Titel: J. Müller, über fehlerhaft construirte Blitzableiter.
Autor: J. Müller
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LXII., S. 264
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LXII. J. Müller, über fehlerhaft construirte Blitzableiter. Mit einer Abbildung auf Tab. VI. Müller, über fehlerhaft construirte Blitzableiter. In der im Jahr 1848 zu Karlsruhe erschienenen Anleitung zur Ausführung und Visitation der Blitzableiter von Wilhelm Eisenlohr findet sich auf Seite 21 folgende Stelle: „Alle Metallmassen, welche die Außenflächen des Daches und die Kanten des Gebäudes decken, wie Bleiplatten oder Weißblech auf den Firsten, Dachrinnen, selbst wenn sie von Holz sind aber Wasser enthalten u.s.w. sind durch hinreichend dicken Kupferdraht mit der Leitung in Verbindung zu setzen.“ So klar und bestimmt diese Angabe auch lautet, so wird sie in unsern Gegenden (Freiburg i. B.) wenigstens vollständig vernachlässigt indem man blechene Dachrinnen nicht als hinlänglich bedeutende Metallmassen betrachtet, also nicht bedenkt, daß die Anhäufung von Spannungselektricität nur durch die Größe der Oberfläche nicht durch den Kubikinhalt der leitenden Massen bedingt ist. Die Vernachlässigung der sowohl durch die Gesetze der Elektricitätslehre wie auch durch Eisenlohrs Anleitung geforderten Verbindung der Dachrinnen mit dem Blitzableiter hat hier wiederholt schon Zerstörungen durch Blitzschläge herbeigeführt, welche leicht größere Unglücke im Gefolge hätten haben können. Am Abend des 26. Juli 1870 entlud sich ein heftiges Gewitter über Freiburg im Verlauf dessen der Blitz ein großes dreistöckiges Haus traf, welches mit einem Blitzableiter versehen ist. Auf jedem Ende der Dachfirste steht eine Saugspitze und die beiden Saugspitzen sind mit einander durch eine eiserne Stange verbunden von deren Mitte die Ableitung über das Dach, vorsichtig um die Dachrinnen herum und am Hause herab in den Boden geführt ist. Die Dachfirste ebenso wie die vier Seitenbauten des Daches, wovon in Fig. 14 eine, mit c bezeichnete, sichtbar ist, sind mit Streifen von Zinkblech gedeckt, auf welchem die Saugstange a unmittelbar aufsitzt. Die um das ganze Haus herumlaufenden Dachrinnen von denen unsere Figur ein Stück dk zeigt und von welchen an mehreren Stellen verticale Röhren fast bis auf den Boden herabführen, sind weder mit den blechenen Seitenbauten des Daches noch mit dem Boden in leitende Verbindung und darin liegt das fehlerhafte der Construction. Wenn eine vertheilende elektrische Wolke über dem Gebäude schwebt, so wird ein Theil der von ihr abgestoßenen Elektricität allerdings durch die Hauptleitung zum Boden abgeführt, ein namhafter Theil derselben aber auch auf die metallische Randbedeckung c getrieben. Ist nun diese bei d mit der Dachrinne durch einen Streifen von Kupferblech oder durch einen dicken Kupferdraht leitend verbunden, so strömt die abgestoßene Elektricität von da an dem Blechrohre f hinab in den Boden, wenn auf passende Weise die unteren Enden der Blechröhre f gleichfalls mit dem Boden in leitende Verbindung gesetzt sind. Fehlt aber die nöthige Verbindung so muß bei hinlänglicher Anhäufung der von der Wolke abgestoßenen Elektricität der Zwischenraum zwischen c und d sowohl, wie auch zwischen dem unteren Ende von f und dem Boden gewaltsam durchbrochen werden, wie es denn in der That am 26. Juli 1870 erfolgte. Der Blechstreifen c wurde mehrfach aufgerissen, ebenso das untere Ende von f, von wo der Blitz auf eine nahe am Hause vorbeigeführte Gasleitungsröhre und von dieser auf eine Wasserleitungsröhre, welche beide zersprengt wurden, überschlug, so daß ihr Inhalt ausströmte. Obgleich ich in einem über diesen Fall erstatteten Bericht die Nothwendigkeit hervorhob die Dachrinnen mit der Blitzableitung, namentlich aber mit der blechenen Bedeckung der Dachkanten in leitende Verbindung zu setzen, ist dieß bis jetzt völlig unberücksichtigt geblieben und derselbe Fehler an mehreren größeren Gebäuden der hiesigen Stadt ungeändert geblieben. Diese Vernachlässigung rächte sich durch einen Blitzschlag, welcher am 10. Mai d. J. Morgens zwischen 10 und 11 Uhr das hiesige Bahnhofsgebäude fast unter den gleichen Umständen traf, wie sie oben besprochen wurden. Die horizontale Verbindungsstange der beiden Saugstangen wurde zerbrochen, die blechene Bedeckung der Dachkanten sowie die von der Dachrinne vertical herabgehenden Blechröhren vielfach zerrissen. Diese Fälle zeigen zur Genüge die Gefährlichkeit jedes mit diesem Fehler behafteten Blitzableiters. Soll derselbe vollständig seinen Zweck erfüllen so muß eine gute metallische Verbindung (durch Streifen von Kupferblech oder auch durch Kupferdraht) zunächst zwischen der Dachrinne und der blechenen Bedeckung der Dachkante und alsdann zwischen dem untern Ende der verticalen Wasser-Abführungs-Röhre und dem Boden hergestellt werden. Wenn die Kanten eines Ziegeldaches durch Hohlziegel gedeckt sind ohne daß ein Blechstreifen in Anwendung kommt, so ist eine Verbindung der Dachrinne mit dem Blitzableiter nicht so nöthig wie in dem oben besprochenen Fall. Dagegen ist die leitende Verbindung zwischen der Dachrinne und dem die Dachkante deckenden Blechstreifen sowie die Verbindung des unteren Röhrenendes mit dem Boden selbst in dem Falle nöthig, daß das Haus gar nicht mit einem Blitzableiter versehen ist.

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Tafel Tab. VI
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