Titel: | Ueber ein neues Verfahren zur Bestimmung des freien Sauerstoffes im Wasser etc.; von Schützenberger und Gerardin. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXII., S. 209 |
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LXII.
Ueber ein neues Verfahren zur Bestimmung des
freien Sauerstoffes im Wasser etc.; von Schützenberger und Gerardin.
Aus den Comptes rendus, t. LXXV p. 879; October
1872.
Schützenberger und Gerardin, Verfahren zur Bestimmung des freien
Sauerstoffes.
Eine der interessantesten Eigenschaften des unterschwefligsauren Natrons
(dithionigsauren Natrons) ist die Raschheit mit welcher es den Sauerstoff absorbirt.
Man kann es daher mit Vortheil anwenden, um den Sauerstoff aus einem gasförmigen
Gemisch zu absorbiren. Es beschmutzt die Gascylinder nicht, wie das pyrogallussaure
Kali, und wirkt kräftiger. Die absorbirende Lösung erhält man leicht, indem man mit
einer Lösung zweifach-schwefligsauren Natrons von 20° Baumé ein
(beiläufig 100 Gramme Wasser fassendes) Fläschchen füllt, welches Zinkspäne enthält,
und bei
abgeschlossener Luft diese Substanzen 20 bis 25 Minuten auf einander wirken
läßt.
Das unterschwefligsaure Natron NaO, S²O² + aq unterscheidet sich von
dem zweifach-schwefligsauren Natron nur durch 2 Aequivalente oder 1 Atom
Sauerstoff. In Gegenwart freien Sauerstoffes absorbirt es diesen Körper
augenblicklich und verwandelt sich in zweifach-schwefligsaures Salz NaO,
S²O² + O² = NaO, S²O⁴. Andererseits gibt es
Farbstoffe, wie Coupier's lösliches Anilinblau, welche
durch das unterschwefligsaure Natron augenblicklich entfärbt werden, hingegen der
Einwirkung des zweifach-schwefligsauren Natrons widerstehen.
Wenn man hiernach einem bestimmten Volum Wasser (zum Beispiel 1 Liter), welches gut
von Luft gereinigt und mit löslichem Anilinblau schwach gefärbt ist, unter
Vermeidung des Luftzutrittes unterschwefligsaures Natron zusetzt, so bemerkt man,
daß einige Tropfen hinreichen, um die Entfärbung herbeizuführen. Ist hingegen das
Wasser lufthaltig, so erfolgt die Entfärbung erst nachdem man genug
unterschwefligsaures Salz zugefügt hat, um den aufgelösten Sauerstoff zu
absorbiren.
Das Volum des erforderlichen Reagens ist der Menge des im Wasser aufgelösten
Sauerstoffes proportional; um das Verfahren empfindlich zu machen, braucht man nur
eine hinreichend verdünnte Lösung von unterschwefligsaurem Natron anzuwenden, so daß
z.B. 10 Kubikcentimeter derselben 1 Kubikcentimeter Sauerstoff entsprechen. Wenn das
Reagens sich conserviren ließe, so brauchte man nur ein für allemal und direct das
Volum von Sauerstoff zu bestimmen, welches ein bekanntes Volum der Flüssigkeit
absorbiren kann; aber gerade wegen ihrer großen Veränderlichkeit an der Luft ist man
genöthigt die Flüssigkeit in dem Augenblick zu titriren, wo man sich derselben
bedienen will. Dieß kann leicht in folgender Weise geschehen. Nach den Beobachtungen
von Schützenberger und de
Lalande entfärbt das unterschwefligsaure Natron eine ammoniakalische Lösung
von schwefelsaurem Kupferoxyd, indem es das Kupferoxyd zu Oxydul reducirt; das
schwefligsaure und zweifachschwefligsaure Natron sind wirkungslos so lange noch
Ammoniak in Ueberschuß vorhanden ist.
Man bereitet daher eine stark ammoniakalische Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd,
welche soviel Kupfer enthält, daß 10 Kubikcentimeter dieser Flüssigkeit 1
Kubikcentimeter Sauerstoff entsprechen, welcher durch ihre Einwirkung auf das
unterschwefligsaure Natron absorbirt wird.
Man operirt folgendermaßen. Eine halbe Stunde vor Ausführung der Bestimmung füllt man
ein Fläschchen (welches 60 bis 100 Gramme Wasser faßt), worin sich eine mit einem
Zinkblech und einigen Stücken Zinkgranalien gebildete Spirale befindet, zu drei Vierteln
mit gewöhnlichem Wasser; man setzt 10 Kubikcentimeter einer Lösung
zweifachschwefligsauren Natrons von 20° Baumé zu, füllt mit Wasser
vollends auf, und verschließt nach mehrmaligem Umschütteln mit einem
Kautschukpfropf. Nach 20 bis 25 Minuten ist das Reagens fertig.
Einerseits gießt man in ein mit Fuß versehenes Probegläschen 20 Kubikcentimeter
ammoniakalischer schwefelsaurer Kupferlösung, welche man mit einer Oelschicht
bedeckt; andererseits bringt man in einen Becher mit weiter Oeffnung 1 Liter von dem
zu prüfenden Wasser, und bedeckt dasselbe ebenfalls mit einer Oelschicht, nachdem
man es mittelst einiger Tropfen Anilinblau-Lösung sehr hell blau gefärbt hat.
Man aspirirt das unterschwefligsaure Salz (Reagens) in eine Pipette von 50 bis 60
Kubikcentimetern, welche in Zehntel getheilt ist. Dann läßt man allmählich das
Reagens in das ammoniakalische schwefelsaure Kupfer, indem man mit einem Glasstab
gelinde umrührt, bis zur Entfärbung laufen; hernach läßt man mit derselben Pipette
das Reagens in das zu prüfende Wasser bis zur Entfärbung laufen. Das untere Ende der
Pipette muß man während dieser zwei Operationen natürlich unter der Oelschicht
erhalten.
Angenommen, man habe zum Entfärben der 20 Kubikcentimeter ammoniakalischen
schwefelsauren Kupfers 17,5 K. C. unterschwefligsaures Salz angewandt; wir wissen,
daß diese 20,5 K. C. 2 Kubikcentimeter Sauerstoff entsprechen. Wenn andererseits der
Liter Wasser 36,4 K. C. erfordert hat, so setzt man die Proportion an:
17,5 : 2 = 56,4 : x = (36,4 ×
2)/17,5 = 4,16 K. C.
Sauerstoff in 1 Liter Wasser aufgelöst. Es bleibt eine kleine
Correction hinsichtlich des zum Entfärben des angewandten Anilinblau's
erforderlichen unterschwefligsauren Salzes zu machen, welche jedoch sehr annähernd
ein für allemal festgestellt werden kann.
Diese Versuche lassen sich nach einiger Uebung sehr rasch und mit hinreichender
Genauigkeit an jedem Orte ausführen, wo man den Gehalt des Wassers an aufgelöstem
Sauerstoff zu ermitteln wünscht.