Titel: | Ueber die tragbare Eisenbahn für landwirthschaftliche Zwecke nach der Construction des Civilingenieurs und Zuckerfabrikanten H. Corbin zu Lizy-sur-Qurcq. |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. L., S. 177 |
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L.
Ueber die tragbare Eisenbahn für
landwirthschaftliche Zwecke nach der Construction des Civilingenieurs und
Zuckerfabrikanten H. Corbin zu
Lizy-sur-Qurcq.
Nach dem Bericht von Hervé Mangon im Bulletin de la
Société d'Encouragement, Juni 1872, S. 282.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Corbin's tragbare Eisenbahn für landwirthschaftliche
Zwecke.
Zum Transport des Düngers, sowie zum Einbringen der Ernte bedient man sich schon seit
geraumer Zeit in mehreren Ländern auf Pachtgütern tragbarer Eisenbahnen, welche nach
Bedürfniß leicht translocirt werden können. In England, insbesondere in
Lincolnshire, ist die Anwendung derselben ziemlich verbreitet, und auf allen
landwirthschaftlichen Ausstellungen trifft man dort solche für die Zwecke der
Agricultur eigens construirte Eisenbahnen mit den zugehörigen Waggons. Es ist jedoch
nicht zu verkennen, daß die für den genannten Zweck seither vorgeschlagenen oder in
Anwendung gekommenen tragbaren Bahnen, um allgemein in Gebrauch zu kommen, noch
mancher Vervollkommnung bedürfen. Sie bestehen immer aus Rahmen, gebildet von
hölzernen Langschwellen, welche durch Traversen verbunden und mit Bandeisen
beschlagen sind. Diese Rahmen, auf dem Boden an einander gelegt, bilden das
Schienengeleise, auf welchem die Waggons rollen. Die einzelnen Abtheilungen oder
Glieder müssen, der bequemeren Translocation wegen, ziemlich leicht und dennoch
stark genug seyn, um den Transport beladener Waggons auszuhalten und sonstigen
zufälligen Einwirkungen den nöthigen Widerstand zu leisten. Diese Bedingungen der
Leichtigkeit und Solidität sind innerhalb gewisser Grenzen schwer zu vereinigen, und
man ist bis jetzt noch nicht zu diesem Ziel gelangt, ohne die Kosten der
Construction um ein Bedeutendes zu erhöhen oder die Länge der Bahnglieder dergestalt
zu reduciren, daß dadurch ihre Anzahl, mithin die zur Deplacirung der Bahn nöthige
Arbeit, unverhältnißmäßig vermehrt wird.
Corbin hat bei seiner Schienenbahn große Leichtigkeit mit
genügender Solidität dadurch zu vereinigen gesucht, daß er das Gewicht der Waggons vermindert und
ihre Anzahl vermehrt, indem er die zu transportirende Last, welche man gewöhnlich
nur in zwei oder drei Fahrzeugen anhäuft, auf eine große Anzahl von Räderpaaren und
folglich auch auf eine große Bahnstrecke vertheilt.
In Verfolgung dieses praktischen Gedankens construirt Corbin seine tragbare Eisenbahn aus leichten, 5,3 Met. langen hölzernen
Leitern, Fig.
23 und 24.Die Figuren
23, 24, 27,
28, 29 und 30
sind in 1/20 natürlicher Größe gezeichnet, die Figuren 25, 26 und
33 in 1/10 natürlicher Größe. Die Langschwellen oder Seitentheile derselben sind durch Querhölzer oder
Sprossen mit einander verbunden, und mit Bändern von flachem Eisen oder Winkeleisen
beschlagen. Die Leitern werden flach auf den Boden gelegt und der Reihe nach
mittelst kleiner Schuhe A (Fig. 25 und 26) aus
Eisenblech mit einander verbunden. Letztere sind an die Enden der einen Leiter
festgeschraubt und durch einen hölzernen Pflock mit den Enden der folgenden Leiter
verbunden. – Die Construction der Curven ist die nämliche. Fig. 27 stellt ein
Curvenstück von 8 Meter Halbmesser im Grundrisse dar. – Der Bahnwechsel wird
bewerkstelligt, indem man das Ende der einen Leiter freiläßt, und dieselbe nach
Bedürfniß mit dem rechten oder linken Schienengeleise in Verbindung bringt.
Die Waggons sind kleine rollende Plattformen, welche je nach der Art des zu
transportirenden Materiales zur Aufnahme von Körben oder offenen Kästen u. dergl.
eingerichtet sind. Die erste Plattform jedes Zuges ist, wie die perspectivische
Ansicht Fig.
31 zeigt, vierräderig. Die anderen Plattformen, welche in Fig. 28 in der
Seitenansicht, in Fig. 29 in der Endansicht und in Fig. 30 im Grundrisse
dargestellt sind, haben jede nur zwei Räder und werden, wie aus den Figuren 28 und 32 zu ersehen,
mit Hülfe horizontaler Zugstangen und eiserner Vorstecker an einander gehängt. Diese
sinnreiche Anordnung bietet mehrfache Vortheile dar; einerseits verleiht sie
überhaupt dem Wagenzug eine große Biegsamkeit und gestattet ihm den durch die
Terrainverhältnisse gebotenen Unregelmäßigkeiten und Einsenkungen sich
anzuschmiegen; andererseits vermindert sie die Chancen der Entgleisung, indem sie
immer die ganze Belastung gleichmäßig auf die Räder vertheilt.
Corbin hat drei Eisenbahnmodelle seines Systemes
festgestellt. Beim Modell Nr. 1 beträgt die Breite, von Außen gemessen, 0,33 Met.
und das Gewicht 3,6 Kilogrm. für den laufenden Meter oder 19 Kilogrm. per Leiter; die Kosten desselben belaufen sich auf 2,5
Francs per Meter. – Der vierräderige Rollwagen an
der Spitze des Zuges wiegt 15 Kilogrm. und kostet 20 Frcs. Die anderen Wagen wiegen
11 Kilogramme und kosten 15 Frcs. – Die weidengeflochtenen Rübenkörbe fassen
50 Kilogrm. Runkelrüben, wiegen 4 Kilogrm. und sind je nach der Qualität für 2,25
bis 4,25 Frcs. zu kaufen.
Das Modell Nr. 2 hat eine äußere Breite von 0,470 Met., wiegt mit den eisernen
Schienen 5,2 Kil. per laufenden Meter oder 27,6 Kil. per Leiter, und seine Kosten stellen sich auf 3,5 Frcs.
per Met. Der vierräderige Waggon wiegt 34 Kil. und
kostet 30 Frcs. Die zweiräderigen Plattformen wiegen 27,5 Kil. und kosten 25 Frcs.,
wornach sich die Kosten eines aus 30 Waggons bestehenden Zuges auf 755 Frcs.
belaufen. Die Behälter für Erde, Kohle u.s.w. wiegen 17 Kil. und kosten 10 Frcs. Die
Lattenbehälter (civières à claire voie)
fassen 100 bis 120 Kil. Runkelrüben, wiegen 13 Kil. und kosten 10 Frcs.
Das Modell Nr. 3 endlich ist 0,68 Met. breit, wiegt 9 Kil. per Meter und kostet 4,5 Frcs. Die Transportwagen sind vierräderig und
kosten je nach ihrer mehr oder weniger complicirten Einrichtung 75 bis 125 Frcs. Die
Construction des gesammten Materiales ist den großen Werkstätten von Bonnefond und Comp. (57, rue Nationale) zu Ivry-sur-Seine, anvertraut. Das Modell Nr. 2 eignet sich
ganz besonders zum Transport von Dünger, zum Einbringen der Ernte in einem
Oekonomiehof, sowie zur Ausführung kleiner in den Feldern so oft nothwendiger
Terrassirungen.
Die Dimensionen der Bahn und des Transportmateriales sowie die oben bezeichneten
Gewichte liefern den Beweis, daß die Belastung der Schienen oder des Bodens per Quadratcentimeter unbedeutend ist. Die Schienen
nutzen sich kaum ab, und die Bahn läßt sich ohne Gefahr des Einsinkens auf dem
lockersten Boden legen.
Handelt es sich darum, den Wagenzug eine geneigte Ebene hinauf zu befördern, so
trennt man ihn in 3 oder 4 Theile und schafft jeden derselben einzeln hinauf. Kommt
man an einen Abhang, so genügt es, einen Stock zwischen die Speichen der Räder eines
oder mehrerer Waggons zu schieben, so daß sie sich nicht drehen können, um auf diese
Weise die Geschwindigkeit des ganzen Zuges zu mäßigen.
Die zur Versetzung der Bahn erforderliche Zeit läßt sich auf eine allgemeine Weise
nicht so leicht bestimmen. Doch geht diese Operation bei einer Länge der einzelnen
Bahnglieder von 5,30 Met. und in Anbetracht ihrer Leichtigkeit, welche einem
einzelnen Menschen gestattet sie zu tragen, so leicht und rasch wie möglich vor
sich.
Ein Mann kann in der Ebene auf dem Corbin'schen
Schienengeleise vom
Modell Nr. 2 mit Leichtigkeit ein auf 6 bis 8 Rollwagen vertheiltes Gewicht von 600
bis 900 Kil. ziehen. Ein Pferd, welches an ein etwas langes Seil gespannt neben
dieser Bahn geht, zieht auf ebenem Terrain ein auf 25 bis 40 Plattformen vertheiltes
Gewicht von 3000 bis 5000 Kil.
Wenn man sich vergegenwärtigt, daß ein Mann mit einem Schubkarren nicht mehr als 60
Kil. auf einmal transportirt, und ein an einen Karren gespanntes Pferd auf den
schlechten morastigen Feldwegen, ohne seine Kräfte übermäßig anzustrengen, nicht
mehr als 500 bis 700 Kil. zieht, so wird man sich leicht überzeugen, daß die
Anschaffungskosten des Corbin'schen Materiales in vielen
Fällen durch die Ersparniß an Transportkosten sehr bald gedeckt seyn werden.
Die tragbare, nach vorstehendem System construirte Eisenbahn ist während des
verflossenen Herbstes auf mehreren Meiereien mit gutem Erfolge in Betrieb
gewesen.