelung ein, welche sich mit zunehmender Temperatur bedeutend
steigerte. Die entweichenden Gase bestanden aus Wasserstoff und
Schwefelwasserstoff.
Dasselbe Blei wurde eingeschmolzen, mit etwas Antimon versetzt und nach dem Erkalten
eine Probe dieser Bleisorte wieder mit chemisch reiner Schwefelsäure von 54°
B. erwärmt. Erst bei 85° C. fing eine kaum sichtbare Gasentwickelung an,
welche sich auch bei 100° C. nur bei genauer Beobachtung erkennen ließ, bei
140° C. fing die Entwickelung an stärker zu werden und bestanden die Gase
ebenfalls aus Wasserstoff und Schwefelwasserstoff. Nach wiederholten Versuchen
scheint es mir daher unzweifelhaft, daß reines, weiches Blei der heißen
Schwefelsäure nicht so gut widersteht, als die weniger reinen, härteren Bleisorten,
was für die Praxis gewiß sehr beachtenswerth ist und auch zu weiteren Versuchen
Veranlassung seyn dürfte.
Was nun die in den Schwefelsäurefabriken gebräuchlichsten Apparate zur Concentration
der Kammersäure betrifft, so sind diese:
1) Eindampfpfannen aus Blei, welche auf gußeisernen Platten
stehen mit directer Feuerung unter den Platten;
2) mit oberschlägigem Feuer betriebene Bleipfannen (deren Ränder
doppelte Wandungen haben und mit Wasser gekühlt werden, um das Abschmelzen des
Bleies zu verhüten);
3) Concentration mit gespanntem Wasserdampf;
4) Concentrationen durch heiße schweflige Säure.
Bei dem zuerst angeführten Concentrationsapparat in offenen Pfannen mit directem
Feuer ist es zweckmäßig, die Eindampfung durch Thermometer zu controlliren, da bei
zu hohen Temperaturen das Blei leicht zerstört wird. Wenn der Arbeiter, welcher die
Eindampfung besorgt, gut aufpaßt, so können die Pfannen lange aushalten und besteht
diese am meisten eingeführte Methode der Concentration in offenen Pfannen allerdings
nur aus einem einfachen Apparate, jedoch, was die Reparaturen, den Kohlenverbrauch
und den Säureverlust betrifft, ist er gerade nicht sehr empfehlenswerth.
Der Abdampfofen, in welchem die Flamme die Oberfläche der Säure direct bestreicht,
fand sich früher vielfach in England und er wurde in Deutschland wohl zuerst in
Lüneburg eingeführt. Die Oefen halten Jahre lang ohne Reparatur, brauchen wenig
Brennmaterial zur Concentration, haben aber den Uebelstand, daß sehr leicht
Ueberhitzung der Säure stattfindet und mit den Feuerungsgasen beträchtliche
Quantitäten Schwefelsäure entweichen können. Aus diesem Grunde wurden diese
Abdampföfen an vielen Orten, wo sie eingeführt waren, wieder außer Betrieb
gesetzt.
Die erste Idee, Schwefelsäure mit indirectem Wasserdampf zu concentriren, rührt von
Carlier her, dem Dirigenten der chemischen Fabrik von
F. Curtius in Duisburg. Nach verschiedenen Versuchen in
der dortigen Schwefelsäure-Fabrik wird jetzt die Eindampfung in mit Blei
ausgekleideten Holzkästen vorgenommen, welche eine Länge und Breite von 4 Meter
haben. Auf dem Boden jedes Kastens liegen zwei Bleischlangen von je 45 Met. Länge,
0,03 Met. lichter Weite und 0,007 Met. Wandstärke, durch welche Dampf strömt,
während der Kasten mit Säure gefüllt ist. Damit das Condensationswasser aus den
Röhren gut abläuft, hat der Boden die Form einer abgestumpften Pyramide, und ist der
Behälter in der Mitte 0,60 Met. und an den Seiten 0,30 Met. hoch. Die beiden Enden
jeder Rohrleitung stehen durch Hähne mit einem Dampfkessel in Verbindung, welcher
tiefer liegt als die Concentrationskästen, und geht die Dampfzuleitung vom Dom des
Kessels ab, während die Ausgangsröhren des Dampfes aus dem Concentrationskasten zum
Dampfraum des Kessels geneigt liegen und ein Zurückfließen des condensirten Wassers
in den Kessel gestatten. Der Betrieb ist ein intermittirender. Der
Concentrationskasten wird mit Kammersäure von 1,5 spec. Gewicht gefüllt und so lange
mit Dampf erwärmt, bis das spec. Gewicht auf 1,7 gestiegen ist. Alsdann wird der
ganze Inhalt in einen mit Blei ausgekleideten Holzkasten entleert. In diesem
Säure-Reservoir befindet sich ein Schlangenrohr, welches die Kammersäure passiren muß, bevor sie
in die Concentration gelangt, und wird also bei jeder neuen Füllung des
Verdampfungsapparates die zufließende zu concentrirende Säure durch die heiße
concentrirte Flüssigkeit vorgewärmt. In einem Apparate von der angegebenen Größe
werden pro 24 Stunden 5000 Kilogrm. Säure bis zu
60° Baumé eingedampft. Die Dampfspannung im Kessel beträgt 3
Atmosphären Ueberdruck und der Kohlenverbrauch auf Schwefelsäure von 60°
Baumé stellt sich auf 9 Proc. Es braucht nur in dem Maaße dem Kessel Wasser
zugepumpt zu werden, als durch undichte Flanschen Dampf verloren geht. Es ist
rathsam, über den Concentrationskasten einen Breterverschlag anzubringen, um bei
etwaigem Platzen der Dampfröhren zu verhüten, daß durch die umhergeschleuderte heiße
Schwefelsäure Jemand zu Schaden kommt.
Ich verdanke die Mittheilung dieses interessanten Concentrationsverfahrens dem Hrn.
Friedr. Curtius.
Es verflüchtigt sich wegen der niedrigen Temperatur bei der
Dampf-Concentration keine Schwefelsäure und das Verfahren hat noch den großen
Vortheil der Reinlichkeit, des sehr geringen Kohlenverbrauches und geringen
Arbeitslohnes. In Deutschland ist diese Dampf-Concentration jetzt schon
vielseitig eingeführt.
Die heißen Gase der Kiesöfen werden vielfach zur Eindampfung von Schwefelsäure
benutzt. Entweder stellt man Bleipfannen auf oder hinter die Kiesbrenner, oder man
leitet die schweflige Säure aus den Oefen in einen mit Steinen ausgesetzten
Bleithurm. Die Anlage von Pfannen auf den Oefen hat den Uebelstand, daß, wenn die
Pfannen undicht werden, die auslaufende Säure den Ofen ruinirt, und ist es in der
That schon vorgekommen, daß bei derartiger Construction bereits nach einem Jahre die
Schwefelsäure-Fabrication arretirt und der Kiesofen ganz neu gebaut werden
mußte. Nichtiger ist es schon, die Pfannen hinter den Ofen zu setzen und gleich
einen zweiten Canal anzubringen, welcher den Ofen mit der Kammer in Verbindung
bringt, so daß für den Fall, daß Reparaturen an den Pfannen eintreten, die
Schwefelsäure-Fabrication fortbetrieben werden kann. Eine bessere Verwerthung
der heißen schwefligen Säure zur Concentration findet im Glover'schen Thurme statt, welche in England sehr gebräuchlich ist und im
polytechn. Journal Bd. CCI S. 341 (zweites Augustheft 1871) von Lunge ausführlich beschrieben wurde. Durch die directe
Einwirkung der heißen Ofengase auf die Schwefelsäure ist eine starke Verdampfung
möglich, die schwefligsauren Dämpfe gelangen abgekühlt in die Kammer, die im Thurm
verdampfte Schwefelsäure wird in der Kammer aufgefangen, und da der gleichzeitig entweichende
Wasserdampf ebenfalls in die Bleikammer gelangt, so wird auch an Wasserdampf
gespart. Die Säure aus diesen Concentrationsthürmen ist nicht frei von schwefliger
Säure und mag dieß für manche Verwendung beachtenswerth seyn. In einem Liter
concentrirter Schwefelsäure aus dem Glover'schen Thurm
fand ich 0,7 Grm. SO². Es ist ferner zu berücksichtigen, daß bei Anwendung
des Glover'schen Systemes keine genügenden Vorkehrungen
zum Auffangen des Flugstaubes angebracht werden können, weil die Gase auf ihrem Wege
durch dieselben zu sehr abgekühlt werden würden. So gelangt Flugstaub in die Säure
und macht dieselbe eisenhaltig. Zur Fabrication von gewöhnlichem Sulfat, das auf
Soda weiter verarbeitet werden soll, zur Darstellung von Superphosphaten und vielen
anderen Fabricaten ist eine solche Säure immer tauglich, weniger aber zur Bereitung
von Säure von 66° Baumé, oder zu Sulfat für die Fabrication von weißem
Glase.
Nachdem ich die Glover'schen Thürme in England in Betrieb
gesehen, wurde auf meine Veranlassung in der chemischen Fabrik zu Hautmont ein Concentrationsthurm angelegt, in welchem man
mit der verlorenen Hitze eines Plattenofens nach Hasenclever und Helbig, wie er im polytechn.
Journal Bd. CXCIX S. 284 (zweites Februarheft 1871) beschrieben ist, Schwefelsäure
concentrirt. Die Anlage functionirt seit Ende vorigen Jahres und gibt sehr
befriedigende Resultate. Der Eisengehalt der Säure ist nicht höher (0,05 Proc. Fe),
als der jenige aus den englischen Concentrationsthürmen, und dürfte es von Interesse
seyn, daß eine Combination vom Glover'schen Thurme mit
unseren Plattenöfen sich gut bewährt.
Die Eindampfung der Kammersäure und gleichzeitige Denitrification der Schwefelsäure
aus den Gay-Lussac'schen Apparaten im Glover-Thurme scheint auch sehr gut bewerkstelligt
werden zu können, jedoch habe ich darüber noch keine genügende Erfahrung.
Was die Concentration der 60grädigen Säure auf einen Gehalt von 66°
Baumé betrifft, so hat man die Eindampfung in Glas fast ganz aufgegeben und
findet dieselbe meist in Platinapparaten statt. Der Preis dieser Apparate betrug vor
15 Jahren 1200 Frcs. pro Kilogrm. Platin und ist jetzt
auf circa 750 Frcs. pro
Kilogrm. gesunken. Die Construction der Platinkessel ist wohl allgemein bekannt und
möchte ich hier nur eine neue Hebervorrichtung
beschreiben, welche ich vor zwei Jahren nach meiner Angabe von den HHrn. Demoutis und Quenessen in
Paris anfertigen ließ, die von genannter Firma auch für andere Fabriken ausgeführt
wurde und sich sehr gut bewährt. Die Construction des Hebers ist aus Figur 7 (1/12 der
natürlichen Größe) ersichtlich und hat den Zweck, den Säurestand im Apparate nie
unter ein bestimmtes Niveau sinken zu lassen.
Diese Vorrichtung wäre unnöthig, wenn der Arbeiter welcher den Apparat bedient, sich
genau nach dem Stande des Schwimmers richten würde. Dieß geschieht indessen in der
Praxis nicht immer und es kommt vor, daß durch den Hahn mehr Säure abgezogen wird,
als dem Kessel zufließt, und der Säurestand im Apparate unter die Linie de herabsinkt. Die Feuerungs-Züge f berühren alsdann das Platinblech, ohne daß dasselbe
von Innen mit Flüssigkeit in Berührung wäre; das Blech wird geglüht, wirft sich und
bekommt, wenn sich solche Fälle durch Unachtsamkeit der Arbeiter wiederholen, Risse.
Um diesen Uebelstand zu vermeiden, ist an dem Heber ein Röhrchen g, h angebracht, dessen untere Oeffnung bis zu dem
niedrigsten Säurestand reicht, welcher im Apparate zulässig ist. Steht die
Flüssigkeit im Apparate oberhalb d, e so ist die
Oeffnung g bedeckt und der Heber functionirt in
gewöhnlicher Weise, indem er die stark concentrirte Säure vom Boden des Apparates
abzieht. Sinkt der Säurestand aber unter d, e, so saugt
der Heber bei g Luft und läuft ab. Auf diese Weise ist
es vermieden, daß der Apparat so leer wird, daß das Platinblech glühend werden kann,
und der Arbeiter hat, um den Betrieb fortzusetzen, den Heber durch die Trichter i oder k wieder zu füllen.
Soll ausnahmsweise der ganze Apparat entleert und zur Reinigung der Feuerzüge aus
dem Mauerwerk herausgenommen werden, so entfernt man den Deckel l, setzt den Stöpsel m bei
h ein, und kann dann die Säure aus dem Kessel bis
zum Punkte n ganz abheben. Füllt der Arbeiter durch
Unachtsamkeit anhaltend mehr in den Apparat ein, als der Heber abzieht, so würde der
Kessel bei o und p
überfließen. Durch einen Ueberlauf q kann man dieß in
einfacher Weise vermeiden und durch die beiden beschriebenen Vorrichtungen
automatisch den Säurestand im Platinapparat zwischen denjenigen Grenzen halten,
welche zu einem geregelten Betriebe erforderlich sind.