Titel: | Einige praktische Bemerkungen über Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. XLV., S. 165 |
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XLV.
Einige praktische Bemerkungen über
Dampfmaschinen.
Aus den Neuesten Erfindungen, 1872, Nr.
18.
Praktische Bemerkungen über Dampfmaschinen.
Nicht müßig erscheint es, einmal die Frage aufzuwerfen: in welcher Beziehung steht die Umdrehungs- oder Kolbengeschwindigkeit und
der Dampfdruck zur ökonomischen Wirkung der Dampfmaschine?
Als Watt in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
seine erste Dampfmaschine baute, brachte er einen Dampfdruck von circa 7 Pfund auf den Quadratzoll englisch zur Wirkung;
dieser Dampfdruck wurde bei allen nach seinem System gebauten Maschinen auch in der
Folge beibehalten, und ist als Niederdruck zu bezeichnen, so daß man bei der
Bezeichnung Niederdruckmaschine an die Watt'sche
Dampfmaschine zu denken hat. Dieser niedere Dampfdruck war durch die damals
mangelhafte Kesselconstruction geboten und bedingte, um die nöthige Wirkung zu
erlangen, die gleichzeitige Benutzung der Condensation. Ferner wurde die
Kolbengeschwindigkeit von Watt zwischen den Grenzen von
34 Zoll englisch (für die kleinsten Maschinen) und 50 Zoll (für die größten
Maschinen) per Secunde normirt. Diese
Kolbengeschwindigkeiten wurden beibehalten, bis neuerdings zuerst in Amerika viel
schneller laufende Maschinen ausgeführt wurden. Die Allen-Dampfmaschine, welche bekanntlich auf der Pariser Ausstellung vom
Jahre 1867 großes Aufsehen erregte, arbeitet mit einer über doppelt so großen
Geschwindigkeit, wie bisher für Maschinen gleichen Kalibers angewendet wurde, indem
sie eine Kolbengeschwindigkeit von 80 Zoll per Secunde
entwickelt. In England hat man die Frage, wie schnell man Dampfmaschinen mit
praktischem Nutzen betreiben kann, gründlich erörtert. Schon früher hatte man, besonders bei den
Maschinen der großen Schraubendampfer, die von Watt
bestimmten Geschwindigkeitsgrenzen und selbst die Kolbengeschwindigkeit der Allen-Maschine bedeutend überschritten, indem man
in einigen dieser Maschinen die Kolben mit 11 bis 12 Fuß engl. Geschwindigkeit per Secunde arbeiten ließ. Die zum directen Betriebe von
Ventilatoren und Kreiselpumpen benutzten Maschinen, z.B. bei den Constructionen von
Gwynne, ließ man mit 16 bis 18 Fuß per Secunde laufen, und bei den Locomotiven arbeiten die
Kolben gleich schnell oder doch nicht viel langsamer. Abgesehen von besonderen
Fällen ist aber die so hohe Kolbengeschwindigkeit bei stationären Dampfmaschinen als
eine Neuerung zu betrachten, und im Allgemeinen hegt man von Seiten der
Maschinenbauer Bedenken dagegen, weil man dadurch den ruhigen Gang der Maschinen zu
benachtheiligen glaubt, indem man Stöße und Erschütterungen durch die schnell hin
und her schwingenden schweren Massen fürchtet. Diese Befürchtungen sind aber
ungerechtfertigt, sobald die Maschinen entsprechend den hohen Geschwindigkeiten
construirt werden. Unzweckmäßige Construction verursacht die Stöße, nicht aber die
hohe Geschwindigkeit.
Was den Dampfdruck betrifft, so ist derselbe nach Einführung der Hochdruckmaschinen
bei stationären Kesseln auf 3 bis 4 Atmosphären für gewöhnlich gesteigert worden,
jedoch hat man es auch schon mit viel höheren Dampfspannungen versucht. So hat z.B.
der österr. Ingenieur C. Kohn um's Jahr 1857 Versuche
angestellt, wobei Dampf von 50 Atmosphären Spannung und darüber zum
Maschinenbetriebe verwendet wurde; jedoch sind so hohe Spannungen unpraktisch und
bei einem Dampfdrucke über 4 bis 5 Atmosphären stellen sich, abgesehen von der
vergrößerten Gefahr der Kesselexplosion, bezüglich der Dichthaltung von Kessel und
Maschine, verschiedene Uebelstände ein.
Was nun die Wirkung großer Geschwindigkeit mit Bezug auf die Leistung der
Dampfmaschine betrifft, so weiß man, daß eine Maschine von gewisser Cylindergröße
die doppelte Leistung ergeben wird, wenn sie doppelt so schnell als eine andere
Maschine von denselben Dimensionen betrieben wird. Ferner weiß man mit Bezug auf
hohen Dampfdruck, daß die Spannung der Expansivkraft des Dampfes in viel stärkerem
Verhältniß wächst, wie die Temperatur. Diese beiden Thatsachen beweisen, daß die
Anlage- und Betriebskosten für eine Dampfmaschine durch große
Kolbengeschwindigkeit und starken Dampfdruck bedeutend vermindert werden können;
aber es sind auch noch andere Vortheile mit großer Kolbengeschwindigkeit und hohem
Dampfdrucke verbunden. Alle arbeitenden Theile können in Größe und Gewicht bedeutend
vermindert werden; die
Uebertragung der Maschinenkraft läßt sich leichter bewerkstelligen, indem man in
sehr vielen Fällen Riemen anstatt der Zahnräder verwenden kann, oder, wenn man
letztere verwendet, die Uebersetzung aus dem Schnellen in's Langsame anzuordnen hat,
wodurch man den Rückstoß und seine übeln Folgen (wenn das schneller getriebene Rad
voreilt) vermindert.
Hoher Druck macht es möglich, die Expansivkraft des Dampfes in viel höherem Grade
auszunutzen, indem man den Zufluß nach dem Cylinder früher absperrt (geringere
Füllung gibt), als man dieß mit niedrig gespanntem Dampfe thun kann, wobei man
gleichzeitig geringeren Rückdruck erlangt.
Eine Vergleichung der verschiedenen Systeme von Dampfmaschinen-Constructionen
früherer und gegenwärtiger Zeit mit Bezug auf Kolbengeschwindigkeit, Dampfdruck,
Füllungsgrad und regelmäßigen oder sanften Gang zeigt, daß die Kolbengeschwindigkeit
und der Dampfdruck allmählich gesteigert, der Füllungsgrad vermindert, oder, was
dasselbe besagt, der Expansionsgrad vermehrt worden ist, und zwar Beides mit
Rücksicht auf Herstellungs- und Unterhaltungskosten. Man erhält durch eine
solche Vergleichung etwa die folgende Classification:
1) Niederdruckmaschinen, welche mit niedriger oder mäßig hoher Dampfspannung (35 bis
40 Pfund per Quadratzoll) und geringer
Kolbengeschwindigkeit, sowie ohne oder fast ohne Expansion arbeiten; bei denselben
ist der Gang sanft, die Herstellungs- oder Unterhaltungskosten sind aber
hoch. Dieses System wird durch die alten Watt'schen
Balanciermaschinen repräsentirt.
2) Maschinen, welche mit mäßiger Geschwindigkeit, doch etwas schneller laufen,
während der Dampfdruck und Füllungsgrad wie vorher. Gang unregelmäßig;
Herstellungskosten verhältnißmäßig gering, Unterhaltungskosten aber hoch. Es ist
dieß der Typus der sogenannten billigen Maschinen.
3) Maschinen mit mäßig hoher Kolbengeschwindigkeit und ebenfalls mäßigem Dampfdruck,
sowie einem Füllungsgrade von 3/4 bis 1/2 des Kolbenschubes; dieselben arbeiten
ziemlich sanft und die Anlage- sowie Unterhaltungskosten sind verhältnißmäßig
niedrig. Sie sind mit horizontalem Cylinder construirt und jetzt sehr
gebräuchlich.
4) Maschinen, welche mit mäßiger Geschwindigkeit und mäßigem Dampfdrucke arbeiten,
wie vorher, bei denen aber der Füllungsgrad geringer oder die Expansion höher ist,
so daß man die Expansion häufig in einem besonderen Cylinder stattfinden läßt; die
Wirkung ist unregelmäßig. Die Anlagekosten sind hoch, ebenso sind die Betriebskosten
hoch im Vergleich mit
den unter 3 bezeichneten Maschinen. Diese Construction wird durch das Woolf'sche System mit neben einander liegenden
horizontalen (nicht in einer Ebene liegenden) Cylindern repräsentirt.
Die oben erwähnten Thatsachen und Maschinensysteme sind alle durch eine längere
Praxis geprüft und bestätigt worden. Schließlich fügen wir noch hinzu:
5) Maschinen, welche mit hoher Kolbengeschwindigkeit, hohem Dampfdrucke und geringem
Füllungsgrade arbeiten. Dieselben haben einen sanften Gang und die
Anschaffungs- wie Unterhaltungskosten stellen sich verhältnißmäßig niedrig.
Diese Erfahrungen hat man jedoch nur erst an wenigen, von den renommirtesten
Fabrikanten ausgeführten Maschinen gemacht, aber es soll in einem späteren Artikel
nachgewiesen werden, daß dieses Maschinensystem vor allen den Vorzug verdient,
gerade wie die schneller arbeitenden, jetzt modernen horizontalen Maschinen an die
Stelle der früheren schwerfälligen und langsam arbeitenden Balanciermaschinen
getreten sind, weil sie sich in ihren Anschaffungs- und Unterhaltungs-
oder Betriebskosten billiger stellten.