Titel: | Ueber die Kälteerzeugung für industrielle Zwecke durch Expansion permanenter Gase, insbesondere der Luft; von J. Armengaud. |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XLVII., S. 175 |
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XLVII.
Ueber die Kälteerzeugung für industrielle Zwecke durch Expansion permanenter Gase, insbesondere der
Luft; von J. Armengaud.Auszug einer der französischen Akademie der Wissenschaften eingereichten Abhandlung.
Aus den Comptes rendus, t. LXXVI
p. 626; März 1873.
Armengaud, über Kälteerzeugung durch Expansion der Luft.
Bei Maschinen zur Kälteerzeugung auf pneumatischem Wege wird eine Luftmasse zuerst bis zu einer gewissen Spannung comprimirt,
dann
abgekühlt d.h. der während der Compression entwickelten Wärme beraubt, hierauf in einen geschlossenen Raum gegen einen Kolben
geleitet. Hier dehnt sie sich aus, wobei sie eine äußere mechanische Arbeit ausübt, welche man verwerthet, um den größeren
Theil der
bei der Comprimirung consumirten Arbeit wieder herzustellen.
Bei der freien Expansion ist die erzeugte Kälte nur eine momentane, im Momente seines Auftretens erwärmt
sich der Luftstrom wieder auf Kosten seiner eigenen lebendigen Kraft, welche durch den Stoß seiner Molecüle gegen diejenigen
des
ruhenden Mediums verloren geht. Bei der mechanischen Expansion dagegen, welche uns allein hier beschäftigt,
nimmt das Gas keine wahrnehmbare Bewegung an, und seine innere Wärme wird durch die erzeugte äußere Arbeit vollständig absorbirt.
Die
Temperaturerniedrigung vertheilt sich auf die ganze Masse und dauert so lange als man will; die erzeugten negativen Calorien
lassen
sich daher ansammeln, um zu irgend einem praktischen Zweck verwerthet zu werden. Die Bewegungsarbeit, welche die
Maschine beansprucht, ist die Differenz zwischen der für die Compression aufgewendeten und der durch die Expansion restituirten
Arbeit.
Will man die Arbeit der Compression berechnen, so muß man die beiden Hauptmethoden unterscheiden, welche man adoptiren kann,
um die comprimirte Luftmasse abzukühlen d.h. um ihr die durch die Arbeit der
Compression entwickelte Wärme zu entziehen. Nach der ersten Methode wird die Abkühlung mit Hülfe eines vom Cylinder getrennten
Condensators nach der Comprimirung bewerkstelligt. Bei der zweiten Methode nimmt man die Abkühlung während
der Comprimirung vor, d.h. man läßt letztere unter constanter Temperatur vor sich gehen, indem man Sorge trägt, die aus der
Compression resultirende Wärme nach Maaßgabe ihrer Neigung, in sensibler Form aufzutreten, der Luftmasse zu entziehen. Um
diesen Zweck
zu erreichen, kann man den Compressionscylinder mit Wasser umgeben, ein Mittel welches am häufigsten angewendet worden ist.
Das beste
und wirksamste Mittel besteht jedoch darin, daß man das Wasser mit der comprimirten Luft in dem betreffenden Raume selbst
in Berührung
bringt. Bis jetzt ist Letzteres nicht geglückt, weil es praktisch unmöglich war, eine bestimmte Quantität Wasser mitten in
eine in der
Comprimirung begriffene Luftmasse einzuführen. Es ist mir nun gelungen, diese Schwierigkeit durch gleichzeitige Einführung
von Luft
und Wasser in den Compressionscylinder während der Periode des Saugens zu beseitigen. Die Annahme des Giffard'schen Kolbens erleichtert diese Einführung der beiden Fluida, welche dazu bestimmt sind, ihre Wärme rasch
auszutauschen, um ein Gemisch von ziemlich constanter Temperatur abzugeben.
Welches jedoch die Methode der Abkühlung seyn möge, die auf theoretischem Wege von mir aufgestellten Formeln stimmen hinsichtlich
der
Verification folgender Theoreme mit den Versuchsresultaten überein: die zur Erzeugung von Kälte durch mechanische Expansion
der Gase erforderliche effective Bewegungsarbeit hängt für eine bestimmte Masse nur von der absoluten
Anfangstemperatur des Gases bei seinem Eintritt in die Maschine und von dem für die Expansion gewählten Wärmegrad ab. Diese
Arbeit wächst nach einer sehr einfachen Function mit dem Grade der Expansion, welche für die beiden betrachteten Fälle der
Abkühlung
nicht die gleiche ist, und welche, den Grad der Expansion = 2 angenommen, ungefähr zweimal geringer ist, wenn
die Abkühlung während der Comprimirung, als wenn sie nach der Comprimirung vor sich geht.
Man kann die genannte Bewegungsarbeit auf die negative Wärmeeinheit beziehen und auf diese Weise das erreichen, was ich das
mechanische
Aequivalent der Kälte in der Maschine nenne. Dieses Aequivalent hängt lediglich von dem Grade der Expansion ab. Hieraus ergibt
sich
folgendes Gesetz, welches Alles was sich nach der Wärmetheorie voraussehen ließ, rechtfertigt, und dessen Bestätigung von Interesse ist: Die bei der fraglichen Kälteerzeugungsmaschine
zur Production einer bestimmten Anzahl von negativen Calorien nothwendige Bewegungsarbeit ist für alle Gase die gleiche.
Dieser Aufwand an Arbeit ist also von der Natur des angewendeten Gases unabhängig; man kann das am meisten convenirende wählen,
und
dieses ist offenbar die Luft welche wir einathmen, die sich überall vorfindet und nichts kostet.
Da die bewegende Kraft mit dem Grade der Expansion wächst, so ist es wichtig, für die letztere das kleinste Maaß zu wählen,
welches
sich mit der Intensität der zu erzielenden Kälte und den sonstigen Umständen der Praxis verträgt. Die Zahl 2 ist diejenige,
welche den
Vorzug zu verdienen scheint. In diesem Falle, und die Abkühlung während der Comprimirung angenommen, beträgt die Bewegungsarbeit
per Kilogrm. erkälteter bei einer Anfangstemperatur von + 20° C. genommener Luft 1121
Kilogrammeter, d.h. ungefähr 12/100 derjenigen welche eine Druckpumpe erfordern würde, die Luft von gleicher Spannung liefert.
Die
einer Expansion = 2 entsprechende Erniedrigung der Temperatur ist gleich 52° für eine Anfangstemperatur von + 20°. In
der Maschine gelangt man jedoch nicht unter – 30°, und zwar in Folge mehrfacher Veranlassung zur Erwärmung, und weil in
der Luft eine gewisse Quantität Wasserdampf enthalten ist, welcher, obgleich vom Sättigungspunkt weit entfernt, beim Ausströmen
der
kalten Luft zum Nachtheile der zu sammelnden negativen Calorien kleine Schneeflocken absetzt.
Die zur Erzeugung einer Calorie erforderliche mechanische Arbeit beträgt unter den nämlichen Bedingungen 65 Kilogrammeter.
Eine
Pferdekraft oder 270000 Kilogrammeter per Stunde (75 Kilogrammeter per
Secunde) könnte demnach theoretisch 4153 Calorien per Stunde, also ungefähr 41 Kilogramme Eis aus Wasser
von der Temperatur + 20° liefern. Bei der künstlichen Eiserzeugung begnügt man sich mit einer Leistung welche 4 Kilogrm. Eis
per Kilogrm. Kohle liefert, eine Leistung auf die man wohl zählen kann, denn sie beträgt nur den
zehnten Theil der durch die Theorie bestimmten; die kalte Luft wird aber vorzugsweise directen und weit vortheilhafteren Anwendungen
gewidmet werden.