Titel: | Vorrichtungen um das Herausfliegen der Weberschützen zu verhindern. |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LXXVI., S. 321 |
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LXXVI.
Vorrichtungen um das Herausfliegen der Weberschützen zu verhindern.
Nach dem Bulletin de la
Société industrielle de Mulhouse, 1873, t. XLIII p. 84.
Mit Abbildungen auf Tab. VII.
Vorrichtungen um das Herausfliegen der Weberschützen zu verhindern.
Die Zahl der Unglücksfälle bei mechanischen Webstühlen ist im Vergleiche mit jenen bei anderen Maschinen der Textilbranche
verhältnißmäßig sehr klein; nichts desto weniger ist es die Pflicht der betreffenden Constructeure auch hier durch zweckentsprechende
Schutzvorrichtungen die Gefahr für den Arbeiter möglichst zu beseitigen.
Am häufigsten treten bei Webstühlen Verletzungen durch unvorhergesehenes Herausfliegen der Schütze ein, weßhalb man schon
seit Jahren
auf die Einführung einer einfachen und wirksamen Schützensicherung Bedacht genommen hat. Die einfachste dieser Vorkehrungen
besteht in
einem oberhalb der Kettenfäden an der Lade befestigten Stab,Man vergleiche polytechn. Journal 1861, Bd. CLX, S. 108. dessen unzulängliche Wirkung die Firma André Koechlin und Comp.
in Mülhausen (Elsaß) durch einen complicirteren Apparat, einen über der Kette angebrachten SchutzrechenBeschrieben im polytechn. Journal 1871, Bd. CCI S. 194. zu erhöhen suchte. Nachdem aber diese Sicherheitsvorrichtung bei den schnell laufenden Kraftstühlen als zu schwerfällig sich
erwies, so konnte für dieselbe keine allgemeine Verbreitung in Aussicht genommen werden, zumal auch die Abnützung des Apparates
zu
stark und der Herstellungspreis desselben zu hoch ist.
Sucht man nach der Ursache der ungenügenden Wirkung des einfachen Sicherheitsstabes, so findet man, daß derselbe auf eine
zu geringe
Breite der Schützenbahn seinen Schutz ausübt, d.h. stellt man den Stab zu weit ab vom Ladendeckel, so kann die Schütze zwischen
demselben und dem Stabe herausfliegen, und ist dagegen der Sicherheitsstab zu nahe an der Lade angebracht, so fährt die Schütze
zuweilen vor dem Stab aus ihrer Bahn hinaus.
Diesem Uebelstande zu begegnen, hat der Webmeister Michael Klinger des Etablissements Ch. Mieg und Comp. in Mülhausen statt eines, zwei
Schutzstäbe an der Lade angebracht und hierdurch den Impuls zu einer einfachen, billigen, aber durchaus den Zweck erfüllenden
Schützensicherung gegeben.
Klinger's Ausführung ist in Fig. 1
und 2 (Schnitt und Grundriß des rechten Endes der Lade)
dargestellt.
Die beiden Sicherheitsstäbe A sind an beiden Enden mittelst Armen B verbunden,
welche in den am Ladendeckel angeschraubten Bändern C drehbar derart eingelassen sind, daß sie in der
Arbeitslage die gezeichnete Stellung einnehmen. Steht aber der Schutzrahmen zum Anknüpfen gebrochener Kettenfäden oder dergl.
im Wege,
so bringt ihn der Arbeiter einfach in die punktirte Lage, aus welcher der Rahmen beim ersten Ladenschlage sofort wieder zurückfällt,
falls der Arbeiter es vergessen hätte den Apparat in den Normalzustand zu versetzen. Diese Schützensicherung wurde von Klinger in Messing ausgeführt, da die Herstellungskosten aus Schmiedeeisen theurer erschienen.
Obwohl die soeben beschriebene Construction hinsichtlich der Leistungsfähigkeit allen Anforderungen genügte, so suchte der
Director
desselben Etablissements, Hr. Sins, den Apparat weiter zu vereinfachen, um dessen Erzeugungskosten zu
vermindern und dadurch dessen allgemeine Einführung zu erleichtern.
In dieser Absicht ist der Draht in entsprechender Länge zu einem Rahmen A, A¹ (Figur 3 und 4) zusammengebogen und die beiden Enden verlöthet; dadurch aber sind die beiden früheren Arme B
entbehrlich geworden. Der Rahmentheil A¹ ist durch die Löcher der an beiden Enden des Ladendeckels
angeschraubten Bänder C hindurchgesteckt, während die beiden Seitentheile des Rahmens in der Normallage
auf den Zäpfchen a an den Bändern C aufruhen. Die punktirten Linien zeigen den
Sicherheitsrahmen in der gegen die Lade zurückgelegten Position.
Dieser Vereinfachung haftet bei näherer Betrachtung der Nachtheil an, daß der Apparat nicht zerlegbar ist; es sey denn, daß
die
Löthstelle des Rahmens A, A¹ wieder geöffnet wird.
Aus diesem Grunde führte der Inspector des Mühlhauser Vereines zur Verhütung der Fabriksunfälle, F. G. Heller, dessen unermüdlicher Thätigkeit zumeist die großen Erfolge dieser – nebenbei bemerkt – in allen
Fabriksdistricten nachzuahmenden Vereinigung der Industriellen zu danken sind, die in Figur 5 und 6 skizzirte Anordnung aus, bei welcher die Lagerbänder C einfach aus Blech ausgeschnitten sind.
Durch Aufbiegen des Lappens e erhält man einen
Schlitz zur Aufnahme des Rahmens A, A¹, dessen Unterstützung in der Normalstellung durch den
zweiten Lappen d erfolgt.
Beim praktischen Betriebe störte den langen Lappen e beim Auswechseln der Schütze im Schützenkasten. Heller nahm daher zum Schlusse die in Figur
7 und 8 in natürlicher Größe veranschaulichte
Modification seines Apparates vor. Der Lappen e ist bedeutend verkürzt. Damit hierbei der Rahmen dennoch
sicher gelagert bleibe, ist die Deckplatte f (ein dünner, entsprechend gekrümmter Blechstreifen) in der
ersichtlichen Weise auf das Lagerband C aufgelegt. Soll der Sicherheitsrahmen, dessen Enden nicht
zusammengelöthet, sondern durch einen breiten Ring zusammengehalten werden, aus irgend welchen Gründen von der Lade entfernt
werden,
so lüftet man die Befestigungsschraube b und dreht die Deckplatte f bei
Seite.
Die zuletzt beschriebene Schützensicherung hat sich bei zahlreichen Versuchen, bei denen man das Herausfliegen der Schütze
absichtlich
provocirte, vollkommen bewährtDamit die Schlitze nicht seitlich an den beiden Enden des Sicherheitsrahmens ausfliege, ist es nothwendig, mit denselben bis
auf 60–70 Millimeter den Schützenkästen nahe zu rücken. und deßhalb glaubt der Referent entschuldigt zu seyn, wenn er auf deren Beschreibung und allmählige Entwickelung näher
eingegangen ist.
Nicht eindringlich genug kann auch bei dieser Gelegenheit auf die segensreiche Thätigkeit des oben genannten Mülhauser Vereines
hingewiesen werden. Die gesetzlichen Anordnungen zum Schutze der Arbeiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit bleiben unzulänglich,
so lange sich nicht allerwärts die Fabrikanten zusammenthun und durch vereinte Bemühungen jene Maßregeln zur allgemeinen Einführung bringen, welche die bei den verschiedensten Maschinen beschäftigten Arbeiter vor unvorhergesehenen
Beschädigungen möglichst schützen.
J. Z.