Titel: | Ueber die Wirkung des Kohlenstoffes und des Eisens auf die Kohlensäure bei Rothglühhitze; von Dumas. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. XXXVI., S. 130 |
Download: | XML |
XXXVI.
Ueber die Wirkung des Kohlenstoffes und des
Eisens auf die Kohlensäure bei Rothglühhitze; von Dumas.
Aus den Comptes rendus, t. LXXV p. 511; August
1872.
Dumas, über die Wirkung des Kohlenstoffes und des Eisens auf die
Kohlensäure bei Rothglühhitze.
Dubrunfaut hat in der letzten Zeit die jetzt allgemein
angenommene Entstehungsweise des Kohlenoxydes bestritten, indem zur Bildung
desselben der Wasserstoff unerläßlich sey.Comptes rendus, t. LXXIII p. 1395. Seiner Behauptung zufolge kann nämlich trockene Kohlensäure durch trockene
Kohle nicht in Kohlenoxyd umgewandelt werden; zur Erzeugung dieser Wirkung sey
erforderlich, daß die Kohlensäure feucht ist, oder daß die Kohle Wasser enthält.
Nachdem ich kürzlich durch eine Reihe von Experimenten über die Verbrennung von
trockenem und seines Gehaltes an Wasserstoff befreitem Graphit in absolut trockenem
Sauerstoff nachgewiesen habe,Annales de chimie et de physique, 4. série, t. XXV p. 94. daß (im Widerspruch mit der Annahme Dubrunfaut's)
unter diesen Umständen wirklich Kohlensäure entsteht, stellte ich mir die Aufgabe,
auch die Behauptung, daß die Kohlensäure ohne Mitwirkung von
Wasserstoff oder Wasser nicht in Kohlenoxyd umgewandelt werden kann, der
Prüfung zu unterwerfen.
Die Kohlensäure wurde durch Salzsäure aus weißem Marmor dargestellt, mittelst eines
Apparates zur constanten Gasentwickelung welcher acht Tage lang ohne Unterbrechung
functioniren konnte. Das Gas wurde zuerst durch ein mit zweifach-kohlensaurem
Natron gefülltes Gefäß geleitet, in welchem es von jeder Spur Salzsäuredampf befreit
wurde. Dann trat es in ein Gefäß welches Chlorcalcium in kleinen Stückchen enthielt,
und aus diesem in fünf Uförmige Röhren, welche im Ganzen
eine Länge von 2,50 Meter repräsentirten und mit groben, mit concentrirter
Schwefelsäure benetzten Bimssteinkörnern gefüllt waren; auf diese Weise wurde das
Gas vollständig ausgetrocknet.
Die in dem Porzellanrohre befindliche Kohle war aus weichem Holze dargestellt und
bildete ein abgesiebtes grobkörniges Pulver, welches in einem mit Kohlenstaub
umgebenen Tiegel zum Weißglühen erhitzt, in noch sehr heißem Zustande in das Rohr
gefüllt und in demselben mittelst zweier Asbeststopfen festgehalten wurde.
Die aus dem Porzellanrohr tretenden Gase wurden über Quecksilber aufgefangen.
Ich versicherte mich, daß das Kohlensäuregas von jeder Spur Salzsäure vollständig
befreit war, indem ich es durch einen Kugelapparat streichen ließ, welcher mit
concentrirter, schwefelsaures Silberoxyd in Lösung enthaltender Schwefelsäure
gefüllt war; es bildete sich nicht die geringste Spur von Chlorsilber.
Da ich mich zu versichern hatte, daß die aus dem Apparate tretenden Gase vollständig
absorbirt wurden, und zwar die Kohlensäure durch Kali, das Kohlenoxyd durch eine
Lösung von Kupferchlorür, so untersuchte ich, ob die zu dem Versuche angewendeten
Agentien nicht Spuren von Gasen liefern können, welche von beiden Reagentien nicht
absorbirt werden.
So war es z.B. möglich, daß die benutzte flüssige Salzsäure Luft enthielt, welche
sich dann in der durch sie entwickelten Kohlensäure verbreiten mußte. Um diese Frage
zu beantworten, ließ ich die Salzsäure in einem Kolben kochen, wie wenn es sich
darum handelte, die im Wasser enthaltene Luft zu extrahiren und zu bestimmen. 405
Kub. Cent. der Säure lieferten bei längerem Kochen 4,6 Kub. Cent. Luft.
Demnach können 100 K. C. flüssige Salzsäure 1,15 K. C. Luft an die durch sie
entwickelte Kohlensäure abgeben, deren Menge sich auf 10000 K. C. beläuft und 20000
K. C. Kohlenoxyd entspricht.100 K. C. der angewendeten Salzsäure wiegen 83 Grm. und enthalten 33 Grm.
wirkliche Säure, welche 20 Grm. Kohlensäure zu verdrängen vermögen. Diese 20
Grm. entsprechen 10 Liter dieses Gases bei 0° und 760 Millimet.
Druck, und 20 Liter Kohlenoxyd. Die von der Salzsäure gelieferte Luft beträgt daher beiläufig 1/20000 vom
Gesammtvolum des aus dem Porzellanrohr tretenden Gases, kann also füglich
vernachlässigt werden.
Ich fragte mich ferner, ob nicht selbst der ausgesuchteste, dichteste Marmor in
zufällig vorhandenen Hohlräumen Luft eingeschlossen enthalten, kann, welche dann bei
seiner Auflösung in Säure entweichen und sich der entwickelten Kohlensäure
beimischen muß. Nun war die aus dem Apparate tretende Kohlensäure, bevor das
Porzellanrohr erhitzt wurde, durch Kali gänzlich absorbirbar; 100 K. C. ließen nur
eine Blase von der Größe eines Stecknadelknopfes zurück, welche also vom
Gesammtvolum des Gases etwa ein Millionstel betrug. Dieses Gasbläschen rührte auch
wahrscheinlich nur von einer Spur Luft her, welche aus der zur Absorption der
Kohlensäure angewendeten Kalilösung ausgetrieben wurde. Jedenfalls war eine Bestimmung der Natur
und des Volums dieses Gasbläschens unmöglich.
Die besprochenen Vorsichtsmaßregeln werden nicht übertrieben scheinen, da die
geringste Spur Sauerstoff die Zersetzung des Kohlenoxydes durch das Eisen veranlaßt,
und daher die successive Ablagerung beträchtlicher Mengen von Kohle auf diesem
Metall, welches auf das reine Kohlenoxyd nicht wirkt.
Nachdem die in meinen Apparaten circulirende Kohlensäure rein und trocken geworden
war, erhitzte ich das die Kohle enthaltende Porzellanrohr zur Kirschrothgluth und
ließ einen langsamen Strom Kohlensäure hindurchstreichen. Ich habe jedesmal einige
Liter Gas in die Luft entweichen lassen, bevor ich das zu den Analysen bestimmte
auffing. Folgendes sind meine Resultate:
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
Kohlensäure
0
0
0
2
3
12
Kohlenoxyd
56
124
119
68,5
116
105,8
nicht absorbirbares brennbares Gas
1
1
1
0,5
1
0,2
–––––––––––––––––––––––––––––
57
125
120
71,0
120
118,0
So lange die Kohle in genügender Menge vorhanden war, wurde also die Kohlensäure
vollständig zersetzt; gegen Ende des Versuches hatten sich jedoch Wege gebildet, auf
denen die Kohlensäure abziehen konnte, ohne auf die zur Bildung von Kohlenoxyd
nöthige Kohle zu treffen, und es entwichen immer beträchtlichere Mengen
derselben.
Andererseits gaben Spuren von Wasser, welche, aller beim Füllen des Porzellanrohres
angewendeten Vorsichtsmahregeln ungeachtet, von der Kohle zurückgehalten worden
waren, successiv 1 Hundertel, 1/2 Hundertel, 1/4 Hundertel Wasserstoff, ohne daß ich
dieses Gas vollständig zum Verschwinden bringen konnte. Ich hatte dieses Resultat
vorausgesehen, und daher meine Maßregeln getroffen. Ich wußte nämlich längst, daß
die Holzkohle sich von Wasserstoff oder Wasser nur mit Hülfe von Chlor in der
Rothglühhitze befreien läßt.
Nachdem das Porzellanrohr mit denselben Vorsichtsmaßregeln wie beim ersten Versuche,
mit Kohle gefüllt worden war, erhitzte ich dasselbe zum Rothglühen und ließ einen
ganzen Tag hindurch einen Strom von trockenem Chlorgas hindurchstreichen. Es
entwickelten sich reichliche Dämpfe von Salzsäure, begleitet von Chlorsilicium,
Eisenchlorid und Chlorkalium.
Nach dem Erkalten wurde der Apparat mittelst eines Stromes von trockener Kohlensäure
ausgespült und dann zum Hellrothglühen erhitzt, worauf sich noch einige Zeit lang
Dämpfe theils von Salzsäure, theils von den oben erwähnten Chloriden entwickelten. Nachdem
dieselben zu erscheinen aufgehört hatten, wurde das für die Analyse bestimmte Gas
aufgefangen, welches enthielt:
I.
II.
III.
IV.
V.
Kohlensäure
3
0
2,7
Spur
Spur
Kohlenoxyd
78
61
89,0
51,9
67,9
nicht absorbirbares Gas
1
1
0,3
0,1
0,1
–––––––––––––––––––––––
82
62
92,0
52,0
68,0
Als der Versuch unter denselben Bedingungen wiederholt wurde, erhielt ich folgende
Resultate:
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
Kohlensäure
0,0
0,2
0,5
0,0
0,0
0,0
4,6
9,9
Kohlenoxyd
94,4
94,5
97,6
96,3
99,9
188,0
95,4
90,1
nicht absorbirbares Gas
2,8
0,8
0,4
0,2
0,1
unbestimmbare Spuren
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
97,2
95,5
95,5
96,5
100,0
188,0
100,0
100,0
Diese Resultate zeigen, daß sich beim Beginn der Operation noch Spuren eines vom Kali
und vom Kupferchlorür nicht absorbirbaren Gases entwickeln, welches am Schluß des
Versuches verschwand. In dem Maaße aber, als die Kohle verbrennt, tritt von Neuem
Kohlensäure auf, welche der Wirkung der Kohle entgeht.
Zwei Thatsachen sind somit festgestellt: 1) daß die Holzkohle welche durch Behandlung
mit Chlor von ihrem Gehalte an Wasserstoff und Wasser absolut befreit worden ist,
die Kohlensäure in Kohlenoxyd umwandelt; 2) daß die Umwandlung der Kohlensäure in
Kohlenoxyd bei Hellrothgluth vollständig erfolgt, wenn die Umstände günstig sind,
d.h. wenn Kohle im Ueberschuß vorhanden ist und das Kohlensäuregas das
Zersetzungsrohr langsam durchströmt.
Uebt die Kohlensäure auf das Eisen eine gleiche Wirkung
aus? Eisen und Kohlensäure kommen in so häufigen Fällen bei hoher
Temperatur mit einander in Berührung, daß es wünschenswerth ist, die Grenzen,
innerhalb welcher sie unter gegebenen Bedingungen auf einander einwirken können,
genau zu ermitteln.
Ich erhitzte zu diesem Zwecke ein mit Eisendrehspänen gefülltes Porzellanrohr auf
dieselbe Temperatur wie bei den vorhergehenden Versuchen und leitete durch dasselbe
zunächst einen Strom atmosphärischer Luft, um die Oberfläche des Metalles zu
oxydiren und alle ihm anhaftenden Staub- und Fetttheilchen zu verbrennen.
Dann leitete ich einen Strom von trockenem Wasserstoff durch das Rohr, um das
oxydirte Metall wieder zu reduciren. Hernach ließ ich mittelst des oben
beschriebenen Apparates
reine und trockene Kohlensäure in sehr langsamem Strome hindurchziehen.
Da mir auf diese Weise die vollständige Zersetzung der Kohlensäure nicht gelang, so
vermuthete ich, daß die vom Metalle der Einwirkung der Kohlensäure dargebotenen
Oberflächen ungenügend waren und wiederholte den Versuch, nachdem ich alle von den
Drehspänen hinterlassenen Hohlräume mit groben Eisenfeilspänen ausgefüllt hatte. Das
Ganze wurde nun wiederum bei Rothgluth der Einwirkung von atmosphärischer Luft, von
trockenem Wasserstoffgas, und zuletzt von trockenem und reinem Kohlensäuregas
unterworfen.
Bei diesen zwei Versuchen wurden nachstehende Resultate erhalten:
Eisendrehspäne allein.
I.
II.
III.
IV.
V.
Kohlensäure
36
28
32,5
30,9
35,3
Kohlenoxyd
48
59
67,0
66,0
62,0
nicht absorbirbarer Rückstand
2
1
0,5
0,1
0,2
–––––––––––––––––––––––
86
88
100,0
97,0
97,5
Gemenge von Eisendreh- und
Feilspänen.
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
Kohlensäure
35
38,5
29,5
31,6
35,0
34
42,9
Kohlenoxyd
88
70,0
78,0
77,0
64,9
99
74,0
nicht absorbirbarer Rückstand
verlorengegangen
0,5
0,5
0,4
0,1
verlorengegangen
0,1
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
123
109,0
108,0
109,0
100,0
133
117,0
Ohne an dem Apparate etwas zu ändern, ließ ich durch das Rohr nochmals, und zwar bei
einer der Weißgluth nahe kommenden Rothglühhitze, nach einander Luft, trockenes
Wasserstoffgas, und schließlich reine und trockene Kohlensäure passiren. Bei diesem
letzten Versuche erhielt ich folgende Resultate:
Gemenge von Eisendreh- und
Feilspänen.
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
Kohlensäure
20
48
43,0
36,7
20,9
45,0
26,8
42,0
Kohlenoxyd
101
85
82,5
89,0
95,0
94,9
83,0
82,9
nicht absorbirbares Gas
1
1
0,5
0,3
0,1
0,1
0,2
0,1
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
122
134
126,0
126,0
116,0
140,0
110,0
125,0
Aus diesen drei Versuchsreihen ergibt sich, daß ein selbst sehr langsamer Strom von
Kohlensäure, welcher bei einer der Weißrothgluth nahe kommenden Temperatur über das
Eisen passirt, nicht gänzlich in Kohlenoxyd umgewandelt wird. Von 100 Volumen
angewendeter Kohlensäure entgingen mindestens 30, in manchen Fällen nahezu 50 Volums der Zersetzung.
Es gelang mir nicht, das Verhältniß des nicht absorbirbaren Gases, wie dieß bei den
mit Kohle ausgeführten Versuchen der Fall war, auf eine unbestimmbare Menge zu
reduciren. Dasselbe blieb ziemlich constant gleich 1/1000 bis 1/1500 vom
Gesammtvolum des Gases. Ich behalte mir vor, später zu ermitteln, ob das nicht
absorbirbare Gas als Stickstoff oder als Wasserstoff (welche vom Eisen condensirt
und dann im Momente seiner Oxydation abgegeben worden waren), oder als Sauerstoff zu
betrachten ist, welcher vom Zerfallen (von der Dissociation) der Kohlensäure
herrührt.
Während also reine und trockene Kohlensäure durch die Kohle vollständig in Kohlenoxyd
umgewandelt wird, vermag das Eisen bei derselben Temperatur nicht die Gesammtmenge
der Kohlensäure zu Kohlenoxyd zu reduciren.
Die verschiedene Wirkung des Eisens und der Kohle erklärt sich ganz natürlich, wenn
man darin eine Wirkung der Verwandtschaft sieht. Sie erklärt sich auch, wenn man in
ihr eine Folge des Zerfallens der Verbindungen durch die Wärme erblickt. Indem
nämlich die Kohlensäure in Gegenwart von Kohle durch die Wärme in Kohlenoxyd und
Sauerstoff zerlegt wird, findet sie in der Kohle das zur Umwandlung des Sauerstoffes
in Kohlenoxyd nöthige Element. Was dagegen das Eisen anbetrifft, so hat das
gebildete Eisenoxyd das Bestreben, von Neuem Kohlensäure zu erzeugen, indem es auf
einen Theil des Kohlenoxydes einwirkt, wodurch wandelbare Gemische beider Gase
entstehen.
Aus meinen Versuchen ergibt sich, daß in wissenschaftlicher
Hinsicht folgende Sätze als erwiesen zu betrachten sind:
1) Wenn absolut trockene Kohlensäure über völlig wasserstofffreie Holzkohle strömt,
so verwandelt sie sich bei heller Rothgluth in Kohlenoxyd.
2) Ist die Kohle im Ueberschusse vorhanden, so verschwindet die Kohlensäure
vollständig und wird durch vollkommen reines Kohlenoxydgas ersetzt.
In technischer Hinsicht ergibt sich aus meinen
Versuchen:
3) Die Holzkohle hält, wenn sie auch noch so stark erhitzt wurde, stets Wasserstoff
oder Wasser zurück, welche ihr nur durch eine längere Behandlung mit Chlorgas bei
Rothglühhitze entzogen werden können.
4) Wird Holzkohle, welche nicht mit Chlor behandelt worden ist zur Umwandlung der
Kohlensäure in Kohlenoxyd verwendet, so liefert sie stets ein Gas welches Spuren von
Wasserstoff enthält.
5) Ein langsamer Strom trockener Kohlensäure wird durch hellrothglühendes Eisen
theilweise in Kohlenoxyd umgewandelt, wobei jedoch ein beträchtlicher Antheil
Kohlensäure unverändert zurückbleibt oder regenerirt wird.