Titel: | Pyrometrische Versuche von A. Weinhold, Prof. an der kgl. höheren Gewerbschule zu Chemnitz. |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XXXVI., S. 125 |
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XXXVI.
Pyrometrische Versuche von A. Weinhold,
Prof. an der kgl. höheren Gewerbschule zu Chemnitz.
Weinhold, pyrometrische Versuche.
Der Verfasser hat im Osterprogramm der Chemnitzer Gewerbschule eine Arbeit „über die Messung hoher Temperaturen“
veröffentlicht, von der er hier dasjenige mittheilt, was nicht speciell physikalischer Natur ist, sondern Bezug auf Pyrotechnik
hat.
Es handelte sich darum, zu entscheiden, bis zu welchem Grad die existirenden Pyrometer brauchbar und zuverlässig seyen. Als
Normalinstrumente zur Vergleichung können natürlich nur Luftthermometer dienen, weil nur bei gasigen Körpern eine durch die
mechanische Wärmetheorie gegebene directe Beziehung zwischen der Zunahme des Druckes oder Volumens und der Temperaturzunahme
besteht.
Das Luftthermometer ist in der Einrichtung, welche es erhalten muß, um
sichere Resultate zu geben, ein so complicirtes und schwierig zu handhabendes Instrument, daß an eine technische Verwendung
desselben
schlechterdings nicht zu denken ist; Niemand sollte aber Pyrometer construiren, ohne sie mit dem Luftthermometer zu vergleichen.
Bei
den meisten Pyrometern ist eine solche Vergleichung wohl kaum versucht worden.
Der Verfasser hat sechs Pyrometer untersucht, eines nach Gauntlett, die von Bock
Polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCV S. 312. und Oechsle,Polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCVI S. 218. das calorimetrische, das Lamy'sche (pyromètre à
marbre)Polytechn. Journal, Jahrg. 1869, Bd. CXCIV S. 209, und Jahrg. 1870 Bd. CXCV S. 525. und das Siemens'sche Widerstandspyrometer.Polytechn. Journal, 1871, Bd. CCI S. 41.
Die Untersuchung der drei erstgenannten, auf der verschieden starken Ausdehnung verschiedener Metalle beruhenden Instrumente,
und eine
Anzahl von Versuchen welche außerdem über die Dimensionsänderung von Körpern beim Glühen angestellt wurden, ergaben, daß die
durch
starke Erhitzung ausgedehnten Körper beim Abkühlen nie wieder völlig ihre frühere Größe erlangen, so daß die Instrumente nach
jedesmaligem Gebrauch andere Resultate geben. Es zeigte
bei einer wahren Temperatur von
507°
13°
328°
533°
227°
330°
20°
407°
20°
ein Pyrometer nach Gauntlett
325°
– 10°
162°
362°
98°
170°
– 10°
310°
10°
bei einer wahren Temperatur von
319°
441°
12°
471°
348°
12°
0°
ein Pyrometer nach Gauntlett
200°
308°
8°
345°
220°
6°
– 2°
bei einer wahren Temperatur von
305°
464°
472°
526°
636°
347°
478°
565°
716°
ein Buck'sches Pyrometer
125°
245°
250°
298°
352°
225°
210°
330°
400°
bei einer wahren Temperatur von
99°
0°
99°
277°
273°
273°
311°
352°
404°
ein Oechsle'sches Pyrometer
111°
2°
109°
325°
315°
310°
338°
372°
401°
bei einer wahren Temperatur von
257°
15°
316°
362°
0°
ein Oechsle'sches Pyrometer
275°
–7°
336°
381°
– 52°
Diese Resultate bedürfen wohl keines weiteren Commentars.
Die calorimetrische Methode, hohe Temperaturen zu bestimmen durch Beobachtung der Temperaturerhöhung einer Wassermasse, in
die eine der
zu messenden Temperatur ausgesetzt gewesene Eisen- oder Platinkugel eingeworfen wird, gibt in der Weise, wie sie vielfach
ausgeführt wird, sehr unsichere Resultate, weil die Temperatur der Wassermasse durch Zuleitung und Zustrahlung von Wärme, aber auch durch Verdampfung beim Einbringen der erhitzten Kugeln
verändert wird. Durch Anwendung einer etwas complicirten Form des Calorimeters lassen sich diese Einflüsse so weit vermindern,
daß man
recht brauchbare Resultate erhält. Für diese Messungen ist die Kenntniß der specifischen Wärmen der angewendeten Metalle erforderlich.
Bei der Untersuchung von Platin und Schmiedeeisen zeigte sich, daß die specifische Wärme des Platins in unregelmäßiger Weise,
aber
nicht bedeutend, mit der Temperatur sich ändert, so daß es für Messungen, die nicht sehr genau seyn sollen, vielleicht zulässig
ist,
sie als constant und zwar = 0,0334 anzunehmen. Für Schmiedeeisen ergab sich:
spec. Wärme bei t° = 0,105907 + 0,00006538 t +
0,000000066477 t²; mittlere spec. Wärme zwischen 0° und t° = 0,105907 + 0,00003269 t + 0,000000022159 t².
Die zur Erwärmung eines Kilogrammes Schmiedeeisen von 0° auf t° erforderliche Wärmemenge W ist:
T
W
t
W
t
W
t
W
5
0,53
50
5,38
300
35,31
600
80,10
10
1,06
100
10,94
350
42,02
700
97,15
15
1,60
150
16,70
400
49,01
800
116,90
20
2,13
200
22,67
450
56,30
900
137,95
25
2,67
250
28,87
500
63,90
1000
160,76
Für technische Zwecke ist die Handhabung des Calorimeters und die Berechnung der damit erhaltenen Resultate etwas umständlich,
wenn
auch nicht so, wie die des Luftthermometers, das sich in den meisten Oefen schlechterdings nicht anbringen läßt.
Bei Untersuchung des Lamy'schen Dissociationspyrometers zeigte sich, daß die Dissociation von Verbindungen,
deren einer Bestandtheil gasig, deren anderer starr ist, überhaupt nicht dem von Debray aufgestellten und
von Lamy angenommenen Gesetz folgt und daß gerade der kohlensaure Kalk, den Lamy
für sein Pyrometer verwendet, ganz eigenthümliche Unregelmäßigkeiten zeigt; das Dissociationspyrometer erscheint darnach als
ein
völliges Unding.
Dagegen hat sich das Siemens'sche Pyrometer als sehr brauchbar und zuverlässig bewährt; es gab, mit dem
Luftthermometer verglichen, bei 550° bis 900° allerdings Differenzen von 25° bis 50°, doch sind diese
ziemlich constant und nach dem gegenwärtigen Stand der Pyrometrie können sie als kleine Fehler gelten; vielleicht ist auch
das
Instrument noch einer Verbesserung fähig durch Berichtigung der Formel, nach der die zugehörige Tabelle berechnet ist. Die
Handhabung
des Instrumentes ist einfach, so daß bei guter Anleitung jeder
einigermaßen intelligente Arbeiter auf seinen Gebrauch einzurichten ist: Form und Ausführung ist für die wirkliche Anwendung
in Oefen
berechnet und es ist nur zu wünschen, daß der Preis von 15 Pfd. Sterl., der an sich zwar etwas hoch, in Rücksicht auf die
Einrichtung
des Instrumentes aber nur als angemessen zu bezeichnen ist, kein Hinderniß einer recht allgemeinen Verwendung seyn möge. (Deutsche Industriezeitung, 1873, Nr. 15.)