Titel: | Ueber Stahldraht zum Lothen in bedeutenden Meerestiefen; von William Thomson. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. VIII., S. 23 |
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VIII.
Ueber Stahldraht zum Lothen in bedeutenden
Meerestiefen; von William
Thomson.
Vorgetragen in der Versammlung der British Association zu Brighton. –
Aus dem Engineer,
September 1872, S. 156.
Thomson, über Stahldraht zum Lothen in tiefer See.
Die große Schwierigkeit des Lothens in tiefer See liegt in dem Widerstand, welchen
das Wasser dem zum Hinablassen und Heben des Gewichtes angewendeten Material
entgegensetzt. Das einzige Mittel zur Beseitigung dieser Schwierigkeit bei sehr
tiefen Lothungen ist von jeher die Anwendung sehr schwerer Gewichte gewesen. Wenn
die Tiefe 200 oder 300 Faden (1200 oder 1800 Fuß) überschreitet, so hört das
gewöhnliche Senkblei auf, brauchbar zu seyn, und ein bedeutend schwereres Gewicht
muß an seine Stelle treten. Nach den Erfahrungen des Berichterstatters ist für je
1000 Faden Tiefe ein Gewicht von einem Centner, also zum Lothen von 1000 bis 2000
Faden Tiefe ein solches von zwei Centnern als nöthig zu erachten. Die Schwierigkeit,
eine lange Leine mit einem schweren Gewichte aus großen Tiefen emporzuwinden, führte
auf ein System, bei welchem das Gewicht auf dem Meeresgrunde zurückgelassen und nur
eine Röhre mit einer Probe des Bodens heraufgeholt wurde. Das gußeiserne Gewicht wog
3 Centner. Durch dasselbe ging eine Röhre mit Ventil, welche, wenn sie mit dem Boden
in Berührung kam, in denselben eindrang, sich sodann schloß und eine Probe vom
Meeresgrunde mit heraufbrachte. Inzwischen hat die englische Admiralität die Methode
des Lothens bedeutend verbessert und es sich zur allgemeinen Regel gemacht, das
Senkloth mit heraufzuholen, anstatt es auf dem Meeresboden zurückzulassen. Die Einführung des
Drahtseiles wurde vorgeschlagen; es zeigten sich jedoch bezüglich der Methode seines
Gebrauches Schwierigkeiten. Die Leine, deren sich die Admiralität bedient hatte,
bestand aus dem besten italienischen Hanf, hatte 7/8 Zoll im Umfange und 1/2 Tonne
Tragkraft. Zum Aufwinden bediente man sich der Dampfkraft; selbst wenn das Gewicht
zurückgelassen wurde, konnte man dieselbe nicht entbehren. Beim Lothen bis zu einer
Tiefe von 2000 Faden (12000 Fuß) dauerte das Niederlassen des Senklothes ungefähr 35
Minuten, das Aufwinden 45 Minuten. Beim Auswerfen desselben ließ man die Leine, ohne
einen Widerstand auf sie wirken zu lassen, vom Verdeck ablaufen und notirte die zur
Versenkung von je 50 oder 100 Faden erforderliche Zeit. Der Moment, wo das Senkloth
den Meeresboden erreichte, war nur durch die abrupte Verminderung der
Geschwindigkeit der ablaufenden Leine zu erkennen. Dieses war die seither befolgte
Methode.
Von mehreren Seiten wurde die Anwendung eines einfachen Drahtes empfohlen und als ein
bedeutender Vortheil desselben der Umstand hervorgehoben, daß er wenig Raum einnehme
und dem Wasser einen geringeren Widerstand darbiete. Inzwischen fehlte es auch nicht
an Einwürfen gegen die Anwendung desselben; der Draht ließe sich nicht gut anfassen,
es könnten sich Kinken oder Schleifen bilden, er sey dem Rosten ausgesetzt u.s.w.
Aber alle diese Einwürfe wurden ohne Schwierigkeit beseitigt. Anstatt den Draht aus
freier Hand ablaufen zu lassen, wurde die ganze Länge desselben auf ein der größeren
Leichtigkeit wegen aus Weißblech construirtes Rad gewickelt welches drei Meilen
Draht aufnehmen konnte. Als die zum Lothen unzweifelhaft geeignetste Qualität wurde
Klaviersaiten-Draht Nr. 22 gewählt. Er hatte mehr als die doppelte
Tragfähigkeit des gewöhnlichen Eisendrahtes; die Schwierigkeit bestand nur darin,
ihn in hinreichender Länge zu erhalten. Er konnte nur in einer Länge von 900 Faden
geliefert werden, und man brauchte doch eine solche von 3000 Faden. Schließlich
einigte man sich mit Richard Johnston in Manchester wegen
Lieferung eines homogenen Stahldrahtes in einer Länge von 3 Meilen und einem
Gewichte von 13 1/2 Pfund per Seemeile. Der Draht hatte
0,03 Zoll Durchmesser und zerriß bei einem Gewichte von 252 Pfund, so daß er 21
Seemeilen seines eigenen Gewichtes im Wasser zu tragen vermochte; er war also für
den in Rede stehenden Zweck stark genug.
Der Berichterstatter geht nun zur Beschreibung eines Versuches über. Ein 30 Pfund
schweres Bleiloth mit einem Messingrohr zur Aufnahme einer Probe vom Meeresgrunde
wurde an 20 Faden einer Lothleine, und das obere Ende der letzteren an ein 3 Pfund schweres
Bleigewicht befestigt. Dieses Gewicht hing direct an dem Stahldraht und war groß
genug, den letzteren gestreckt zu erhalten und die Möglichkeit einer Kinken-
oder Schleifenbildung zu verhüten. – Der Verf. bediente sich der einfachsten
Art von Frictionsbremse, um einen gemessenen Widerstand auf das Rad wirken zu
lassen. Dieser Widerstand überstieg das Gewicht des versenkten Drahtes um ungefähr
10 Pfund. Sobald daher das 30 Pfund schwere Senkloth den Meeresboden berührte, stand
das Rad augenblicklich still; der Draht selbst erreichte den Boden nicht, sondern
wurde durch das kleine an seinem Ende befestigte Dreipfundgewicht gespannt erhalten.
Während des Hinabsenkens wurde die hemmende Kraft an der Bremse stufenweise
gesteigert. Jede weiteren 80 Faden Draht erforderten die Zulage eines Pfundes an dem
Bremsapparat und da das Rad ungefähr 1 Faden im Umfange hielt, so kam auf je 80
Umdrehungen ein Zulagegewicht von 1 Pfund, so daß das Rad jederzeit leicht aus
freier Hand angehalten werden konnte. Beim Aufwinden machte der Verf. den Vorschlag,
nach je 50 Faden mittelst Anlegung eines Stoppers am Drahte anzuhalten, und durch
Rückwärtsdrehen des Rades um etwa 1 Zoll die Drahtspannung aufzuheben.
Der Verf. machte vor Kurzem in der Bucht von Biscaya an Bord seiner Yacht
„Lalla Rookh,“ einem Schooner von 126 Tonnen, einen
Versuch, bei welchem sich seine Methode vortrefflich bewährt hat. Er würde sich mit
1500 Faden Tiefe begnügt haben, es waren aber bereits 2500 Faden abgelaufen und noch
war der Meeresgrund nicht erreicht. Der Draht lief, unter circa 35 Pfund Druck an der Bremse, immer noch mit großer Geschwindigkeit
ab, wobei 45 Pfund zu seiner Hemmung hinreichten. Plötzlich hielt er von selbst an;
das Senkloth hatte den Boden erreicht und zeigte zu des Verf. Ueberraschung eine
Meerestiefe von 2700 Faden (16200 Fuß) an, eine um 100 Faden größere Tiefe, als die
tiefste bis jetzt auf der Karte verzeichnete Lothung. Nun wurde mit dem Aufwinden
begonnen, wozu 3 bis 4 Mann hinreichten, welche an einem endlosen Tau ziehend längs
des Deckes hingingen. Dieses Tau hatte man 1 1/2 mal um den Kranz eines Rades
geschlungen, welches neben dem den Draht aufnehmenden Radkranz angeordnet war.
Der Verf. glaubt, daß obige Procedur ohne Schwierigkeit eben so wohl in Booten als in
Schiffen, und zwar ohne daß diese zu dem fraglichen Zwecke besonders eingerichtet zu
werden brauchen, ausgeführt werden kann.