Titel: | Ueber den Goldpurpur; von H. Debray. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXXXIII., S. 292 |
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LXXXIII.
Ueber den Goldpurpur; von H. Debray.
Aus den Comptes rendus, t. LXXV p. 1025; October
1872.
Debray, über den Goldpurpur.
Gießt man in eine sehr verdünnte Lösung von Goldchlorid eine Zinnlösung, welche neben
Zinnchlorid gleichzeitig Zinnchlorür enthält, so erhält man eine bei auffallendem
Lichte braun und trüb erscheinende, bei durchgehendem Lichte aber purpurrothe
Flüssigkeit, aus welcher sich allmählich ein gefärbter Niederschlag ausscheidet.
Derselbe ist der Cassiuspurpur oder Goldpurpur, welcher bekanntlich die Grundlage sämmtlicher, in der
Schmelzmalerei zur Erzeugung von Rosa, Roth und Violett benutzten Goldfarben
ausmacht.
Man kann den Goldpurpur auch noch nach anderen Methoden darstellen. Die chemische
Zusammensetzung dieses Präparates ist je nach seiner Darstellungsweise eine
verschiedene, in allen Fällen jedoch eine solche, daß sie sich stets durch
Zinnsäurehydrat (Zinnoxydhydrat) und metallisches Gold repräsentiren läßt. Die Farbe
des Goldpurpurs ist um so dunkler, je mehr er Gold enthält, aber sie weicht nicht
von den Tönen ab, welche man durch Fällung von Gold allein zu erhalten vermag. Daher
betrachtete Macquer, welcher diese Beobachtung zuerst
machte, den Cassiuspurpur als ein Gemenge von Gold und
Zinnoxydhydrat.
Nachdem aber Proust beobachtet hatte, daß der Goldpurpur
in noch feuchtem Zustande in Ammoniak löslich ist und beim Zusammenreiben mit
Quecksilber an dasselbe kein Gold abgibt, wurde die Annahme, der Goldpurpur sey ein
bloßes Gemenge, allgemein wieder aufgegeben und derselbe als eine Verbindung
betrachtet. Die einzige rationelle Anschauungsweise von der chemischen Constitution
dieses Körpers war die, ihn als salinisches Oxyd, als ein Doppelsalz von zinnsaurem
Zinnoxydul und zinnsaurem Goldoxydul zu betrachten, welches Doppelsalz eine zur
Umwandlung des Zinnoxyduls in Zinnoxyd (Zinnsäure) genügende Sauerstoffmenge
enthält. Dieses salinische Oxyd kann dann mit Zinnsäurehydrat in verschiedenen
Verhältnissen gemengt seyn.
Seit Proust wurden so viele Arbeiten und Erörterungen über
die chemische Constitution des Goldpurpurs veröffentlicht, daß es unmöglich ist,
dieselben in einer kurzen Uebersicht zusammenzufassen; ich bemerke daher bloß, daß
dieselben weder einen überzeugenden, noch auch nur neuen Beweis zu Gunsten der einen oder
der anderen Hypothese beigebracht haben, welche nach meiner Meinung beide gleich
unrichtig sind.
Ich betrachte den Goldpurpur als einen durch sehr zertheiltes Gold gefärbten Zinnsäure- (oder Metazinnsäure-) Lack; der Farbstoff dieses Lackes ist alsdann in seinem
gewöhnlichen Lösungsmittel, dem Quecksilber, unlöslich geworden, wie bei der
gewöhnlichen Färberei die ächten Farben in Folge ihrer Verbindung mit der Faser des
Gewebes oder mit den Beizen, der Einwirkung des Wassers widerstehen. Diese Ansicht
von der Zusammensetzung des Goldpurpurs dürfte durch die im Nachstehenden
mitgetheilten Versuche und Erklärungen vollständig gerechtfertigt werden.
Man läßt eine Lösung von Zinnchlorid, welche mit einer Lösung von essigsaurem Natron
gemischt worden ist, kochen; das Zinnoxyd schlägt sich nieder. Zu der noch heißen
Flüssigkeit setzt man dann etwas Goldchlorid, hernach oxalsaures Kali; fast
augenblicklich erfolgt die Reduction des Goldes; ein sehr geringer Antheil des
Metalles setzt sich an die Glaswandungen an, während fast die ganze Menge auf das
Zinnoxyd sich niederschlägt, welches dadurch die gewöhnliche Farbe des Goldpurpurs
erhält.
Eine ganz gleiche Färbung auch der Thonerde kann man dadurch hervorbringen, daß man
in einer Flüssigkeit welche Thonerde suspendirt enthält, das Gold in metallischem
Zustande niederschlägt. Zu diesem Zwecke versetzt man eine mit essigsaurem Natron
gesättigte Goldchloridlösung mit gallertförmiger Thonerde, erhitzt und fügt dann
eine kleine Menge oxalsaures Kali hinzu, wodurch das Gold reducirt wird.
Als diese beiden in Wasser suspendirten Lacke mehrere Stunden lang mit Quecksilber
geschüttelt wurden, verloren sie ihre Farbe nicht. Das gewöhnliche Verfahren zur
Darstellung des Goldpurpurs weicht von dem vorhergehenden offenbar nur darin ab, daß
das Oxyd und der Farbstoff (Zinnoxyd und Gold) gleichzeitig niedergeschlagen werden,
was bezüglich der Schönheit der Farbe (und, wenn man so sagen kann, hinsichtlich der
Aechtheit des Productes gegenüber dem Quecksilber) vorzuziehen ist.
Es bleibt nun noch die Löslichkeit dieses Lackes in Ammoniak zu erklären. Bekanntlich
ist das bei gewöhnlicher Temperatur niedergeschlagene Zinnoxyd, so lange es sich
noch im feuchten Zustande befindet, in Ammoniak löslich, verliert aber diese
Löslichkeit unter verschiedenen Einflüssen, wie eine höhere Temperatur, besonders
durch das Austrocknen; es sind dieß genau dieselben Einflüsse, welche auch dem
Goldpurpur seine Löslichkeit benehmen. Außerdem ist wohl zu bemerken, daß die bei
auffallendem Lichte
stets trüb erscheinende Lösung des Goldpurpurs langsam metallisches Gold absetzt,
wogegen das Zinnoxyd beinahe vollständig aufgelöst bleibt. Diese bekannte Thatsache
erscheint ganz natürlich, wenn der Goldpurpur ein Lack ist: sie ist dagegen sehr
schwierig zu erklären, wenn das Gold im Purpur als Oxyd zugegen ist; denn bei der
Einwirkung von Ammoniak auf die Oxyde der Edelmetalle entstehen stets mehr oder
weniger complicirte Producte, niemals aber wird dabei das Metall in Freiheit
gesetzt.
Schließlich will ich noch eine Bemerkung beifügen. Mercadieu hat beobachtet, daß man beim Probiren der Edelmetalle einen dem
Goldpurpur sehr ähnlichen Körper erhält, wenn man in Salpetersäure Silber auflöst,
welches ein wenig Zinn und Gold enthält; da das Gold von der Salpetersäure nicht
oxydirt wird, so schloß er hieraus, daß das Gold im Purpur in metallischem Zustande
zugegen sey. Gay-Lussac hat diese Untersuchungen
wieder aufgenommen und dieselbe Ansicht ausgesprochen; da aber der Purpur dieser
Chemiker in Ammoniak nicht löslich war, so blieb noch, wenn auch nicht die
Identität, doch wenigstens die Isomerie der beiden
Substanzen nachzuweisen, welche Gay-Lussac
anzunehmen geneigt war.
Man kann beweisen, daß zwischen dem „Cassius'schen Purpur“ und dem „Purpur der
Probirer“ nur derjenige Unterschied besteht, welcher aus den
verschiedenen Bedingungen resultirt, unter denen sich das Zinnoxyd gebildet hat: das
durch Oxydation des Zinnes bei höherer Temperatur erhaltene Zinnoxyd ist in Ammoniak
unlöslich; deßgleichen sein Lack; wenn man aber die dreifache Legirung von Silber,
Gold und Zinn bei gelinder Wärme mit Salpetersäure behandelt, so erhält man einen
purpurfarbigen, in Ammoniak löslichen Rückstand. Das unter diesen Bedingungen
entstandene Zinnoxyd ist nämlich, wovon ich mich direct überzeugt habe, in diesem
Reagens löslich.