Titel: | Ueber die Einwirkung des krystallisirbaren Zuckers auf weinsaures Kupferoxydkali; von E. Feltz. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. CVIII., S. 384 |
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CVIII.
Ueber die Einwirkung des krystallisirbaren
Zuckers auf weinsaures Kupferoxydkali; von E. Feltz.
Aus den Comptes rendus, t. LXXV p. 960; October
1872.
Feltz, über die Einwirkung des Trommer'schen Reagens auf
krystallisirbaren Zuckers.
Die quantitative Bestimmung des Traubenzuckers ist auf die durch denselben beim
Kochen bewirkte Reduction des weinsauren Kupferoxydkalis (Barreswil's Reagens) gegründet. Diese Reaction ist sehr empfindlich;
einige Kubikcentimeter einer im Deciliter ungefähr einen halben Gramm Traubenzucker
enthaltenden Lösung genügen zur vollständigen Entfärbung von 10 Kub. Cent.
Probeflüssigkeit. Nimmt man anstatt der Traubenzuckerlösung eine analoge Lösung von
krystallisirbarem Zucker, so bleibt die Kupferoxydlösung klar, und man bemerkt gar
keine Fällung von Kupferoxydul. Aus diesem Verhalten hat man gefolgert, daß der
krystallisirbare Zucker auf das Reagens keine Einwirkung ausübt.
Indem ich in Lösungen von krystallisirbarem Zucker Spuren von Traubenzucker zu
bestimmen suchte, gelang es mir zu constatiren daß die weinsaure
Kupferoxydkali-Lösung auch durch Rohrzucker reducirt werden kann. Die
Richtigkeit dieser Thatsache wird durch die nachstehenden Versuche erwiesen:
I. 10 Kub. Cent. Kupferflüssigkeit, nach Violette's Vorschrift bereitet, wurden mit 20 K. C. einer 6 Grm.
raffinirten Zucker enthaltenden Rohrzuckerlösung versetzt. Das Gemisch wurde in
einem kleinen gläsernen Probirkolben im Sieden erhalten; nach Verlauf von 25 Minuten
war alles Kupfer ausgefällt und die blaue Farbe hatte sich in eine intensiv gelbe
umgewandelt.
II. Bei fortgesetztem Kochen der nicht mit Zucker versetzten
Kupferflüssigkeit entsteht gar kein Niederschlag.
III. Erhitzt man die Zuckerlösung in Gegenwart von überschüssigem
Kalk zum Sieden, so färbt sie sich nicht, wie es bei einem Gehalte derselben an
invertirtem Zucker der Fall seyn würde. Befreit man die rohrzuckerhaltige
Flüssigkeit durch Behandlung mit einem Kohlensäurestrome von dem Kalke, mit welchem
sie gekocht worden war, so reducirt sie die Flüssigkeit genau wie bei Versuch I.
Da die Reduction der Kupferflüssigkeit einem unreinen Zustande der zu ihrer Bereitung
verwendeten Salze zugeschrieben werden konnte, so reinigte ich sowohl das dazu
benutzte schwefelsaure Kupferoxyd, als auch das weinsaure Natronkali durch
wiederholtes Umkrystallisiren. Das mit Kalk dargestellte Netznatron ersetzte ich
durch reines Natron. Die auf solche Weise erhaltene Probeflüssigkeit wird für sich
durch Kochen nicht zersetzt, verhält sich aber in Gegenwart von krystallisirbarem
Zucker ebenso wie das zu Versuch I benutzte Reagens.
Zur Darstellung der Kupferflüssigkeit besitzen wir bekanntlich verschiedene
Vorschriften. Die von Fresenius angegebene weicht von der
Violette'schen nur hinsichtlich der Menge von freiem
Natron ab. Monier ersetzt das Seignettesalz durch saures
weinsaures Kali (Weinstein); andere Chemiker ziehen neutrales weinsaures Natron vor.
Die mit Weinstein dargestellten Probeflüssigkeiten hat man fast allgemein
aufgegeben, weil ihre Reduction keine scharfe ist. Der wesentliche Unterschied der
nach den verschiedenen Angaben bereiteten Probeflüssigkeiten besteht jedoch in
Wirklichkeit in der verschiedenen Menge des freien Alkalis. Die am stärksten
alkalisches Flüssigkeiten geben bei Gegenwart von Glucose die schärfsten Reactionen
und sind der Veränderung weniger ausgesetzt. Patterson
hat sogar kürzlich nachgewiesen,Polytechn. Journal Bd. CCIV S. 402,
erstes Juniheft 1872. daß eine durch zu langes Aufbewahren veränderte Probeflüssigkeit durch
Zusatz einer gewissen Menge Aetznatron ihre ursprünglichen Eigenschaften wieder
erhalten kann.
Die beiden Flüssigkeiten (a) und (b) wurden bereitet: (a) nach der Vorschrift
von Violette, und (b) nach
der Vorschrift mit neutralem weinsaurem Natron und mit großem Ueberschusse an
Alkali:
10 Kub. Cent. der Lösung (a) enthalten
0,632 Grm. freies NaO.
10 Kub. Cent. der Lösung (b) enthalten
1,34 Grm. freies NaO.
Mit 20 K. C. der 6 Grm. Zucker enthaltenden Zuckerlösung versetzt
und zum Kochen erhitzt, entfärbten sich die 10 K. C. der Lösung (a) nach fünfundzwanzig Minuten. Unter denselben
Bedingungen erfolgte die Entfärbung der 10 K. C. der Flüssigkeit (b) nach zehn Minuten.
Setzt man etwa 0,600 Grm. NaO zu 10 K. C. der Flüssigkeit (a), so entfärbt sich dieselbe vollständig nach fünfzehn
Minuten. Somit wirkt der Rohrzucker auf die Kupferlösung um so kräftiger reducirend
ein, je mehr freies Natron letztere enthält.
Die folgenden vier Versuche wurden mit der Flüssigkeit (b) angestellt:
I. 10 K. C. der Flüssigkeit (b), mit 6
Grm. Raffinade versetzt, entfärbten sich in zehn Minuten.
II. 10 K. C. derselben Flüssigkeit mit 3 Grm. Raffinade entfärbten
sich in zehn Minuten.
III. 10 K. C. der Flüssigkeit (b), mit
1,5 Grm. Raffinade versetzt, entfärbten sich in vierzehn Minuten.
IV. 10 K. C. der Flüssigkeit (b), mit
0,6 Grm. Raffinade versetzt, entfärbten sich in dreißig Minuten.
Die zu diesen Proben verwendete Raffinade stammte aus der russischen Zuckerraffinerie
des Grafen Bobrinsky. Die Versuche wurden mit Say'schem Zucker erster Qualität, und endlich mit einem
sehr schön krystallisirten weißen Kandiszucker aus einer Raffinerie in Cöln wiederholt; man
erhielt gleiche Resultate.
Es erscheint demnach außer Zweifel, daß der krystallisirbare Zucker die
Kupferflüssigkeit unter dem Einfluß eines Alkaliüberschusses reducirt. Daher haben
die so häufig vorgenommenen Bestimmungen der Glucose in Gemengen beider Zuckerarten
nur eine relative Genauigkeit, und werden vollständig ungenau wenn es sich um die
Bestimmung bloßer Spuren von Glucose in Gegenwart großer Mengen von
krystallisirbarem Zucker handelt.
Dr. Scheibler wies schon im
Jahre 1869 auf die relative Ungenauigkeit der Bestimmungen der in einem Gemenge
beider Zuckerarten enthaltenen Glucose hin, indem er die Hypothese als
wahrscheinlich aufstellte, daß das Kupferreagens durch den krystallisirbaren Zucker
reducirt wird.
Nachschrift; vonDr. C. Scheibler.
Ich habe im Jahre 1869Zeitschrift des Vereines für die Rübenzuckerindustrie im Zollverein, Bd. XIX
S. 386. gelegentlich einer Besprechung von Versuchen welche Dubrunfaut über das angebliche Vorkommen von Glucose in den
Rübenrohzuckern und Raffinaden veröffentlichte,Polytechn. Journal Bd. CXCII S.
158. hervorgehoben daß die Losung des Rohrzuckers für sich allein die alkalische
Kupferlösung zu reduciren vermöge und daß die Menge des sich ausscheidenden
Kupferoxyduls von der Dauer der Operation abhänge. Den Versuchen Dubrunfaut's entgegen, hob ich speciell hervor, daß es
nicht immer statthaft sey, auf einen Glucosegehalt in den Raffinaden u.s.w. zu
schließen, wenn diese in geringer Menge die Kupferlösung afficirten.
Wörtlich sagte ich (a. a. O.):
„Läßt man nämlich aus einer Bürette eine Rübenzucker-Lösung von
bekanntem Gehalt, die man auf Glucose untersuchen will, in eine abgemessene, im
Kochen erhaltene Quantität Fehling'scher Kupferlösung
in streng vorgeschriebener Weise eintropfen, so hängt die Menge verbrauchter
Zuckerlösung nach Kubikcentimetern lediglich davon ab, wie rasch oder langsam
man operirt. Bei raschem Eintropfenlassen in kleinen Zeitpausen wird man viel
Zuckerlösung verbrauchen müssen bis zur Endreaction, und demnach auf einen
kleinen Glucosegehalt schließen, umgekehrt, bei langsamer Ausführung der
Operation früher die Endreaction erreichen und einen großen Glucosegehalt daraus
berechnen. Kurz, man wird nach Belieben die wechselndsten Resultate erhalten können. Der Grund
ist offenbar der, daß nicht allein die Glucose, sondern selbst der reinste
Rohrzucker als solcher sich an der Zerlegung der Kupferlösung betheiligt, wenn
auch langsamer, mit anderen Worten: nicht allein die zu der Classe der Glucosen
zählenden Zucker üben eine zersetzende Wirkung auf Kupferlösung, sondern auch
der Rohrzucker selbst, so daß es unstatthaft ist, die Analyse der Gemische von
Rohrzucker und Glucose mittelst Fehling'scher
Kupferlösung auszuführen, falls man genaue und nicht nur relativ richtige
Resultate erzielen will.“
Diese Bemerkungen stützte ich, wie ich auch hervorhob, auf vieljährige und zahlreiche
Erfahrungen, so daß das hier erwähnte Verhalten der Gemische von Rohr- und
Traubenzucker nicht zweifelhaft seyn kann. Ich habe dieses Verhalten nicht allein
durch eigene sorgfältige Versuche wiederholt festgestellt, sondern auch seit dem
Bestehen des von mir geleiteten Laboratoriums des Rübenzucker-Vereines durch
Assistenten und Schüler desselben zu deren Belehrung in der Weise bestätigen lassen,
daß ich in Gemischen von Rohr- und Traubenzucker von bekannten Gehalten den
letzteren Zucker durch Fehling'sche (Trommer'sche) Kupferlösung bestimmen ließ, wobei sich
regelmäßig zu hohe Resultate für denselben ergaben. (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft zu Berlin, 1872, Nr. 17.)