Titel: | Bemerkungen über die Verwitterung der Gesteine und über die bei der Krystallbildung stattfindende Volumzunahme; von Friedrich Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XXXVII., S. 127 |
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XXXVII.
Bemerkungen über die Verwitterung der Gesteine und über die bei der Krystallbildung stattfindende
Volumzunahme; von Friedrich Kuhlmann.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, 4. série, t. XXVIII p. 500; April 1873.
Kuhlmann, über die Verwitterung der Gesteine und über die bei der Krystallbildung stattfindende
Volumzunahme.
Um die zur Zerstörung unserer steinernen Denkmäler beitragenden Ursachen zu entdecken, beschäftigte ich mich i. J. 1839 mit
eingehenden
Untersuchungen über die an Steinmauern sich bildenden Salzausblühungen und Auswitterungen, welche allgemein der Salpeterbildung
zugeschrieben wurden. Ich wies nach, daß die an Ziegelsteinmauern so häufig beobachteten Efflorescenzen aus kohlensaurem und
schwefelsaurem Natron, nicht aber aus Salpetersäuresalzen bestehen, deren allerdings gewöhnliche Bildung nur eine nachfolgende
und
theilweise ist; ferner daß diese Natronsalze von dem natürlichen Natrongehalte der den verschiedenen Gebirgsformationen angehörenden
Kalksteine herstammen.Polytechn. Journal, 1841, Bd. LXXX S. 222.
Dieses Studium veranlaßte mich nähere Untersuchungen anzustellen über den Einfluß des Natrons und Kalis auf die Natur der
verschiedenen
Kalksteine, namentlich auf ihren mehr oder weniger hydraulischen Charakter, durch die Bildung von Silicaten.Polytechn. Journal, 1847, Bd. CVI S. 425. Betrachtungen derselben Art veranlaßten meine Untersuchungen über die löslichen Alkalisilicate und deren Anwendung zur
Festigung von Steinbauten,Polytechn. Journal, 1855, Bd. CXXXVII S. 288, 358 und 436. und schon beim Beginne meiner Arbeiten über diese Punkte setzte ich die Gründe auseinander, welche für die gedachten praktischen Verwendungen die Benutzung von kieselsaurem Kali
(Kali-Wasserglas) anstatt des kieselsauren Natrons (Natron-Wasserglases) vorschreiben, indem letzteres Efflorescenzen
bildet.
Es zeigte sich bald, daß ich Recht hatte den nachtheiligen Einfluß der Natronsalze zu fürchten; denn bei Ziegelsteinbauten
machte ich
stets die Beobachtung daß diese Salze, selbst wenn sie in nur sehr geringen Mengen vorhanden sind, unabhängig vom Froste,
einen sehr
nachtheiligen Einfluß ausüben und daß sie überall, wo die Feuchtigkeit durch die Spalten des nicht durch Metallbleche oder
durch
wasserdichte Steine geschützten Mauerwerkes in dasselbe eindringen kann, binnen wenigen Jahren die Zerstörung solchen Mauerwerkes
auf
eine Tiefe von 60 bis 80 Centimetern (je nach der größeren oder geringeren Durchdringbarkeit des Gemäuers) herbeiführen. Höchst
auffallend ist bei diesen Erscheinungen, daß bloße Spuren von kohlensaurem Natron, welche von dem zu den Bauwerken verwendeten
Kalksteine herrühren, mit der Länge der Zeit eine beträchtliche Verwitterung (Aufhebung ihres Zusammenhanges) hervorbringen
können,
deren weiteres Umsichgreifen sich sehr schwierig hemmen läßt. Nunmehr gestatten mir meine Studien über die Krystallisationskraft
die
auf einander folgenden Reactionen zu erklären, welche die erwähnten Erscheinungen veranlassen.
Ich habe nachgewiesen, daß wenn feste Körper in krystallisationsfähigen Salzlösungen, in denen sie selbst unlöslich, suspendirt
sind,
dieselben im Augenblicke der Krystallbildung in Bewegung gesetzt werden und eine solche Anordnung erhalten, daß sie verschiedenartige,
der Natur des gelöst gewesenen Salzes entsprechende Figuren bilden, so daß, wenn der feste Körper ein schmelzbares Email ist
und die
Krystallisation der Salzlösung auf einer Glasplatte erfolgt, das Emailpulver sich auf derselben in Form von verschiedenartigen,
blumenähnlichen Gebilden absetzt, welche man auf der Oberfläche der Platte durch Einbrennen in einer Muffel fixiren kann.
Ohne Zweifel haben wir hier die Aeußerung einer gewissen Physikalischen Kraft vor uns; eine ganz andere ist aber die Kraft
welche das
Mauerwerk unserer Monumente zerstört.
Die Ursache dieser Zerstörung wird hauptsächlich der Volumzunahme zugeschrieben, die das Wasser bei seinem Gefrieren erleidet;
nachdem
das Wasser durch Infiltration in poröse Mauern eingedrungen ist, muß es im Winter zum Zerfallen derselben beitragen und sicherlich
liegt in diesem Vorgange eine Hauptursache der in Rede stehenden Zerstörung.
Jedermann weiß, wie kräftig der Frost zur Zertheilung der Gesteine sowohl,
wie auch des Ackerbodens beiträgt; zu dieser Ursache des Zerfallens kommt aber noch eine andere, nicht weniger mächtige, nämlich
das
Vorhandenseyn von salinischen Substanzen, welche durch die im Augenblicke ihres Krystallisirens aus
wässeriger Lösung erfolgende Vergrößerung ihres Volums zur Wirkung gelangen. Vauquelin wies schon i. J.
1792 nach, daß schwefelsaures Natron beim Krystallisiren eine Volumzunahme erleidet und i. J. 1823 verwerthete der Bergingenieur
Brard diese Thatsache zur Ermittelung des größeren oder geringeren Widerstandes, welchen die verschiedenen
Gesteine den Einwirkungen des Frostes darbieten.
Ich wollte mich versichern, ob es sich hier um eine dem schwefelsauren Natron eigenthümliche Erscheinung handelt und prüfte
daher eine
große Anzahl von Salzen, ob sie im Momente ihres Krystallisirens eine Volumänderung erleiden. Aus diesen Versuchen ergab sich,
daß alle Salze welche mit Wasser krystallisiren, an Volum zunehmen.
In einer im Jahre 1855 veröffentlichten Arbeit hob ich den Einfluß hervor, den niedrige Temperaturgrade auf die Anordnung
der
Krystallgebilde meiner oben erwähnten Krystallplatten äußern, und wies nach, daß die Salze welche bei gewöhnlicher Temperatur
in
wasserfreiem Zustande krystallisiren, bei niedriger Temperatur Krystallwasser zurückhalten und Krystalle von abweichender
Form geben
können.
Als Belege dieser Fixirung von Wasser bei dem Krystallisiren der Salze bei niedriger Temperatur, will ich ferner die folgenden
analytischen Resultate anführen:
Schwefelsaures Zinkoxyd hielt bei der Temperatur von 15° C. unter Null 75,50 Proc. Krystallwasser zurück anstatt 44,70 Proc.,
welche dieses Salz gewöhnlich zurückhält.
Schwefelsaures Eisenoxydul, welches bei gewöhnlicher Temperatur 45,60 Proc. Krystallwasser enthält, bindet, wenn es bei niedriger
Temperatur krystallisirt, 77,10 Proc. Schwefelsaures Kupferoxyd krystallisirt in der Kälte mit 90,40 Proc. Wasser, bei gewöhnlicher
Temperatur aber mit 24,30 Proc.; ebenso schwefelsaures Natron mit 81,20 anstatt mit 56 Proc.
In dem gewöhnlich wasserfrei krystallisirenden salpetersauren Bleioxyd, salpetersauren Kali und salpetersauren Natron, gelang
es mir
bei – 15° C. 70,40, 87,50 und 90,90 Proc. Wasser zu fixiren. Hierbei steht die Volumzunahme durch den
Krystallisationsproceß stets mit der Menge des fixirten Krystallwassers in Beziehung. Eines der schlagendsten Beispiele der
Volumzunahme der Salze im Moment ihres Krystallisirens liefert der Gyps.
Schon Lavoisier äußerte den Gedanken, daß der Gyps, indem er beim Hydratisiren anschwillt, einer wahrhaften
Krystallisation unterliegt. Diese Ansicht kann nicht in Zweifel gezogen werden, wenn die Hydratisirung langsam erfolgt, was
ich durch
einige von mir gemachte Beobachtungen über die Hydratisirung des wasserfreien schwefelsauren Kalkes
(Anhydrits) unter dem allmählichen Einfluß der Feuchtigkeit unterstützen kann.
Ich beobachtete nämlich in den Steinsalzgruben von Villafranca, daß die dem Steinsalze eingelagerten Anhydritschichten in
Folge der
steten Berührung mit der feuchten Luft der Stollen und Strecken sich allmählich in Gyps von krystallisch-faseriger Textur
verwandeln und dabei so anschwellen, daß die Wandungen der in der Gebirgsmasse ausgehauenen Oerter und Stöße an der Oberfläche
zerbröckeln.
Dieselben Beobachtungen lassen sich unter gleichen Verhältnissen bei wasserfreiem schwefelsaurem Natron machen.
Ein anderes Beispiel der Volumzunahme des schwefelsauren Kalkes bei seiner Hydratisirung durch Krystallisation ist folgendes.
Vor einigen Jahren wurde ich bei einem Besuche der Saline Schöningen (Braunschweig) von dem Director der dortigen Fabrik chemischer
Producte, Hrn. Adolph Rose, auf einen dort vorgekommenen Vorfall aufmerksam gemacht. Seit langer Zeit war
in der Fabrik eine Pumpe zum Heben gesättigter Soole im Gange, in deren Saugrohr sich stets nur ganz dünne Häutchen von Anhydrit
abgesetzt hatten. Man bemerkte bald, daß die Pumpe weniger Soole lieferte und daß diese schwächer wurde; endlich hörte die
Pumpe zu
functioniren auf, und als die Saugröhren aus dem Bohrloche (Soolschachte) herausgezogen wurden, überzeugte man sich, daß in
Folge
eines durch irgend einen zufälligen Umstand entstandenen Risses Süßwasser in die Röhren gedrungen war und sich mit der Soole
vermischt
hatte; an Stelle einer schwachen Anhydritkruste fand sich nun eine Schicht krystallisirten Gypses von solcher Stärke vor,
daß sie das
Aufsteigen der Soole verhinderte.
Rührt man ein Gemenge von gleichen Theilen Portlandcement und gebranntem Gyps mit Wasser an, so findet nur eine unvollständige
Hydratisirung des Gypses statt, dieselbe vervollständigt sich aber mit der Zeit durch die Feuchtigkeit der Luft, das Gemisch
bläht
sich auf, verzieht sich, und fällt auseinander. Ohne Zweifel findet hier ein ähnlicher Vorgang statt, wie beim Berappen und
Verputzen
von Wänden, wenn dazu Mörtel verwendet wird, welcher Stückchen von nicht gelöschtem Kalk enthält.
Die Volumzunahme durch die Hydratisirung des schwefelsauren Kalkes ist auch bei der Darstellung des zu landwirthschaftlichen
Zwecken
bestimmten Kalksuperphosphates wahrzunehmen, wobei der natürliche phosphorsaure Kalk mit Schwefelsäure imprägnirt wird.
Auch erklärt diese Volumzunahme bei der Bildung der Krystalle das Zerfallen der Eisenkiese, wenn dieselben der Einwirkung
feuchter Luft
ausgesetzt sind, wobei das Zweifach-Schwefeleisen sich zu wasserhaltigem schwefelsauren Eisenoxydul umwandelt. Wir sehen hier,
daß eine mineralische Masse von großer Dichtigkeit und solcher Härte daß sie am Stahle Funken gibt, gänzlich zerfällt und
zu
staubähnlichem Pulver wird. Allerdings wird in den letzteren Fällen das Aufblähen und Anschwellen nicht bloß durch das sich
fixirende
Wasser, sondern auch durch den Sauerstoff der Luft verursacht, welcher sich mit dem Schwefel und dem Eisen verbindet.
Dem Vorstehenden zufolge dürfen wir der bei dem Krystallisiren der Salze stattfindenden Volumzunahme einen Theil der Ursachen
zuschreiben, welche die Zerstörung der Steinmonumente und die Verwitterung der Gesteine herbeiführen. Wie würde sich ohne
den Einfluß
jener Erscheinung die Verwitterung der Felsarten in den Tropengegenden erklären lassen?
Eine einigermaßen analoge Erscheinung ist die, daß irdene Gefäße, nachdem sie mit gesättigter Glaubersalzlösung gefüllt und
dann an
ihrer Mündung fest verschlossen worden sind, in dem Augenblicke zerbersten wo die Krystallisation erfolgt. Ich habe gefunden,
daß
Lösungen von unterschwefligsaurem Natron und von essigsaurem Bleioxyd dieselbe Wirkung hervorbringen.
Im nördlichen Frankreich versetzt man mit Erfolg Mörtel und Beton mit Steinkohlenasche. Als in meinen Fabriken die Asche aus
den Oefen
zum Calciniren des Glaubersalzes, welche noch etwas Glaubersalz enthält, zu demselben Zwecke verwendet wurde, blähte sich
der so
zubereitete Mörtel (Beton) auf und zerfiel zu Staub. Beton, welcher mit Eisenoxyd, das vom Brennen der Kiese herrührte und
noch einen
geringen Antheil Schwefeleisen enthielt, verunreinigt war, schwoll auf und hob dadurch Mauern von bedeutender Stärke. Bei
diesem
Vorgange findet Bildung von wasserhaltigem schwefelsaurem Kalk (Gyps) und Eisenoxyd statt.
Hingegen kann man in graduirten Röhren die Volumverminderung bei Gemischen von Wasser und krystallisirten
wasserhaltigen Salzen constatiren; dieselbe zeigt sich in dem Maaße als die Auflösung der Salze erfolgt. Ich experimentirte mit schwefelsaurem und unterschwefligsaurem Natron, mit schwefelsaurem Zinkoxyd,
schwefelsaurem Kupferoxyd, schwefelsaurem Eisenoxydul und schwefelsaurer Magnesia.
Um das in Tropengegenden stattfindende Zerfallen der Feldspathgesteine, welche (wie Granit, Syenit etc.) Alkalien enthalten,
erklären
zu können, brauchen wir nur zu berücksichtigen, daß die Differenz zwischen der Tages- und Nachttemperatur im Verlaufe von
vierundzwanzig Stunden eine oder mehrere Krystallisationen bei derselben Menge krystallisirbarer Substanzen herbeiführen kann,
so daß
die zerstörende Wirkung eine continuirliche ist und daher mit der Zeit sehr bedeutende Resultate hervorzubringen vermag.
Ich bin überzeugt, daß in manchen Fällen zur Zertrennung von Gebirgsgesteinen, namentlich der Feldspathgesteine und der zur
Düngerfabrication bestimmten natürlichen Kalkphosphate, die Wirkung der Maschinen durch den Einfluß concentrirter Lösungen
der
krystallisirbaren Salze ersetzt werden könnte.