Titel: | Villarceau's isochroner Regulator. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. XXIV., S. 85 |
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XXIV.
Villarceau's isochroner Regulator.
Villarceau's isochroner Regulator.
Yvon Villarceau, Mitglied der Akademie der Wissenschaften
zu Paris, legte kürzlich der Akademie die Resultate seiner langen Untersuchungen
über Regulatoren vor, und zeigte einen Apparat nach seinen Berechnungen durch den
Mechaniker Bréguet construirt, welcher mit
wunderbarer Genauigkeit die Resultate der Berechnungen wiedergibt. Der isochrone
Regulator kann eine constante Geschwindigkeit der Maschine erhalten, ganz unabhängig
von den beträchtlichen Schwankungen der von der Maschine zu leistenden Arbeit. Der
Regulator kann dieses Resultat auf zweierlei Art erzielen, entweder durch Einwirkung
auf den Motor oder auf den Widerstand. Wird z.B. bei einer Maschine, welche
Arbeitsmaschinen treibt, eine gewisse Anzahl ausgerückt, so wirkt der Regulator auf
das Dampfventil und verringert die von der Maschine geleistete mechanische Arbeit
bis zum Betrage, welchen die noch gehenden Arbeitsmaschinen erfordern. Wenn derselbe
aber benutzt wird, um mit Hülfe eines Gewichtes die Achse eines schweren
astronomischen Instrumentes zu drehen, und eine gleichmäßige Geschwindigkeit zu
erzielen, so ist der Regulator so eingerichtet, daß mit beweglichen Theilen
verbundene Windflügel der Luft eine größere oder kleinere Oberfläche darbieten, und
so einen variablen Widerstand leisten, welcher das Bestreben hat, die Differenzen
zwischen der wirklichen und der erforderlichen Geschwindigkeit ausgleichen.
Villarceau hat zwei Theorien ausgearbeitet; die eine
bezieht sich auf oscillirende Massen von verschiedener Gestalt, als Kugeln, Cylinder
und Parallelepipede, die andere auf Flügel von verschiedener Gestalt. Bei der
letzteren Gattung Regulatoren wurde die gleichmäßigste Bewegung zu erhalten gesucht;
die Genauigkeit, womit der Apparat arbeiten kann, während sich die bewegende Kraft
im Verhältniß von 1 zu 6 ändert, hängt ganz von der Sorgfalt ab, womit der
Verfertiger die theoretischen Angaben befolgt hat, und von dem Betrage, bis zu welchem
er die Reibungswiderstände der beweglichen Theile herabzuziehen wußte.
Trotz der größten Vorsichtsmaßregeln kann es aber doch vorkommen daß die Dichtigkeit
des verarbeiteten Metalles nicht genau dieselbe ist, auf welche die Berechnungen
gegründet wurden, und daß die von dem Verfertiger ausgeführten Dimensionen nicht
ganz genau der Zeichnung entsprechen. Hieraus ergibt sich ein Fehler im
Isochronismus, zu dessen Correctur es nothwendig ist, Mittel zur Regulirung des
Apparates anzuwenden. Da dieses Problem zu vier Gleichungen führt, hat es Villarceau für nöthig gehalten, vier verschiedene
Varationen zu combiniren, indem er die Masse des Regulatorkörpers verändert, und
ebenso die Bewegung von drei regulirenden Körpern, welche Theile des Hauptkörpers
bilden. Jeder von diesen spielt eine sehr wichtige Rolle bei Erfüllung der
theoretischen Bedingungen. Die Schwungkörper sind von Trapezgestalt, bestehen aus
Aluminium, um die Bedingungen des Isochronismus besser zu erfüllen, die Stangen sind
von Stahl, und die übrigen Theile der Hauptmasse sind von Aluminiumbronze. Der
Apparat wird in folgender Weise regulirt: der Regulator wird mit einem Uhrwerk
verbunden, und die Geschwindigkeit ω und der
Winkel α der Stangen mit der Senkrechten
beobachtet, welche sich unter Einwirkung des treibenden Gewichtes ergeben. Dieses
Treibgewicht wird nun dreimal verändert, und man erhält auf diese Weise vier Gruppen
von Werthen von ω und α, aus welchen Versuchsresultaten sich die nöthigen Bewegungen für
die Regulirkörper, und die erforderlichen Veränderungen des Hauptkörpers berechnen
lassen.
Sind diese Regulirungen den berechneten Bedingungen entsprechend vorgenommen, so wird
sich bei Vornahme neuer Versuche zeigen, daß, wie groß auch die treibende Kraft
innerhalb der gegebenen äußersten Grenzen seyn mag, nur sehr geringe Abweichungen
von der berechneten Geschwindigkeit eintreten.
So wurde bei den ersten Versuchen am 20. Mai 1870 das Treibgewicht zwischen den
Grenzen 1 bis 6 verändert, und die erhaltenen Geschwindigkeiten zeigten nur eine
mittlere Differenz von 1/355 gegen die mittlere Geschwindigkeit. Einige Fehler in
der Construction wurden verbessert, und dadurch bei einer zweiten Versuchsreihe die
Geschwindigkeitsdifferenz auf 1/1000 reducirt. Nachdem das Treibgewicht zu seinem
Maximum von 264 Pfd. (120 Kil.) gebracht worden war, wurden mit Hülfe einer Bremse
beliebige Veränderungen des Widerstandes herbeigeführt. Auf diese Weise wurden in
Zeit von 30 Minuten 51 Beobachtungen gemacht, welche zeigten, daß die mittleren Schwankungen des
Regulators im Vergleich gegen ein Chronometer nur 0,2 Secunden betrugen.
Villarceau bemerkt schließlich noch, daß Bréguet bei seinem ersten Versuche mit dem neuen
Apparate schon einen hohen Grad von Genauigkeit erreichte. Er sagte, er sey
glücklich der Akademie einen neuen Beweis für die Ungerechtigkeit der oft erhobenen
Anklage gegen mathematische Theorien zu liefern, wobei diese Theorien mit davon
gemachten falschen Anwendungen zusammengeworfen wurden. In dem vorliegenden Falle
war die Anwendung mit solcher Sorgfalt gemacht worden, daß der Erbauer sich nicht
die mindeste Abweichung von den in der Zeichnung gegebenen Maaßen und Gewichten
gestattete. Auf Aufforderung Bréguet's gab Villarceau in dessen Namen die Erklärung ab, daß dieß der
erste ihm während seiner langen Thätigkeit vorgekommene Fall sey, in welchem eine
reine Theorie bei ihrem ersten Versuche gleich einen vollkommenen Erfolg in der
Praxis erlangte. (Engineering, Juli 1872, S. 53;
polytechnisches Centralblatt, 1872 S. 1123.)