Titel: | Beitrag zur Erzielung übereinstimmender Untersuchungsresultate beim Rohzuckerhandel; von Dr. C. Kohlrausch. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXXXVIII., S. 319 |
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LXXXVIII.
Beitrag zur Erzielung übereinstimmender
Untersuchungsresultate beim Rohzuckerhandel; von Dr. C. Kohlrausch.Vom Verfasser als Separatabdruck aus dem von ihm redigirten „Organ des
Vereines für Rübenzuckerindustrie in der österreichisch-ungarischen
Monarchie“ (Octoberheft S. 587) eingesandt.
Mit Abbildungen.
Kohlrausch, Beitrag zur Erzielung übereinstimmender
Untersuchungsresultate beim Rohzuckerhandel.
Bei der Eröffnung der heurigen Campagne glauben wir die
gewöhnlichen Fehlerquellen bei der Polarisation der Rohzucker und die Ursachen
der beim Rohzuckerhandel vorkommenden Differenzen kurz besprechen zu
sollen.
Wir gehen bei dieser Betrachtung von der Voraussetzung aus, daß das
Polarisationsinstrument vollkommen in Ordnung ist, und soweit es die optische
Bestimmung anbetrifft, eine Genauigkeit von 0,1 gewährt.
Wir erwähnen, daß diese Genauigkeit von den auf Einstellung der Farbengleichheit
basirenden Instrumenten nur dem von Schmidt und Hänsch in Berlin construirten Soleil-Scheibler'schen Polarisationsapparat zugesprochen werden
kann.
Es bleibt also die Probenahme der Rohzucker, die Versendung derselben, das Abwägen
der zur Polarisation nöthigen Menge, die Klärung, die Auffüllung auf ein bestimmtes
Volum, die Filtration und die Einfüllung der gereinigten Lösung in die 200
Millimeter-Röhre in Betracht zu ziehen.
Die Probenahme der Muster darf, wie dieß ja hinlänglich allen Praktikern bekannt ist,
nicht aus der ersten besten Stelle des Rohzuckerhaufens erfolgen, da sich bei
Zuckern welche längere Zeit gelagert haben, der Syrup stets an die tiefsten Stellen
des Haufens hinunterzieht. Dasselbe findet statt, wenn der Rohzucker in Fässern oder
Säcken einige Tage verpackt bleibt. Andererseits ist zu bemerken, daß z.B. auf
trockenen Böden der Feuchtigkeitsgehalt der Zucker in den oberen und unteren
Schichten verschieden seyn muß. Ob nun mit dem Stichbohrer, oder nach dem Umschaufeln eines
Theiles des Haufens oder Ausschütten einiger Säcke ein Durchschnittsmuster genommen
werden soll, bleibt dem besten Ermessen des Beamten überlassen. Wir würden Letzteres
vorziehen, da man bei unvorsichtiger Handhabung des Bohrers Späne, Schmutz etc. mit
in den Zucker bekommt, was Veranlassung zu unrichtigen Resultaten gibt; wir glauben
ferner ganz besonders hervorheben zu müssen, daß das Probenehmen nicht dem Arbeiter,
Bodenmeister etc. überlassen bleibt, sondern von einem Beamten mit möglichster
Gewissenhaftigkeit selbst ausgeführt werden soll, und sprechen uns schließlich gegen
die jetzt in manchen Fabriken übliche Methode des Probenehmens aus, nach welcher aus
jedem Sack beim Einfüllen eine kleine Probe entnommen und auf ein Papier geworfen
wird. Der so gesammelte Zucker soll dann das wirkliche Durchschnittsmuster
repräsentiren. Allerdings erhält man auf diese Weise ein genügend richtiges
Durchschnittsmuster, soweit es die Qualität des Zuckers anbelangt; aber dieses
Muster wird selten den Feuchtigkeitsgehalt der ganzen Masse haben; ist es auf einem
warmen trockenen Boden beim Einfüllen des Zuckers genommen, so wird es in der dünnen
Schichte auf dem Papier trocken geworden seyn; ist es aus einem feuchten Magazin, so
wird es umgekehrt Wasser angezogen haben, also im ersten Falle die Polarisation zu
viel, im zweiten zu wenig Zucker anzeigen. Es ist wohl im Allgemeinen gegen diese
Probenahme nichts einzuwenden, wenn dieselbe sofort nach der Einfüllung der Säcke
vorgenommen wird, aber der Zucker muß anstatt auf ein Papier in ein Glas geworfen
werden, welches sich fest schließen läßt.
Beim Handel ist die hygroskopische Eigenschaft des Rohzuckers das bedeutendste
Hinderniß zur Feststellung allgemein richtiger Anhaltspunkte.
Wo soll z.B. die Probe genommen werden, in der Rohzuckerfabrik oder in der
Raffinerie? Im ersten Falle sendet die Raffinerie ihren Chemiker oder sonst einen zu
diesem Zweck tauglichen Beamten in die Rohzuckerfabrik ab, welcher dort Probe nimmt,
dieselbe mit beiderseitigem Siegel verschlossen an den Handelschemiker einsendet und
selbst eine Probe untersucht. Stimmen diese beiden Untersuchungen und auch
vielleicht noch eine dritte in der Rohzuckerfabrik ausgeführte überein, so sollte
man annehmen, es könnte kein Streit mehr entstehen. Dem ist aber durchaus nicht so;
es werden z.B. 1000 Ctr. Zucker an die Raffinerie abgesendet, bleiben bei trockenem
Wetter drei Tage oder auch das Doppelte und Dreifache dieser Zeit auf dem Transport,
verlieren während dieser Zeit 1 Proc. Feuchtigkeit und wiegen in Folge dessen
anstatt 1000 nur 990 Ctr. Wird es sich der Rohzuckerfabrikant gefallen lassen
müssen, daß ihm ca. 200 fl. für Manco abgezogen werden, oder soll die
Bahnverwaltung die fehlenden 10 Centner ersetzen, da der Beamte am Abgangspunkt 1000
Centner übernommen hat und am Ort der Ankunft nur 990 Centner abgeliefert werden?
Wir glauben, daß auch die Bahnverwaltung nicht zur Verantwortung gezogen werden
kann, wenn die Säcke mit unverletzter Naht und unversehrter Plombe der Raffinerie
abgeliefert werden. Wer soll dieses Deficit decken, welches ja factisch gar nicht
existirt, da der Zucker entsprechend dem geringeren Wassergehalt höher polarisirt?
Oder setzen wir den anderen Fall und der Zucker zieht Wasser an, so haben wir im
umgekehrten Maaßstabe ähnliche Verhältnisse. Es kommt aber auch häufig vor, daß
Niemand von dem Käufer in die Rohzuckerfabrik abgesendet wird, um Probe zu nehmen.
Die letztere sendet das Muster an den Handelschemiker, mit der Anweisung je ein
Certificat für Käufer und Verkäufer auszustellen. Dieß geschieht und die eventuell
ausgeführte Polarisation der Rohzuckerfabrik und die des Handelschemikers stimmen
überein. Der Zucker wird bei feuchtem Wetter übersendet, zieht 1 Proc. Wasser an,
wird in der Raffinerie wieder polarisirt und hat dann dem entsprechend weniger
Zuckergehalt. Da hat doch sicher der Handelschemiker keinen Fehler begangen, sondern
in solchem Falle hat sich der Chemiker der Raffinerie zu überzeugen, wie viel das
Gewicht des Zuckers betragen hat; sind anstatt 1000 Centner 1010 abgewogen worden,
so ist hierdurch die Differenz erklärt.
Es kommt hier auf die Abmachungen beim Kaufschluß an, wovon es auch allein abhängt,
ob der Lieferant sich eine Modification der Polarisation gefallen lassen muß. Lautet
der Abschluß auf Probenahme in der Rohzuckerfabrik, so muß die Polarisation dieser
Probe maßgebend bleiben; lautet sie aber auf Probenahme in der Raffinerie, so kann
die Polarisation der Rohzuckerfabrik nicht gültig seyn.
Es ist ein seltener Zufall zu nennen, wenn die Witterung derartig wäre, daß sowohl
Gewicht als auch Polarisation des Zuckers, wie sie in der Rohzuckerfabrik bestimmt
wurden, nach mehrtägigem Transport auch in der Raffinerie gefunden würden; in den
meisten Fällen werden sich Differenzen herausstellen.
Die Abschlüsse sind daher derart zu machen, daß entweder Polarisation und Gewicht in
der Rohzuckerfabrik definitiv festgestellt wird, oder aber in der Raffinerie. Wir
denken uns dieses Verfahren etwa folgend. Der Rohzucker wird an seinen
Bestimmungsort abgesendet und nach Ankunft sofort die Rohzuckerfabrik z.B. auf
telegraphischem Wege verständigt. Es begibt sich hierauf ein Beamter der letzteren
in die Raffinerie, läßt in seiner Gegenwart den Zucker wiegen, einige Säcke zur
Probenahme ausschütten,
mischen und hierauf ein Durchschnittsmuster nehmen, welches dann dem Handelschemiker
zur Polarisation eingesendet wird. Gleichzeitig können ja dann auch zur
gegenseitigen Controle Muster für den Käufer und Verkäufer genommen werden. Die hier
gefundene Zahl für Polarisation muß dann maaßgebend seyn, wenn sie auch nicht mit
einer vielleicht früher in der Rohzuckerfabrik gefundenen übereinstimmen sollte.
Ein anderer Fall ist der, daß sich ein Beamter der Raffinerie in die Rohzuckerfabrik
begibt, dort Muster nimmt und den Zucker in seiner Gegenwart abwiegen und plombiren
läßt; dann ist ein späteres Abwägen und Polarisiren in der Raffinerie nicht mehr
maaßgebend. Es bleibt selbstverständlich beiden Theilen unbenommen, sich gegenseitig
zu controlliren, und hierdurch allenfallsigen größeren Irrthümern vorzubeugen, indem
Abwägen und Polarisiren vom Rohzuckerfabrikanten und Raffinadeur vorgenommen wird;
aber das wären dann interne Angelegenheiten, welche die Fabrik mit ihren Beamten
auszumachen hat, die aber den Handelschemiker nichts angehen. Stimmen die Resultate
der gleichzeitig genommenen und gut aufbewahrten Muster überein, welche bei der
Untersuchung des Handelschemikers und Fabrikschemikers gewonnen wurden, oder einigen
sich beide Parteien dahin, daß die Polarisation des ersteren als maaßgebend
anerkannt werden soll, so muß das Geschäft als abgethan betrachtet und können
spätere oder frühere Untersuchungen nicht mehr berücksichtigt werden. Dasselbe gilt
von dem Abwägen, wo ebenfalls nur eines als gültig angesehen werden kann und zwar
ist hierzu zu bemerken, daß es stets an dem Ort und zur gleichen Zeit stattzufinden
hat, wo das Muster zur Polarisation genommen wird.
Man wird vielleicht entgegnen, daß ein solches Verfahren schwer durchzuführen ist,
und es muß zugegeben werden, daß es unbequemer ist, als das bisherige. Dieses Thema
betreffend sind wir jedoch nicht der Ansicht, soeben den allein richtigen Weg
angegeben zu haben; es konnte sich hier nur darum handeln, einen Vorschlag zu
machen, durch welchen der an und für sich schon sehr precäre Zahlungsmodus von 0,1
gerechtfertigt werden kann. Bei sämmtlichen Manipulationen ist darauf Rücksicht zu
nehmen, daß die Genauigkeit von 0,1 erreicht wird, da ja vorläufig noch diese Zahl
nebst der Normalzahl 93 als Basis beim Rohzuckerhandel dient, und deßwegen muß
dieselbe auch bei dem Abwägen und der Probenahme beobachtet werden, da sonst die
größte Gewissenhaftigkeit bei der chemischen Untersuchung illusorisch wird Soll
nicht in derart exacter Weise verfahren werden, so muß man sich nicht auf 0,1 Proc.
capriciren, sondern 0,5 oder 1 Proc. als Basis annehmen.
Betreffs der Versendung der Rohzuckerproben führen wir einen im Laufe des Frühjahres
ausgeführten Versuch an. Die Zucker wurden dem Vereinslaboratorium von Seelovitz aus
eingesendet und zwar verpackt in Glas mit eingeriebenem Stöpsel, in Blechbüchsen, in
Pappschachteln und in Papier.
Die Muster sind bei freundlicher trockener Witterung geschickt worden, waren einen
Tag auf dem Transport und wurden am zweiten Tage nach der Verpackung hier
untersucht. Es resultirten folgende Zahlen:
Polarisation
Wasser
Org. u. anorg.Nichtzucker
1)
I. Product gelblich gefärbt.
In
Glas
94,2
2,00
3,80
„
Blechbüchsen
94,1
2,15
3,75
„
Pappschachteln
–
–
–
„
Papier
93,6
2,60
3,80
2)
I. Product blond.
In
Glas
94,2
2,66
3,14
„
Blechbüchsen
94,2
2,51
3,29
„
Pappschachteln
94,2
2,78
3,02
„
Papier
94,0
2,76
3,24
3)
II. Product hellbraun.
In
Glas
93,2
4,15
2,65
(Dem geringen Nichtzucker-Gehalte
„
Blechbüchsen
93,5
3,91
2,59
nach zu urtheilen, wahrscheinlich
„
Pappschachteln
–
–
–
Raffinerie-Nachproducte.)
„
Papier
96,0
1,39
2,61
4)
II. Product braun.
In
Glas
93,3
5,49
1,21
„
Blechbüchsen
93,5
5,21
1,29
„
Pappschachteln
94,9
3,26
1,84
„
Papier
96,4
1,91
1,69
Eine weitere Untersuchung wurde mit den in Glas und Blechbüchsen befindlichen Zuckern
zwei Tage später vorgenommen.
Polarisation
Wasser
Org. u. anorg.Nichtzucker
1)
In
Glas
94,2
1,98
3,82
„
Blechbüchsen
93,9
2,40
3,70
2)
„
Glaß
94,1
2,66
3,24
„
Blechbüchsen
94,2
2,70
3,10
3)
„
Glas
93,2
4,20
2,60
„
Blechbüchsen. 94,1
3,38
2,52
4)
„
Glas
93,2
5,60
1,20
„
Blechbüchsen
94,3
4,41
1,19
Zugleich verweisen wir auf ähnliche, von Weinzierl
festgestellte Zahlen (Zeitschrift des Vereines für die Rübenzuckerindustrie im
Zollverein, 1869, Bd. XIX S. 562). Die Differenzen der Zucker in Glas und Blech
waren bei der ersten Untersuchung wenig in's Gewicht fallend beim ersten Product,
bei den Nachproducten jedoch schon erheblicher; dagegen waren bei den Proben in
Pappschachteln und Papier im Verhältniß zu den Glasmustern zum Theile ganz
bedeutende Differenzen zu constatiren. Während 1) Wasser angezogen und 2) fast
gleich geblieben war, hatten 3) und 4) so bedeutend Wasser verloren, daß hierdurch
eine Differenz in der Polarisation von circa 3 Procent
hervorgerufen wurde. Bei der zweiten Untersuchung, welcher die Proben in Glas und
Blech unterworfen wurden, waren auch hier ähnliche Verhältnisse zu constatiren. Die
Bestimmungen des in den Gläsern befindlichen Zuckers sielen fast genau so aus, wie
die früheren, während der in den Blechbüchsen befindliche Zucker 1) Wasser
angezogen, 3) und 4) solches verloren hatte und 2) fast gleich geblieben war.
Es ist wohl außer Frage, daß die hygroskopischen Eigenschaften eines Rohzuckers in
einem constanten Verhältniß zu dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft stehen und daß von
verschiedenen Zuckern, bei einer und derselben Witterung, der eine Wasser abgeben
kann, während der andere solches anzieht. Wir möchten den Zustand eines Rohzuckers,
in welchem er bei einer bestimmten Witterung keine Feuchtigkeit mehr anzieht und
ebensowenig solche abgibt, den normalen Feuchtigkeitszustand für diese Witterung
nennen.
Wird die Luft feuchter oder trockener, so befindet er sich nicht mehr in dem normalen
Zustande, sondern accommodirt seinen Wassergehalt dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft.
Daß dieser normale Zustand für jeden Rohzucker verschieden ist je nach seiner
Zusammensetzung, braucht wohl kaum bemerkt zu werden.
Aehnliche Verhältnisse finden statt, wenn der Zucker aus einem trockenen oder
feuchten Raum in nicht luftdicht schließenden Gefäßen versendet wird; er wird
entsprechend dem Maaß seiner hygroskopischen Eigenschaften sich dem
Feuchtigkeitsgehalt der Luft zu accommodiren streben, er wird also, wie dieß bei 1)
der Fall war, Wasser anziehen und ebenso bei 3) und 4) Wasser abgeben.
Da man nun aber beim Handel nicht den normalen Feuchtigkeitszustand eines Rohzuckers
wissen will, sondern die Zusammensetzung, wie sie im Lagerraum demselben eigen ist,
so geht aus dieser Betrachtung und den oben angeführten Zahlen hervor, daß man
bestrebt seyn muß, die Verpackung derartig einzurichten, daß der Zucker genau in dem
Zustand bleibt, in welchem er sich im Moment der Verpackung befand.
Zuckerproben in Pappschachteln oder Papier verpackt, werden sehr selten auch nur
annähernd das richtige Muster repräsentiren; solche in Blechbüchsen sind ebenfalls,
wenn auch geringeren Schwankungen unterworfen. Dieselben betragen in unserem Falle,
wenn wir die in Glas verpackten Muster als die richtigen betrachten, zwei Tage nach der Verpackung im
Maximum 0,3, vier Tage nach derselben aber schon 1,1 Procent der Polarisation, und
nur die Proben in Gläsern mit eingeriebenem Stöpsel, blieben beinahe genau wie sie
waren. Es ist deßwegen die Versendung in Gläsern die einzig richtige Methode, um
allen Differenzen vorzubeugen, welche durch Veränderung der Zucker während des
Transportes bedingt sind. Ein solches Muster kann sich nicht verändern, selbst wenn
es z.B. auf der Post in der Nähe des Ofens durch längere Zeit steht; wird dasselbe
warm und es entwickelt sich so viel Dampf, daß er sich nicht mehr zu condensiren
vermag, so sprengt der Druck das Glas und der Handelschemiker wird sich unter
Hinweis auf diese Thatsache ein neues Muster senden lassen. Diese Sicherheit hat man
bei Verpackung in Blechbüchsen durchaus nicht, weil da fast immer genügend
Undichtheiten seyn werden, um der Verdunstung Spielraum zu lassen.
Wir glauben hier besonders hervorheben zu sollen, daß uns schon Muster vorgekommen
sind, wo der Postbeamte das Muster nicht nur neben dem Ofen, sondern geradezu auf
denselben gestellt haben mußte, da es in einer fingerstarken Kruste vollständig
eingetrocknet und nur mit Hülfe eines scharfen Instrumentes aus der Büchse
herauszuschaffen war. Wir wiederholen deßwegen nochmals: die
Verpackung der Rohzuckermuster in Gläsern mit eingeriebenem Glas- oder
gut schließendem Kautschukstöpsel ist die einzig richtige, da sie allen
Eventualitäten vorbeugt.
Zum Abwägen der Rohzucker ist verschiedentlich empfohlen worden Waagen anzuwenden,
welche bei 50 Grammen beiderseitiger Schalenbelastung noch eine Genauigkeit von 1
Milligrm., also 0,001 gewähren. Wir sind der Ansicht, daß eine derartige
Empfindlichkeit der Waage nicht nur nicht nöthig ist, sondern letztere hierdurch
geradezu für den Zweck des Abwägens von Rohzucker zur Polarisation unbrauchbar wird.
Da bei dem Abwägen von Rohzucker nicht eine beliebige Menge desselben genommen und
durch Gewichte auf der anderen Schale – wie dieß ja bei analytischen
Bestimmungen sonst üblich – tarirt wird, sondern entgegengesetzt hier auf ein
bestimmtes Gewicht, das sogenannte Normalgewicht, durch Zugabe oder Hinwegnahme von
Zucker eingestellt wird, so nimmt das Tariren bei genauer Einstellung zu viel Zeit
in Anspruch und die Zuckerproben können während derselben ihren Gehalt
verändern.
Eine Genauigkeit des Instrumentes von 0,01 bei 50 Grm. beiderseitiger
Schalenbelastung genügt vollkommen, sowohl für das Pariser als auch das Berliner
Polarisationsinstrument.
Bei ersterem beträgt ein Fehler im Abwägen von 0,01
16,35 : 100 = 0,01 : x; x = 0,0612,
bei letzterem
26,048 : 100 = 0,01 : x; x = 0,0384.
Da mit dem Polarisationsinstrument nur eine Genauigkeit von 0,1 zu erreichen ist, so
sind die so eben aufgeführten Fehlergrößen als irrelevant für das
Polarisationsergebniß zu betrachten. Wir benutzen zum Abwägen der Rohzucker eine
Waage von 0,01 Empfindlichkeit (man s. Scheibler's
Ansicht über denselben Gegenstand, in der Zeitschrift des Vereines für die
Rübenzuckerindustrie im Zollverein, Bd. XX S. 614), und halten die Anwendung
derselben aus den oben angeführten Gründen für richtiger und zweckentsprechender,
als die Benutzung eines feinen Instrumentes.
Wir haben uns in letzterer Zeit zum Abwägen der Zucker eines Glases, einem
abgeschnittenen Trichter ähnlich, bedient, welches durch ein Messingstativ gehalten
wird und an seiner unteren Oeffnung durch ein eingeschliffenes Pistill geschlossen
ist; dasselbe ragt ca. einen Zoll über den oberen Rand
des Trichters hinaus.
Textabbildung Bd. 206, S. 325
Aus beistehender Zeichnung ist die Form ersichtlich.
Dieser Trichter nebst Gestell wird durch ein Gewichtsstück tarirt, welches durch
einen abzuschraubenden Knopf und eventuelles Verringern oder Vermehren des
Gewichtes zu reguliren ist. Nachdem der Zucker abgewogen ist, wird das Glas aus
dem Gestell herausgehoben, auf das Kölbchen gesetzt, das Pistill herausgenommen
und durch Rühren mit demselben der Zucker in das Kölbchen gebracht.Zum Abwägen von Melasse oder Rübensäften kann ich diese von mir zu
sammengestellte Vorrichtung mit gutem Gewissen empfehlen, muß aber
hinzufügen, daß ich mich zum Abwägen von Rohzucker wieder der von Scheibler vorgeschlagenen
Neusilber-Schale bedienen werde. Ich habe durch längere Zeit das
Arbeiten mit beiden ausprobirt und bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß
es mit der Neusilber-Schale rascher und mindestens ebenso gut
geht. Man muß nur beim Gebrauche letzterer darauf bedacht seyn, wenig
Wasser zum Einspülen in das Kölbchen anzuwenden und den Zucker rasch
hineinzugießen, damit die Krystalle in der Flüssigkeit suspendirt
bleiben und sich nicht am Boden festsetzen.Kohlrausch.
Das Abwägen der Probe, welche zur Bestimmung des Wassergehaltes dienen soll, muß auf
einer analytischen Waage geschehen, welche noch in der dritten Decimale genaue
Resultate ergibt, weil hier das Tariren nicht mit der Substanz, sondern den Gewichten geschieht
und daher rasch ausgeführt werden kann. Eine Empfindlichkeit des Instrumentes von
0,01 genügt zu diesem Zwecke nicht mehr, weil der Fehler in die erste Decimale
fällt, wenn man nicht über 10 Grm. Substanz zur Trockenbestimmung verwendet.
Man könnte vielleicht einwenden, daß die Wasserbestimmung nicht mehr nöthig ist, wenn
der Zucker in Gläsern versendet und später aufgehoben wird, und wir müssen zugeben
daß weniger leicht Differenzen vorkommen können als bisher. Es ist aber immerhin
möglich, daß die eine oder andere Partei mit der Bestimmung des Handelschemikers
nicht einverstanden ist und der Zucker noch an eine dritte Person zur Untersuchung
gesendet wird, wenn er schon nicht mehr in seinem ersten Lagerraum liegt. Dann
können sich Differenzen zwischen beiden Untersuchungen herausstellen und die
Kenntniß des Zuckergehaltes ist zur Erklärung derselben wünschenswerth. Man könnte
hier freilich sagen, daß ja das aufbewahrte Muster dem Chemiker welcher zuerst
untersucht hatte den Rücken deckt, und er dasselbe nur an eine andere maaßgebende
Persönlichkeit einzusenden braucht, um die Richtigkeit seiner Untersuchung
nachzuweisen.
Es ist hierzu aber zu bemerken, daß sehr selten ein Streit so weit kommt, daß der
Rest der eingesendeten Probe zur weiteren Polarisation zurückgefordert wird, sondern
in den meisten Fällen beschränkt man sich darauf, bei Differenzen eine Probe
desselben Hausens aus der Fabrik an einen anderen Chemiker zu senden. Ist in solchem
Falle die Trockenbestimmung nicht ausgeführt, so heißt es dann, „es muß
doch einer der betreffenden Chemiker falsch gearbeitet haben,“ und es
leidet entweder das Zutrauen zu dem einen der Beobachter, oder aber es muß zum
äußersten Mittel gegriffen werden und das aufbewahrte Muster den Chemiker
vertheidigen; ist die Trockenbestimmung ausgeführt, so ergibt sich sehr leicht bei
Betrachtung der Zahlen für den Zuckergehalt, daß Zucker von 93 und 94 Procent recht
wohl aus demselben Haufen seyn kann, ohne daß der eine oder der andere der
Beobachter einen Fehler begangen hat.
Zur Klärung der Rohzuckerlösungen empfehlen wir die Anwendung entsprechend
concentrirten Bleiessiges (2 Liter Wasser, 600 Grm. Bleizucker, 300 Grm. Bleiglätte,
durch drei Stunden lauwarm digerirt und dann abfiltrirt) und eine Lösung
schwefelsaurer Thonerde. Wir haben uns von letzterer ein für diese Campagne
genügendes Quantum dargestellt und den Einfluß des Niederschlages von schwefelsaurem
Blei auf die Polarisation in der Weise bestimmt, daß der letztere getrocknet, dann vom Filter
möglichst herunter geschabt und in ein 100 Kubikcentimeter-Kölbchen gegeben
wurde; hierauf füllten wir aus einer Bürette mit destillirtem Wasser von
17,5° C., das Kölbchen bis zur 100 K. C. Marke und lasen an der ersteren die
verbrauchte Wassermenge ab, welche entsprechend dem schwefelsauren Bleiniederschlag
zu niedrig ausfällt. Auf 1 K. C. unserer schwefelsauren Thonerdelösung reducirt,
ergab sich im Mittel aus 10 Bestimmungen ein Einfluß von 0,051 K. C.; wir werden 2
K. C. verwenden, welche Menge, wie wir uns durch Proben mit verschiedenem Rohzucker
überzeugt haben, wohl in den meisten Fällen ausreichen dürfte, und entsprechend dem
Niederschlag von schwefelsaurem Blei 0,1 von der Polarisation abziehen.Man s. die im Maiheft 1872 des „Organs des Vereines für
Rübenzuckerindustrie in der österr. ungar. Monarchie“ S. 310
veröffentlichte Arbeit über den Einfluß der schwefelsauren Thonerde und des
Bleieisiges auf die Polarisation von Zuckerlösungen. Wir glauben nochmals erwähnen zu sollen, daß man durch dieses Verfahren
nicht den totalen Fehler eliminirt, da ja der Einfluß des Niederschlages
vernachlässigt wird, welcher durch die Verbindung von Blei mit den organischen
Substanzen der Zucker entsteht, aber wenigstens findet der Fehler Berücksichtigung,
welchen die zugesetzten Klärungsreagentien hervorrufen.
Das Auffüllen der Rohzuckerlösung auf 100 K. C. muß mit der größten
Gewissenhaftigkeit und mit Berücksichtigung der Temperatur erfolgen, da die
Normalgewichte von 26,048 und 16,85 reiner Raffinade in 100 K. C. gelöst, auf dem
Apparate 100° entsprechen und man mithin durch einen Fehler von 0,1 bei dem
Auffüllen, auf 100 K. C., denselben Fehler beim Ablesen der Grade an dem Instrumente
erhält. Bei Rohzucker wird der Fehler ein wenig geringer und zwar entsprechend dem
Wasser- und Nichtzuckergehalt. Es ist jedes Kölbchen, welches zu solchen
Zwecken benutzt wird, vorher sorgfältig zu prüfen und wir empfehlen diese Prüfung
ganz besonders bei den gewöhnlich vorkommenden Thüringer Kölbchen, bei welchen
Differenzen von 1–2 K. C. durchaus nicht zu den Seltenheiten gehören. Diese
Kölbchen haben außerdem noch einen Mangel; man kann wegen ihrer Halsweite den
Meniscus schwer richtig ablesen und die Ablesung wird durch den Umstand noch
ungenauer, daß die durch die Klärungsreagentien hervorgerufene Trübung die
Flüssigkeit undurchsichtig macht.
Textabbildung Bd. 206, S. 328
Wir haben deßwegen Kölbchen construirt, bei welchen dieser Mangel ausgeschlossen
ist; dieselben haben beistehende Form.
Die obere Oeffnung ist 20 Millimet. weit, so daß sie sich bequem mit dem Daumen
schließen läßt, während die Marke in den engen, 8 Millimet. weiten Halsraum
fällt. Wir glaubten anfänglich eine Halsweite anwenden zu können, welche an der
Marke nur 5 Millimet. betrug, es stellte sich aber bald heraus, daß der enge
Hals durch die Rohzuckerkrystalle verstopft wurde, sobald man mit Zucker
manipulirte, welcher auf grobes Korn gekocht war. Wir haben es daher mit 8, 10
und 12 Millimet. weiten Kölbchen versucht und uns nach längerem Gebrauch für 8
Millimet. entschieden. Ein jeder gut in der Reibschale verriebene Zucker ist mit
Leichtigkeit und rasch aus der Neusilberschale in das Kölbchen zu gießen; die
Ablesung ist äußerst scharf und das Volum welches ein freier Tropfen in dem
engen Theil des Halses einnimmt, so bedeutend, daß wir eine zu diesem Zwecke
fein ausgezogene Pipette zum Einstellen benutzen, weil es häufig vorkam, daß der
unter der Marke befindliche untere Rand der Flüssigkeit durch den Tropfen aus
einer gewöhnlichen Pipette über den Strich verlegt wurde.
Man hat bei dem Ablesen des Meniscus stets darauf zu achten, daß das Auge sich mit
der Marke in einer Ebene befindet und sich darin consequent zu bleiben, was man den
Rand der Flüssigkeit nennt; ohne auf dieses Thema näher einzugehen, verweisen wir
auf Mohr's Lehrbuch der Titrirmethode, dritte Auflage, S.
11.
Die besprochenen Kölbchen gewähren nun aber nicht allein den Vortheil, daß man bei
dem kurzen Bogen, welchem die Flüssigkeit in den engen Hals macht, genau den
tiefsten Punkt derselben erkennen kann, sondern die Flüssigkeit bleibt auch
vollständig wasserhell, sobald man darauf achtet, die Klärungsreagentien so
zuzusetzen, daß man schließlich den Halsraum bis zur Marke mit destillirtem Wasser
auffüllt; hierdurch wird die richtige Einstellung bedeutend erleichtert. Sollten
sich durch unvorsichtiges Eingießen Luftblasen gebildet haben, so sind dieselben vor
der Einstellung zu entfernen, was durch Einwirkung von Aetherdampf auf die
Oberfläche der Flüssigkeit leicht zu erreichen ist.
Nach der Einstellung wird der Inhalt des Kölbchens tüchtig umgeschüttelt, 1–2
Minuten stehen gelassen und dann durch ein Faltenfilter filtrirt, zu dessen Halt man
eine Filtrirschale oder einen kurz abgeschnittenen Trichter benutzen kann. Die
zuerst durchlaufenden Tropfen gießt man auf das Filter zurück. Ist ein genügendes
Quantum Zuckerflüssigkeit klar durch das Filter gelaufen, so spült man die 200
Millimet. lange Röhre einige Male mit derselben aus, füllt sie dann und schiebt das
Deckglas von der Seite so auf, daß keine Luftblasen in die Röhre gelangen.
Man mache es sich ein für allemal zur Regel, bei dem Hintragen der Röhre zum Apparat
stets die beiden Schrauben zu lockern und wieder leicht anzuziehen. Vergißt man
dieß, und es ist eine derselben zu fest angezogen, so erhält man theils durch
Flexion, theils durch Compression des Deckglases eine falsche Polarisation, welche
bis 3 Procent fehlerhaft seyn kann.