Titel: | Ueber die chromoskopische Farbenbestimmung; von Ferdinand Jicinsky. |
Autor: | Ferdinand Jicinsky |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XXIV., S. 67 |
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XXIV.
Ueber die chromoskopische Farbenbestimmung; von Ferdinand Jicinsky.
Mit einer Abbildung.
Jicinsky, über die chromoskopische Farbenbestimmung.
Jede Meßvorrichtung ohne Ausnahme enthält die Vergleichs- oder Normaleinheit und das Untersuchungsobject, und beide können als Compensatoren fungiren. Bei der
chromoskopischen Untersuchung speciell ist das Object eine gefärbte Flüssigkeit, weßhalb es am vortheilhaftesten ist, den Compensator ebenfalls als gefärbte Flüssigkeit anzuwenden. Das Instrument
beantwortet dann die Frage: in welcher Schichte müssen wir die Normalflüssigkeit im Verhältniß zur normalen Schichte eines
gefärbten
Saftes auftragen, um die Farbe, resp. Dunkelheit des letzteren zu erreichen?
Hiernach mußte natürlich das erste Instrument dieser Art, das Stammer'sche Chromoskop, eine
Normalflüssigkeit und die Normalbeobachtungsröhren zur Aufnahme der Säfte enthalten. Es war dann noch erforderlich, die
Normalflüssigkeit zu bereiten, zu prüfen und hinsichtlich ihrer Veränderlichkeit zu controlliren. Den Maaßstab hierzu lieferte
abermals eine Normaleinheit, nämlich das Normalfarbeglas.
So erhielt also das Chromoskop statt einer einzigen Vergleichseinheit und Compensation, wie dieß in den meisten Fällen hinreicht,
eine
Ausstattung mit drei normalen Größen, welche bei den Untersuchungen gleichzeitig berücksichtigt werden mußten.
Die neueste Umgestaltung des Chromoskops zu dem sogenannten Farbenmaaß
Polytechn. Journal, 1872, Bd. CCIII S. 137 und Bd. CCVI S. 331. verfolgt offenbar den entgegengesetzten Weg des ersteren, denn es läßt sein Untersuchungsobject gleichzeitig als Compensator
fungiren, wodurch die Compensation einer anderen Normallösung entbehrlich wird und als Vergleichseinheit das Normalfarbeglas
adoptirt
werden kann. Das Instrument beantwortet nun die Frage: in welcher Dicke muß der zu prüfende Saft aufgebracht werden, um die
Dunkelheit
seines Normalfarbeglases zu substituiren? In diesem Normalfarbeglas concentriren sich gewissermaßen sämmtliche drei Normaleinheiten
des Chromoskops, wodurch das Instrument an Einfachheit, Billigkeit und Bequemlichkeit der Handhabung ungemein gewonnen hat.
Das physikalische Princip sowohl beim Chromoskop als beim Farbenmaaß soll die Lichtabsorption und
Lichtmodification seyn, welche lediglich durch die Flüssigkeitsfarbe hervorgerufen wird. Auf diesem Princip
allein fußt aber das Chromoskop nicht. Die Nuance des Gesichtsfeldes, welche als Farbe bezeichnet wird,
sollte richtiger gefärbte Helligkeit oder Dunkelheit benannt werden. Die Begriffe von Licht- und
Farbenabsorption lassen sich nicht trennen, denn Beides ist Licht.
Aus diesem Grunde sind alle Instrumente welche die Compensation durch Verschiedenheit einer Farbendicke hervorbringen, sowie
das
Chromoskop und Farbenmaaß mit einem geringen Fehler behaftet. Derselbe modificirt sowohl das absolute als das relative Resultat
in
ganz variablen Grenzen und beruht auf jener Lichtabsorption, welche
getrennt von der Farbe, mit der Dicke der Flüssigkeitsschichte zusammenhängt.Diese Lichtabsorption befähigt auch das Stammer'sche Chromoskop zu photometrischen Untersuchungen, welche noch eine ungleich höhere Genauigkeit in Anspruch nehmen dürften, als die
Farbenbestimmung mittelst desselben Instrumentes. So z.B. gibt die Compensationsröhre des Chromoskops, mit Wasser gefüllt, immer die weiße Farbe, aber mit zunehmender
Flüssigkeitsschichte nimmt die Helligkeit dennoch ab, und bei gefärbten Medien hat dieß den Einfluß, daß sie dann dunkler
oder
intensiver in der Farbe erscheinen, als sie es in der That sind. Der Beobachter wird dann die Compensationsröhre früher einstellen
und
eine niedrigere Farbe an der Scala ablesen, als dieß nach der wahren Färbung eintreffen müßte.
Nehmen wir z.B. an, es sey für eine bestimmte Saftfarbe der Absorptionscoefficient per Millimeter Dicke =
α, und wir erreichen die Nüance bei 20 Millimet. Compensation, so ist die Saftfarbe nicht = 20,
sondern = 20 + 20 α, also um einen Bruchtheil größer als die scheinbare Farbe 20. Es wäre demnach
eine kleine Correction mittelst des Absorptionscoefficienten erforderlich, welcher für jede Farbe ein anderer ist. Wie gesagt,
ist der
Fehler gering, so lange man es mit hellen Producten und mit bloßen Farbendifferenzen zu thun hat. Wird aber die Abnahme und
Zunahme
der Intensität nach Procenten gerechnet, wie dieß immer der Fall ist, so wächst der Fehler bis in die ganzen Procente.
Der Einfluß einer Lichtabsorption wird, wenigstens relativ, behoben durch Chromoskope, welche ein und dieselbe Flüssigkeitsschichte
für
alle Untersuchungen bewahren und die Compensation mit Wasserverdünnung, nämlich mit einer Titration bis zur Helligkeit der
Normallösung oder des Normalfarbeglases bezwecken. Einen Repräsentanten für diese Art Instrumente, wo die Dunkelheit nach
der
erforderlichen Verdünnung classificirt werden muß, finden wir in dem Colorimeter von Salleron.Beschrieben im polytechn. Journal, 1872, Bd. CCIII S. 141.
Dasselbe eignet sich namentlich zur vergleichenden Prüfung von Fabricationsproducten derselben Art, z.B. zur Ermittelung der
Entfärbungskraft zweier Knochenkohlesorten, der Entfärbung des Saturationssaftes, oder des filtrirten Dünn- und Dicksaftes
etc.
Seine einfache Form macht es zu raschen Betriebsuntersüchungen sehr tauglich. Jedoch ist auch jede andere Farbenuntersuchung
damit
möglich, wenn wir die Normalfarbelösung oder das Farbeglas des Stammer'schen Chromoskops darauf übertragen, also eine Combination beider Instrumente
hervorbringen.
Ich empfehle daher mit Berücksichtigung des letzteren Punktes folgende Modification des Colorimeters, welche, ohne besondere
Kosten zu
veranlassen, jede praktische Farbenuntersuchung mit hinreichender Genauigkeit ermöglicht.
Textabbildung Bd. 208, S. 70
Fig. 1 zeigt das Doppelgefäß A, B des Salleron'schen Colorimeters. Dasselbe wird an der vorderen Außenfläche mit einem dunklen Papier, welches die zwei
Spalten a und b frei läßt, verkleidet. Ist das Gefäß A zur Aufnahme des Untersuchungsobjectes bestimmt, so enthält B entweder
die Normalflüssigkeit, oder man setzt an Stelle der Spalte b das Farbeglas des Stammer'schen Chromoskops. Da mm die Farbe nach ihrer erforderlichen Verdünnung d.h. Aufhellung gemessen wird, so folgt
aus dieser einseitigen Compensation die Nothwendigkeit einer sehr hellen Normalfarbe. Man wählt für die letztere z.B. die
Farbe
eines hellen Dünnsaftes und benutzt dann Stammer's Normalulminlösung in 5- oder 10facher
Verdünnung im Gefäß B, oder man hat drei verschiedene Normalfarben für sehr helle, für dunklere und
ganz dunkle Producte und reducirt dann das gefundene Resultat auf Stammer's Normalglas. Die Titration
im Gefäße A wird so lange fortgesetzt, bis die Farbeneinheit beider Spalten sich eingestellt hat.
Hinsichtlich der Beleuchtung gelten dieselben Regeln wie beim Chromoskop und Colorimeter. Zum Ueberfluß kann die Beobachtung
mit Hülfe
eines prismatischen Tubus, den man sich selbst anfertigt, unterstützt werden. Eine Farbeneinstellung unter absolutem Lichtabschluß
ist
bei dieser Gestaltung der Vorrichtung nicht nothwendig, und das freie Auge kann sich an Farbenidentität eben so gut gewöhnen
als z.B.
an die feine Nüancirung bei der Prüfung auf Säuren mittelst Lackmus oder auf Stärkeflüssigkeit mittelst Jod.
Bredow, im März 1873.