Titel: | Neues Verfahren zur Stearinfabrication; von Etatsrath Professor Bock in Copenhagen. |
Autor: | Bock |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LVIII., S. 230 |
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LVIII.
Neues Verfahren zur Stearinfabrication; von Etatsrath Professor Bock in Copenhagen.
Bock, über ein neues Verfahren zur Stearinfabrication.
Wenn man die Neutralfette physiologisch betrachtet, ist es bekannt, daß sie Kügelchen bilden. Jede dieser kleinen Kugeln besteht
aus
zwei Theilen; ein äußerer, bekleidender, ist bei den animalischen Fetten Zellgewebe, Gelatina, Fibrine und Albumen, bei den
vegetabilischen, Pflanzenschleim, Pflanzeneiweis und Cellulose. Jede Kugel ist mit dem eigentlichen Fette, in mehr oder weniger
vollendeter Entwickelung gefüllt.
Löst man eine geringe Quantität Talg in Schwefeläther, z.B. 1 Gramm in 25 Gramm, so ist diese Flüssigkeit nur ganz uneigentlich
eine
Auflösung, ob sie gleich sämmtliche Eigenschaften einer solchen zu besitzen scheint. Das Mikroskop zeigt uns vielmehr, daß
alle die
kleinen Kugeln ganz intact in der Flüssigkeit umherschwimmen. Nur finden wir sie von 60 bis über 100 Proc. vergrößert, und
der Inhalt
ist durchsichtig geworden. Es ist dieß nur eine Wirkung der Endosmose, und nach langsamer und vorsichtiger Abdampfung des
Aethers,
finden wir den Talg ganz wie er war vor dieser sogenannten Lösung.
Was man in der praktischen Stearinfabrication bisher als räthselhaft angesehen hat, und die Ursache, daß eine rationelle und
directe
Decomposition der neutralen Fette mit Säuren, im großen Betriebe unmöglich war, ist nur das Albumin, das sich in den oben
genannten
Holftern mit Fibrine und Gelatine verbunden befindet, und worin das eigentliche Fett eingeschlossen ist.
Von diesen Wahrheiten ausgehend fand ich die neue directe und rationelle Methode, die ich schon in „Tidskrift for anvendt Chemie“ Kopenhagen 1869, Nr. 3, veröffentlicht habeMan s. die bezügliche Mittheilung im polytechn. Journal 1872 Bd. CCV S. 560. und die sich nach fünfjährigem großen Betriebe in allen Punkten bewährt hat.
Die Schwierigkeiten, die von dem coagulirten Albumin herrührten, sind in allen bisher gekannten und angewendeten Methoden
nur empirisch
überwunden worden. Das coagulirte Albumin ist löslich in kräftigen caustischen Alkalien, sowie auch in Wasser oder Wasserdampf,
dessen
Temperatur 160° Cels. übersteigt.
In der alten Kalksaponification ist der Uebergang, den man empâtage
nennt, nur die Lösung des Albumins, wodurch die eigentliche Decomposition,
die Bildung der Kalkseife, und die Ausscheidung des Glycerylhydrats möglich wird. Jedoch lassen sich die beiden Operationen
nicht von
einander scheiden. Daher der nöthige große Ueberschuß an Kalk über dasjenige welches als chemisch rationell, 9,2 Proc. anzunehmen
wäre. Bei der Destillation und bei der Autoklavmethode, mit oder ohne Kalk wird die Schwierigkeit des Albumins durch die sehr
erhöhte
Temperatur beseitigt.
Die Operation, die man Acidification oder saure Verseifung genannt hat, ist durchaus keine Decomposition. Eine saure Verseifung
ist ein
sehr uneigentlicher Ausdruck. Es ist ein 40jähriger Irrthum, wenn man geglaubt hat, es bildeten sich dabei die bekannten Doppelsäuren,
Schwefelstearinsäure u.s.w. Nach vollendeter Acidification ist das Fett, mit Wasser ausgewaschen, noch immer neutrales Fett.
Mit
diesen sogenannten Doppelsäuren lassen sich durchaus keine Doppelsalze bilden. Nach der Acidification mit der concentrirten
Schwefelsäure finden wir noch keine Spur von Glycerinbildung. Wie wäre auch dieß möglich? Zur Bildung des Glyceryloxydhydrats
ist
Wasser nöthig, aber das erste Hydrat, 66° Baumé Schwefelsäure gibt dazu kein Wasser ab. Nur bei hoch übertriebener
Temperatur findet in der Acidification eine Acroleïnentwickelung statt, als Zeichen einer Destruction des Glyceryls.
Die Acidification ist, rationell betrachtet, nur eine vorläufige Operation, in der Absicht, die albuminhaltige Holfter zu
zersprengen,
oder theilweise zu corrodiren oder carbonisiren. Sie richtet nicht mehr aus, und soll nicht mehr ausrichten. Dieß hat man
verkannt,
und dadurch ist es erklärbar, daß man in den verschiedenen Fabriken auf 100 verschiedene Arten acidificirt hat. Man kann wirklich
auf
die verschiedenste Weise dasselbe Ziel erreichen, durch Alternirung der vier Factoren, die hier wirksam sind, nämlich die
Temperatur,
die Säuremenge, das specif. Gewicht der Säure und die Dauer der Einwirkung. Weil aber das Ziel der Operation unbekannt oder
verkannt
war, hat man überall nur empirisch acidificirt, mit der größten Willkürlichkeit in allen Richtungen, z.B. mit einer Dauer
von 1
1/2–2 Minuten bis 6–8 Stunden, immer in dem festen, aber falschen Glauben, es bildeten sich Doppelsäuren.
Nach einer rationellen Acidification sind nur die enveloppes geschwärzt, und dieselben sind weder im Fette,
noch in den Fettsäuren löslich. Gibt es eine wirklich aufgelöste Schwärzung, so rührt diese nur davon her, daß ein gewisser
Theil von
dem eigentlichen Fette gebrannt worden ist, was bei der rationellen Acidification niemals geschehen darf. Es wird jetzt einleuchtend seyn, daß man in den meisten Fällen die Operation
übertrieben habe, durch zu lange Dauer, zu hoher Temperatur, oder zu viel Säure, und es ist leichter zu verstehen, wie richtig
Fremy auf praktischem Wege „die augenblickliche Einwirkung der Säure“ empfiehlt.
Nach vollendeter Acidification ist das neutrale Fett um so zu sagen abgekleidet, von den Holftern befreit worden, oder wenigstens
sind
dieselben so weit geborsten oder corrodirt, daß der Inhalt freien Ausfluß hat. Das Fett ist jetzt im Stande sich decomponiren
zu
lassen, und dieß geschieht im Laufe weniger Stunden, direct und rationell, mit der chemischnöthigen Säuremenge, 4–4,5 Proc.
und
mit dem nöthigen Wasser. Die fortschreitende Krystallisation und die gewöhnlichen Zeichen zeigen uns daß die Decomposition
vollendet
sey.
Nach Ablaufen des Glycerinwassers findet man die Fettsäuren mehr oder weniger schwärzlich gefärbt. Sie sind jetzt destillirbar.
Der
Schmelzpunkt variirt, nach dem angewendeten Talge, von 49 bis 51° Cels.
Der eigentliche Kern der neuen Methode ist die Entbehrlichkeit der Destillation. Der Zweck dieser Operation mit Ueberheizung
des
Dampfes ist die Beseitigung der schwarzen Färbung, oder richtiger, der gefärbten Massen, deren Natur man nicht kannte (dont la nature est inconnue de Millys-Patent). Diese schwarzen Massen sind die theilweise
carbonisirten Eiweißholfter, die in den Fettsäuren herumschwimmen (so daß sich nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil derselben
am
Boden absetzt), weil ihr specifischeres Gewicht dasselbige ist als das der Fettsäuren. Diese Schwierigkeit habe ich dadurch
überwunden, daß ich die Massen einer Oxydation unterwerfe wodurch die specifische Schwere des eiweißhaltigen Zellgewebes erhöht
wird,
etwa von 0,9 bis 1,3. Hierdurch werden die gefärbten Massen procipitirbar und die Fettsäuren lassen sich vollkommen rein
auswaschen.
Die fernere Behandlung, kalte und warme Pressung, ist dieselbe wie in allen Methoden.
Als Resultat hat sich im Laufe von fünf Jahren, in welchen die Methode in der hiesigen Fabrik von Hrn. O. F. Asp gearbeitet hat, gezeigt:
Vom Talge wird nach vollendeter Decomposition gewonnen: 95 Proc. Fettsäuren, die durch die Oxydation und Waschung 2 Proc.
verlieren.
Das Glycerin beträgt 6 2/3 Proc. vom Talge, 23° Beaumé und ist vollkommen frei für alle organischen Säuren.
Die Elaïnsäure ist in allen Beziehungen wie die durch die Kalksaponification gewonnene, doch ist sie reicher an concreten
Säuren, und sehr gesucht nicht nur in der Seifensiederei, sondern auch von
den Tuchfabrikanten.
Die Stearinsäure ist ganz wie sie von der Kalksaponification gewonnen wird, aber viel härter, und vom Schmelzpunkt 58 bis
60°.
Die Stearinmenge beträgt von 55 bis 60 Proc. vom Talge.
Als Vortheile sind noch zu nennen, daß die Methode auch in der heißesten Sommerzeit ungehindert arbeiten kann, daß sie gefahrlos
ist,
weil nur mit Dampf in offenen Kufen gearbeitet wird, daß die Vermeidung aller hohen Temperaturen uns erlaubt der schädlichen
Einwirkung derselben auf die Fettsäuren zu entgehen. Die Anlagen sowie auch Reparaturen werden außerordentlich billig, weil
keine
speciellen Apparate nöthig sind. Auch der Arbeitslohn ist bedeutend billiger, weil die sämmtlichen Operationen sich in einer
und
derselben Kufe durchführen lassen. Die Methode arbeitet ebenso gut mit den animalischen als mit den vegetabilischen Fettarten,
mit den
letzten aber außerordentlich vortheilhaft in Verbindung mit der Destillation.