Titel: | Ueber die Ursachen der bei der Sodafabrication nach Leblanc's Verfahren stattfindenden Verluste an Natrium; von A. Scheurer-Kestner. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. CVI., S. 377 |
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CVI.
Ueber die Ursachen der bei der Sodafabrication
nach Leblanc's Verfahren
stattfindenden Verluste an Natrium; von A. Scheurer-Kestner.Man vergleiche die Aufsätze des Verfassers im polytechn. Journal Bd. CLXXIII S. 130, Bd. CLXXV S. 290; Bd. CLXXX S. 51; Bd. CLXXXV S. 214; Bd. CXCVII S. 347.
Aus den Comptes rendus, t. LXXV p. 1184; November
1872.
Scheurer, über die Ursachen der Natriumverluste bei der
Sodafabrication.
In einer der (französischen) Akademie im Juni 1870 eingereichten Abhandlung wies ich
nach: 1) daß beim Schmelzen der Rohsoda weder eine Reduction der Natronsalze zu
Natrium, noch eine Verflüchtigung dieses Metalles stattfindet; 2) daß der größere
Theil der bei der Sodafabrication erfolgenden Verluste von den unlöslichen
Natriumverbindungen herrührt, welche sich in den Sodarückständen bilden. Meine
gegenwärtigen Untersuchungen zeigen, wie sich diese Verluste auf ihr Minimum
zurückführen lassen und geben zugleich Aufschluß über die Hauptursachen der Bildung
dieser unlöslichen Natriumverbindungen.
Bei den von verschiedenen Chemikern (Kynaston, Muspratt, Brown,
Unger, E. Kopp, Scheurer-Kestner)
veröffentlichten Analysen von Sodarückständen bemerkt man, daß deren Natriumgehalt
ein sehr wandelbarer ist. Die Rückstände womit meine Untersuchungen angestellt
wurden, stammten von der in der Fabrik chemischer Producte zu Thann (Elsaß) unter
normalen Bedingungen fabricirten Rohsoda her.
Die analysirten Proben entnahm ich einer Quantität von etwa 4000 Kilogrm.
Rückständen, welche vorher im teigartigen Zustande, wie sie aus den Auslaugbottichen
gezogen, werden, zerkleinert und gemengt worden waren. Die Zerkleinerung hatte den
Zweck, eine die durchschnittliche Zusammensetzung des ganzen Bottichinhaltes
repräsentirende Probe ziehen zu können, welche bei 100° C. getrocknet
wurde.
Erste Versuchsreihe.
(Schwefelsaures Natron, 100; Kalkstein, 95.)
Natrium-Procente.
I.
0,41
II.
0,35
III.
0,41
IV.
0,39
V.
0,38
––––––
Durchschnittlich
0,39
Zweite Versuchsreihe.
(Schwefelsaures Natron, 100; Kalkstein, 112.)
Natrium-Procente.
I.
1,90
II.
1,28
III.
1,30
IV.
1,54
V.
1,41
–––––––
Durchschnittlich
1,36
Der Versuch V war mit einer Rohsoda gemacht worden, bei deren Darstellung sehr fette,
18 bis 20 Proc. Asche gebende Steinkohle als Reductionsmittel verwendet worden war,
während zur Darstellung der übrigen Rohsodasorten nur magere, bloß 10 bis 12 Procent
Asche gebende Steinkohle benutzt wurde. Man sieht, daß die Resultate ungeachtet der
wesentlichen Unterschiede in der Zusammensetzung des Reductionsmittels, nahezu
dieselben waren. Aus diesen ersten Versuchen geht hervor, daß durch Anwendung eines
großen Ueberschusses von Kalkstein die Verluste an Natrium durch Eingehen desselben
in die Rückstände, bedeutend (vom Einfachen bis zum Dreifachen) vermehrt werden.
Die folgenden Versuche wurden mit Rückständen ausgeführt, welche im Laboratorium
erhalten waren, aber von einer fabrikmäßig dargestellten Rohsoda herrührten.
Menge des auf 100
Theileschwefelsaures Natronangewendeten Kalksteines.
Menge des in 100
TheilenRückstände
zurückgehaltenenNatriums.
93,0
0,59
102,0
0,86
107,5
1,27
111,0
1,30
Diese Versuche zeigen, daß nicht nur die Menge des in den Rückständen bleibenden
Natriums mit der Zunahme des Kalküberschusses größer wird, sondern daß sie
proportional mit demselben wächst. Der überschüssig angewendete Kalkstein verwandelt
sich beim Schmelzen der Rohsoda zum größten Theil in Aetzkalk. Die nachfolgenden Versuche zeigen aber, daß
das Kalkhydrat das Bestreben hat, die in der Soda vorhandenen Natriumverbindungen zu
absorbiren; demnach ist es dieser Körper, dessen Gegenwart man den bald größeren
bald geringeren Natriumgehalt der ausgelaugten Rückstände zuschreiben muß.Dieses Bestreben ist von allen Praktikern beobachtet worden, welche
Aetznatron durch Zersetzung einer Lösung von kohlensaurem Natron mittelst
Aetzkalk bereitet haben. Das Kalkhydrat hält jedoch an sich nur Spuren von Natrium zurück; erst wenn
man es mit einer Lösung von kohlensaurem Natron in Berührung bringt, absorbirt es
Natronsalz indem es dasselbe unlöslich macht.
Erhitzt man eine Lösung von Aetznatron mit Kalkmilch zum Sieden, und trennt sie durch
Filtriren vom Absatze, so zeigt dieser letztere einen nur sehr geringen Natrongehalt
(0,13 Procent des getrockneten Absatzes). Wendet man aber anstatt des Natronhydrats
kohlensaures Natron an, so hält der Absatz nach vollständigem Auswaschen (so daß im
Waschwasser kein Natronsalz mehr vorhanden ist) bedeutende Quantitäten von
Natronsalz zurück. Bei zwei derartigen Versuchen fand ich 4,95 und 4,75 Proc. davon
in dem trockenen Absatze.
Durch diese Versuche ist es also erwiesen, daß das Calciumoxyd, indem es sich beim
Auflösen der Rohsoda im Wasser hydratisirt und auf das aufgelöste kohlensaure Natron
reagirt, einen gewissen Antheil von Natronverbindung unlöslich macht; es muß daher,
wie es auch in der Praxis beobachtet wird, die Absorption von Natrium durch die
Rohsoda-Rückstände mit der Vermehrung des Calciumoxydes in diesem Producte,
oder, was dasselbe ist, mit dem Ueberschusse des angewendeten. Kalksteines
wachsen.
Der Einfluß der Porosität der Rohsoda wird durch die nachstehenden Versuche außer
Zweifel gestellt. Ich laugte poröse, von einem sorgfältig geleiteten Schmelzen
herrührende Rohsoda im Großen aus, und zur Vergleichung ebenso ein dichtes Product;
dieselben Producte wurden im Laboratorium zerrieben und aufgelöst. Die Rückstände
von der porösen Soda enthielten 1,44 Proc. Natrium; die von dem dichten Producte
herrührenden 1,97 Proc. Die Rückstände von den zerriebenen Proben gaben: der erste
0,85, der zweite 0,80 Proc. Natrium.
Somit wurden durch das Zerreiben beide Proben auf denselben Zustand gebracht und die
Rückstände zeigen sich in ihrer Zusammensetzung ziemlich gleich, während die durch
die fabrikmäßige Auslaugung erhaltenen Resultate um etwa 27 Procent von einander
abweichen. Der Einfluß der Textur des Productes ist jedoch weniger beträchtlich, als
derjenige der Anwendung eines Ueberschusses von Kalkstein.
Demnach ist es, um die Verluste an Natrium möglichst zu vermeiden, erforderlich, die Menge des zur
Fabrication angewendeten Kalksteines zu reduciren, wenigstens so weit es die
Qualität der zu fabricirenden gereinigten Soda gestattet; und die Rohsoda welche die
besten Erträge an löslichen Salzen gibt, ist diejenige, welche, nachdem sie genügend
erhitzt worden, so daß sie eine starke Entwickelung von Kohlenoxyd veranlaßt wenn
sie aus dem Ofen gezogen wird, den geringsten Ueberschuß von Kalkstein enthält.In meinen früheren Mittheilungen habe ich nachgewiesen, daß die Entwickelung
von Kohlenoxydgas erst dann beginnt, wenn die Operation sich ihrem Ende
nähert, und daß dieselbe nur von der Reduction des Kalksteines durch die
Kohle herrührt.