Titel: | Ein Besuch in der Nitroglycerin-Fabrik von George M. Mowbray bei North Adams in Massachusetts; von Adolph Ott in New-York. |
Autor: | Adolph Ott |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XLIX., S. 184 |
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XLIX.
Ein Besuch in der Nitroglycerin-Fabrik von George M. Mowbray bei North Adams in Massachusetts; von Adolph Ott in New-York.
Ott, über Mowbrays Nitroglycerinfabrik.
Die Gründe, welche mich veranlaßten die Nitroglycerinfabrik des Hrn. Mowbray zu besuchen, bestunden darin,
weil das Product dieses Hrn. seit einer Reihe von Jahren in den Vereinigten Staaten fast ohne einen Unglücksfall angewendet
worden
ist, und eben seiner Gefahrlosigkeit halber andere, Nitroglycerin enthaltende Sprengstoffe, wie Dynamit, Dualin, Lithofracteur
und
NitroleumNitroleum oder eigentlich „Porifera Nitroleum“, ist ein Gemisch von Schwamm oder vegetabilischen
Faserstoffen mit Sprengöl. beinahe vollständig verdrängt hat, während diese Körper in Europa eine immer größere Verwendung erlangen. Wie unglaublich
es
auch scheinen mag, so ist es nichtsdestoweniger Thatsache, daß bei der Anwendung von nicht weniger als 150,000 Pfd. des Mowbray'schen Sprengöls und bei 1000 wöchentlichen Sprengungen im Hoosac-TunnelDie Durchbohrung des Hoosac Mountains hat die Herstellung einer directen Verbindung zwischen dem Eriesee (Buffalo), Boston
und
dem Hudson zum Zwecke. Wenn fertig, wird er 25,031 Fuß lang und somit nach Vollendung des Gotthardt-Tunnels der
drittlängste der Welt sein. Ein Bericht über denselben befindet sich in dem von Munn &
Comp., 37 Park Row New-York alljährlich publicirten Science
Record für 1872. in Massachusetts nur 2 Personen und durch bloße Unvorsichtigkeit um's Leben gekommen sind, während beim Gebrauche von nur
600
Pfd. Dualin in demselben Tunnel ein Mann und von nur 250 Pfd. Schießbaumwolle ebenfalls ein Mann getödtet wurde. In seinen
physikalischen Eigenschaften unterscheidet sich das genannte von dem Fabrikanten Trinitroglycerin benannte
Product von dem Nobel'schen Präparat dadurch, daß sich sein Volumen während des Gefrierens um 1/12
verringert, während das letztere sich ausdehnt, ferner erstarrt es bereits bei 7,2° C. (45° F.), das Nobel'sche aber bei 12,8° C. (55° F.); es ist farblos wie Wasser, nie orange farben, erzeugt
durch Detonation keinen Kopfschmerzen („glycerin headache“), und ist, wenn gefroren nicht explodirbar. Während die deutschen Bergämter vorschreiben, gefrorne
Nitroglycerinpatronen nicht zum Sprengen zu verwenden und während in der Fabrication des Sprengöls ein Gefrieren durch Anwendung
von
Warmwasserheizung im Fabrikgebäude auf das Aengstlichste vermieden wird, läßt Mowbray sein Product nur im
gefrorenen Zustande transportiren, und sind nach seiner Versicherung 200,000 Pfd. dieses Sprengstoffes über die rauhesten Gebirgspfade von New-Hampshire, Vermont, Massachusetts,
New-York und nach den Oeldistricten von Pennsylvania versandt worden, ohne daß jemals ein Unglücksfall vorgekommen wäre. Was
die Nichtexplodirbarkeit im starren Zustande betrifft, so ist es erwiesen, daß die Zündhütchen sich eher in das Sprengmaterial
eingraben, als daß es detonirte, und es versagen Pulver, Schießbaumwolle und Knallquecksilber ihre Dienste. Um fernerhin ein
Beispiel
anzuführen, wie gefahrlos die Transportation des Mowbray'schen Trinitroglycerins im krystallisirten
Zustande ist, will ich das Folgende einschalten, bevor ich zur Beschreibung der Fabrication übergehe. Am 3. Mai 1872 fuhr
ein
Specialwagen mit 79 Kannen, 4800 Pfd. des Sprengstoffes enthaltend, über die Chesapeake- und Ohio-Eisenbahn. Während der
Train mit einer Geschwindigkeit von 18 Meilen per Stunde dahinsauste, entgleiste der Wagen den Schienen,
und wurde für eine Distanz von 684 Fuß über die 26 Zoll von einander entfernten Schwellen geschleppt, deren Zwischenräume
außerdem
nicht mit Ballast versehen waren.
Trotz der heftigen Stöße, denen die Nitroglycerinkannen ausgesetzt waren, kam Nichts vor, als daß einige der Kannen aus dem
Wagen
geschleudert wurden; allein auch diese wurden in unversehrtem Zustande gefunden. Kurz gesagt, das Mowbray'sche Fabricat ist, was jene Punkte anbetrifft, von dem bisher in Europa bekannten Sprengöl total verschieden und liefert
nur einen neuen Beweis für die von europäischen sich hier zu Lande aufhaltenden Technikern längst zugestandene Thatsache,
daß, was die
Amerikaner anfassen, sie auch zu einem höheren Grade der Vollkommenheit bringen, als es drüben geschieht. Ob dieser Umstand
theilweise
den hiesigen Patentgesetzen (ohne Zweifel den besten der Welt!) zuzuschreiben ist, ist eine Frage, deren Discussion freilich
nicht
hierher gehört. In dem Folgenden werde ich zum Theil meine an Ort und Stelle genommenen Notizen, zum Theil aber auch ein mir
seither
von Hrn. Mowbray freundlichst übersandtes elegant ausgestattetes WerkTri-Nitro-Glycerin, as applied in the Hoosac Tunnel, Submarine Blasting etc. etc. by G.
M.Mowbray, 1872. benützen.
Ungefähr 300 Fuß von dem westlichen Schacht des Hoosac-Tunnels entfernt, bemerkt man eine zehn Acres umfassende Umzäunung
mit
der häufig daran angebrachten Aufschrift: Nitro-Glycerin Works; – Dangerous; – No Visitors
Admitted.“ Ein zwischen zwei Reihen von Gebäuden führender Weg führt uns zu dem Gebäude, wo die Nitrirsäure dargestellt wird. Es ist dieß eine gut ventilirte Gebäulichkeit von 150 Fuß Länge. Hier sind fünf Retorten von je 22 Kubikfuß Inhalt, wovon jede
mit 300 Pfd. Natriumnitrat und 375 englische Schwefelsäure beschickt wird. Thönerne Röhren leiten die Dämpfe von jeder Retorte
in eine
Reihe von vier Steinzeugvorlagen, welche drei Fuß über dem Boden auf einem Gerüste aufgestellt sind. In die beiden ersten
gießt man je
150 Pfd. Schwefelsäure, in die dritte 100 Pfd., die vierte bleibt leer. Die Salpetersäuredämpfe condensiren sich in den Vorlagen,
wodurch man sofort das zur Nitrirung erforderliche Säuregemisch erhält. Nach Beendigung der Destillation, welche 24 Stunden
in
Anspruch nimmt, wird das aus circa 600 Pfd. bestehende Säuregemisch in Ballons abgezogen, und dieses wird
in einen Trog von Seifenstein entleert, der 18 Ballons faßt. Zur Entfernung der Untersalpetersäure sowie zur Erzielung einer
gleichmäßigen Mischung läßt Mowbray durch eine eiserne Röhre für ungefähr fünf Minuten einen Luftstrom in
den Trog streichen, wodurch der Zweck vollkommen erreicht wird. Früher wurde die Säure zur Verflüchtigung der höhern Oxyde
des
Stickstoffs in Glasgefäßen erhitzt, was jedoch als sehr zeitraubend und umständlich befunden wurde. Man gewinnt durch jene
Operation
eine vollkommen klare und reine Säure, was für die Fabrication von großer Wichtigkeit ist, indem die Anwesenheit von
Untersalpetersäure sowie von salpetriger Säure höchst wahrscheinlich freiwillige Zersetzung, resp. Explosion verursachte.Hr. George F. Barker, Professor der physiologischen Chemie in Yale College in New-Haven
spricht in einem Actenstücke, abgegeben in einem Proceß zwischen der United States Blasting Comp.
und Hrn. Mowbray die Ansicht aus, daß die Eigenschaften des Nitroglycerins durch die Stärke der
verwendeten Säuren bedingt werden. Je concentrirter die Säuren desto reiner und wirkungsvoller sei das Product. Er führt die
Bereitung der Schießbaumwolle als Beispiel an und bemerkt, daß Hadow bewies (siehe Quarterly Journal of the Chemical Society of London 1854, vol. VII pag. 201), es werden durch die Einwirkung eines Gemisches von Salpetersäure und Schwefelsäure auf
Baumwolle wenigstens drei verschiedene Producte gebildet, wovon das kräftigste immer durch die stärksten Säuren erzeugt werde.
Aehnliche Differenzen seien durch verschiedene Experimentateure in Bezug auf Nitroglycerin beobachtet worden. Vergleiche Railton, Quarterly Journal 1854, vol. VII
p. 222; De Vrij, Journal of Pharmacie,
séries III vol. XXVIII p. 38, 1855, Liecke, im polytechnischen Journal, Bd. CLXXIX S. 157, 1866. In der letztern Abhandlung sind die Methoden beschrieben, mittelst welcher
Mono-Nitroglycenn, Di-Nitroglycerin und Tri-Nitroglycerin hergestellt werden können und besteht die
wesentliche Verschiedenheit derselben nur in der Concentration der verwendeten Säuren. Vergl. ferner Gladstone's
Report of the British Association für 1856 S. 52. (Notices and
Abstracts).
Daß in Europa auf diesen Umstand nicht Rücksicht genommen wird, geht aus der Beschreibung der Fabrication des Dynamits von
Ferd. Capitaine hervor,Der praktische Maschinen-Constructeur. 1872. Nr. 23 S. 356. worin bemerkt wird, daß die zur Nitrirung verwendete Säure
„stark roth und reich an Untersalpetersäure“ sey. Bei dieser Fabrication in
der von dem Verfasser geleiteten Fabrik sind bis jetzt 3 Unglücksfälle zu verzeichnen, welche mit dem Verluste von vielen
Menschenleben und zum Theil mit der vollständigen Demolirung der betreffenden Gebäulichkeiten begleitet waren!
Der Raum in dem die Nitrirung vorgenommen wird ist ungefähr 150 Fuß lang. Hier befinden sich in neun hölzernen Trögen 116
Steinzeugkrüge. In jeden derselben werden 17 Pfd. der Säure gegossen und die Tröge selbst werden mit eiskaltem Wasser oder
mit einem
Gemische von Eis und Salz bis zu 4 Zoll von dem Rand der Säuregefäße gefüllt. Auf Bretern, oberhalb der Tröge befinden sich
Glasgefäße, je eines zu einem Steinzeugtopf. Man gibt in jedes zwei Pfund reines Glycerin, nicht
Rohglycerin und führt es vermittelst eines Hebers mit einem Gummischlauch Tropfen für Tropfen in das zugehörige Säuregemisch
ein.
Unterhalb der Breter auf denen die Glycerintöpfe stehen, geht eine eiserne Röhre von 2 1/2 Zoll Durchmesser entlang, durch
welche
kalte und getrocknete Luft strömt, die während Säure und Glycerin sich mischen durch 16 Zoll lange und 1/4 Zoll weite Glasröhren
in
das Gemisch eingeführt wird. Hr. Professor Georg F. Barker in New-Haven, Connecticut, bemerkt in dem
oben (s. Anmerkung) erwähnten Actenstücke über dieses System: „Die Wirkung dieses Luftstromes ist in Bezug auf den Proceß
sowohl als auf das resultirende Product von großer Wichtigkeit. Bezüglich der mechanischen Wirkung, so werden die Stoffe durch
denselben gründlich miteinander vermischt, ferner werden die salpetrigen Dämpfe, welche sonst im Product verbleiben würden,
durch
ihn theilweise entfernt, und es wird die Mischung durch Absorption der durch die chemische Zersetzung freigewordenen Wärme
abgekühlt. Die chemischen Wirkungen betreffend, so wird durch den Sauerstoff der Luft die salpetrige Säure, die entweder in
der
Nitrirsäure enthalten seyn oder durch die chemische Reaction erzeugt werden kann, in Salpetersäure übergeführt. Hierdurch
wird
nicht allein Material erspart, sondern es wird auch die Ausbeute vermehrt und ein „chemisch reines“ Product
erzeugt, was durch die Thatsache bewiesen ist, daß auf diese Weise dargestelltes Nitroglycerin vollkommen farblos ist, stets
bei
ein und demselben Grade krystallisirt und bei der Explosion keine der Gesundheit der Arbeiter schädlichen Gase bildet. Ueberdieß
leiten jene höheren Oxyde des Stickstoffes meiner Ansicht nach Zersetzung ein und machen das Product zur freiwilligen Detonation
geneigt, wie solches wenigstens für eine analoge Substanz, die Schießwolle bewiesen worden ist. Ich betrachte somit die Einführung
kalter, trockener und comprimirter Luft in das Gemisch, wie sie Mowbray zur Entfernung der betreffenden Gase anwendet, als eine wesentlich neue Erfindung.“
Die Zeit welche das Glycerin zum Abfließen bedarf, ist 1 1/2 Stunde und ist während derselben die größte Vorsicht und Aufmerksamkeit
erforderlich. Die drei den Mischproceß beaufsichtigenden Arbeiter schreiten mit dem Thermometer in der Hand unaufhörlich auf
und ab,
und wie sie finden, daß in einem der Töpfe die Temperatur steigt, oder daß rothe Dämpfe ausgestoßen werden, so rühren sie
die Mischung
mit der vorhin erwähnten Glasröhre. Zuweilen findet dieß statt, wenn das Glycerin ein bischen zu stark fließt, in welchem
Falle man
den Zufluß verminderte und wenn zufällig die Dampfmaschine aufhören sollte zu arbeiten, so läßt man kein Glycerin mehr zuströmen,
rührt aber stetig um. Ist die Umwandlung zu Nitroglycerin zu Ende, und entweichen keine rothen Dämpfe mehr, so werden die
Krüge in
eine, mit Wasser von 21° C. (70° F.) enthaltende Kufe entleert. Das Quantum beträgt jedesmal 450 Pfd. In dieser Kufe
sinkt das Oel zu Boden und wird von ungefähr 6 Fuß Wasser bedeckt. Hier bleibt es für 15 Min. um nachher von Unreinigkeiten
befreit zu
werden. Da das Reservoir durch den Boden in ein unteres Gemach geht und der Boden geneigt ist, so kann das Oel leicht abgezogen
werden, jedoch läßt man das Wasser zuerst abfließen, worauf das Oel in einen schwingenden Bottich, der einem altmodischen
Butterfaß
ähnlich sieht, allein nur viel größer ist, abgezogen wird. In diesem wird es fünfmal gewaschen, dreimal mit bloßem Wasser
und zweimal
mit einer Sodalösung, gleichzeitig läßt man einen Strom Luft durchstreichen. Das Wasser von dieser Waschvorrichtung läßt man
in einen
Bottich und von diesem durch zwei in der Erde vergrabene Fässer laufen, von wo es seinen Weg ins Freie findet. Sollte etwas
Oel mit
dem Waschwasser weggeschwemmt worden seyn, so findet man dasselbe in einem oder dem anderen der Fässer wieder.
Hierauf wird das Nitroglycerin in kupfernen Gefäßen nach einem 300 Fuß entfernten Magazin geschafft, in welchem es in Steinzeuggefäße,
die je 60 Pfd. halten, sogn. „crocks“ entleert wird. Diese werden in ein hölzernes
Reservoir von 2 1/2 Fuß Tiefe gestellt, das ungefähr 20 Töpfe hält, sie stehen in Wasser von 21° C. (70° F.), das bis zu
einer Höhe von 6 Zollen von dem Rande der Töpfe reicht. Darin verbleiben sie für 72 Stunden, während welcher Zeit Unreinigkeiten,
die
sich etwa in dem Oel vorfinden mögen, als Schaum auf die Oberfläche steigen, der mit einem Löffel abgeschöpft werden kann.
Das
Glycerinnitrat ist dann chemisch rein, durchsichtig wie Wasser und stark lichtbrechend. In diesem Zustande
ist es zum Verpacken fertig. Die Weißblechkannen, welche zu diesem Ende
dienen sind inwendig mit Paraffin überzogen und sind für 56 Pfd. bestimmt. Man stellt sie zum Füllen in einen flachen hölzernen
Bottich, gießt das Oel von den Steinzeuggefäßen zuerst in kupferne Kannen und von diesen durch einen Gummitrichter in die
Weißblechkannen. Um etwa verschüttetes Oel unschädlich zu machen, trägt man die Vorsicht den Boden des Bottichs vorher mit
einer
dicken Lage von gebranntem Gyps zu bedecken, welcher die Flüssigkeit schnell verschluckt. Wenn gefüllt, so werden die Gefäße
in einen
hölzernen mit Eiswasser oder Eis und Salz gefüllten Bottich gestellt, bis ihr Inhalt gefroren ist; dann werden je 30 oder
40 zusammen
in kleinen 300 Fuß von dem Fabrikgebäude entfernten Magazinen aufbewahrt.
Zum Transport des Nitroglycerins werden die Weißblechgefäße in offene, hölzerne Kisten verpackt, deren Boden mit zwei Zoll
Schwamm
bedeckt ist; um die Gefäße selbst sind zwei sich unten kreuzende Gutta-percharöhren geschlungen, welche somit an das Holz
anliegen. Zum Aufthauen des Nitroglycerins ist jede Kanne mit einer 10 Zoll langen und 1 1/2 Zoll weiten Röhre versehen, welche
in der
Mitte von oben nach unten geht. Man verwendet dazu Wasser von 21° C. (70° F.) bis 32° C. (90° F.). Zum
Verschluß dient ein mit einer Blase versehener Kork. Im Winter bedient man sich zum Transport eines Schlittens, im Sommer
eines
Wagens, den man mit einer Lage Eis und einer Decke bedeckt. Auf diese Weise kann krystallisirtes Sprengöl nach Mowbray mit gleicher Sicherheit wie eben so viele Gefäße mit Butter versendet werden.
Wer mit der Fabrication des Nitroglycerins bekannt ist, wie sie von Capitaine beschrieben worden ist und uns
bis jetzt mit Aufmerksamkeit gefolgt hat, wird bemerken, daß Mowbray mit einem ungemeinen Grade von Sorgfalt zu Werke geht.
Zur
Nitrirung des Glycerins braucht er 11/2 Stunden, 72 Stunden zur Reinigung und ungefähr 48 Stunden zur Krystallisation. „Und
doch“, sagt Mowbray, „gibt es noch immer Leute, welche Bergleute und Contractoren verleiten, Nitroglycerin zu
kaufen, das direct aus dem Präciptirbottich entnommen ist und daher alle, es zu einer freiwilligen Explosion geneigt machenden
fremdartigen Stoffe enthält. Sind dazu doch nur Zeit und eine mäßige Temperatur nöthig! Aus diesem Grunde glaube ich, gibt
es so
manche Unglücksfälle.“
Um meine Umschau zu vervollständigen, will ich bemerken, daß zur Magazinirung von Eis zum Krystallisiren zwei Eishäuser dienen,
wovon
jedes 200 Tonnen halten kann. In deren Nähe befindet sich auch ein Häuschen für die Dampfmaschine und einen Dampfkessel von
15
Pferdekräften. Erstere ist von 10 Pferdekräften und dient zum Pumpen von
Wasser in das Waschreservoir und als Motor für die Gebläse und die Gutta-percha-Fabrik. Zur Erzielung eines
gleichförmigen Windstromes wird die Luft nicht unmittelbar in die mit den Säuregefäßen in Verbindung stehenden Röhren, eingeführt,
sondern man läßt sie erst in Windregulatoren gelangen, wo sie gleichzeitig von Wasserdämpfen befreit wird.
In der Nähe der Nitroglycerinfabrik befindet sich auch ein Gebäude zur Reinigung der Guttapercha, welche zum Isoliren der
bei den
Sprengungen gebrauchten Kupferdrähte dient. Auch diese Operation wird mit der größten Vorsicht vorgenommen, so daß nicht die
mindesten
fremdartigen Stoffe in dem Gummi zurückbleiben, indem durch dieselben die Isolation an einzelnen Punkten unterbrochen und
daher das
Leben von mehreren Menschen in Gefahr gesetzt werden könnte.
Was den Gang der Operationen in der erstgenannten Fabrik anbetrifft, so wird des Morgens um 7 oder 7 1/2 Uhr mit dem Mischen
der Säuren
und dem Füllen der Glastöpfe mit Glycerin begonnen. Diese Arbeit wird von drei Männern besorgt und nimmt ungefähr eine Stunde
in
Anspruch. Hierauf wird die Säure abgezogen, gewogen und in die Steinzeuggefäße gegossen, und nachdem sie gehörig abgekühlt
ist,
bewachen drei Arbeiter den Proceß der Umwandlung von Glycerin in Nitroglycerin, wozu natürlich die gespannteste Aufmerksamkeit
erforderlich ist. Ist dieser Proceß zu Ende, so wird das Oel in die Waschgefäße geschüttet, zwei Männer sind damit beschäftigt
es zu
waschen, während zwei andere die Steinzeuggefäße reinigen. Auch der Boden wird mit der ängstlichsten Sorgfalt rein gehalten,
indem man
ihn mit Wasser von 15° Cels. übergießt. Bliebe er von Spuren von Nitroglycerin nicht vollständig frei, so könnte ein
Darauftreten während der Arbeit eine Katastrophe herbeiführen. Die Räumlichkeit wird alsdann für den folgenden Tag hergerichtet,
allein um 7 oder 7 1/2 Uhr, d.h. nach 7 Stunden Arbeit wird die Fabrik geschlossen.
Die Fabrication der Zündsätze (primings), bestehend aus Kupfersulphid und Phosphid mit chlorsaurem Kali,
wird im Privatlaboratorium von Mowbray und von ihm selbst vorgenommen, und scheint ebenfalls viel Erfahrung zu verlangen,
da sich
mehrere der geschicktesten Chemiker ohne Erfolg damit beschäftigt haben. Wenn aus den obigen Ingredienzien bereitet, so sollen
Zufälle
durch atmosphärische Elektricität, Reibung u.s.w. ganz unmöglich sein, was von andern Zündsätzen nicht gesagt werden kann.
Die
Leitungsdrähte werden stets vorher probirt, um zu sehen, ob die Isolirung perfect sei. Die Patronen (exploders) selbst werden auf folgende Weise dargestellt: Zwei
isolirte Drähte von 4 bis 12 Fuß Länge werden in das schmalere Ende einer hölzernen zuvor in schmelzendes Paraffin eingetauchten
Röhre
eingeschoben; diese ist 3/4 Zoll lang und mißt an dem einen Ende 1/8 Zoll und an dem andern 3/16 Zoll. Die Drähte werden mit
einer
Kappe von Gutta-percha befestigt. Bevor man den Zündsatz einschiebt, läßt man den elektrischen Funken durchschlagen, um, wie
bemerkt, zu sehen, ob die Leitung vollkommen sei. Ist solches der Fall, so wird der Satz eingeschoben, und auf diesen ein
in Paraffin
getränkter Papierstöpsel gedrückt. In ein Kupfer-Zündhütchen von 8/4 Zoll Länge und 3/8 Zoll Durchmesser werden dann 20 Grames
Knall-Quecksilber gegeben und diese mit einer dicken Lage Firniß bedeckt, so daß das Präparat festhaftet. Dieses Zündhütchen
wird in einen hölzernen Hut von 1 1/2 Zoll Länge geschoben, daraufhin steckt man obigen Satz hinein, soweit bis er festhält
und
bestreicht die Holztheile mit Asphaltfirniß. Von diesen Patronen können drei Mann täglich 1000 Stück herstellen.
Wir werden später gelegentlich Mowbray's Vorsichtsmaßregeln zur Handhabung von Nitroglycerin und seine Erfahrungen über dessen
Effect
in verschiedenen Felsarten bringen.