Titel: | Ueber die Wirksamkeit der Blitzableiter; von W. de Fonvielle. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXXVI., S. 272 |
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LXXVI.
Ueber die Wirksamkeit der Blitzableiter; von
W. de
Fonvielle.
Aus den Comptes rendus, t. LXXV p. 831; October
1872.
Fonvielle, über die Wirksamkeit der Blitzableiter.
Von dem Minister des öffentlichen Unterrichtes mit dem Auftrage betraut, die Wirkungen der Gewitter in England zu studiren,
gereicht es mir zur Befriedigung, der (französischen) Akademie anzuzeigen, daß die
brittische Gesellschaft für wissenschaftlichen Fortschritt (British Association) die Wichtigkeit der Frage, welche durch die
zahlreichen Unfälle in Folge des Blitzeinschlagens jenseits des Canales angeregt
worden ist, erkannt hat.
Eine Commission von sieben Mitgliedern, unter dem Vorsitz des Herrn James Glaisher vom Observatorium zu Greenwich, ist beauftragt
worden, über die Mittel, die Wirksamkeit der Blitzableiter zu erhöhen und über alle
diejenigen Fälle, in welchen sie mangelhaft erscheinen, Bericht zu erstatten. Die
Commission hat ihre Arbeit sogleich begonnen und beschäftigt sich gegenwärtig mit
der Redaction der Daten, welche ich demnächst der Akademie mittheilen werde. Da
jedoch in diesem Augenblicke bedeutende Unglücksfälle die öffentliche Aufmerksamkeit
auf die Blitzableiter gelenkt haben, so erlaube ich mir in meinem eigenen Namen, der
Akademie einige der Thatsachen, welche ich bei Gelegenheit unserer
gemeinschaftlichen Arbeit in Erfahrung brachte, vorzulegen.
Die Zahl der Unfälle, über welche wir im August 1873 Bericht zu erstatten haben, wird
sehr beträchtlich seyn. In der Liste der vom Blitz getroffenen Gebäude figurirt
bereits das Parlamentsgebäude, welches ungeachtet des großartigen
Blitzableitersystemes, womit es ausgestattet war, im Juli 1870 vom Blitz getroffen
wurde. Aber, anstatt das Vertrauen zu den Blitzableitern zu mindern, scheint dieser
Vorfall vielmehr dazu bestimmt, dasselbe zu erhöhen; denn der Blitzschlag war nicht
von dem geringsten Unfall begleitet, obgleich das Unwetter zu den heftigsten gehörte. Wir haben
bereits in Erfahrung gebracht, daß die Kirchen London's von zahlreichen
Blitzschlägen heimgesucht worden sind, welche überall erhebliche Verwüstungen
angerichtet haben. Ader der größere Theil dieser Kirchen besitzt gar keine oder nur
mangelhafte Blitzableiter. Selbst die St. Paulskirche ist nicht verschont geblieben,
seit dieselbe im Jahr 1774 unter Benjamin Franklin's
Augen mit einem vollständigen, Blitzableitersystem ausgestattet worden ist. Vor
Ausführung dieser Arbeiten hatte der Blitz zweimal zu verschiedenen Zeiten in die
Kirche geschlagen und große Verwüstung angerichtet. Unter den neuerdings vom Blitz
getroffenen Kirchen citiren wir im Nordosten die Kirche von Limehouse, im Nordwesten
die Kirche von Highgald, in der Mitte die Kirchen des heiligen Erlösers, die Kirche
von St. Clement am Strand, von St. Martin bei Charing-Croß, von Cripplegate
bei der Centralpost; in Südwesten die Kirche von Streatham und die von Brixton, in
welche der Blitz dreimal zu verschiedenen Zeiten schlug. Mehrere dieser Kirchen,
insbesondere die zuletzt genannte, sind während der letzten Gewitter getroffen
worden.
Die Liste der Kirchen in der Provinz, welche sich im gleichen Falle befinden, würde
zu lang ausfallen. Ich erlaube mir nur zwei Beispiele anzuführen. Der erste Fall,
dessen ich bei einer früheren Gelegenheit bereits erwähnt habe,Man sehe: Wilde, über den Einfluß von Gas-
und Wasserleitungsröhren auf die Richtung des einschlagenden Blitzes, im
polytechn. Journal Bd. CCIV S. 29
(erstes Aprilheft 1872). betrifft die Kirche bei Kersall in der Umgegend von Manchester; er erklärt
sich aus der Anbringung der Gasleitung in der Nähe des Blitzableiters. Mehrere
Einwohner von Manchester haben geglaubt, daraus den Schluß ziehen zu können, daß die
Blitzableiter mehr Unheil als Gutes stiften. Der zweite Fall ereignete sich an der
Kirche von Taunton in der Grafschaft Somerset. Der südwestliche Thurm war mit einem
anscheinend in gutem Zustande befindlichen Blitzableiter versehen. Das Gebäude wurde
jedoch an der südöstlichen Seite von einem Blitz getroffen, welcher große
Verheerungen anrichtete. Dieser Umstand scheint darauf hinzuweisen, daß der durch
einen Blitzableiter geschützte Raum ein Kegel sey, dessen Spitze mit der Spitze des
Blitzableiters zusammenfällt und dessen Basis einen Durchmesser gleich der
vierfachen Höhe hat. Die südwestliche Ecke der Kirche befand sich außerhalb dieses
Beschützungskegels und konnte somit getroffen werden, wie wenn das Gebäude mit gar
keinem Blitzableiter versehen gewesen wäre. – Dr.
Mann, Secretär des Comité's für England, hat
vor einigen Jahren eine populäre Instruction veröffentlicht, worin ähnliche in der Colonie
zu Natal (am Cap der guten Hoffnung) von ihm beobachtete Fälle aufgezählt sind. So
schlug der Blitz im Jahr 1859 in ein Haus, welches zwischen zwei anderen mit
Blitzableitern ausgestatteten Häusern lag. Der Strahl fuhr in einen Schornstein,
welcher sich weder im Berech des einen noch des anderen Beschützungskegels befand.
– Ein ähnlicher Unfall ereignete sich in Jamaica, wo ein Pflanzer die Idee
gehabt hatte, einen Blitzableiter an einem isolirten Mast seines Hauses anbringen zu
lassen. Die Theile des Gebäudes, welche nicht innerhalb des Beschützungskegels
lagen, wurden vom Blitze getroffen, welcher große Verheerungen anrichtete. –
Herr Glaisher erzählte mir, daß zwei Bäume, ganz nahe am
Observatorium zu Greenwich, beinahe gleichzeitig vom Blitz getroffen wurden, ohne
daß dieser den Blitzableiter des Observatoriums erreichte. Auch hier befanden sich
beide Bäume außer dem Bereich des Beschützungskegels. – Benachbarte Bäume
haben überhaupt einen entschiedenen Einfluß, der selbst bei ruhigem Wetter fühlbar
ist, wie folgendes Beispiel beweist. Herr Glaisher,
welcher sich mittelst eines um eine Rolle geschlagenen Seiles bis zur Spitze seines
Blitzableiters hinaufziehen ließ, erkannte mit Hülfe des Elektrometers, daß die
Anzeichen der Elektricität 60 Fuß über dem Boden weit energischer auftreten, als in
der Nähe der Basis, ungeachtet der außerordentlichen Vorsichtsmaßregeln, welche zur
Erzielung einer vollkommenen Isolirung ergriffen worden waren.
Während des nämlichen Gewitters, im Mai 1868, bei welchem das Parlamentsgebäude
getroffen wurde, schlug der Blitz in den Schornstein eines Privathauses zu
Furze-Hill bei London. Der benachbarte Schornstein war mit einem guten
Blitzableiter versehen, aber die Stange nicht lang genug, um den getroffenen
Schornstein noch in den Bereich ihres Beschützungskegels zu ziehen. Das Haus war
daher der zerstörenden Wirkung des Blitzes ausgesetzt, wie wenn es gar keinen
Blitzableiter gehabt hätte. Diese Thatsachen beweisen die Nothwendigkeit ganz
einfacher Vorsichtsmaßregeln, auf welche ich in einer anderen Mittheilung
zurückkommen werde.