Titel: | Ueber den Kieserit, seine Eigenschaften und Verwendungen; von Dr. H. Grüneberg. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. CXXVII., S. 466 |
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CXXVII.
Ueber den Kieserit, seine Eigenschaften und
Verwendungen; von Dr. H. Grüneberg.Vom Verfasser aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft
mitgetheilt.
Grüneberg, über Eigenschaften und Verwendungen des
Kieserits.
Der Kieserit (MgSO⁴, H²O), bildet bekanntlich einen wesentlichen Theil
des Staßfurter Abraumsalzes, welches davon circa 12
Proc. enthält; er zeichnet sich vor dem Bittersalz (MgSO⁴, 7H²O) aus
durch seine Schwerlöslichkeit in kaltem Wasser; letztere bietet die Möglichkeit, ihn
aus dem Abraumsalz leicht isoliren zu können.
Die ersten Versuche, den Kieserit zu gewinnen, wurden seiner Zeit (1864) vom
Verfasser zu dem Zwecke vorgenommen, dieses augenscheinlich werthvolle Material für
die Darstellung von schwefelsaurem Kali zu verwenden. Das jetzt allgemein befolgte
Verfahren zur Abscheidung des Kieserits ist folgendes: Die nach dem Auskochen des
Abraumsalzes – dem bekannten Verfahren, das Kalisalz daraus zu extrahiren
– verbleibenden Salzrückstände werden auf trichterförmigen Gefässen mit
kaltem Wasser überrieselt; Steinsalz und sonstige lösliche Salze der Rückstände
lösen sich auf; sie fliehen mit dem dadurch freigemachten
Kieserit-Krystallmehl und den sonstigen unlöslichen Theilen des Abraumsalzes
– Anhydrit, Boracitschlamm, Thonschlamm – in die unter den Trichtern
befindlichen Schlammcanäle. In diesen Canälen lagern Kieserit und die letztgenannten
Stoffe nach ihrer specifischen Schwere ab; der Anhydrit vornehmlich in den der
Einströmung zunächst liegenden Theilen derselben, darauf der Kieserit, schließlich sonstige
leichtere Beimengungen, welche in der Regel fortfließen, hier und da noch in
besonderen Klärbassins abgesetzt werden. Das reinere Kieseritmehl wird aus den
Schlämmcanälen alsbald in eiserne Formen gefüllt, erstarrt in denselben unter
Erwärmung, indem sich ein Theil desselben in die 7fach gewässerte Verbindung
verwandelt und hierdurch den Nest zu einer festen Masse zusammenkittet, und bildet
nun den sogenannten Blockkieserit, rohen Kieserit,
welcher mit einem Gehalte von ca. 60 Proc. MgSO⁴
in den Handel gebracht wird. Die Verwendungen des Kieserits haben sich, seit der
Verfasser die ersten Mittheilungen über dieses Product publicirte, und die
Industriellen aufforderte, sich mit dem Gegenstande stärker zu beschäftigen,
gemehrt; es ist nicht bei der Verarbeitung zu schwefelsaurem Kali und zu
krystallisirtem Bittersalz geblieben; der größte Theil des Kieserits geht nun seit
Jahren nach England, daselbst von den Staßfurter und Leopoldshaller Fabriken anstatt
des seither üblichen, aus Dolomit oder aus griechischem Magnesit dargestellten
Bittersalzes eingeführt, und dient hier in den Baumwoll-Appreturanstalten zum
sogenannten „Beschweren“ der Gewebe. Der Consum für diesen
Industriezweig ist ein außerordentlich großer. Ein anderer großer Theil Kieserit
wird, wenn die Winterkälte diese Fabrication möglich macht, in Staßfurt, namentlich
Leopoldshall, in Gemeinschaft mit dem Steinsalz der Abraumsalzrückstände, zur
Fabrication von krystallisirtem Glaubersalz verwendet und liefert ein von den
Glashütten, weil es eisenfrei ist, sehr gesuchtes Product. Fernere geringere
Quantitäten werden von Blanc-fixe-Fabriken
verbraucht, welche denselben an Stelle von Schwefelsäure zur Fällung des
BaSO⁴ aus dem Chlorbarium benutzen. Die Verwendung des Productes in allen
ähnlichen Fällen, wo es sich darum handelt, ein schwerlösliches schwefelsaures Salz
zu fällen, liegt nahe. – Nicht unerheblich ist auch der Consum des Kieserits
in der Landwirthschaft, seitdem Dr. Pincus nachgewiesen hat, daß die schwefelsaure Magnesia,
namentlich in der Kleedüngung den Gyps zu ersetzen, ja denselben in seinen Erfolgen
zu überbieten vermag; namentlich wiederum ist England in dieser Richtung
vorgeschritten und endlich, sollen wir uns auf das Gebiet der Vorschläge begeben,
dürfte die Alaunfabrication unter Umständen Nutzen aus der löslichen Schwefelsäure
des Kieserits ziehen. Das bekannte Thonerde-Mineral Bauxit, welches im
südlichen Frankreich und in Wochein (Böhmen) gefunden wird, in Salzsäure, wo diese
geringen Werth hat, gelöst, die Lösung mit geringgrädigem, also wohlfeilem Kalisalz
und dem entsprechenden Kieserit versetzt, scheidet das Aequivalent Alaun fast
vollständig ab, in der Mutterlauge Chlormagnesium zurücklassend.
Alle die oben angedeuteten Verwendungen genügen aber bei weitem noch nicht, um die
großen Quantitäten Kieserit, welche in Staßfurt und Leopoldshall gewonnen werden,
und die sich auf mehrere 100,000 Centner beziffern, zu bewältigen; es muß auf eine
noch allgemeinere Verwendung gesonnen werden, eine solche die mit Leichtigkeit große Massen des Materiales consumirt. Eine solche würde
gefunden seyn, wenn es gelänge, den Kieserit zu einem Baumaterial zu verwenden;
könnte der Kieserit in dieser Richtung nur den Gyps ersetzen, so würde der Ausweg
gefunden seyn; es ist hierzu vor Allem nöthig, seine Löslichkeit zu verringen.
– Die Zusammensetzung des Polyhalits (2CaSO⁴ + MgSO⁴ +
2K²SO⁴ + H²O) führte den Verfasser darauf, die Fähigkeit der
schwefelsauren Magnesia, Doppelsalze zu bilden, zur Darstellung eines Doppelsalzes
aus MgSO⁴ + CaSO⁴ zu versuchen; es wurden 2 Aequivalente Kieserit mit
1 Aeq. Kalkhydrat unter Wasserzusatz gemischt. Die breiförmige Masse erstarrte unter
Erwärmung und enthielt nun CaSO⁴ + MgSO⁴ + MgO, zeigte jedoch
keinerlei brauchbare Eigenschaften, da sie für eine technische Verwendung zu weich
erschien. – Als jedoch das so erhaltene Product einer ziemlich starken
Glühung ausgesetzt, dann aufs Neue gepulvert und darauf mit Wasser angerührt worden,
erhärtete dasselbe schnell zu einer marmorähnlichen Masse, welche mancherlei
schätzenswerthe Eigenschaften darbietet; es ist in der Härte eher dem Marmor als dem
Gypse ähnlich, läßt sich, wie es scheint, poliren und widersteht der Feuchtigkeit
bis zu einem gewissen Grade, – eine vor vier Monaten dargestellte Platte
daraus zeigt an der Oberfläche keinerlei Veränderungen.
Es erscheint nicht zweifelhaft, daß der so mit dem Kieserit dargestellte Cement
mancherlei Verwendungen finden kann, zumal für architektonische Verzierungen, sofern
sie im Inneren der Gebäude anzubringen sind, für Flurbelegplatten und dergleichen;
und es wird dadurch die Möglichkeit gegeben werden, andere neue Verwendungen nicht
ausgeschlossen, ein Material welches heute nicht den Rang einnimmt, der ihm seiner
mannichfachen nützlichen Eigenschaften wegen gebührt, auf seinen Werth zu bringen.
Wenn im Vorstehenden hierzu die Anregung gegeben wurde, so ist die Absicht des
Verfassers erfüllt.