Titel: | Neues Verfahren zum Concentriren der Schwefelsäure; von A. de Hemptinne. |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. CII., S. 419 |
Download: | XML |
CII.
Neues Verfahren zum Concentriren der
Schwefelsäure; von A. de Hemptinne.
Aus der Chronique de
l'Industrie, Juli 1872, S. 206.
Mit Abbildungen auf Tab.
IX.
Hemptinne's Verfahren zum Concentriren der
Schwefelsäure.
Nachdem Fr. Kuhlmann im Jahr 1844 constatirt hatte,Polytechn. Journal Bd. XCIII S. 131. daß Schwefelsäure von 66° Baumé, welche an freier Luft erst
bei einer Temperatur von 325 bis 327° C. siedet, zwischen 190 und 195°
C. zum Sieden gelangen kann, wenn sie einem nur schwachen atmosphärischen Drucke,
von 3 bis 4 Centimeter Quecksilbersäule, unterworfen ist, concentrirte er diese
Säure in Gefäßen von Blei, welches Metall nicht merklich angegriffen wird, wenn man
die Temperatur von 200 bis 205° nicht überschreitet.
Hr. A. de Hemptinne, Besitzer einer Fabrik chemischer
Producte zu Molenbeek-St.-Jean bei Brüssel (Belgien), nahm Kuhlmann's interessante Untersuchungen wieder auf und
setzte dieselben mit Beharrlichkeit fort, bis es ihm gelang, die schwierige Aufgabe,
Kammersäure ohne Anwendung der so kostspieligen PlatinapparateNach Scheurer-Kestner haben 1000 Kilogrm.
Schwefelsäure, welche auf 66° Baumé in einem Platinkessel
concentrirt wurden, wenigstens 2 Gramme Platin aufgelöst, die vollständig
verloren sind. und der so zerbrechlichen Glasgefäße, welche bisher gebräuchlich waren, auf
66° Baumé zu concentriren, in großem Maaßstabe und in einer
praktischen Weise zu lösen.
Dieser neue Apparat, Fig. 12 und 13, hat folgende
Einrichtung.
Das Concentriren der Schwefelsäure auf 66° Baumé geschieht, mittelst
des Vacuums, in dem Bleikessel A (Fig. 12), dessen starke
Wandungen dem atmosphärischen Drucke widerstehen, weil er mit Kugeln von
Quarzsandstein oder Glas, von 3 bis 4 Centimeter Durchmesser, angefüllt ist, welche
von der Säure nicht angegriffen werden. Man erzeugt das Vacuum mittelst Condensirung
des Wasserdampfes welcher in den gußeisernen Kessel P injicirt wurde. Dieser
Kessel ist innen mit Holzdauben gefüttert und mit einem aus demselben Material
bestehenden Deckel und Boden versehen, damit (was bei der Operation eine Hauptsache
ist) eine unnöthige Erhitzung des Metalles verhindert wird. Der Dampf gelangt durch
das Rohr Q, Q in den Kessel und treibt in einigen
Minuten die in demselben enthaltene Luft durch das mit einem Hahne versehene Rohr
R aus. Nachdem dieß geschehen ist, injicirt man
mittelst des Kugelrohres S kaltes Wasser in Form eines
feinen Staubregens in den Kessel, wodurch rasch ein Vacuum von 70 bis 71 Centimeter
erzeugt wird, welches man mittelst des Quecksilberbarometers U beobachtet.
Zur ersten Condensirung dient das in der Messingkugel S
vorräthige Wasser, nebst demjenigen welches aus dem oberen Reservoir S⁴ durch den Filtrirhahn S² leicht angesogen wird. Zur Vollendung der Condensation benutzt
man das aus dem tiefer gelegenen Behälter S³ oder
aus einem Brunnen von mittlerer Tiefe aspirirte und filtrirte Wasser.
Nachdem ein möglichst hohes Vacuum erzielt worden, öffnet man den Hahn V, und extrahirt aus den verschiedenen Theilen des
Concentrationsapparates die Luft.
Nachdem im Ofen des Kessels Feuer angezündet worden, treten die entwickelten
säurehaltigen Dämpfe in die beiden Helme B und in das
Rohr E, welches durch das in der Bleirinne F enthaltene Wasser gekühlt wird. In dem bleiernen
Schlangenrohr G gelangen sie zur vollständigen
Condensation. Das condensirte Wasser sammelt sich in der cylindrischen Vorlage H, welche aus drei mit Blei überzogenen kurzen
Steinzeugröhren gebildet ist. Daß die Säure hinreichend concentrirt ist, erkennt man
daran, daß, wenn die beiden Thermometer C an den beiden
entgegengesetzten Enden des Apparates eine Temperatur von 200 bis 205°
anzeigen und das Vacuum auf 70 bis 71 Centimeter Quecksilbersäule stehen geblieben
ist, der kleine Schwimmer D nicht mehr
„tanzt“, d.h. daß das Sieden aufgehört hat. Man läßt dann
die Luft durch die Oeffnung Z wieder in den Apparat
treten und zieht die Säure, bis zu 10 Centimeter über dem Kesselboden, mittelst des
Hebers M ab, welcher in einen 6 Meter tiefen Brunnen
taucht, so daß er ein für die Luft nicht zugängliches Barometerrohr bildet.
Das Feuer im Kesselosen konnte man etwa eine Stunde vorher ausgehen lassen.
Während des Abziehens und zur Vermeidung einer Ueberhitzung der bleiernen
Kesselwandungen wird mittelst einer Brause Wasser in Form eines feinen Regens in das
Innere des Ofens gespritzt.
Die heiße Säure wird zunächst in dem Muffe N abgekühlt;
dann fließt sie in den
Kühlcylinder O. Aus diesem tritt sie, ohne mit der Luft
in Berührung zu kommmen, in den Filtrirapparat O³; derselbe besteht in einem rechteckigen Kasten, in welchem bleierne,
mit Löchern versehene Scheidewände angebracht sind, deren Zwischenräume mit einem
Gemenge von Asbest, Bimsstein, zerstoßenem Glase und Quarzgeröll angefüllt werden.
Diese Substanzen halten das in der Säure suspendirte schwefelsaure Bleioxyd zurück.
Das auf seinem Wege durch den Kasten geklärte Product wird mittelst des aus
Steinzeug bestehenden Hahnes O⁴ auf die für den
Handel bestimmten Flaschen abgezogen.
Anstatt des Filters kann man große Klärcisternen aus Blei anwenden, in denen bei
Abschluß des Luftzutrittes das in der Säure suspendirte schwefelsaure Bleioxyd sich
in vier bis fünf Tagen absetzt.
In der Zwischenzeit wird zur Vorbereitung für eine neue Operation, der Kessel
wiederum luftleer gemacht und dann durch Aspiriren mittelst des aus Steinzeug
bestehenden, mit Abschlußhahn versehenen Rohres K, aus
einer der Vorwärmpfannen L mit zu concentrirender Säure
gefüllt.
Bei diesem Kessel ist das System der inneren Röhrenheizung benutzt; in demselben
liegen nämlich sechs Bleiröhren von je 12 Centimeter Durchmesser, welche jedoch in
der Abbildung weggelassen wurden.
In Figur 13
ist der neue, von de Hemptinne erfundene Lufthahn T in größerem Maaßstabe dargestellt. Dieser Hahn,
welcher das Vacuum vollständig hält, besteht aus zwei genau abgerichteten
Bronzescheiben, welche sich auf einander drehen; dieselben sind mit zwei runden
Löchern von 12 Millimeter Durchmesser versehen; will man den Hahn öffnen, so dreht
man die aus Messing bestehende Handhabe, welche hohl ist, damit die zwei Paar Löcher
über einander zu liegen kommen.
Dasselbe System hat der Erfinder bei der Construction der Säurehähne angewendet. Bei
denselben bestehen Handhabe und Scheiben aus Blei; da sich aber dieses Metall wegen
seiner Weichheit nicht so genau wie Bronze abrichten läßt, so werden die beiden
reibenden Flächen mit einem geschliffenen, mit zwei runden Löchern versehenen Deckel
von Krystallglas gelidert, welchen man in die Höhlung jeder Scheibe kittet.
Es bleibt uns noch zu bemerken übrig, daß der zur Erzeugung des Vacuums mittelst
Dampf-Condensation dienende Apparat eine Luftpumpe bildet, welche von
ätzenden Gasen fast gar nicht angegriffen wird und somit in chemischen Fabriken zum
Aufpumpen der zum Benetzen der sogenannten Gay-Lussac'schen Cascaden bestimmten concentrirten Schwefelsäure,
sowie zum Füllen der in solchen Fabriken nöthigen Wasserreservoirs benutzt werden
kann.