Titel: | Ueber den Ultramarin; von E. Unger. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. CIV., S. 371 |
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CIV.
Ueber den Ultramarin; von E. Unger.
Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu
Berlin, 1872, Nr. 17.
Unger, über den Ultramarin.
Die chemische Natur des Ultramarins ist trotz vielfacher Untersuchungen noch
keineswegs aufgeklärt, und die Annahme, er enthalte Schwefelaluminium oder
Schwefelnatrium oder ein polythionsaures Natron, wird sehr zweifelhaft, wenn man
sieht, daß der Ultramarin vom schmelzenden chlorsauren Kali nicht zersetzt wird und
selbst den Alkalien und den Nitraten in der Hitze eine gewisse Zeit widersteht.
Ultramarin gibt zwar beim Glühen mit Natronkalk höchstens eine Spur Ammoniak,
schmilzt man ihn aber mit geglühtem Phosphorsalz oder mit saurem schwefelsauren
Alkali, so wird eine bedeutende Menge Stickgas frei.
Dieß erinnert an eine schon alte Beobachtung von Berzelius, welcher in seiner Anwendung des Löthrohres beim lapis lazuli sagt: vom Phosphorsalz wird er unter
fortwährendem Brausen zu einem farblosen Glase gelöst. Eine Vermuthung über die
Natur des Gases, welches das Brausen bewirkt, findet sich aber nicht angegeben,
obwohl es schon damals
bekannt gewesen seyn mag, daß lapis lazuli keine
Kohlensäure enthält.
In einer Probe von künstlichem Ultramarin, welcher nachweisbar frei sowohl von
Schwefelnatrium war, als auch von einer Säure des Schwefels, fand der Verf. nach
Abzug von etwas Kaolin, welcher bei der Darstellung der Zersetzung entgangen war,
und von etwas Natron, welches nachträglich in Folge der Behandlung mit Salmiak
ausgeschieden war, auf 12,6 Proc. Schwefel, 5,5 Proc. Stickstoff, oder gleiche Atome
beider Elemente; ferner:
14,1
Proc.
Natrium,
14,4
„
Aluminium,
20,4
„
Silicium und
33
„
Sauerstoff aus dem Verlust.
Der Sauerstoff, schließt er, ist in diesem Ultramarin offenbar ganz oder zum Theil
mit Natrium, Aluminium, Silicium zu Natron, Thonerde, Kieselsäure, also zu farblosen
Körpern, verbunden. Andererseits müssen sich die Elemente, welche den blauen Körper
ausmachen, auch in atomistischen Verhältnissen vorfinden, und auf je 1 Atom Schwefel
oder Stickstoff müssen wenigstens 1 Atom Natrium oder Aluminium oder Silicium oder
Sauerstoff, falls davon ein Ueberschuß da ist, kommen. Nun gelatinirt Ultramarin
bekanntlich mit Säuren, zum Beweise daß die Kieselsäure wesentlich mit Basen
verbunden ist. Zu dem blauen Körper können auf 1 Atom Stickstoff aber nur 1
Doppelatom Aluminium und 1 Atom Silicium gerechnet werden, und kein Natrium, weil
sonst für die Kieselsäure des farblosen Körpers die Basis fehlen würde, ohne welche
ein Gelatiniren mit Säuren nicht stattfinden würde. Die Annahme von nur 1 Doppelatom
Aluminium im blauen Körper ist nach dem Verf. deßwegen geboten, weil die gefundene
Menge Aluminium bei weitem nicht 2 Doppelatomen entspricht; und die Annahme von nur
1 Atom Silicium, weil das zweite Atom schon gebieterisch Sauerstoff fordert, welcher
sonst im freien Zustande vorhanden seyn müßte: um nämlich den Sauerstoff
unterzubringen, haben wir ihn offenbar an Natrium, Aluminium, Silicium zu
vertheilen; ist dieß geschehen, so bleibt dennoch ein Rest von Sauerstoff und dieser
kann nur dem blauen Körper angehören, denn als Bestandtheil einer Säure des
Schwefels oder Stickstoffes ist er nachweisbar nicht vorhanden.
Dieser Anleitung zufolge enthielt der analysirte Ultramarin 55,7 Proc. Silicate von
Natron und Thonerde mit dem Sauerstoffverhältniß in Säure und Basen = 2 : 1; und
44,3 Proc. des blauen Körpers Al²SiS²N²O³.
Leicht, wie sich Irrthümer einschleichen, würde gleichwohl diese Formel, für
schwankend anzusehen sehn, wenn sie nicht durch folgende Ergebnisse gestützt
würde.
Der Verf. sah zunächst zu, welche aus der bekannten Ultramarinbeschickung
hervorgehenden Salze es wären, die im Glühen mit Kaolin zur Bildung von Ultramarin
Veranlassung gäben, und fand, daß weder schwefel-, schweflig- oder
unterschwefligsaures Natron, noch Einfach- oder Mehrfach. Schwefelnatrium
dieses bewirken, wohl aber und zwar einzig und allein unterschwefligsaures Natron,
sobald es mit kohlensaurem oder caustischem Natron gemengt war. Weitere Versuche
ergaben dann einerseits, daß das günstigste Verhältniß dasjenige wäre, wo 1 Aeq.
kohlensaures neben 2 Aeq. unterschwefligsaurem einwirkten, und andererseits, daß
sich das tiefste Blau bildete, wenn Kieselsäure und Thonerde zu gleichen
Aequivalenten angewandt wurden. Das Resultat zahlreicher Glühungen war endlich, daß
sich der blaue Körper am reichlichsten bildete, wenn die Beschickung aus
Al²O³ + SiO² + 4Na²S²O³
+ 2Na²O oder 2Na²CO³
bestand. Da die beiden Natronsalze jedoch für sich schon im
Glühen in der Weise zersetzt werden, daß die Hälfte des Schwefels schwefelsaures
Natron bildet, und diese Zerlegung schon früh beginnt; da ferner auch Silicate mit
Natron und Thonerde entstehen: so ist es nur ein verhältnißmäßig kleiner Antheil von
Natronsalzen, welcher auf die Erden ultramaringebend wirkt.
Es ist nun die folgende Ueberlegung, welche den Verf. überzeugte, daß die gegebene
Ultramarinformel auch wirklich Boden unter sich habe.
Im künstlichen Ultramarin findet sich Silicat und ein Rest =
Al²SiS²N²O³ von allen schwefelhaltigen Körpern ist es
nur einer, der, und zwar mit Hülfe von kohlensaurem Natron, Ultramarin gibt, und
dann augenscheinlich am meisten, wenn das Gemisch besteht aus
Al²O³ + SiO² + 4Na²S²O³
+ 2Na²O oder 2Na²CO³.
Es zeigt sich, daß dabei 4 Na²SO⁴ entstehenGefunden in drei Schmelzen 49,5 – 53,4 – 46,7 Proc. vom
gesammten im unterschwefligsauren Salze befindlichen Schwefel, im Mittel
49,8 Proc. (etwa nebenher laufende Reactionen, wie Bildung von Natriumpolysulfuret, von
Silicat, können unsere Betrachtung nicht alteriren; dadurch wird wohl die Quantität
des Ultramarinkörpers vermindert, aber nicht seine Qualität geändert), also es zeigt
sich, daß dabei 4 Na²SO⁴ entstehen, folglich ist der Rest =
Al²SiNa⁴S⁴O³, welcher sich vom Rest im Ultramarin
unterscheidet durch ein Plus von 2Na²S und ein Minus von N². Nach dem Waschen bei
Luftzutritt wird er zum ersten Mal analysirt (der Analyse der ursprünglichen
Schmelze stellen sich allzuerhebliche Schwierigkeiten entgegen, man müßte im
luftleeren Raume arbeiten), und findet sich jetzt bestehend aus Silicat und einem
Rest = Al²SiS²O⁵; folglich entstand dieß letztere durch Abgabe
von 2Na²S und Aufnahme von 2O. Wird die gewaschene und getrocknete Masse,
welche nur unbedeutend und zwar blaugrün gefärbt ist, mit Salmiak geglüht, so wird
sie zu kornblumenblauem Ultramarin; der Wasserstoff des Salmiaks bildet theils
Wasser, theils entweicht er gasförmig; sein Chlor findet sich als Chlornatrium
wieder; sein Stickstoff tritt mit dem Körper zusammen. Oder: die Masse wird in
Schwefelgas geglüht, so behält sie ihre blaß-blaugrüne Farbe, und wird darauf
blau, wenn man sie an der Luft glüht. Oder auch: vor dem Glühen in Schwefelgas wird
die Masse mit chlorsaurem Kali geschmolzen, so bleibt sie beim Glühen mit Schwefel
ebenfalls blaß-blaugrün und wird erst beim Glühen an der Luft zu Ultramarin.
In allen diesen Fällen ging also der Anlagerung des Stickstoffes eine Desoxydation
voraus. Vergleicht man aber die Zusammensetzung des kaum gefärbten Körpers mit der
des daraus entstandenen Ultramarins, oder sucht man die Gewichtsänderung zu
bestimmen, welche der erste Körper bei seinem Uebergang in den zweiten erfährt, so
findet man die Mengen der feuerfesten Bestandtheile und des Schwefels in beiden
gleich groß, und es bleibt, da eine Gewichtsdifferenz mit Sicherheit nicht zu
ermitteln ist (wenigstens nicht in Präparaten, die wie das in Rede stehende etwa 15
Proc. vom blauen Körper enthalten), nur die Annahme übrig, der durch Reduction
abgeschiedene Sauerstoff müsse ganz nahezu ebensoviel wiegen, wie der eingetretene
Stickstoff, oder gleiche Atome Sauerstoff seyen ausgetauscht gegen gleiche Atome
Stickstoff. Ist nun auch der Stickstoff in diesem selbst bereiteten Ultramarin nicht
besonders bestimmt, so scheint es dem Verfasser doch völlig unzweifelhaft, daß der
Körper seine blaue Farbe ebenso dem Stickstoff verdankt, wie dieß mit dem Eingangs
analysirten der Fall ist.
Die Reihenfolge der Reactionen von der Beschickung an bis zum Ultramarin wäre
hiernach also
Textabbildung Bd. 206, S. 374
Beschickung; schwefebasisches
Oxydulsulfuret; welche entfernt werden
Dazu 2 O der Luft =
Textabbildung Bd. 206, S. 375
Ultramarinogen; welche entfernt
werden
Dazu S in Dampfform =
Textabbildung Bd. 206, S. 375
Oxysulfuret; welche entfernt
wird
Dazu 2 N der Luft =
Textabbildung Bd. 206, S. 375
Ultramarin