Titel: | Ueber die fabrikmäßige Entfuselung des Rohspiritus durch die Holzkohle; von Dr. W. Schultze. |
Autor: | W. Schultze |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXIII., S. 211 |
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LXIII.
Ueber die fabrikmäßige Entfuselung des
Rohspiritus durch die Holzkohle; von Dr. W.
Schultze.
Schultze, über die fabrikmäßige Entfuselung des Rohspiritus durch
die Holzkohle.
I. Die Darstellung der
Filtrirkohle.
Das Material zur Filtrirkohle liefern die Birken- und die
Föhrenmeilerkohlen.
Die Filtrirkohle muß folgende Eigenschaften besitzen:
1) sie darf keine unvollständig verkohlten Kohlen enthalten;
2) sie darf nicht mit von der Verkohlung im Meiler herrührenden empyreumatischen
Stoffen imprägnirt seyn;
3) sie muß sich in einem bestimmten Zustande der Zerkleinerung befinden.
Die käufliche Meilerkohle besitzt diese Eigenschaften in der Regel nicht, und kann
deßwegen nicht unmittelbar dem Zwecke der Spiritusentfuselung dienen. Daher die
Nothwendigkeit, der Holzkohle jene Eigenschaften durch Bearbeitung beizubringen.
Der erste Act dieser Bearbeitung besteht nun darin, daß man die Meilerkohle
vollständig verkohlt und vom Empyreuma befreit. In einem würfelförmigen, dem
Backofen ähnlichen Ofen, dessen Sohle aus Roststäben gebildet ist, wird die
Meilerkohle portionsweise in Brand gesteckt und eine Zeit lang unter häufigem
Umrühren mit einem langstieligen eisernen Haken brennen gelassen.
Wenn in der glühenden Kohlenmasse keine schwarzen, todten Kohlen mehr wahrzunehmen
sind, wenn aus ihr keine gelben, hellleuchtenden Flammen mehr entwickelt werden,
wenn auf ihrer Oberfläche nur noch die blaue Kohlenoxydgasflamme sich zeigt,
– dann ist die vollständige Verkohlung und die Verbrennung des Empyreuma's
erreicht. Die glühenden Kohlen werden nun rasch mittelst einer langstieligen
eisernen Schaufel aus dem Ofen herausgezogen, in blecheiserne, cylindrische, in
ihren Nähten luftdichte Kohlenlöscher geschüttet und zur Erkaltung in's Freie
gesetzt.
Diese nachträgliche Verkohlung wird, wie man sieht, bewerkstelligt durch Verbrennung
eines Theiles der Holzkohle. Der hierdurch entstehende Verlust an Holzkohle, dessen
Kenntniß zur Aufstellung der Fabricationscalculation erforderlich ist, ist durch
folgende Beobachtungsweise festgestellt worden.
Nummerdes Versuches
Scheinbare Volumina Holzkohle
Volumverlustin Procenten
vor der Verkohlung
nach der Verkohlung
1234567
30,0030,0035,0027,5035,0035,0035,00
17,0013,7517,5016,0018,5017,5018,00
43,3354,1750,0041,8247,1450,0048,57
Durchschnitt 47,86 Proc.
Daraus ergibt sich, daß 100 scheinbare Volumina Meilerkohle durchschnittlich und in
runder Zahl 52 scheinbare Vol. ausgeglühter Kohle liefern.
Nachdem die Holzkohle im Verkohlungsofen gehörig verkohlt und in den Löschcylindern
erkaltet ist, wird sie zur Erlangung der erforderlichen Zerkleinerung auf einer
Mühle gemahlen.
Diese Mühle besteht aus zwei über einander liegenden Walzenpaaren und einem langen
Siebe. Die höher liegenden Walzen sind gestachelt und haben die Aufgabe, alle großen
Kohlenstücke vorzubrechen. Sie geben vermittelst einer schiefen Ebene die
vorgebrochenen Kohlen an die eigentlichen Zerkleinerungswalzen ab. Diese letzteren
sind keilförmig cannelirt, und zwar so, daß die Cannelirung der einen Walze
parallel, die Cannelirung der anderen dagegen rechtwinkelig zur Walzenachse steht.
Das, was das cannelirte Walzenpaar fallen läßt, besteht aus Pulver und Korn. Dieses
Gemisch fällt auf ein langes, nach vorn geneigtes feinmaschiges Drahtsieb, welches
sich heftig schüttelt, und wird hier getrennt. Will man keine Trennung von Korn und
Pulver haben, so nagelt man einfach einige Bogen Pappe über das Sieb. Die Mühle wird
durch die Dampfmaschine bewegt.
In den Spiritusraffinerien ist es bisher üblich, nur das Kohlenkorn und nicht auch
das Kohlenpulver zur Filtration anzuwenden. Beim Kohlenmahlen bildet sich eine große
Menge Pulver, das also ein Verlust an Filtrirkohle ist und dadurch den Preis des zur
Benutzung kommenden Kohlenkornes bedeutend erhöht. Wie groß ist der Mahlverlust?
15 scheinbare Vol. geglühter Kohle geben nach dem Mahlen im einen Falle 11,83 scheinbare
Vol. und im anderen Falle 13 scheinbare Vol., mithin durchschnittlich 12,41 Vol.
Kohlenkorn. Sie hatten also eingebüßt 15 – 12,41 = 2,59 Vol.
Aber diese Einbuße ist nur eine scheinbare; in Wirklichkeit ist sie, wie folgende
Rechnung zeigen wird, viel größer.
Die 15 Vol. (à 17,4 Pfd.)
wogen vor dem Mahlen
261,0
Pfd.
Aus ihnen wurden an Kohlenkorn erhalten
191,1
„
–––––––––
Mithin verloren sie an Pulver
69,9
Pfd.
17,4 Pfd. repräsentiren 1 Vol. ungemahlener Kohle, mithin repräsentiren 69,9 Pfd. =
69,9/17,4 = 4,02 Volumina. Die Kohlen erlitten mithin einen wirklichen Verlust von
4,02 Vol. oder 26,8 Vol.-Proc.
Die Differenz zwischen dem wirklichen und dem scheinbaren Verluste zeigt an, daß die
Kohlen durch das Mahlen eine Vergrößerung des scheinbaren Volums erfahren haben: 1
Vol. wog vor dem Mahlen 17,4 Pfd., nach dem Mahlen nur noch 15,4 Pfd.
Die Kohle, deren Verlustverhältnisse eben besprochen sind, bestand aus derben,
festen, massiven Stücken, die den Stachelwalzen viel zu thun gaben; daher auch der
große Verlust. Ganz anders gestalten sich diese Verhältnisse, wenn weniger dichte,
kleinstückige Kohlen zur Vermahlung kommen, welche die Stachelwalzen so gut wie gar
nicht mehr beschäftigen.
449 Vol. solcher Kohle gaben nach dem Mahlen 380 Vol. Kohlenkorn; sie erfuhren also
eine scheinbare Einbuße von 69 Vol.
Die 449 Vol. (à 11,4 Pfd.)
wogen vor dem Mahlen
5118,6
Pfd.
und gaben an Kohlenkorn
4484,0
„
––––––––––––
Mithin verloren sie an Staub
634,6
Pfd.
634,6 Pfd. zeigen nun eine wirkliche Einbuße von nur 634,6/11,4 = 55,67 Vol. oder
12,39 Vol.-Proc. an.
Da in diesem Falle der wirkliche Verlust kleiner als der scheinbare ist, so haben die
Kohlen durch das Mahlen eine Verminderung des scheinbaren Volums erfahren: 1 Vol.
Kohlen wog vor dem Mahlen 11,4 Pfd., nach dem Mahlen aber 11,8 Pfd.
Der Mahlverlust beträgt im ersten Falle 26,8 Vol.-Proc. und im zweiten Falle
nur 12,39 Vol.-Proc. Man ersieht daraus, daß er außerordentlich große
Schwankungen machen kann. Die Ursache dieser Schwankungen liegt vorzugsweise in der
Größe welche die Kohlenstücke haben, wenn sie den Stachelwalzen preisgegeben werden:
je größer die Kohlenstücke, desto größer der Mahlverlust. Man hat deßhalb beim
Ankaufe der Meilerkohle stets darauf zu sehen, sie möglichst kleinstückig zu erhalten. Die
kleinstückige Kohle hat auch noch den Vortheil, daß sie weniger Verkohlungsverlust
gibt, als die großstückige; ja, sie kommt manchmal so vortrefflich verkohlt vor, daß
man der nachträglichen Verkohlung im Ofen völlig überhoben ist; diese gute
Eigenschaft findet sich vorzugsweise bei der Kohle welche aus den Aesten und Zweigen
dargestellt wird.
Berechnet man aus den obigen Verlustzahlen das Mittel, so erhält man 19,59 oder rund
20 Proc.
Aus 100 Vol. Meilerkohlen werden durchschnittlich 52 Vol. geglühter Kohlen erhalten.
Diese 52 Vol. verlieren weiter durch das Mahlen, à 20 Proc., 10,4 Vol. Es resultiren mithin aus 100 scheinbaren Vol.
Meilerkohlen 41,6 Vol. gesiebte Filtrirkohlen.
Um die gesiebte Filtrirkohle zu gewinnen, müssen demnach 58,4 Proc. des Rohmateriales
geopfert werden. Der Verkohlungsverlust ist meistens nicht zu umgehen; aber daß man
aus der gemahlenen Kohle auch noch das Kohlenpulver abscheidet, läßt sich gar nicht
rechtfertigen, ist geradezu zweckwidrig. Bei der Besprechung der Entfuselung wird
dieses bewiesen werden.
Ich ließ ausgeglühte Kohlen mahlen ohne Siebung, um den Verstäubungsverlust
festzustellen.
Versuch.
Auf die Mühle.
Von der Mühle.
Verlust.
Nr. 1.
2168 Pfd.
2146 Pfd.
22 Pfd.
Nr. 2.
2175 „
2150 „
25 „
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
4343 Pfd.
4296 Pfd.
47 Pfd.
Mithin Mahlverlust durch Verstäubung 1,08 Gewichtsproc., oder, da die Volumeinheit
der ungemahlenen Kohlen 11,4 Pfd. wog, eben so viel Volumproc. Beim Nichtsieben der
gemahlenen Kohlen erspart man also im Mittel 19,59 – 1,08 = 18,51 Proc. vom
Volumen der geglühten ungemahlenen Kohlen, oder 9,63 Proc. vom Vol. der
Meilerkohle.
Im ersten der hier besprochenen Mahlversuche gaben 261 Pfd. Kohlen 191,1 Pfd.
Kohlenkorn und 69,9 Pfd. Mahlverlust. Rechnet man von diesem Mahlverluste den
Verstäubungsverlust à 1,08 Proc. mit 2,8 Pfd. ab,
so hinterbleiben 67,1 Pfd. Kohlenpulver auf 191,1 Pfd. Kohlenkorn. Im zweiten Falle
kommen 634,6 – 55,3 = 579,3 Pfd. Pulver auf 4484 Pfd. Korn. Hätte die Siebung
nicht stattgefunden, so hätte die gemahlene Kohle bestanden:
im ersten Falle
im zweiten Falle
im Mittel
aus Kohlenkorn
74,0 Gew. Proc.
88,5
Proc.
81,25 Proc.
aus Kohlenpulver
26,0 „
„
11,5 „
18,75 „
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
100,0
100,0
100,00
Diese Procentzahlen geben uns eine Vorstellung von dem ungefähren Mengenverhältniß
zwischen Korn und Pulver in dem Gemisch, welches die gewöhnliche gestachelte und
cannelirte Kohlenmühle bei der größtmöglichen Annäherung der Walzen liefert. Diese
Vorstellung wird das Verständniß später zu besprechender Verhältnisse fördern.
––––––––––
Es ist Thatsache, daß die Holzkohle sowohl den Geruch, als auch den Geschmack des
Rohspiritus wesentlich verbessert, oder, wie man sagt, daß sie den Rohspiritus
entfuselt.
Es ist ferner Thatsache, daß frische Kohle unter allen Umständen – mag die
Kohle grobkörnig, feinkörnig oder pulverförmig angewandt, mag sie in den Spiritus
hineingerührt, oder dieser durch sie filtrirt, mag der Spiritus hoch- oder
schwachgrädig mit ihr in Berührung gebracht werden u.s.w. – diese Wirkung auf
den Rohspiritus ausübt.
Aber es ist endlich auch Thatsache, daß die Kohle nicht unter allen diesen Umständen
immer ein Product von gleich hoher Reinheit liefert, oder ihre volle Wirkung
ausübt.
Demnach muß es ganz bestimmte Umstände geben, unter welchen allein die volle Wirkung
der Kohle in die Erscheinung tritt, unter welchen sie am kräftigsten entfuselt. Nach
diesen Umständen suchte man, und was man dabei fand, soll nun mitgetheilt werden.
Bei allen folgenden Betrachtungen wolle der Leser stets die großen, aus 5–7
Meter hohen eisernen Filtrircylindern zusammengesetzten Filtrirbatterien der
Spiritusraffinerien vor Augen haben.
Ob Knochenkohle, oder Lindenkohle, oder Föhrenkohle u.s.w. kräftiger entfuseln, als
alle übrigen Kohlenarten: diese Frage geht uns hier nichts an. Im Fabrikbetriebe
bedient man sich zur Entfuselung der Föhren- und der Birkenkohle: hier soll
geprüft werden, was man zu thun habe, um dieser gegebenen Kohle im Fabrikbetriebe
den größten Nutzeffect abzugewinnen.
II. Die Entfuselung und die Größe der
Kohlenpartikelchen.
Die Wirkung der Holzkohle auf den Rohspiritus ist eine sogen. Flächenwirkung. Der
Betrag dieser Wirkung ist zunächst abhängig von der Größe der Kohlenoberfläche, der
Kohlenpartikelchen, welche mit dem Spiritus in Berührung gesetzt wird.
Daraus folgt, daß die Kohlenwirkung um so größer seyn müsse, je feiner die
Zertheilung der Kohle ist. In Pulverform angewandt, muß demnach die Kohle, unter
sonst gleichen Bedingungen, ihre größte entfuselnde Wirkung ausüben; andererseits muß diese
Wirkung um so kleiner ausfallen, je gröber und dicker die Kohlenpartikelchen zur
Anwendung kommen. Oder: 1 Pfd. pulverförmige Kohle entfuselt mehr Spiritus, als 1
Pfd. feinkörnige, und dieses wieder entfuselt mehr, als 1 Pfd. grobkörnige. Deßhalb:
je feiner die Filtrirkohle, desto billiger, – je gröber, desto theurer die
Entfuselung.
Darnach würde es am vortheilhaftesten, weil am billigsten seyn, sich zum
Spiritusraffiniren des Kohlenpulvers zu bedienen. Der Anwendung pulverförmiger Kohle
in den 5–7 Meter hohen Filtrircylindern stellen sich aber zwei
unüberwindliche Hindernisse in den Weg. Erstens: in jeder Spritfabrik verlangt man
und muß man verlangen, daß eine Filtrirbatterie mit einer so und so schweren
Kohlenladung 100, 200, 300..... Quart Filtrat per Stunde
liefere. Mit Kohlenpulver beladene Batterien erfüllen dieses Verlangen nicht, weil
das Pulver ein zu dichtes Filtrum bildet. Ihre quantitative Leistung ist von Anfang
an gering, nimmt sehr rasch ab, und erlischt endlich völlig; denn der
spiritusfeuchte Kohlenstaub sinkt mit der Zeit im Filter zu einer harten, dichten,
nicht mehr durchlassenden Masse zusammen. Zweitens: der in dieser undurchdringbaren
Masse enthaltene Spiritus läßt sich durch Abtreiben der Kohle im Filter selbst
mittelst Wasserdampfes nicht wieder gewinnen. – Aus diesen Gründen müssen wir
ein für allemal auf die Nutzbarmachung der ganzen Entfuselungsfähigkeit der Kohle
verzichten und, um ein unseren Zwecken entsprechendes, ausdauerndes durchlassendes
Vermögen zu erzielen, eine Auflockerung der pulverförmigen Kohle durch körnige
bewerkstelligen.
Offenbar wird das durchlassende Vermögen des säulenförmigen Filtrums um so größer
seyn, a) je mehr Kohlenkorn und je weniger Kohlenpulver
das Filtrum enthält, und b) je größer das Kohlenkorn ist
(Erbsen-, Haselnuß-, Wallnußgröße). Aber eben so klar ist auch, daß
jede Steigerung der Durchlaßfähigkeit, herbeigeführt durch Verminderung des
Pulvergehaltes und durch gröbere Körner, nothwendig eine geringere Nutzbarmachung
des entfuselnden Vermögens, und somit höhere Filtrationskosten zur Folge hat. Es kommt also darauf an, den Korn- und den Pulvergehalt
des Kohlenfiltrums, ferner die Größe des Kornes so zu regeln, daß gerade die der
Kohlenladung angemessene stündliche Leistung der Batterie erzielt wird, nicht
mehr und nicht weniger; denn Beides ist vom Uebel.
Dieses ist der Grundsatz, nach welchem bei der Auflockerung des Kohlenpulvers durch
körnige Kohle verfahren und der Grad der Zweckdienlichkeit einer gegebenen Filtrirkohle
beurtheilt werden muß. In der groben Fabrikpraxis ist man selten oder nie im Stande,
die Mischung aus Pulver und Korn so zu treffen, daß sie dem hier aufgestellten
Ideale gleiche, wie ein Ei dem anderen. Dort dürfen die Filtra unter keinen
Umständen ein zu geringes durchlassendes Vermögen zeigen (denn das lähmt den Gang
der ganzen Fabrik); im Gegentheil, sie müssen dasselbe immer im Ueberschuß besitzen,
und es kommt in der Praxis nur darauf an, sich in diesem Punkte nicht allzusehr von
dem Ideale zu entfernen, oder, was dasselbe sagt, stets mit dem kleinsten
Ueberschusse an durchlassendem Vermögen zu filtriren. Wer mit dem kleinsten
Ueberschusse filtrirt, filtrirt am rationellsten und billigsten.
Es ist nun außerordentlich leicht, sich in jedem gegebenen Falle rasch klar zu
machen, ob man die richtige Kohlenmischung getroffen hat, oder ob sich in ihr zu
viel Pulver oder zu viel Korn befinde. Man öffne den Rohspirituszuflußhahn des
Anfangsfilters und den oberen Filtratsabflußhahn des Endfilters der Batterie
vollkommen: liefert jetzt die Batterie das ihrer Kohlenladung angemessene Quantum
Filtrat per Stunde, z.B. 120 Quart, so besitzen die
Filtra die ideale, also zweckmäßigste Kohlenmischung; liefert sie weniger, so ist zu
viel Pulver, liefert sie mehr, so ist zu viel Korn in der Mischung vorhanden, und je
mehr man nun im letzteren Falle den Spirituszufluß mäßigen muß, um nicht statt 120
Quart 200, 300 u.s.w. Quart in der Stunde zu erhalten, desto mehr ist eine
Entlockerung, eine Verdichtung, eine größere Zerkleinerung der Filtrirkohle
angezeigt. Bei einer solchen Prüfung werden wohl sehr viele Raffineure finden, daß
sie eine viel zu grobe Filtrirkohle im Gebrauche haben.
Reines Kohlenpulver kann, wie gesagt, in hohen Filtercylindern leider nicht als
Filtrum angewandt werden. Ebenso erwies sich eine Mischung aus 1/2 Pulver und 1/2
Korn (das Korn in allen möglichen Ausdehnungen bis aufwärts zur Erbsengröße) als
unbrauchbar. Das durchlassende Vermögen trat erst dann in genügendem Maaße auf, als
der Pulvergehalt des Filtrums 30 Proc. nicht überstieg; das Korn hatte in diesem
Falle alle möglichen Ausdehnungen bis aufwärts zur zweifachen Erbsengröße. Aus den
Beobachtungen welche gemacht wurden, läßt sich folgender Erahrungssatz ziehen: um
das Kohlenpulver für die Filtrirbatterien nutzbar zu machen, muß es mit mindestens
mit 70 Proc. feinkörniger (bis zur zweifachen Erbsengröße aufwärts) Kohle
aufgelockert werden.
Die gewöhnliche cannelirte Kohlenmühle lieferte auch bei der größten Annäherung der
Walzen nie eine Mischung mit über 30 Proc. Pulver. Als man eine pulverreichere Kohle
darstellen wollte, mußte man erst die cannelirten Walzen durch glatte ersetzen. Zu
mahlende Kohlen, deren
größte Stücke Eigröße besaßen, lieferten bis zu 15 Proc. Pulver, noch gröbere Kohlen
gaben im höchsten Falle bis zu 26 Proc. Daß man auf der gewöhnlichen Kohlenmühle
eine zu pulverreiche Mischung erhalten könnte, ist also nicht zu befürchten.
Es gibt Spritfabriken, die ihre Filtrirkohle gesiebt und in einer Körnung welche
zwischen doppelter Erbsen- und Wallnußgröße liegt, anwenden. Daß diese
Siebung und Körnung durchaus zweckwidrig sey, geht aus Vorstehendem zur Genüge
hervor.
Bei der Verwendung staubhaltiger, feinkörniger Filtrirkohle ist es nothwendig, den
Siebboden im Filtrircylinder mit dicht gewebter kräftiger Leinwand doppelt zu
überziehen und dann auf ihm zunächst eine 1 1/2 Fuß hohe Schicht von Hasel-
bis wallnußgroßer, staubfreier Kohle festgedrückt aufzupacken, damit das Filtrat
nicht von Kohlenpulver getrübt zum Vorschein komme; ebenso ist es erforderlich, beim
Abtreiben des absorbirten Spiritus aus der wirkungslos gewordenen Kohlensäule
mittelst directen Wasserdampfes nicht zu stürmisch zu verfahren, denn sonst reißt
der Dampfstrom viele kleine Kohlenpartikelchen mit in den Kühler und verstopft
ihn.
Stahlschmidt (Gährungschemie, S. 359) gibt an, daß man in
der Praxis zur Entfuselung von 1000 Quart Spiritus 100 Pfd. Kohlen rechne. Er
bemerkt aber nicht, in welchem Zerkleinerungszustande diese Kohle angewandt wird;
vermuthlich grobkörnig und pulverfrei.
Aus dem mir vorliegenden, mit großer Sorgfalt bearbeiteten statistischen Material
einer Fabrik, in welcher nahezu 1 1/2 Millionen Quart Spiritus jährlich zur
Filtration gelangten, berechnet sich, daß durchschnittlich mit 100 Pfd. Kohle 1292
Quart Spiritus (à 80 Proc. berechnet) entfuselt
wurden. Die Kohle war pulverfrei, die Größe des Kornes aufwärts bis zur
Haselnußgröße. Das Filtrat war reinschmeckend und lieferte, nach sorgfältiger
Destillation, einen tadellosen Sprit, welcher, mit dem nichtparfümirten Berliner
verglichen, diesem völlig glich.
Eine andere Fabrik, welche Kohlenpulver, aufgelockert durch etwa 80 Proc. sehr
feinkörnige Kohle, anwandte, filtrirte durchschnittlich mit 100 Pfd. Kohle 1668
Quart Spiritus (à 80 Proc. berechnet). Das
Filtrat war merklich reiner im Geschmack und Geruch, als das obige; an dem daraus
dargestellten Sprit ließ sich jedoch durch Geruch und Geschmack keine höhere
Feinheit mehr erkennen.
In Schweden nehmen alle Gesellschaftsclassen an dem Branntweingenuß Theil. Die
Betheiligung der gebildeten, wohlhabenden, hinsichtlich Speise und Trank verwöhnten
Personen ist die Ursache, weßwegen in diesem Lande, und namentlich in seiner
Residenzstadt, die Reinigung des Branntweins von den Destillateuren mit einer
außerordentlichen Sorgfalt betrieben wird. Der schwedische Trinkbranntein besitzt
deßhalb eine ungewöhnliche Reinheit im Geruch und Geschmack; nirgends in
Norddeutschland habe ich einen ähnlichen gekostet. – Das Reinigungsgeheimniß
der Schweden besteht nun darin, daß sie sich des Kohlenpulvers (untermischt mit
einer Kleinigkeit feiner Körner, welche beim Mahlen der völligen Zerquetschung
entgangen sind) als Filtrum bedienen, den Rohspiritus nicht mit 60 Proc., sondern
mit 47 bis 50 Proc. auf das Filter bringen und der Filtration Zeit gönnen. Sie
wenden nicht unsere hohen Filtercylinder, sondern aufrecht stehende, niedrige Fässer
(meistens Arrack-Legel) an, in welchen das Kohlenpulver eine 30–38
Zoll hohe Säule bildet. Mit einem solchen, etwa 300 Pfd. Kohle enthaltenden Filter
sah ich in 24 Stunden durchschnittlich 68 1/2 Quart à 47–50 Proc. filtriren. Unter diesen Umständen reinigt ein
Destillateur, wenn er hochfeine Waare erhalten will, mit 100 Pfd. Kohle mindestens
3000 Quart Spiritus (à 80 Proc. berechnet), also
dreimal soviel, als Stahlschmidt angibt. Ich wiederhole,
daß das Filtrat von vorzüglicher Güte ist.
Ein schwedischer Schriftsteller über Liqueurbereitung etc. gibt in seinem Buche an,
daß 100 schwedische Kannen Rohbranntwein à 50
Proc. 4 1/2 schwed. Pfd. Kohlenpulver zur Entfuselung bedürfen. Darnach berechnet
sich in deutschem Maaße und Gewichte ein Nutzeffect von: pro 100 Pfd. Kohle 3713 Quart Spiritus à 80 Proc.
Vergleicht man nun die obigen der Fabrikpraxis entnommenen Nutzeffecte mit dem
Zerkleinerungszustande der Filtrirkohle, so gibt sich deutlich zu erkennen, daß der
größere Nutzeffect der feineren Kohle angehört. – Ich bin mir hier sehr wohl
bewußt, daß dieser Vergleich kein wissenschaftlich exacter, sondern ein roher ist,
weil alle anderen, auf das Entfuselungsvermögen der Kohle Einfluß habenden Umstände,
wie Dauer der Berührung zwischen Kohle und Spiritus, Reinheit und Stärke des
Spiritus, das Verhältniß des Substanzvolums zum wahren Holzkohlenvolum u.s.w., hier
gar nicht mitberücksichtigt sind. Der die Größe des Nutzeffectes am stärksten
beeinflussende Factor ist und bleibt jedoch die Zerkleinerung der Kohle; die anderen
Einflüsse weichen auch in den verschiedenen Fabriken wenig von einander ab: deßwegen
ist der Vergleich zulässig, der, wie gesagt, ein roher ist und hier zu keinem
anderen Zwecke angestellt wurde, als um allgemein zu zeigen, was von der
Kohlenwirkung gewonnen und was von ihr verloren werden kann.
Nimmt man den Nutzeffect: pro 100 Pfd. Kohle 3000 Quart
Spiritus, als den höchsten welcher in der Praxis überhaupt zu erzielen möglich ist, als Einheit an, so
berechnet sich, daß., wer mit 100 Pfd. Kohle
a)
1000
Ort.
entfuselt, in runder Zahl
67
Proc.
b)
1292
„
„ „
„ „
57
„
c)
1668
„
„ „
„ „
45
„
vom praktisch möglichen Nutzeffecte verliert.
Als ungefähres Minimum des Verlustes am praktisch möglichen Nutzeffecte der Kohle in
den hohen Cylindern kann man 45 Proc. ansehen. Wer daher mit einem größeren Verluste
arbeitet, dem bliebe noch etwas in seiner Kohlenwirthschaft zu verbessern übrig.
Da dieser Verlust von 45 Proc. offenbar seine Ursache allein in der gebräuchlichen
Höhe unserer Filter hat, so wäre es vielleicht angezeigt, künftighin die Batterien
aus weniger hohen und dafür aus mehr Filtern zusammenzusetzen.
III. Die Entfuselung und die Luft in den
Kohlenporen und im Filter.
Die Holzkohle ist ein eminent poröser Körper.
Von der Größe einer Zelle ausgehend, hat man berechnet, daß die Gesammtoberfläche der
in einem Kubikzoll Holzkohle vorhandenen Poren an 20 Quadratfuß betrage. Eine
3filterige Batterie mit 600 Kubikfuß Kohlenraum faßt etwa 333 Kubikfuß Filtrirkohle
(wahres Volum). Demnach berechnet sich die entfuselnde Kohlenfläche dieser Batterie
zu 11·508·480 Quadratfuß.
Die Querschnittsform der Holzzellen ist kreisförmig, quadratisch oder sechseckig. Der
Durchmesser der Holzzellen von Nadelhölzern ist durchschnittlich etwa 0,03
Millimeter (Wiesner).
Versuchten wir nun, aus jenen 11·508·480 Quadratfuß ein cylindrisches
Haarröhrchen von 0,03 Millimet. Durchmesser herzustellen, so würde dasselbe
38·283·352·546 Fuß oder 1·740·152 deutsche
Meilen, oder etwa 3mal so groß als der Sonneumfang (580000 Meilen) lang werden.
Dieses riesige Haarröhrchen nun in unzählige, mikroskopisch kleine Theilchen
zerstückelt, alle diese Theilchen auf den Raum von 333 Kubikfuß zusammengepfercht,
– das ist ungefähr die Porosität unserer Batterie mit 600 Kubikfuß
Kohlenladung.
Der Inhalt dieses Riesen-Haarröhrchens beträgt 274,363 Kubikfuß. Da das wahre
Kohlenvolum 333 Kf. beträgt, so sind in einem Kubikfuß Kohlen (wahres Volum)
274,363/333 = 0,824 Kf. Poren enthalten, oder was dasselbe sagt, 1 Kf. Holzkohle
würde hiernach 0,824 Kf. Spiritus aufsaugen können. In einer später zu beschreibenden
Versuchsreihe werden wir sehen, daß 1 Kf. Holzkohle nicht 0,824 Kf., sondern noch
etwas mehr, nämlich 0,9166 Kf. Spiritus aufnahm. Unsere obigen Rechnungsgrundlagen
zeigen also eine erfreuliche Richtigkeit.
Diese Anschauung macht es uns begreiflich, wie es möglich ist, daß die Holzkohle so
riesige Mengen von Wasserdampf, Luft, Spiritus etc. absorbirt.
Wenn frisch ausgeglühte, also wasserfreie Holzkohle mehrere Monate an der Luft
gelegen hat, so zeigt sie durchschnittlich 10 Proc. Wassergehalt. Dieses Wasser
stammt natürlich aus der Luft, in welcher es als Dampf von der Lufttemperatur
enthalten war. Berechnet man aus jenem Wassergehalte, wie viel Volumina Dampf
absorbirt werden mußten, um 10 Proc. Wasser zu geben, so ergibt sich, daß 1 Vol.
wasserfreie Kohle an 3113 Vol. Wasserdampf (von 10° C.) aus der Luft
absorbirte.
Die Größe des Absorptionsvermögens der Kohle für die Atmosphärilien überhaupt zeigt
sich auch sehr hübsch in der Thatsache, daß die frisch ausgeglühte Kohle sich beim
feinen Zerreiben sehr häufig entzündet. Bekanntlich muß Kohle mindestens bis zur
Rothglühhitze erwärmt werden, ehe sie sich entzündet. In diesem Falle also ist die
absorbirte Gasmenge so außerordentlich groß, daß die durch die Verdichtung derselben
freiwerdende Wärmemenge hinreicht, um die Kohle bis mindestens zur Rothgluth zu
erhitzen und damit die Oxydation oder Verbrennung in Gang zu bringen.
Ein cylindrisches Filter besaß einen Kohlenraum von 186,33 Kubikfuß. Nachdem derselbe
mit Filtrirkohle vollkommen angefüllt worden war, ließ man Spiritus von
durchschnittlich 50 Proc. Stärke hineinfließen und zwar so lange, bis das Niveau des
letzteren nicht mehr sank, das Zeichen der Sättigung der Kohle. Im Durchschnitt von
fünf Versuchen wurden zu diesem Zwecke 177,94 Kf. Spiritus verbraucht.
Es befanden sich also in einem und demselben, 186,33 Kf. großen Raum: 186,33 Kf.
(scheinbares Volum) Kohle und 177,94 Kf. Spiritus.
Hieraus berechnet sich zunächst, daß das Volum der Substanz der Holzkohle 186,33 – 177,94 = 8,39 Kf. betrug.
Sodann: der in das Filter gefüllte Spiritus erfüllt theils die Poren der
Holzkohlensubstanz, theils die Räume zwischen den einzelnen Holzkohlenpartikelchen.
Durch die Absorption des Spiritus erfährt das Volum der Holzkohle keine Veränderung.
Daher ist offenbar das wahre Volum der abgemessenen 186,33 Kf. Kohle = dem
Filterinhalt minus Volum des nichtabsorbirten Spiritus.
Es wurde nun der untere Abflußhahn des Filters geöffnet, der nichtabsorbirte, die
Räume zwischen den Kohlenpartikelchen ausfüllende Spiritus rein ablaufen gelassen und gemessen.
Durchschnittlich wurden 86,51 Kf. Spiritus zurückerhalten. Folglich war das wahre
Holzkohlenvolum = 186,33 – 86,51 = 99,82 Kf.
Da das wahre Holzkohlenvolum sich nun zusammensetzt aus dem Volum der Kohlensubstanz
+ Volum der in dieser enthaltenen Poren, so berechnet sich, daß diese 99,82 Kf.
Holzkohlen bestanden aus 8,39 Kf. Substanz und aus (99,82 – 8,39) 91,43 Kf.
Poren.
So zeigt sich uns hier die immense Porosität der Holzkohle in recht anschaulicher
Weise: durch sie sind 8,39 Kf. porenloser Holzkohlensubstanz zu 99,82 Kf. poröser
Kohle, oder um etwa das 12fache ihres Volumes aufgeblasen.
Das Porenlabyrinth der Holzkohle ist, wie gesagt, erfüllt von verdichteten
Atmosphärilien, von Luft und Wasser. Diese absorbirten Körper stehen hier unter dem
mächtig fesselnden, bindenden Einflusse der Capillarität. Es ist daher schon
vorauszusehen, daß wir beim Sättigen der Filtrirkohle mit Spiritus auf einen
energischen Widerstand der Porenluft stoßen werden.
Wenn man ein Gemenge von großen und kleinen Kohlenpartikelchen in einem Glaskölbchen
mit Spiritus übergießt, so steigt die ganze Kohlenmenge an die Oberfläche des
Spiritus und schwimmt auf ihr. Erst nach häufigem Umschütteln und nach wochenlangem
Stehen senken sich alle Partikelchen, die kleinen zuerst, dann die großen, nieder
auf den Boden des Glaskölbchens. So langer Zeit bedurfte der Spiritus, um die Luft
aus den Kohlenporen völlig zu verdrängen, trotzdem die im Kölbchen obwaltenden
Verhältnisse der Luftverdrängung so außerordentlich günstig sind: im Kölbchen sind
die Kohlenpartikelchen beweglich, sie können geschüttelt werden; sie sind umgeben
von einem Spiritusvolum, welches das Mehrfache des Kohlenvolums ausmacht; die Luft,
welche nicht in, sondern zwischen den einzelnen Partikelchen sich befindet,
entweicht sofort völlig beim Uebergießen.
Diese Gunst der Verhältnisse existirt in den Filtrirbatterien nicht; hier sind die
Kohlenpartikelchen zu einer dichten, festen, unbeweglichen, 5–7 Meter hohen
Säule aufgethürmt. Beim Anfüllen eines frischen Filters haben wir deßwegen mit dem
Widerstande nicht allein der in den Kohlenpartikelchen, sondern auch der zwischen
denselben befindlichen Luft zu kämpfen: und daher ist die Filterfüllung, soll sie
nicht über's Knie gebrochen werden, eine so sehr zeitraubende, lästige Arbeit.
Die Füllung der Kohlenfilter mit Spiritus geschieht entweder von oben, oder von
unten. Geschieht sie von oben, so müssen Spiritus und Luft entgegengesetzte Wege
gehen. Die Folge davon ist, daß die Luft das Hinabsinken des Spiritus, und umgekehrt, der Spiritus
das Aufwärtssteigen der Luft erschwert resp. verhindert. Interessant ist es, den
Kampf dieser beiden Körper durch das geöffnete Mannloch zu beobachten: wie aus einer
dickschleimigen, gährenden Flüssigkeit die Kohlensäure, so arbeitet sich die Luft
aus der spiritusumhüllten Kohlenmasse in Blasen mühsam an die Oberfläche empor;
denn, nachdem der Spirituszufluß schon einige Zeit gewährt hat, reißt die Luft in
der Regel den oberen Theil der Kohlensäule von dem unteren los, hebt ihn in die Höhe
und will ihn zum Mannloche hinausdrängen; das Filter ist voll geworden, aber nur
scheinbar. Jetzt wird der Spirituszufluß sofort unterbrochen: der Spiritus und die
losgerissene Kohle senken sich allmählich wieder nieder. Der Zufluß beginnt auf's
Neue. Dieses scheinbare Vollseyn des Filters, dieses Heben und Sinken der oberen
Kohlenschicht wiederholt sich im Laufe des Anfüllens vielmal, und in der Regel
erreicht man erst nach 36–72 Stunden ein anscheinend constantes
Spiritusniveau im Halse des Filters. – Füllt man gleich von Anfang an mit
vollkommen geöffnetem Zuflußhahn, so kommt häufig eine sehr interessante Erscheinung
zu Stande. Schon nach Verlauf von etwa einer halben Stunde tritt ein constantes
Niveau ein, das Zeichen der vollendeten Füllung. Und doch weiß man aus Erfahrung,
daß das Filter nach einer halben Stunde noch nicht voll seyn kann. Die Erklärung der
Erscheinung ist nicht schwer: der in großer Menge zufließende Spiritus verbreitet
sich rasch im oberen Theile des Filters nach allen Richtungen des Querschnittes;
hierdurch entsteht eine cylindrische Säule von Spiritus, welche das Aufsteigen der
im unteren Theile des Filters befindlichen Luft völlig verhindert. Diese Säule senkt
sich allmählich nieder, die Luft vor sich hindrängend und immer mehr und mehr
zusammendrückend. Endlich ist die Spannkraft der Luft so gewachsen, daß sie das
Spiritusgewicht zu tragen vermag, – jetzt hört das Sinken des Spiritus auf,
das Filter füllt sich, das Niveau wird constant. In diesem Falle schwimmt der
Spiritus auf einer Luftblase; er schwimmt auf der Luft wie Oel auf dem Wasser. Wird
dann der am Uebersteigrohr befindliche Probirhahn geöffnet, so strömt die
comprimirte Luft mit Hellem Pfiff aus, und der Spiritus sinkt. – Eine ganz
ähnliche Erscheinung haben wir in der Savalle'schen
Siebbodencolonne.
Die eben beschriebenen, unangenehmen Erscheinungen beim Füllen der Kohlenfilter von
oben, rühren von der zwischen den Kohlenpartikelchen und in denselben befindlichen
Luft her. Die Füllung geschah von oben bei geöffnetem Mannloche – und doch so
viel Schwierigkeiten. Wievielmal größer werden sie seyn, wenn, wie das so vielfältig
üblich ist, die Füllung
von oben bei geschlossenem Mannloch ausgeführt wird, die Luft also nur durch den
Filterständer, aus welchem sich der Spiritus ergießt, in das zum Speisebassin
führende, einzöllige Luftrohr entweichen kann.
Nur durch die Füllung der Filter von unten kann die umgebende Luft leicht verdrängt
werden. Es sind deßhalb die Filter immer so einzurichten, daß die Zu- und
Ueberströmung von unten stattfindet.
Ob nun von oben, oder von unten gefüllt wurde, – in beiden Fällen treten im
Laufe der Benutzung des Filters gewisse Erscheinungen ein, welche unsere
Aufmerksamkeit verdienen.
Der filtrirte Spiritus zeigt bei seinem Auftreten im Verschlusse der Batterie in der
Regel ein starkes Perlen, eine Entwickelung von zahllosen feinen Luftbläschen. Woher
diese Luft?
Eine Batterie ist im besten Filtriren, Fließen begriffen. Auf einmal fängt der
Ausfluß an, kleiner und kleiner zu werden; endlich hört er ganz auf. Es hat sich
nämlich in der Regel im Halse des Filters eine Luftblase von solcher Spannung
gebildet, daß sie die Zu- oder Ueberströmung stocken macht Woher diese
Luftblase?
Eine Batterie filtrirt sehr hübsch, ruhig und glatt. Daß sie so filtrirt, zeigt an,
daß sich nirgends in ihr ein Winkel oder Plätzchen befindet, welches nicht von
Spiritus oder Kohle erfüllt wäre, daß jedes Filter bis unter dem Mannlochdeckel voll
Spiritus ist. Wenn ich also am Abend die Filtration durch Schließen der Zuströmung
unterbreche, um sie am Morgen wieder fortzusetzen, so muß nothwendig am folgenden
Morgen die Ausströmung in demselben Augenblicke beginnen, in welchem die Zuströmung
geöffnet wird. Es ereignet sich nun aber manchmal, daß dieses nicht geschieht. Erst
nachdem die Zuströmung schon vielleicht 10–15 Minuten im Gange ist, findet
Ueber- und Ausströmung statt. Oeffnet man, nach der Ursache suchend, die
Mannlöcher der Filter, so findet man, daß das Spiritusniveau im einen oder anderen
Filter über Nacht um 50, 60 ja 100 Centimeter gesunken ist; der freigewordene Raum
ist von Luft erfüllt: offenbar haben hier Spiritus und Luft ihre Plätze
ausgewechselt. Woher diese Luft?
Diese Erscheinungen kommen am stärksten und häufigsten in der ersten Hälfte der
Wirkungsdauer der Filter vor; später treten sie schwächer und seltener auf.
Es ist die Porenluft, welche alle diese Erscheinungen hervorbringt, und was uns schon
der Versuch im Glaskölbchen zeigte, daß nämlich die völlige Sättigung der Kohle mit
Spiritus sehr langsam zu bewerkstelligen sey, das zeigt sich hier im Filter recht
deutlich wieder, nur mit dem Unterschiede, daß für die Verdrängung der Luft aus den
centralen Poren der
Kohlenpartikelchen so außerordentlich langsam vor sich geht, daß, ehe völlige
Sättigung erreicht, die Qualität des Filtrates bereits so herabgekommen ist, daß das
Filter außer Betrieb gesetzt und die Kohle wiederbelebt werden muß.
Nicht genug also, daß die Luft unsere Handtirungen mit den Filtern erschwert und
verlängert, – sie verkleinert auch den Nutzeffect der Kohle. Denn es ist
klar, daß jede Kohlenpore, welche nicht von Spiritus, sondern von Luft erfüllt wird,
von der Theilnahme an der Entfuselung ausgeschlossen ist.
Wir wollen uns diese Schmälerung des Nutzeffectes durch Rechnung klar machen.
Gesetzt, der in einem Filter mit 186,33 Kubikfuß Kohlenladung befindliche gesammte
Porenraum habe sich bis auf einen einzigen Kubikfuß mit Spiritus gefüllt; wieviel
Quart Spiritus weniger wird deßwegen das Filter entfuseln?
1 Kubifuß Poren setzt, wie wir früher sahen, 99,82/91,43 = 1,09 Kf. (wahres Volum)
Kohle, oder 1 . 186,33/99,82 = 2,034 Kf. (scheinbares Volum), oder, da ein solcher
Kubikfuß 11,13 Pfd. wog, 22,64 Pfd. Kohle voraus. Diese sind in Unthätigkeit
geblieben.
Da 100 Pfd. Kohle 1292 Quart Spiritus entfuselten, so entfuseln 22,64 Pfd. 292,50
Quart.
Durch Nichtausfüllung eines einzigen Kubikfußes Poren mit Spiritus wird also die
Leistungsfähigkeit dieses Filters sofort um 292,50 Quart vermindert. Braucht eine
Spritfabrik jährlich 70 Filter, so beträgt der gesammte Ausfall 20475 Quart. Um
diese zu entfuseln, müßten weitere 20475/1292 = 1582 Pfd. Kohle verbraucht
werden.
Bei der bisher üblichen Filterbehandlung ist es unmöglich, die Luft aus dem Filter,
aus den Poren völlig zu verdrängen.
Es gibt aber ein außerordentlich einfaches und billiges Mittel, die Luft gleich von
vornherein auf einmal völlig aus dem Filter zu verjagen und damit alle ihre übeln
Wirkungen zu beseitigen: es ist die Verdrängung der Luft durch Wasserdampf.
Nachdem das Filter mit frischer Kohle beschickt worden, wird das Mannloch fest
zugeschroben und derjenige Hahn am Ständer, welcher das Filterinnere mit dem Kühler
communiciren macht, geöffnet; damit ist der Filterluft der Weg durch den Kühler
vorgeschrieben.
Nun läßt man Dampf von unten in das Filter strömen; dazu benutzt man die Dampfleitung welche zum
Abdestilliren der wirkungslos gewordenen Kohle angewendet wird. – Der Dampf
treibt alle Luft aus der Kohle und dem Filter heraus, sie entweicht aus dem
Luftrohre des Kühlerverschlusses mit großem Geräusch und, was interessant ist und
nicht unerwähnt bleiben darf, riecht sehr unangenehm. – Endlich hört das
Geräusch auf, das Filter und Kühler verbindende Rohr wird warm: der Wasserdampf ist
oben im Filter angekommen und tritt nun in den Kühler, welchem man sofort Kühlwasser
gibt. – Um sicher alle Luft aus dem Filter zu verdrängen, läßt man stets eine
halbe Stunde lang Wasserdampf destilliren; dann schließt man den Dampfhahn und
gleichzeitig den zum Kühler führenden Hahn: im Filter befindet sich somit eine vor
der Berührung mit der äußeren Luft geschützte Wasserdampfatmosphäre. Jetzt wird die
Spirituszuströmung voll geöffnet: der eintretende kalte Spiritus verdichtet den
Wasserdampf, im Filter entsteht ein Vacuum, und die auf der Oberfläche des Spiritus
im Speisebassin lastende atmosphärische Luft drückt mit ihrer ganzen Wucht den
Spiritus in das Filter, die Poren und Zwischenräume füllend. Nachdem man dem Filter
noch 24 Stunden zur Entfuselung gegönnt hatte, begann das Filtriren. Filter, welche
170–180 Kubikfuß Spiritus zur Füllung bedurften, waren regelmäßig in 1 1/2
Stunden gefüllt und zeigten später keine Niveauschwankungen mehr. – Der
verdichtete Wasserdampf mischt sich dem Spiritus natürlich bei, dadurch die Stärke
des ersten Filtrates um mehrere Procente schwächend. Ein Filter war auf obige Weise
gefüllt worden: der zuströmende Spiritus war 47–48procentig, der ausströmende
im Anfang 38,2procentig und nach Verlauf von 13 Stunden wieder 47 Proc. stark. Die
Filtrirgeschwindigkeit der Batterie betrug 120 Quart pro
Stunde.
IV. Die Entfuselung und die Porosität
der Kohle.
Holzkohle, welche mehrere Monate an der Luft gelegen hat, besteht durchschnittlich
aus 87 Proc. Kohlenstoff, 3 Proc. Asche und 10 Proc. Wasser. Das Wasser ist durch
Absorption des atmosphärischen Wasserdampfes hinzugekommen: es gehört füglich nicht
mit zur Substanz der Holzkohle. Die eigentliche Kohlensubstanz besteht demnach aus
Kohlenstoff und Asche, und zwar aus 96,66 Proc. der ersteren und 3,34 Proc. der
letzteren.
Der Fusel wird theils durch Holzkohle, theils durch Destillation aus dem Rohspiritus
entfernt. Derjenige Theil desselben, welcher durch Holzkohle abgeschieden wird,
werde Kohlenfusel, der andere dagegen werde Destillationsfusel genannt.
Auf welche Kraft, auf welche Ursache können wir die Abscheidung des Kohlenfusels aus
dem Spiritus durch die Holzkohle zurückführen?
Da weder die Kohlensubstanz, noch der Kohlenfusel (z.B. das Aldehyd) eine chemische
Veränderung während der Entfuselung erfahren, so kann die Affinität die entfuselnde
Kraft nicht seyn. Es muß hier also eine physikalische Kraft wirken.
Der Kohlenfusel wird ohne chemische Veränderung aus dem Spiritus abgeschieden, das
ist die Thatsache der Entfuselung. Offenbar kann diese Abscheidung desselben nur
dadurch zu Stande kommen, daß er von einem anderen Körper angezogen und gebunden,
festgehalten wird. Dieser anziehende, bindende, festhaltende Körper ist die
Kohlensubstanz. Sie verbindet sich mit dem Kohlenfusel zu einem ungleichartigen
Ganzen. Die Kraft aber, welche ungleichartige Körper zu einem ungleichartigen Ganzen
verbindet, ist die Adhäsion. Auf Adhäsion ist somit die Entfuselung
zurückzuführen.
Nun ist es bekannt, daß die Adhäsion zwischen einem und demselben Körper und
verschiedenen Körpern sehr verschieden stark ist. An einer und derselben Glasfläche
z.B. adhäriren andere Alkohol-, andere Wasser-, andere Aethermengen.
Indem wir nun annehmen, daß die Adhäsion zwischen der Holzkohlensubstanz und dem
Kohlenfusel größer sey, als zwischen der Kohlensubstanz und allen übrigen
Rohspiritus-Bestandtheilen, erklärt sich die Abscheidung des Kohlenfusels,
die Entfuselung des Rohspiritus durch Holzkohle auf eine durchaus ungezwungene
Weise. – Es müßte hiernach möglich seyn, eine völlige Abscheidung des
Kohlenfusels aus dem Spiritus zu bewirken. Thatsache aber ist es, daß dieß nie
gelingt. Warum nicht, wird später erklärt werden.
Die Adhäsion tritt nur an der Oberfläche der Körper in die Erscheinung. Die Menge des
von einem Volum porenloser Kohlensubstanz abgeschiedenen Fusels muß um so größer
seyn, je größer die Oberfläche dieses Volums Substanz ist. Vergrößert man die
Oberfläche n mal, so muß auch n mal mehr Fusel abgeschieden werden.
Eine Art, die Oberfläche eines Körpers zu vergrößern, ist die Bildung seiner Masse zu
Poren. In mehr Poren aus einem Volum seiner Substanz gebildet werden, eine desto
größere Oberfläche wird erhalten. Die Holzkohlensubstanz ist immer zu Poren formirt,
aber bald mehr, bald weniger. Sie zeigt bald mehr, bald weniger Poren, also bald
eine größere, bald eine geringere Oberfläche.
Daraus folgt, daß die Größe der entfuselnden Wirkung eines Volums Kohlensubstanz auch
bedingt ist von der Porosität derselben; oder daß der Nutzeffect einer Kohle um so
großer seyn wird, je poröser sie ist.
Nun besteht das wahre Volum der Holzkohle (v) aus dem
Gesammtvolum der Poren + Volum der Substanz (v¹).
Die Theilung von v durch v¹, also v/v¹, gibt demnach an, um wieviel mal das wahre Holzkohlenvolum größer
ist, als das zugehörige Substanzvolum. Offenbar muß von zwei Holzkohlensorten,
welche bei gleichem Substanzvolum ungleiche wahre Volume zeigen, diejenige die
porösere seyn, welche das größere wahre Volum besitzt. Durch dieses Verhältniß des
Substanzvolums zum wahren Holzkohlenvolum wird also die Porosität verschiedener
Kohlensorten vergleichbar.
Jetzt nun läßt sich die obige Folgerung treffender so ausdrücken: die Größe der
entfuselnden Wirkung eines Volums Holzkohlensubstanz ist bedingt von dem
Verhältnisse desselben zum wahren Holzkohlenvolum, also von 1 : v.
Ich dachte mir nun, daß dieses Volumverhältniß bei einer und derselben Kohlensorte
stets ein und dasselbe seyn werde. Darin hatte ich mich geirrt. Es ist, wie folgende
Beobachtungsreihe zeigt, ein außerordentlich schwankendes. Die Ursache davon muß in
der Holzstructur, oder in der Art und Weise der Meilerverkohlung, oder in beiden
liegen.
Das Verhältniß des Substanzvolums zum wahren Volum in der Birkenfiltrirkohle war:
im
Filter
Nr. 1.
1 : 38,68.
„
„
„ 2.
1 : 16,94
im
Filter
Nr. 8.
1 : 5,87
„
„
„ 3.
1 : 19,66
„
„
„ 9.
1 : 6,13
„
„
„ 4.
1 : 21,62
„
„
„ 10.
1 : 14,67
„
„
„ 5.
1 : 11,75
„
„
„ 11.
1 : 6,19
„
„
„ 6.
1 : 11,30
„
„
„ 12.
1 : 35,52
„
„
„ 7.
1 : 8,80
„
„
„ 13.
1 : 16,83
im Maximum
1 : 38,68.
im Minimum
1 : 5,87.
im Mittel
1 : 12 (abgerundet).
Solche riesige Schwankungen zeigt die Porosität, mithin die entfuselnde Wirkung einer
und derselben Holzkohlensorte. Der Spritfabrikant hat sich deßhalb die anzukaufende
Meilerkohle erst genau anzusehen, ehe er den Handel abschließt. Bei hinreichender
Uebung weiß man schon beim Wägen der Stücke einer Kohle in der Hand, was man von der
Porosität derselben zu halten habe.
Gesetzt, es sey ein einkubikzölliges Kohlenstückchen gegeben, mit dem
Volumverhältnisse von beispielsweise 1 : 20. Das Kohlenstückchen werde in zwei
Theile gespalten: offenbar muß das Volumverhältniß in jedem der beiden Theile immer
noch 1 : 20 seyn. In wieviele Theile der Kubikzoll Kohle auch getheilt werde, das
Verhältniß 1 : 20 bleibt bestehen. Durch das Mahlen der Kohlen wird also dieses
innere Verhältniß nicht berührt, weder vergrößert, noch verkleinert, und mithin
rührt der Zuwachs am entfuselnden Vermögen, welchen die Kohle durch das Mahlen
erfährt, nicht von einer Vergrößerung des Volumverhältnisses v : v¹ her.
Dieser Zuwachs rührt von zwei anderen Ursachen her:
1) Durch die Spaltung eines größeren Kohlenstückchens in kleinere werden seine Poren
so und so oft durchgebrochen; dadurch gewinnt natürlich die das Fleisch der Poren
bildende Kohlensubstanz – man gestatte mir diesen Ausdruck der Eisengießer
– an jeder Bruchstelle eine neue äußere Oberfläche.
2) Der Spiritus dringt in das Porenlabyrinth um so weniger tief ein, je größer das
Kohlenpartikelchen ist. Beim Durchbrechen großer Partikel findet man in der Regel
das Innere völlig trocken, unberührt vom Spiritus. Er dringt um so leichter ein,
sein Ortswechsel während der Entfuselung geht um so rascher vor sich, je feiner die
Kohle ist. – Das Mahlen wirkt also a) direct
durch Vergrößerung der äußeren Oberfläche der Kohlensubstanz, und b) indirect dadurch, daß es, wie das Ausdämpfen der
Filter, die innere Oberfläche dem Spiritus zugänglicher macht.
Das Verhältniß des Substanzvolums zum wahren Holzkohlenvolum bedingt die Porosität.
Die Porosität ist der gesammte kubische Inhalt der Poren. Die Absorption des
Spiritus durch die Holzkohle ist die Anfüllung der Poren mit Spiritus. Die Menge des
Spiritus, welche 1 Vol. Holzkohle absorbiren kann, ist folglich bedingt vom
Verhältnisse des Substanzvolums zum wahren Volum.
Ist das Volumverhältniß bekannt, so kann sofort die Absorptionsgröße der Kohle
berechnet werden. Z.B. bei dem Verhältniß von
1 : 38,63
kann
1 Vol. Holzkohle
(38,68 – 1,00)/38,68
= 0,9741 Vol.
Spiritus absorbiren.
1 : 5,87
„
1
„
„
(5,87 – 1,00)/5,87
= 0,8296 „
„ „
1 : 12
„
1
„
„
(12 – 1)/12
= 0,9166 „
„ „
Die Methode, nach welcher die obige Beobachtungsreihe über das Verhältniß des
Substanzvolums zum wahren Holzkohlenvolum ermittelt worden, war folgende:
Der kubische Inhalt des Filters = f (das will sagen: des
Kohlenraumes) wurde durch Ausmessung festgestellt.
Nachdem das ausgedämpfte Kohlenfilter wochenlang in Thätigkeit, also in Berührung mit
Spiritus gewesen und unwirksam geworden war, wurde der nichtabsorbirte Spiritus durch den unteren
Abflußhahn rein abfließen gelassen und das Volum desselben = s gemessen. Nun ist f – s = v. So ergab sich das
wahre Volum der im Filter enthaltenen, ganzen Kohlenmenge.
Darauf trieb man den nichtabsorbirten Spiritus durch Destillation aus der Kohle
heraus. Aus dem Volume und der Gradstärke des Destillates wurde, unter
Berücksichtigung der Temperaturverhältnisse, das Volum durch Rechnung ermittelt,
welches der Spiritus bei der ursprünglichen Gradstärke im Filter gehabt hatte = s¹.
s + s¹ = s¹¹ ist das gesammte im Filter enthalten
gewesene Spiritusvolum.
f – s¹¹
= v¹ ist das Substanzvolum der Holzkohle.
v : v¹ = 1 : v/v¹ ist das gesuchte
Verhältniß des Substanzvolums zum wahren Holzkohlenvolum.
Die Voraussetzung, daß die Kohle vor dem Versuche völlig gesättigt gewesen sey,
findet ihre Begründung a) in der Zerkleinerung, b) im Ausdämpfen und c) in
der wochenlangen Berührung derselben mit Spiritus.
Bequemer ist die Ermittelung des Volumverhältnisses im Kleinen mit einer Probe
Kohlen, im Laboratorium. Aber die Uebertragung des Ergebnisses einer solchen
Laboratoriumsprobe auf ein ganzes Filter voll Kohle ist gerade so unstatthaft, wie
die Uebertragung des durchschnittlichen Stärkmehlgehaltes einiger Pfunde Kartoffeln
auf ein ganzes Kochfaß voll, weil bei einer und derselben Holzkohlensorte das
Volumverhältniß kein constantes ist.
Die Ermittelung des Volumverhältnisses im Großen ist deßwegen die einzig statthafte;
sie kommt der Wahrheit am nächsten.
V. Die Entfuselung und die
Spiritusverdünnung.
Bisher hat uns die Frage beschäftigt: in welchem Zustande ist die Kohle am
geeignetsten zum Entfuseln des Rohspiritus?
Jetzt tritt an uns die andere Frage heran: in welchem Zustande ist der Rohspiritus am
geeignetsten zum Entfuseltwerden?
Daß der Rohspiritus um so besser entfuselt wird, je verdünnter er ist, ist eine alte
bekannte Thatsache.
Es ist in der Praxis üblich, den zu filtrirenden Rohspiritus auf 60 Proc. mit Wasser
zu verdünnen. Man glaubt damit genug gethan zu haben.
Wenn Rohspiritus mit destillirtem Wasser (nicht mit Brunnenwasser, welches fast immer in Alkohol
unlösliche Kalksalze enthält) bis zu 60 Proc. verdünnt wurde, so trat in der Regel
keine Trübung ein. Erst wenn die Verdünnung bis auf 52–48 Proc. fortgesetzt
wurde, trübte sich die Mischung.
Die Trübung auf Zusatz von destillirtem Wasser zeigt eine Abscheidung von
Neben-, also von Fuselbestandtheilen des Spiritus an. Diese Ausscheidung
fand, wie gesagt, bei 60 Proc. noch nicht statt.
Wurde der trübe Spiritus durch Kohle filtrirt, so erhielt man ein blankes Filtrat.
Die Kohle hatte also die trübenden Fuselkörper absorbirt.
Auf Grund dieser Beobachtungen vermuthete man, daß aus dem Rohspiritus bei 50 Proc.
Stärke ungleich mehr Kohlenfusel abgeschieden werde, als bei 60 Proc. Um diese
Vermuthung zu prüfen, wurde von zwei gleichen Volumen desselben Rohspiritus das eine
auf 60 Proc. und das andere auf 50 Proc. verdünnt. Beide Mischungen versetzte man
mit gleichen Gewichten desselben im Mörser gut gemischten Kohlenpulvers. Nachdem
vier Tage unter öfterem Umschütteln vergangen waren, filtrirte man von der Kohle ab,
verdünnte das 60procentige Filtrat auf 50 Proc. und prüfte nun die beiden
gleichstarken Filtrate durch den Geruch und Geschmack auf ihre Reinheit. Der
Unterschied war unverkennbar; der mit 50 Proc. Stärke entfuselte Spiritus war ganz
bedeutend reiner, als der andere. – Die in Schweden übliche stärkere
Verdünnung des Rohspiritus hat daher einen ganz unbestreitbaren günstigen Einfluß
auf die Reinigung desselben.
Soll der kohlegereinigte Spiritus als Trinkbranntwein von 30 Proc. oder 40 Proc.,
oder wieviel Procente Stärke immer verbraucht werden, so handelt man offenbar am
zweckmäßigsten, wenn man den Rohspiritus gleich von vornherein bis zur Stärke des
Trinkbranntweins mit Wasser verdünnt; in diesem Falle ist also der Verdünnung durch
die nothwendige Stärke des Branntweines die Grenze gezogen.
Bei der Verarbeitung des Filtrates auf Feinsprit darf man auch nicht willkürlich
stark verdünnen. Denn je stärker man verdünnt, desto höhere Destillationskosten
erhält man. Hier sollte man aber mindestens bis zur Trübung
des Rohspiritus verdünnen, wobei dann wohl zu unterscheiden ist zwischen
der Trübung durch die Kalksalze des Brunnenwassers und der durch die ausgeschiedenen
Fuselkörper.
VI. Die Entfuselung und die
Berührungsdauer.
Wenn man Kohlenpulver mit bis zur Trübung verdünntem Rohspiritus in Berührung bringt,
so erhält man ein Filtrat von geringerer oder größerer Reinheit, je nachdem man die
Berührung beider Körper kürzere oder längere Zeit andauern läßt.
Diese Thatsache sagt uns, daß die Abscheidung des Kohlenfusels aus dem Rohspiritus
durch die Kohle nicht die That eines Augenblickes sey, wie etwa die Abscheidung des
Baryts aus seinen Lösungen durch Schwefelsäure; daß sie nicht allein von der
Porosität, von der Zerkleinerung und von dem Ausdämpfen der Kohle, nicht allein von
der Spiritusverdünnung, sondern auch von der Berührungsdauer der Kohle mit dem
Spiritus bedingt werde.
Läßt man den verdünnten Spiritus mit überschüssigem Kohlenpulver wochenlang in
Berührung in der Erwartung, eine völlige Abscheidung, des Kohlenfusels zu erzielen,
so kann man zunächst nach Verlauf von einer Woche schon keine Zunahme der Reinheit
durch den Geschmack und Geruch mehr wahrnehmen, und destillirt man dann den Spiritus
nach 2 oder 3 Wochen, so erhält man im Vorlaufe immer noch etwas Kohlenfusel. Eine
völlige Entfernung des Kohlenfusels durch Holzkohle wird also auch bei noch so
langer Berührungsdauer der Kohle mit dem Spiritus thatsächlich nicht erzielt. Aus
welchen Gründen?
Die Kohle im Filter ist von dem nichtabsorbirten Spiritus umgeben. Dieser werde
kurzweg das Medium genannt. Versucht man, sich die entfuselnde Thätigkeit eines
porösen, von Rohspiritus umgebenen Kohlenpartikelchens vorzustellen, so erkennt man
auf den ersten Blick, daß dieselbe nothwendig aus drei aufeinander folgenden
Momenten bestehen müsse: 1) aus dem Momente der Aufsaugung von Spiritus aus dem
Medium in die Poren, 2) aus dem Momente der Abscheidung des Fusels aus dem
aufgesogenen Spiritus auf die Oberfläche der Kohlenporen, 3) aus dem Momente der
Zurückgabe des entfuselten Spiritus an das Medium.
Die in Thätigkeit begriffene Kohle eines Filters absorbirt demnach unaufhörlich
Rohspiritus; unaufhörlich entfuselt sie diesen; unaufhörlich scheidet sie den
entfuselten Spiritus ab. Aber wohin scheidet sie den entfuselten Spiritus ab? An
ihre Umgebung. Und woraus besteht diese Umgebung? Aus Rohspiritus. – Von dem
Augenblicke an, wo die erste Abscheidung des Entfuselten stattfindet, wird also das
Medium verändert. Dieses besteht jetzt nicht mehr ausschließlich aus Rohspiritus,
sondern ist ein Gemisch aus Nicht-Entfuseltem und aus Entfuseltem geworden.
In dem Maaße nun, als die Kohle ihre Thätigkeit fortsetzt, wird der Gehalt des
Mediums an Nicht-Entfuseltem mehr und mehr verkleinert, an Entfuseltem
dagegen mehr und mehr vergrößert, oder, es erfährt das Nicht-Entfuselte im
Medium eine immer stärker werdende Verdünnung durch das Entfuselte, so daß der
Gehalt an ersterem immer homöopathischer wird. Wie weitgehend, wie lange andauernd
man sich aber auch diese verdünnende Kohlenthätigkeit vorstellen mag, – es ist evident, nie kann der Gehalt des Mediums an
Nicht-Entfuseltem Null werden. Bei unendlich langer Berührung kann er immer
nur unendlich klein seyn.
Deßwegen kann keine völlige Entfuselung durch die Kohle erreicht werden; deßwegen
kann jede Entfuselung nur eine relative, eine gradweise, eine größere oder geringere
seyn; deßwegen braucht die Kohle Zeit, um den Spiritus auf einen bestimmten
Reinheitsgrad zu bringen.
Die Kohlen- und die Spiritusmenge, welche in einer Batterie miteinander in
Berührung sind, sind (abgesehen von den geringen Schwankungen welche dadurch
hervorgerufen werden, daß die Kohle bald feiner, bald etwas gröber ausfällt)
constant. Wie lange nun deren Berührung zu dauern habe, hängt natürlich von dem
Entfuselungsgrade ab, welchen der Fabrikant seinem Filtrate geben will. Es läßt sich
deßhalb darüber keine allgemein gültige Norm aufstellen; die Berührungsdauer muß in
jeder Fabrik durch Versuche festgestellt werden.
Es soll ein Beispiel mitgetheilt werden. Eine Spritfabrik hatte dreifilterige
Batterien. Jedes Filter enthielt eine 28 1/2 Ctr. schwere Kohlensäule von 24,6 Fuß
Höhe und 3,1 Fuß Durchmesser.
Der Spiritus hatte somit von der Ein- bis zur Ausströmung eine 85 1/2 Ctr.
schwere Kohlensäule von 73,8 Fuß Höhe und 3,1 Fuß Durchmesser zu passiren. Die
Ausströmung befand sich am Kopfe der Filter, so daß die Kohle stets und ständig von
Spiritus umgeben, nie trocken war.
Unter diesen Umständen filtrirte man in 24 Stunden circa
2750 Quart Spiritus à 47–50 Proc. Das
Filtriren geschah aber während dieser 24 Stunden nicht ununterbrochen, sondern man
ließ die Batterie während der ersten 12 Stunden ruhen, und während der zweiten 12
Stunden entnahm man ihr die 2750 Quart. Man hatte nämlich beobachtet, daß durch
intermittirendes Filtriren ein besseres Tagesproduct erhalten wird, als durch
continuirliches Filtriren. Die Qualität des Filtrates war hochfein.
Die in jedem Filter enthaltene Spiritusmenge betrug circa
3993 Quart (absorbirt: 2906 Quart, nichtabsorbirt: 1087 Quart). Die ganze
dreifilterige Kohlensäule enthielt also 3 × 3993 = 11979 Quart Füllung.
Nimmt man nun an, daß, wenn der zufließende Spiritus Strömung in der Kohlensäule
veranlaßt, hierdurch nicht allein der nichtabsorbirte, sondern auch der absorbirte
Spiritus seiner ganzen Menge nach vorwärtsgedrängt werde, so braucht der Spiritus
von der Einströmung bis zur Ausströmung 11979/2750 . 24 = 104 Stunden 30
Minuten.
Nimmt man dagegen an, daß allein der nichtabsorbirte Spiritus verdrängt werde, so braucht der
Spiritus, um denselben Weg zurückzulegen, nur (3 . 1087)/2750 = 28 Stunden 24
Minuten.
Nun ist es aber durchaus unwahrscheinlich, daß der absorbirte Spiritus in seiner
ganzen Menge während der Strömungszeit vorwärts gedrängt werde. Ebenso
unwahrscheinlich ist es, daß nur der nichtabsorbirte Spiritus von der Verdrängung
getroffen werde. Die Kohle wird vielmehr auch während der Strömung Spiritus
aufnehmen und abgeben.
Die Berührungsdauer zwischen Kohle und Spiritus in den Batterien läßt sich also nicht
genau berechnen, sie beträgt aber für die ganze Spiritusmenge mindestens 28 Stunden
und kann für einen Theil der letzteren über 104 Stunden betragen.
Ein Gegenstück zu dieser vorsichtigen, langsamen Filtration findet sich in Otto's Lehrbuch der rationellen Praxis der
landwirthschaftlichen Gewerbe S. 571 erzählt. Otto fand
in einer Spritfabrik 4 Filter à 24 Scheffel
Kohle. „Die Menge des Spiritus, welche man durch die Kohle passiren läßt,
ist sehr bedeutend, man läßt in einem Tage, in 8 Stunden 20 Oxhoft (3600 Quart)
60grädigen Spiritus durchgehen, für mich ein Beweis, daß man auf die Entfuselung
durch die Filter nicht viel gibt.“
4 Filter à 24 Scheffel enthalten zusammen 96
Scheffel oder, da 1 Scheffel wallnußgroßer Kohlen etwa 20 Pfd. wiegt, 19 1/5 Ctr.
Kohlen. Also, durch 19 bis 20 Ctr. grober Kohle hat man in einem Tage, ja in 8
Stunden 3600 Quart à 60 Proc. filtrirt. Das
Filtrat kann natürlich nur von sehr schlechter Qualität gewesen seyn. Ein so
haftiges Filtriren fördert die Reinigung des Rohspiritus auch nicht im
Entferntesten. Es ist völlig zweckwidrig und zeigt einmal wieder recht deutlich, wie
kopflos in manchen Fabriken gearbeitet wird.
Die Wirkungslosigkeit des raschen Filtrirens ist es ohne Zweifel, welche unter den
Spritfabrikanten den Glauben aufkommen ließ, Prima-Feinsprit sey auch ohne
Filtration, sey schon durch bloße Destillation zu gewinnen. Dieser Glaube ist
durchaus irrig. Um Prima-Feinsprit zu gewinnen, muß man nothwendig a) zweckmäßig filtriren und b) zweckmäßig destilliren. Ein anderer Weg führt bis heute nicht zum
erwünschten Ziele.