Titel: | Ueber den basischen kohlensauren Kalk in hydraulischen Cementen; von A. R. Schulatschenko. |
Autor: | A. R. Schulatschenko |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. LXXXVIII., S. 335 |
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LXXXVIII.
Ueber den basischen kohlensauren Kalk in
hydraulischen Cementen; von A. R. Schulatschenko.
Schulatschenko, über den basischen kohlensauren Kalk in hydraul.
Cementen.
Im Erhärtungsproceß sowohl der hydraulischen, als der Luft-Mörtel spielt
bekanntlich die Kohlensäure eine sehr wichtige Rolle.
So vermehrt in den Luft-Mörteln, deren Erhärtungsproceß hauptsächlich im
Verdunsten des Kalkhydrates besteht, die Wirkung der Kohlensäure die Festigkeit und
Dauerhaftigkeit derselben, indem sie die Bildung eines festen und in Wasser
unlöslichen kohlensauren Kalkes hervorruft.
Wenn auf der Oberfläche des hart gewordenen Kalk-Mörtels keine unlösliche
Schicht von kohlensaurem Kalk wäre, so würde er leicht unter dem Einflusse der
atmosphärischen Feuchtigkeit und des Regens aufweichen und sehr bald in einen völlig
untauglichen Zustand gerathen. Auf diese Weise bildet die Betheiligung der
Kohlensäure beim Erhärtungsproceß des Luft-Mörtels eine wesentliche Bedingung
seiner Dauerhaftigkeit.
Eine noch wichtigere Rolle spielt die Kohlensäure beim Erhärtungsproceß hydraulischer
Mörtel. Die im Wasser schwer löslichen Kalk- und Thonerdesilicate und deren
Hydrate, deren Erzeugung eben den Erhärtungsproceß dieser Mörtel ausmacht, bilden
sich in der Mehrzahl der Fälle langsam und sind im Wasser, besonders im Meerwasser,
nicht völlig unlöslich.
Das Meerwasser enthält Salze in Lösung, von denen einige, wie z.B. das
Chlormagnesium, in chemische Wechselwirkung mit Kalk- und Thonerdesilicaten
treten, hierdurch eben die Bildung der letzteren im hydraulischen Mörtel behindern
und folglich dessen Erhärtungsproceß stören können. Aber nicht allein hierauf
beschränkt sich der schädliche Einfluß des Seewassers; sogar bereits erhärtete
Mörtel können durch Einwirkung von Meersalzen an ihrer Dauerhaftigkeit einbüßen.
Neben der Wirkung der Salze kann auch das Wasser selbst, – welches in geringen
Quantitäten als eine nothwendige Bedingung der Erhärtung des hydraulischen Mörtels
erscheint, indem es Hydrate der Silicate von Kalk und Thonerde bildet, – in
großen Quantitäten, als Ursache der Zerstörung erscheinen, da die Silicate des
Kalkes und der Thonerde in Wasser zwar schwer löslich, aber nicht völlig unlöslich
sind, wie solches Feichtinger und Michaelis
Michaelis, über die hydraulischen Kalke,
insbesondere den Portlandcement, im Journal für praktische Chemie, 1867, Bd.
C S. 257–303. Im Auszug im polytechn. Journal Bd. CXCI S. 287. angeben.
Diese schädliche Einwirkung der Seesalze und großer Mengen Wassers, wird durch die
Kohlensäure paralysirt.
Die Kohlensäure, welche wenn auch in unbedeutenden Mengen immer im Wasser aufgelöst
vorhanden ist, verbindet sich wegen ihrer Verwandtschaft zum Kalk theilweise mit
freiem, im hydraulischen Mörtel stets vorhandenen Kalkhydrat, – zum Theil mit
dem an Kieselerde gebundenen Kalk. In beiden Fällen bildet sich kohlensaurer Kalk,
im letzteren jedoch mit Ausscheidung von Kieselerde. Diese Bildung eines völlig
unlöslichen kohlensauren Kalkes auf der Oberfläche der Mörtel begünstigt in hohem
Grade den Erhärtungsproceß.
Indem der kohlensaure Kalk zusammen mit der ausscheidenden Kieselerde und den
ungelösten Silicaten eine unlösliche feste, vom Wasser schwer zu durchdringende
Schicht bildet, welche den Zutritt großer Mengen von Wasser in's Innere der Massen
erschwert, stellt derselbe, nach dem treffenden Ausdruck Rivot's, so zu sagen eine Blendung her, unter deren Schutz die Bildung von
Silicat-Hydraten des Kalkes und der Thonerde, welche so wesentlich für den
Erhärtungsproceß hydraulischer Mörtel sind, ungehindert vor sich gehen kann.
Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß die ganze Bedeutung der Kohlensäure für die
hydraulischen Mörtel nur in der Bildung von unlöslichem kohlensaurem Kalk auf der
Oberfläche der Massen besteht, welcher zusammen mit Bindestoffen, wie solche die
ausscheidende Kieselerde und die Silicate von Kalk und Thonerde sind, nach und nach
eine feste und vom Wasser schwer zu durchdringende Kruste bildet.
Auch ist es klar, daß zu solchem Zweck die Kohlensäure nicht in den Cementen selbst,
aus denen die hydraulischen Mörtel bereitet werden, sondern außerhalb derselben, in
dem die Mörtel umgebenden Mittel – in der Luft oder im Wasser – sich
befinden muß.
Nichtsdestoweniger begegnet man Behauptungen, daß die Anwesenheit von Kohlensäure in
den Cementen deren Werth erhöhe.
Eine solche Meinung kann man leicht widerlegen, indem man bloß auf die, in den besten
hydraulischen Mörteln, wie z.B. in den Portlandcementen enthaltene Menge von
Kohlensäure hinweist. So enthält z.B. nach der Analyse:
Kohlensäure
Hopfgartner's,
bester
englischer
Portlandcement
2,15 Proc.
Feichtinger's
„
„
„
2,80 „
Knaus's
„
„
„
2,6 „
Winkler's
„
„
„
3,2 „
Kohlensäure
Schulatschenko's,
Portlandcement
der
Fabrik
von
Robin
0,84 Proc.
„
„
„
„
„
Johnson
0,40 „
„
„
„
„
„
Kron
0,95 „
„
„
„
„
„
Booth
1,48 „
„
„
„
„
„
Harnrood
0,95 „
„
deutscher Portlandcement aus Stettin
1,9 „
Dieser geringe Gehalt an Kohlensäure in den besten hydraulischen Cementen weist schon
direct darauf hin, daß der Werth derselben durchaus in keinem Zusammenhange mit dem
größeren oder geringeren Gehalt derselben an Kohlensäure steht, und ich würde mich
mit diesem Gegenstande auch nicht weiter befaßt haben, wenn sich nicht an denselben
die Annahme einer besonderen Verbindung von Kohlensäure mit Kalk, des sogenannten
basischen kohlensauren Kalkes CaCO³ + CaO knüpfen würde.
Man nimmt das Vorhandenseyn einer solchen Verbindung in einigen hydraulischen
Cementen an, welche mehr oder weniger bedeutende Quantitäten Kohlensäure
enthalten.
Es ist begreiflich, daß, wenn in irgend einem Cemente Kohlensäure enthalten ist,
dieselbe darin nur in Verbindung mit Kalk vorkommen kann (mit Kieselerde und
Thonerde verbindet sich die Kohlensäure nicht, und die Menge von Eisenoxydul und
Alkalien ist sehr unbedeutend) Da aber die gewöhnliche Verbindung von Kohlensäure
mit Kalk, d.h. neutraler kohlensaurer Kalk (CaCO³) sich durch keinerlei
hydraulische Eigenschaften auszeichnet, so wurde angenommen daß die Kohlensäure noch
eine Verbindung mit Kalk CaCO³ + CaO, d.h. basischen kohlensauren Kalk bilde,
welcher in das unlösliche Hydrat CaCO³ + CaO, H²O übergehend,
hydraulische Eigenschaften zeige. Da zur Erhaltung eines hydraulischen Productes wie
CaCO³ + CaO nur ein gewöhnlicher, fetter Kalkstein (CaCO³)
erforderlich ist, zur Zeit der Entstehung der Frage betreffs des basischen
kohlensauren Kalkes (zwischen 1818 und 20) aber noch sehr verworrene Vorstellungen
über Cemente und die Ursachen ihrer hydraulischen Eigenschaften existirten, so ist
es nicht zu verwundern daß häufig Vorschläge auftauchten, bei der Fabrication von
hydraulischen Producten die hydraulischen Eigenschaften des basischen kohlensauren
Kalkes als Grundlage anzunehmen.
Diejenigen, denen die Geschichte der hydraulischen Cemente bekannt ist, werden sehr
gut wissen daß die Frage wegen des basischen kohlensauren Kalkes und dessen
hydraulischen Eigenschaften noch vor sehr kurzer Zeit eine nicht unbedeutende Rolle
gespielt hat; ja es bestehen noch gegenwärtig Cementfabriken (Villeneuve in Frankreich, Roché in
Rußland), in welchen bei
Bereitung von Cementen die Hauptaufmerksamkeit auf die Bildung des basischen
kohlensauren Kalkes gerichtet wird.
Nichtsdestoweniger ist die Frage betreffs der hydraulischen Eigenschaften des
basischen kohlensauren Kalkes und selbst der Existenz desselben, in der Wissenschaft
noch keineswegs mit genügender Genauigkeit erörtert, wie sich aus folgendem kurzem
historischem Ueberblick der hinsichtlich des basischen kohlensauren Kalkes
angestellten Forschungen ergibt.
Um das Jahr 1813 bemerkte Vicat beim Brennen von
Kalksteinen, welche einen fetten Kalk liefern, daß einige Stücke des gebrannten
Kalksteines bei ihrer Begießung mit Wasser nicht gleich dem fetten Kalke gelöscht
wurden und daß sie, mechanisch zu einem Pulver zerrieben, mit Wasser angemacht,
einen im Wasser erhärtenden Mörtel liefern, ähnlich den Mörteln aus hydraulischem
Kalk.
Indem Vicat diese Erscheinung näher untersuchte, fand er,
daß eine derartige Eigenschaft die bei geringerem Luftzutritt und unter Anwesenheit
von zu viel Kohlen schwach gebrannten Kalksteinstücke besaßen. Zehn Jahre darauf
veröffentlichte er in den Annales de Chimie et de
Physique, September 1823, S. 464 neue Beobachtungen, welche er zufällig
beim Brennen von Kreide auf einem rothglühenden Eisenblech gemacht hatte. Es ergab
sich, daß schwach gebrannte Kreide, aus welcher noch nicht alle Kohlensäure
ausgeschieden war, bei Bereitung eines Mörtels aus derselben, im Wasser hart wurde.
Da solche schwach gebrannte Kreide eine Mischung von Aetzkalk und kohlensaurem Kalk
vorstellte, so glaubte Vicat, daß ein einfaches Zumengen
von Kreide oder reinem kohlensaurem Kalk zu ungelöschtem Aetzkalk, einen Stoff
bilden könne, der zu einem Mörtel angerichtet, hydraulische Eigenschaften haben
werde. Er mengte daher der Kreide Aetzkalk in den verschiedensten Verhältnissen bei,
erreichte jedoch keinen Erfolg. Diese Mischung zeigte keinerlei hydraulische
Eigenschaften.
In demselben Jahre, einige Monate später, wurden in den Annales de Chimie et de Physique, t. XXIV p.
104, die Resultate publicirt, welche der französische Ingenieur Minard erhalten hatte, als er in verschiedener Weise
Kalksteine brannte. Minard gab an, daß alle Kalksteine,
nicht bloß die thonhaltigen, sondern auch die reinen, zur Darstellung von
hydraulischen Cementen tauglich seyen, welche an Güte dem englischen Roman-Cement nicht nachstehen, falls nur
dieselben nicht vollständig gebrannt würden.
Minard nahm an, daß bei unvollständigem Brande sich
basischkohlensaurer Kalk CaCO³ + CaO bilde, welcher die Fähigkeit besitze,
bei seiner Verwandlung in Hydrat CaCO³ + CaO, H²O, im Wasser zu erhärten. Hiernach
sollte man meinen, daß die Frage bezüglich der Bereitung hydraulischer Cemente sich
sehr einfach lösen lasse: man nehme irgend einen Kalkstein, brenne ihn unvollständig
und der Cement ist fertig. Aber schon im nächsten Jahre schreibt Vicat, welcher nach derselben Richtung hin Untersuchungen
anstellte, in Erwiderung auf die Behauptung Minard's:
„Meine Forschungen haben durchaus nicht die von Minard veröffentlichten Resultate bestätigt. Ich fürchte glauben zu
müssen, daß aus reinen, nur mäßig gebrannten Kalksteinen niemals, ich sage nicht
ein guter, sondern nicht einmal ein mittelmäßiger Cement erhalten werden
kann.“
Annales de Chimie et de Physique, t. XXV p. 63.
Berthier bestritt gleichfalls die hydraulischen
Eigenschaften des basischen kohlensauren Kalkes, indem er behauptete, daß wenn bei
unvollständigem Brennen des Kalksteines auch wirklich eine dem basischen
kohlensauren Kalk ähnliche Verbindung sich bilden könne, dieselbe bei dem Anrichten
mit Wasser in Kalkhydrat und kohlensauren Kalk zerfallen müsse.
J. N. v. Fuchs, der durch seine Untersuchungen über die
Mörtel so verdienstvolle Forscher, brannte Kreide zwischen glühenden Kohlen und
fand, daß der Kalkstein hierbei eine gewisse Quantität Kohlensäure zurückbehält,
welche annähernd derjenigen Menge derselben entspricht, bei welcher sich basischer
kohlensaurer Kalk bildet. Indem Fuchs bereits vollständig
gebrannten Kalk zwischen glühende Kohlen that, bemerkte er, daß derselbe eine eben
solche Quantität Kohlensäure aufnimmt, wie im ersteren Falle bei unvollständigem
Brande des Kalksteines ausgeschieden wurde; so daß bei unvollständigem Brande des
Kalksteines oder bei Sättigung vollständig gebrannten mit Kohlensäure, derselbe das
Bestreben zeigt, eine solche Quantität Kohlensäure auszuscheiden oder aufzunehmen,
daß als Resultat basischer kohlensaurer Kalk erhalten wird. In beiden Fällen wird
der Kalkstein, sowohl der unvollständig gebrannte, welcher noch bedeutende Mengen
Kohlensäure in sich enthält, als auch derjenige welcher später Kohlensäure in sich
aufgenommen hat, bei seiner Sättigung mit Wasser nicht gelöscht und gibt zu einem
Pulver zerrieben und mit Wasser angerichtet, einen Mörtel, welcher in höherem oder
geringerem Grade die Fähigkeit im Wasser zu erhärten, besitzt.Fuchs, über Kalk und Mörtel, in Erdmann's Journal für technische und ökonomische
Chemie, Bd. VI S. 1 und 132. – Derselbe,
über die Eigenschaften, Bestandtheile und chemische Verbindung der
hydraulischen Mörtel, im polytechn. Journal, 1833, Bd. XLIX S. 271.
Im Jahre 1828 wurden beim Bau des Bourgogner Canales von dem Ingenieur Lacordère Mörtel angewandt, welche aus
thonhaltigen, schwach gebrannten Kalksteinen bereitet wurden. Er brannte dieselben 3
Tage, anstatt 8, wobei er hauptsächlich im Auge hatte, an Kosten für Brennmaterial
zu sparen. Die in dieser Weise erhaltenen Mörtel erhärteten sehr gut im Wasser, wenn
auch keinerlei Auskünfte vorliegen, in welchem Grade sie besser als aus völlig
gebrannten Kalksteinen bereitete Mörtel gewesen sind, und ob man sich nicht bloß mit
den Eigenschaften des Mörtels begnügte, um nur an Ausgaben für Brennmaterial zu
sparen.Petot, études sur la chaufournerie.
Mit Ausnahme des hier angeführten Falles erhielten die durch Minard veröffentlichten Resultate während längerer Zeit keinerlei
praktische Anwendung, bis endlich Villeneuve um das Jahr
1850 sich an die Bereitung hydraulischer Mörtel aus unvollständig gebrannten
Kalksteinen in großem Maaßstabe machte.
Er brannte sieben bis zehn Procent Thon enthaltende Kalksteine nicht vollständig,
löschte sie, indem er sie mit Wasser besprengte, und suchte nach Verlauf von 2 bis 3
Tagen, während welcher sie sich in freier Luft befanden, diejenigen Stücke heraus,
welche nicht gelöscht waren, vermahlte sie und benutzte sie als Cement. Die
hydraulischen Eigenschaften dieses Cementes schrieb Villeneuve der Anwesenheit von Kohlensäure in den unvollständig gebrannten
Stücken zu. Gleichwie Minard und Vicat, so nahm auch er an, daß sich hierbei basischer kohlensaurer Kalk
bilde.Comptes rendus, 1850 p. 35. – Matériaux de
construction de l'exposition universelle de 1855, par A.
Delesse. p.
250.
Um dieselbe Zeit nahm man bedeutende Beschädigungen an den Wasserbauten in Cette und
Marseille wahr, deren Ursachen in der schlechten Beschaffenheit des hydraulischen
Mörtels aus thonhaltigen Kalksteinen lagen.
Aus diesem Anlaß schlug Minard von Neuem vor
Untersuchungen über unvollständig gebrannte Kalksteine anzustellen, indem er annahm,
daß Cemente welche aus solchen Kalksteinen bereitet sind, ausgezeichnet der Wirkung
des Meerwassers Widerstand leisten müßten.Annales de Chimie et de Physique, 1853 p. 198.
Rivot und Chatoney jedoch,
welche sich mit umfassenden Untersuchungen über die Widerstandsfähigkeit der Mörtel
gegen den Einfluß von Seewasser beschäftigten und die Resultate derselben in der
schätzbaren Schrift „Les materiaux employés
dans les constructions à la mer“ i. J. 1856
veröffentlichten, bestritten sogar die Existenz des basischen kohlensauren Kalkes:
„Es ist in letzter Zeit viel von den hydraulischen Eigenschaften des
basischen kohlensauren Kalkes die Rede gewesen. Man hat auf viele Bauten
hingewiesen, welche im Meere, unter Anwendung eines Mörtels aus unvollständig
gebranntem, noch viel Kohlensäure enthaltendem Kalk hergestellt waren und im
Laufe vieler Jahre sich wohl erhalten hatten. Man schrieb den Erhärtungsproceß
der Hydratation des basischen kohlensauren Kalkes zu, – einer Verbindung
deren Existenz die Chemie nicht kennt. Es ist uns keine einzige, einigermaßen
gut untersuchte Thatsache bekannt, welche uns nöthigen könnte, die Existenz
einer solchen Verbindung vorauszusetzen, und wir glauben, daß die Erhärtung der
Mörtel in diesem Falle genügend erklärt werde durch folgende Erwägungen: Die
benutzten Kalksteine konnten in geringem Verhältniß Thon und Kieselerde in Form
von feinem Quarzsand enthalten. Bei unvollständigem Brande verliert der Kalk nur
einen Theil seiner Kohlensäure und verbindet sich mit Kieselerde und Thonerde,
wobei er ein Kalk-Silicat und Aluminat bildet. Der in solcher Weise
gebrannte Kalkstein enthält folglich Kalk-Silicat und Aluminat, eine
unbedeutende Quantität Aetzkalk und kohlensauren Kalk. Der unvollständige Brand
war daher die Hauptbedingung der Hydraulicität des Kalksteines, denn er beließ
den größeren Theil des Kalkes in Verbindung mit Kohlensäure und stellte das
erforderliche Verhältniß zwischen dem geringen Quantum an Thon und dem in
geringer Menge sich bildenden Aetzkalk her; ein solcher Kalkstein stellt nach
dem unvollständigen Brennen somit ein Gemisch von freiem kieselsaurem Kalk und
hydraulischem Kalke dar; ein derartiges Gemisch kann aber unter günstigen
Bedingungen im Wasser erhärten.“
„Diese Erklärung, fährt Rivot fort, könnte nur
durch genaue Analysen unvollständig gebrannter Kalksteine widerlegt werden,
falls durch dieselben die vollständige Abwesenheit von Kieselerde dargethan
würde, und selbst in diesem Falle wird man dem basischen kohlensauren Kalk keine
hydraulischen Eigenschaften zuschreiben können, so lange nicht durch Analysen
bewiesen worden, daß auch im Mörtel kein Thon oder Silicate enthalten gewesen,
auf welche der Aetzkalk puzzolanartig hätte einwirken können.“
RivotetChatoney, Considérations
générales sur les matériaux employés dans
les constructions à la mer, p. 80.
Vicat, welcher die umfassendsten Untersuchungen über
unvollständig gebrannte Kalksteine angestellt hat,Vicat, über die verschiedenen Eigenschaften
welche die Cementsteine und hydraulischen Kalksteine durch unvollkommenes
Brennen erhalten können, in den Annales de Chimie et
de Physique, August 1841, S. 426; daraus im polytechn. Journal Bd.
LXXXII S. 377 und 353. sagt in seiner i. J. 1856 erschienenen Schrift: Traité pratique et
théorétique de la composition des mortiers, ciments etc., p.
45, daß bei den von ihm im Jahre 1840 erneuerten Untersuchungen über Herstellung
hydraulischer Producte aus unvollständig gebrannten Kalksteinen er die
verschiedensten Resultate, sogar bei einem und demselben Kalksteine erzielt habe.
Einige zeigten alle Eigenschaften guter Cemente, sowohl in der Luft als im Wasser;
andere, welche anfangs erhärteten, zerfielen in der Folge; wieder andere erhärteten
gar nicht. „Die Theorie, bemerkt Vicat, kann
diese Sonderbarkeiten noch nicht
erklären.“
Die Resultate seiner Proben sind in nachfolgender Tabelle zusammengestellt.Zu den Untersuchungen wurden thonhaltige Kalksteine angewandt. Von einer
Cementgewinnung aus reinen Kalksteinen konnte gar nicht die Rede sein.
Bezeichnung
Aetzkalk
Thon
KohlensaurerKalk
DauerderErhärtung.
Theile
Theile
Theile
Kalkstein A, völlig gebrannt
100
30
–
6 Tage
„
„ mit 20 Proc. Kohlensäure
100
48
133
30 Tage
„
„ „
30 „ „
100
97
448
15 Minuten
Kalkstein C, völlig gebrannt
100
37
–
8 Tage
„
„ mit 12 Proc. Kohlensäure
100
52
68
22 Tage
„
„ „
19 „ „
100
64
126
10 Minuten
Kalkstein B, völlig gebrannt
100
22
–
6 Tage
„
„ mit 19 Proc. Kohlensäure
100
37
127
gar keine Festigkeitnach 3 Monaten
Kalkstein E, völlig gebrannt
100
13
–
12 Tage
„
„ mit 19 Proc. Kohlensäure
100
22
240
gar keine Festigkeitnach 3 Monaten
Aus dieser Tabelle ist ersichtlich:
1) Daß nur bei einem gewissen Gehalt an Kohlensäure gute hydraulische Eigenschaften
zu Tage treten.
2) Daß die Quantität der Kohlensäure bei den verschiedenen thonhaltigen Kalksteinen,
je nach dem Procentgehalt an Thon, eine verschiedene ist.
So besitzt der Kalkstein A, welcher auf hundert Theile
Aetzkalk 30 Theile Thon enthält, die besten hydraulischen Eigenschaften bei 30
Procent Kohlensäure; der Kalkstein C aber, welcher 37
Theile Thon enthält, bei 19 Procent Kohlensäure.
3) Daß eine unbedeutende Differenz in der Menge der Kohlensäure eine große Verschiedenheit in
den Eigenschaften eines und desselben Steines nach sich zieht. So erhärtet der
Mörtel vom Kalkstein A bei 20 Proc. Kohlensäure nach
einem Monat, bei 30 Proc. aber nach Verlauf von 15 Minuten (Vicat in seinem citirten Traité, p.
45.)
Im Jahre 1851 wurde bei St. Petersburg von dem gegenwärtig verstorbenen
Militär-Ingenieur P. E. Roché die erste
Cementfabrik in Rußland gegründet. In dieser Fabrik wurde der Cement anfänglich aus
Tosna'schen Kalksteinen, in der Folge aber aus Wolchowo'schen thonhaltigen
Kalksteinen bereitet. Sowohl im ersten, als im zweiten Falle hatte man beim Brande
der Kalksteine die Bildung von basischem kohlensaurem Kalk im Auge, und die ganze
Fabrication beruht auf der Herstellung dieser Verbindung. Hierdurch wird denn auch
die Anwesenheit der bedeutenden Menge von 18 bis 19 Proc. Kohlensäure im Roché'schen Cement erklärt. Dieser Cement ist von
guter Qualität und hat einen bedeutenden Absatz in St. Petersburg, steht aber an
Güte den Portland-Cementen nach, wie solches zahlreiche Proben in Kronstadt
erwiesen haben.
In dem vom General-Major Roché der
Haupt-Ingenieur-Verwaltung eingereichten Rechenschaftsberichte sind
folgende Bemerkungen bezüglich des basischen kohlensauren Kalkes enthalten:
„Auf künstlichem Wege kann man eine Verbindung von Kalk mit Kohlensäure in
einem anderen Verhältnisse erhalten, als wir es in der Natur in der
Zusammensetzung der Kalksteine finden, eine Verbindung welche basischer
kohlensaurer Kalk benannt worden. In den Atomen des letzteren, wenn er fein
pulverisirt worden, äußert sich das Bestreben für Cohäsion nur während des
Ueberganges in den Hydratzustand, aber in einem bedeutend höheren Grade, als bei
den kieselsauren Verbindungen; das basische kohlensaure Kalkhydrat erhärtet
dabei ganz so, wie schwefelsaures Kalkhydrat. Wenn aber dem Zustandekommen
dieses Cohäsionsprocesses irgend ein äußerer Umstand hindernd entgegentritt, so
zeigt sich nach dem Uebergange des basischen kohlensauren Kalkes in das Hydrat,
in dessen Atomen die Eigenschaft der Cohäsion nicht zum zweitenmale, wodurch er
sich von dem kieselsauren Kalkhydrat unterscheidet, und außerdem erreicht er
nicht eine so bedeutende Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen das
Eindringen von Wasser.“
Ingenieur Journal von St. Petersburg, 1869, Nr. 5, S. 249.
Mit Rücksicht darauf, daß die Frage bezüglich des basischen kohlensauren Kalkes
selbst in gegenwärtiger Zeit einer gewissen praktischen Bedeutung nicht entbehrt,
schien es mir nicht überflüssig, die Herstellung eines vollkommen reinen basischen
kohlensauren Kalkes selbst zu versuchen und dessen Eigenschaften genau zu prüfen. Nur wenn eine
Verbindung von Kohlensäure mit Kalk, welche dem basischen kohlensauren Kalk
entspräche, in reiner Form dargestellt, und erwiesen würde daß diese Verbindung sich
durch hydraulische Eigenschaften auszeichne, könnte man in kategorischer Weise
diejenigen Zweifel lösen, welche sich beim Lesen der widersprechenden und oft
unbewiesenen Behauptungen aufdrängen, die ich in obiger historischer Uebersicht
zusammengestellt habe.
Wie aus der Zusammensetzung des basischen kohlensauren Kalkes CaO, CO² + CaO
ersichtlich ist, kann derselbe entweder auf synthetischem Wege dargestellt werden,
indem zum Calciumoxyd (CaO) eine bestimmte Quantität Kohlensäure hinzugefügt wird
oder auf analytischem Wege, indem der neutrale kohlensaure Kalk (CaO, CO²)
zersetzt, d.h. demselben die erforderliche Quantität Kohlensäure entzogen wird.Bei Annahme des Atomgewichtes für Ca = 40, O = 16, C = 12 beträgt:1) das Gewicht eines Molecüls neutralen kohlensauren
Kalkes CaO, CO² = 100;2) das Gewicht eines Molecüls mittelkohlensauren Kalkes
CaO, CO² + CaO = 156.Die Gewichtsmenge der Kohlensäure ist in der ersten
Verbindung = 44 Proc. und in der zweiten 28 Proc.
Um basischen kohlensauren Kalk auf dem ersteren Wege zu erhalten, legte ich völlig
reines trockenes Calciumoxyd (erhalten durch Ausglühen von isländischem Spath und
Marmor) in eine Glasröhre und sättigte dasselbe mit Kohlensäure bei verschiedenen
Temperaturen. Die Kohlensäure wurde aus Marmor mittelst Salzsäure entwickelt. Vor
ihrer Anwendung zur Sättigung des Calciumoxydes wurde die Kohlensäure entweder durch
Schwefelsäure getrocknet, oder sie wurde direct aus dem Entwickelungsapparat, also
in feuchtem Zustande, in die das Calciumoxyd enthaltende Röhre geleitet.
Die Zeit der Sättigung und die Temperatur nahmen unter sonst gleichen Bedingungen
beständig zu.
Nach jeder Sättigung wurde die Menge der vom Calciumoxyd aufgenommenen Kohlensäure
bestimmt, und die erhaltene Verbindung bezüglich ihrer chemischen und hydraulischen
Eigenschaften untersucht. Zu diesem Zwecke wurde das mit Kohlensäure behandelte
Calciumoxyd pulverisirt und zu einem Teig angerührt. Aus dem Teige wurde eine Kugel
geformt und entweder sofort, oder nach einem, länger oder kürzere Zeit dauernden
Trocknen in der Luft, in Wasser gesenkt. Das der Untersuchung unterzogene Quantum
Calciumoxyd betrug 50 Grm.
Die Resultate der Versuche sind in der folgenden Tabelle enthalten.
Textabbildung Bd. 205, S. 345
50 Grm. CaO; Temperatur zur Zeit
der Sättigung; Zeit der Sättigung; Menge der aufgenommenen Kohlensäure;
Bemerkungen; Versuch Nr.; Bei den Versuchen Nr. 1 bis 5 incl. wurde trockene
Kohlensäure, bei Nr. 6 bis 14 wasserhaltige Kohlensäure zur Sättigung
angewendet; Stunden; Die während 30 Min. in der Luft getrockneten Kugeln
zerfielen alle in kurzer Zeit nach ihrer Versenkung in Wasser. Einige derselben
platzten und zerfielen sogar schon in der Luft
Aus dieser Tabelle ist ersichtlich:
1) Daß trockenes Calciumoxyd durchaus keine trockene Kohlensäure aufnimmt; daß in den
zwei Fällen Nr. 2 und 3, eine unbedeutende Quantität Kohlensäure aufgenommen wurde,
kam aller Wahrscheinlichkeit nach daher, daß die Kohlensäure Spuren von Wasser
enthielt.
2) Daß alle, zu einem Brei angerichteten und einer Prüfung auf Erhärtung im Wasser
unterzogenen Proben nicht einmal Spuren von hydraulischen Eigenschaften zeigten,
wenngleich einige derselben, wie z.B. Probe Nr. 9, sogar einen Kohlensäuregehalt
besaßen, welcher vollkommen der Verbindung des basischen kohlensauren Kalkes
entspricht.
Ueberhaupt erwärmten sich alle Kugeln bei ihrer Zurichtung zu Teig mehr oder weniger
stark, was auf die Anwesenheit von freiem Aetzkalk in denselben hinwies. Einige
Proben wurden mit Wasser behandelt, wobei aller Kalk aufgelöst wurde, mit Ausnahme
derjenigen Quantität welche an Kohlensäure gebunden war (es wurden die Nummern 9, 15
und 16 untersucht).
Es wurden also bei Sättigung des Kalkes mit Kohlensäure Producte erhalten, welche
sich in Nichts von dem gewöhnlichen Gemisch aus kohlensaurem Kalk und Calciumoxyd
unterschieden. Bei höheren Temperaturen wird, wie Debray
zeigte, die Menge der Kohlensäure welche vom Kalk absorbirt wird, nur durch den
Druck und die Temperatur bedingt.
Daraus folgt, daß die Bildung einer besonderen Verbindung zwischen Kalk und Kohlensäure (basischer
kohlensaurer Kalk) in höheren Temperaturen wenig wahrscheinlich ist.
Da jedoch ein großer Theil der Forscher (Vicat, Minard,
Villeneuve) von der Bildung eines basischen kohlensauren Kalkes bei
schwachem oder unvollständigem Brande der Kalksteine spricht, so blieb mir noch die
Wirkung des unvollständigen Brennens auf den kohlensauren Kalk zu untersuchen
übrig.
Zu den Versuchen wurde Kreide gewählt und deren Zusammensetzung vorher durch die
Analyse bestimmt. Dieselbe bestand aus:
CaO
55,3 Proc.
CO²
43,5 „
Sand
0,9 „
100 Grm. zu einem groben Pulver gestoßener Kreide wurden in einer eisernen Schale
mäßig geglüht. Die Dauer der Erhitzung einer jeden neuen Probe wurde um eine Stunde
verlängert. Hierbei wurde Kohlensäure ausgeschieden, deren Menge jedesmal durch den
Gewichtsverlust der geglühten Probe bestimmt wurde. Die Menge der sich
ausscheidenden Kohlensäure wuchs mit der längeren Dauer der Erhitzung. Die einer
10stündigen Erhitzung unterzogene Probe enthielt keine Kohlensäure mehr. Nach dem
Brande jeder Probe (im Ganzen 10), wurde das gebrannte Product mit Wasser zum Teig
angemacht und aus demselben Kugeln geformt, welche vor ihrer Versenkung in Wasser
während 1/2 bis 1 Stunde in der Luft getrocknet wurden.
Im Wasser zeigte keine der Proben auch nur Spuren von hydraulischen Eigenschaften,
obgleich in dem Bestande einer derselben eine Quantität Kohlensäure enthalten war,
welche beinahe dem basischen kohlensauren Kalke entsprach.
Von den 10 Proben, welche verschiedene Mengen Kohlensäure enthielten (38 Proc. in der
ersten Probe, welche während einer Stunde geglüht und 0 Proc. in der Probe welche 10
Stunden geglüht wurde), unterschied sich demnach keine einzige von einem
gewöhnlichen mechanischen Gemisch aus Kalk (CaO) und kohlensaurem Kalk.
Da beim Durchglühen der ziemlich bedeutenden Menge (100 Grm.) Kreide möglicherweise
eine nicht völlig gleichmäßige Temperatur in der ganzen durchglühten Mischung
eingehalten werden konnte, so wurden 35 Grm. Kreide in gleicher Weise wie bei den
vorhergehenden Versuchen geglüht, jedoch während einer kürzeren Zeit. Proben, die
während 2 Stunden geglüht wurden, schieden sämmtliche Kohlensäure aus, und als Rest
wurde nur Kalk (CaO) erhalten.
Dergleichen Glühversuche wurden viele angestellt, zu welchen gleichfalls 35 Grm.
Kreide genommen wurden.
Die Dauer der Erhitzung jeder Probe wurde nur um 5 Minuten verlängert, so lange bis
sämmtliche Kohlensäure ausgeschieden war. Die erhaltenen Producte verhielten sich
wie bloße Gemenge aus Kalk (CaO) und kohlensaurem Kalk (CaO, CO²).
Auf Grund der angeführten Versuche, welche zu dem speciellen Zweck der Gewinnung
basischen kohlensauren Kalkes angestellt wurden und negative Resultate gegeben hatten, sowie mit Rücksicht darauf:
1) daß die Angaben von Vicat, Minard und Roché bezüglich der Bildung von basischem
kohlensaurem Kalk sich nicht durch diejenige Genauigkeit und Ausführlichkeit
auszeichnen, welche allein zur Anerkennung der Existenz der einen oder anderen
Verbindung in der Chemie berechtigen,
2) daß die Bildung eines basischen kohlensauren Salzes nicht völlig mit dem
chemischen Charakter des Kalkes (CaO), welcher überhaupt mit zweibasischen Säuren
keine basischen Salze bildet, übereinstimmt,
3) daß viele Chemiker (Rivot, Berthier und andere) die
Existenz eines basischen kohlensauren Kalkes positiv leugnen und in den neuesten
chemischen Abhandlungen und Handbüchern der Chemie der Existenz einer solchen
Verbindung der Kohlensäure mit Kalk überhaupt nicht einmal Erwähnung geschieht,
glaube ich mit ziemlicher Gewißheit behaupten zu können, daß
kein basischer kohlensaurer Kalk als chemische Verbindung, bei unvollständigem
Brande von Kalksteinen sich bildet.
Wie kann man es sich aber erklären, daß eine dem Anschein nach nicht existirende
Verbindung nichtsdestoweniger in der Praxis ausgenutzt wird, z.B. in den Fabriken
von Villeneuve und Roché, wo die Herstellung der Cemente auf die Bildung von basischem
kohlensaurem Kalk bei unvollständigem Brande der Kalksteine gegründet ist?
Diese Thatsache wäre allerdings schwierig zu erklären, wenn in den genannten Fabriken
der hydraulische Cement aus reinem kohlensaurem Kalk oder aus reinen Kalksteinen
bereitet würde; aber in Wirklichkeit geschieht dieß nicht. In den Fabriken von Villeneuve und Roché
wird der Cement aus thonhaltigen Kalksteinen hergestellt;
ja es ist in der Praxis kein einziger Fall bekannt, wo hydraulischer Cement aus
reinen Kalksteinen bereitet würde.
In den Fabriken von Villeneuve wird der Cement, wie aus
dessen, der Pariser Akademie der Wissenschaften eingereichten Abhandlung ersichtlich, aus nicht
vollständig gebrannten Kalksteinen, welche 7 bis 10 Proc. Thon enthalten,
hergestellt.
In der Roché'schen Fabrik wird der Cement aus
thonhaltigem, einem unvollständigen Brande unterworfenen Kalkstein gebrannt, welcher
am Flusse Wolchowo gewonnen wird und 10 bis 25 Proc. thonhaltiger Bestandtheile
enthält.
Die Zusammensetzung einer Probe des Wolchowo-Kalksteines, welche 25 Proc.
thonhaltige Bestandtheile enthielt, ist in meinem Aufsatze über die Versuche Fremy's (polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCIV S. 355)
angegeben. Die Analyse einer anderen Probe des Wolchowo'schen Mergels führe ich hier
an:
Thonhaltige, inSalzsäure
nichtlöslicheBestandtheile
KieselerdeThonerde
„KalkAlkalien
12,83 2,79 0,54 1,04 1,02
In
SalzsäurelöslicheBestandtheile
Eisenoxydkohlensaurer Kalkkohlensaure
Magnesiaschwefelsaurer Kalk
8,5960,3310,64 1,30
–––––
99,08Die Zusammensetzung des Wolchowo'schen Mergels ist ziemlich
verschieden. Die oben angeführte Analyse bezieht sich auf die Probe,
welche Hr. Roché selbst mir
zugeschickt hat.
Demnach wird sowohl in der einen wie in der anderen Fabrik der Cement aus Steinen
bereitet, unter deren Bestandtheilen sich thonhaltige Gemenge befinden, deren
Anwesenheit allein schon die hydraulischen Eigenschaften des gebrannten Gesteines
bedingen kann.
Man kann aber einwenden, daß thonhaltige Kalksteine, welche 7 bis 10 Proc. Thon
enthalten, bei vollständigem Brande nur einen schwachen hydraulischen Kalk geben
können, während sie bei unvollständigem Brande einen hydraulischen Cement geben.
Es ist mir nicht bekannt, welche Eigenschaften der in den Fabriken von Villeneuve bereitete Cement hatte, aber zugegeben, das
bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine gewonnene Product zeichne sich
wirklich durch gute hydraulische Eigenschaften aus, – so kann doch der
günstige Einfluß des unvollständigen Brandes in diesem Falle, worauf bereits Rivot hingewiesen hat, auch ohne Hülfe von basischem
kohlensaurem Kalk, dessen Bildung bei unvollständigem Brande sich als sehr
zweifelhaft erweist, erklärt werden.
Bei völligem Brande eines Kalksteines, welcher
10 Proc. Thon und
90 Proc. kohlensauren Kalk
enthält, kann nur schwacher hydraulischer Kalk in Folge eines
großen Ueberschusses von freiem Kalk (CaO) erhalten werden. Es ist begreiflich, daß
durch Beseitigung dieses Ueberschusses an freiem Kalk, die hydraulischen
Eigenschaften des gebrannten Productes erhöht werden könnten. Der unvollständige
Brand, bei welchem ein Theil des Kalkes in Verbindung mit Kohlensäure bleibt, gibt
nun das Mittel, den Ueberschuß an freiem Kalk zu binden. Mit der Verringerung der
Menge freien Kalkes im gebrannten Stein wächst die relative Menge an Thon. Auf ein
und dasselbe Quantum Thonerde wird bei unvollständigem Brande eine geringere Menge
Kalk (CaO) enthalten seyn. Da aber bei einer Erhöhung des Thongehaltes im Verhältniß
zum Kalk bis zu einem bestimmten Grade im gebrannten Stein, auch dessen hydraulische
Eigenschaften zunehmen, so ist es klar, daß vermittelst des unvollständigen Brandes
in einigen Fällen die hydraulischen Eigenschaften des Steines erhöht werden können.
Der unzersetzt gebliebene kohlensaure Kalk wird eine Beimengung, ähnlich dem Sande,
bilden, deren Anwesenheit jedenfalls weniger nachtheilig ist, als die Anwesenheit
eines Ueberschusses an freiem Kalk.
Man muß jedoch die Bedeutung des unvollständigen Brennens nicht überschätzen. Die
sehr verschiedenen Resultate, welche Vicat bei
unvollständigem Brande (siehe oben S. 342) thonhaltiger Kalksteine gewonnen, zeigen
daß mit Hülfe des unvollständigen Brennens nur in seltenen, man kann sagen,
Ausnahme-Fällen ein gutes hydraulisches Product erhalten werden kann.
In den meisten Fällen müssen bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine, in
Folge der großen Verschiedenheit in der Zusammensetzung des gebrannten Steines und
der Verschiedenheit seiner Eigenschaften, Cemente von nur mittelmäßiger Qualität
gewonnen werden.
Daß bei unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine unvermeidlich Cemente
verschiedener Qualität gewonnen werden müssen, folgt nicht nur aus den Versuchen Vicat's, sondern ergibt sich auch aus dem Proceß des
Brennens selbst.
Bekanntlich herrscht in den Brennöfen eine verschiedene Temperatur in den
verschiedenen Theilen des Ofens, und – in Folge dessen daß der zu brennende
Kalkstein ein schlechter Wärmeleiter ist – auch in den verschiedenen Theilen
eines und desselben Stückes. Ein und dasselbe Stück des Gesteines wird an der
Oberfläche stärker als innen gebrannt. Dieser Umstand bietet keinen großen Nachtheil in den
Fällen wo der Stein völlig gebrannt, folglich alle Kohlensäure ausgeschieden werden
soll. Bei vollständigem Brande wird die Verschiedenheit der Temperatur im Inneren
des Ofens nur zur Folge haben, daß einige Stücke des Gesteines, welche einer weniger
hohen Temperatur ausgesetzt worden, die Kohlensäure früher, andere später
auszuscheiden beginnen; aber das endliche Resultat wird das seyn, daß aus dem
vollständig gebrannten Gestein alle Kohlensäure ausgeschieden ist.
Wie ist es aber zu erreichen, daß bei unvollständigem Brande, einem verschiedenen
Hitzegrade unterworfene Stücke des Gesteines eine und dieselbe Menge Kohlensäure
zurückbehalten, und nach dem Brande einen gleichen Gehalt an kohlensaurem Kalk,
freiem Kalk und Thon aufweisen?
Es ist augenscheinlich, daß bei unvollständigem Brande der nicht völlig gebrannte
Stein sich durch eine große Verschiedenheit seiner Bestandtheile auszeichnen muß.
Und wenn man hierbei noch der Tabelle Vicat's (S. 342)
Aufmerksamkeit schenkt, – aus welcher ersichtlich, daß aus einem und
demselben thonhaltigen Kalkstein bei unvollständigem Brande sehr verschiedene
Producte erhalten werden können, wobei die Menge Kohlensäure welche in dem
unvollständig gebrannten, einen guten hydraulischen Cement liefernden Steine
zurückgeblieben, sehr wenig vom Quantum derselben in solchen unvollständig
gebrannten Steinen differirt, aus denen ein ganz werthloses Product gewonnen wird,
– so wird man nicht umhin können anzuerkennen, daß eine auf unvollständigem
Brennen thonhaltiger Kalksteine basirte Fabrication hydraulischer Cemente nur
ausnahmsweise bei gänzlichem Mangel an solchem thonhaltigem Kalkstein, aus welchem
auf gewöhnlichem Wege ein hydraulisches Product mit guten Eigenschaften gewonnen
werden könnte, Platz greifen darf.Zur Unterstützung der oben angeführten Betrachtung erlaube ich mir, die
Bemerkung Vicat's anläßlich der von ihm bei
unvollständigem Brande thonhaltiger Kalksteine gewonnenen Resultate, hier im
Original wiederzugeben:„Il est resté demontré par
ces experiences, que toute pierre susceptible d'être
transformée en chaux éminemment hydraulique par une
cuisson ordinaire complète, peut, par une cuisson
incomplète, donner un
ciment
ou un
produit sans valeur, selon la quantité d'acide carbonique
qu'elle aura retenue: mais comme il sera toujours impossible en
grand, de maîtriser la cuisson de manière à
laisser dans la pierre une quantité déterminée
d'acide carbonique, il n'est pas probable que la pratique puisse
jamais mettre à profit les observations
précédantes.“Vicat, Traité pratique et théorétique de la composition
des mortiers, ciments etc., 1856. (p.
46.)
In der Roché'schen Fabrik, welche früher als die
anderen Cementfabriken in Rußland gegründet ist und den größten Absatz (bis 650,000 Pud jährlich) hat,
wird derselbe aus thonhaltigem, am Wolchowo-Flusse gewonnenem Kalkstein
bereitet. Der Kalkstein wird in ovalen Oefen gebrannt, nach dem Brande unter Läufern
zerstoßen und zwischen Mühlsteinen gemahlen, und gelangt in dieser Gestalt in
Fässern, welche gegen 9 Pud Cement enthalten, zum Verkauf.
Nach der von mir bereits im Jahre 1869 angestellten Analyse enthält der Roché'sche Cement in 100 Gewichtstheilen:
Kohlensäure
19,00
Kalk (CaO)
45,00
Magnesia
(MgO)
3,81
Kieselerde
17,00
Thonerde
2,07
Eisenoxyd
8,69
Alkalien
1,20
Gyps
0,10
Wasser
2,01
–––––
98,88
Die bedeutende Quantität Kohlensäure im Roché'schen
Cemente zeigt, daß derselbe aus nicht vollständig
gebrannten Kalksteinen bereitet wird. Hierauf weist auch der Umstand hin,
daß von 17 Proc. Kieselerde nur 10 Proc. durch Natronlösung in gallertartigem
Zustande gewonnen werden, während die übrigen 7 Proc. mit den Oxyden des Aluminiums
und Eisens verbunden, – als durch die Wirkung des Brandes noch nicht
veränderter Thon zurückbleiben –, und folglich eine unnütze mechanische
Beimengung bilden.
Die bedeutende Menge thonhaltiger Bestandtheile in der Zusammensetzung des
Wolchowo-Kalksteines und des Roché'schen
Cementes läßt darauf schließen, daß aus dem genannten Kalkstein gute hydraulische
Producte, auch ohne daß man seine Zuflucht zu unvollständigem Brande nimmt, gewonnen
werden können.
Diese Annahme wird durch die Praxis vollkommen bestätigt. Aus dem thonhaltigen
Wolchowo-Kalksteine wurde schon längst sogenannter Wolchowo'scher
hydraulischer Kalk bereitet, welcher sich durch ziemlich gute hydraulische
Eigenschaften auszeichnete und bei Herstellung vieler hydraulischer Bauten Anwendung
fand.
Wenngleich der Roché'sche Cement in seinen
Eigenschaften den Wolchowo'schen hydraulischen Kalk übertrifft, so ist dennoch zu
bemerken, daß bei Bereitung des Cementes auf dem Wege des unvollständigen Brandes,
augenscheinlich nicht alle ausgezeichneten Eigenschaften des Wolchowo'schen thonhaltigen
Kalksteines völlig ausgenutzt werden. Derselbe enthält sehr oft eine solche Menge
thonhaltiger Gemenge, daß aus ihm bei hoher Temperatur ein ausgezeichneter Cement,
ähnlich dem Portland-Cement gebrannt werden kann, was auch durch in Kronstadt
angestellte directe Versuche bestätigt ist. Dieser Cement hat nach der von mir
ausgeführten Analyse folgende Zusammensetzung:
Kieselerde,
ungebunden
3,83
„
gebunden
20,92
Thonerde
6,33
Eisenoxyd
3,50
Kalk (CaO)
53,60
Magnesia (MgO)
6,01
Kohlensäure
2,12
Schwefelsäure
0,63
Wasser
2,25
Feuchtigkeit
0,25
–––––
99,44
Dieser Cement hat eine dunkle Farbe, ähnlich dem Portland-Cement, und gibt
einen im Wasser rasch erhärtenden und große Festigkeit gewinnenden Mörtel.
Das Verfahren der Roché'schen Fabrik kann man sich
erstlich dadurch erklären, daß zur Zeit der Anlegung derselben im Jahre 1851 die
Frage wegen des basischen kohlensauren Kalkes (die Arbeiten Villeneuve's 1850, Minard's 1851), eine
bedeutende Rolle spielte in Folge des Mißtrauens gegen hydraulische Producte welche
nach der Vicat'schen Weise auf dem Wege gewöhnlichen
Brennens thonhaltiger Kalksteine bereitet waren, eines Mißtrauens welches durch die
ausgedehnten Zerstörungen einiger Seedämme in den Häfen Frankreichs erregt ward, und
zweitens dadurch, daß anfänglich zur Bereitung des Roché'schen Cementes Tosna'scher Kalkstein mit sehr unbedeutendem
Thongehalt diente, aus welchem daher Cement auch nicht anders gewonnen werden
konnte, als auf dem Wege unvollständigen Brennens. Als man in der Folge (im Jahre
1866) wegen der unbefriedigenden Resultate, welche beim Brennen Tosna'scher Steine
erhalten wurden, zur Verarbeitung des Wolchowo'schen thonhaltigen Kalksteines zu
Cement überging, wurde die Methode des unvollständigen Brennens auch auf diesen
Stein angewandt, wenngleich hierzu keine derart zwingende Nothwendigkeit, wie beim
Brennen Tosna'scher Fliesen, vorlag.
Zum Schluß erlaube ich mir, das in vorstehender Abhandlung Ausgeführte in folgenden
Sätzen zusammenzufassen:
1) Die Bildung basischen kohlensauren Kalkes bei
unvollständigem Brande von Kalksteinen, ist mehr denn zweifelhaft.
2) Der unvollständige Brand thonhaltiger Kalksteine gibt nur in
seltenen Fällen befriedigende Resultate.
3) Die guten Eigenschaften des Roché'schen Cementes
anerkennend, behaupte ich, daß aus dem Wolchowo'schen thonhaltigen Kalkstein ein
Cement mit weit besseren Eigenschaften gebrannt werden kann.
St. Petersburg, im Juli 1872.