Titel: | Verbesserte schmiedeeiserne Doppel-Scheibenräder „System Heusinger von Waldegg,“ auf der Wiener Weltausstellung. |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LXXX., S. 326 |
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LXXX.
Verbesserte schmiedeeiserne Doppel-Scheibenräder „System Heusinger von Waldegg,“ auf der Wiener Weltausstellung.
Mit Abbildungen auf Tab. VII.
Ueber verbesserte schmiedeeiserne Doppel-Scheibenräder.
Ein vollkommenes Eisenbahnwagenrad muß folgenden Bedingungen entsprechen:
1. Der Radreif muß längs der ganzen Peripherie eine gleichmäßige Unterstützung erhalten, wodurch eine sanftere Bewegung der
Fahrzeuge,
geringere Abnutzung und bessere Ausnutzung der Bandagen stattfindet.
2. Die beste Unterstützung des Radreifes ist die scheibenförmige, indem glatte Scheibenräder bei der Fortbewegung des Wagenzuges
der
Luft weniger Widerstand bieten und den Staub, welcher nicht allein die Reisenden so sehr belästigt, sondern auch in die Achsbüchsen
eindringt und die Lager rasch zerstört, nicht so aufwirbelt, als bei den Speichenrädern.
3. Außer der sicheren Unterstützung des Radreifes muß der Radkörper auch eine große seitliche Stabilität besitzen, um den
heftigen
seitlichen Stößen beim Durchlaufen der Curven und Weichen widerstehen und die bestimmte Spurweite sicher halten zu können.
4. Der Radkörper muß mit der Nabe aus einem homogenen Ganzen bestehen, da die Verbindung verschiedener Materialien nicht mit
Zuverlässigkeit bewirkt werden kann.
5. Das Material des Radkörpers und der Nabe darf nicht spröde, sondern muß zäh und sehr widerstandsfähig seyn.
6. Die Bandage muß in der Art mit dem Radkörper zuverlässig verbunden seyn, daß bei einem Springen der Bandagen nicht ein
Aufwickeln
derselben und Fortfliegen einzelner Theile möglich ist.
7. Die Bandage muß unbeschadet der Radconstruction sowohl aus Feinkorneisen, als Puddel- und Gußstahl bestehen können, um
die
Räder nicht nur unter Bremswagen, sondern auch unter anderen Fahrzeugen mit Vortheil verwenden zu können.
8. Bei der Fabrication müssen alle unnatürlichen Spannungen im Radkörper und in der Bandage vermieden werden können, um die
beim
Betrieb so gefährlichen Sprünge dieser Theile zu verhindern.
9. Bei abgenutzter Bandage muß dieselbe leicht von dem Radkörper abgenommen werden können, um den letzteren wieder benutzen
und in
gleicher Dauerhaftigkeit mit einer neuen Bandage versehen zu können.
Alle diese Bedingungen werden bei dem vor einem Jahr von mir construirtem schmiedeeisernen Doppel-ScheibenradZur Geschichte der Scheibenräder ist zu erwähnen, daß ich bereits im Jahre 1842 die ersten Scheibenräder mit doppelten
Blechscheiben und T-förmiger Bandage sowie angenieteter gußeiserner Nabe construirte und
auf der Taunusbahn, Aachen-Mastrichter und Frankfurt-Hanauer Bahn u.a. zur ausgedehnten Anwendung brachte; auch
erhielt ich auf diese Construction unterm 11. Januar 1844 im Königreich Preußen, und unterm 5. März 1844 im Königreich Bayern,
sowie in verschiedenen anderen Zollvereinsstaaten Patente. – Die Richtigkeit des Hauptprincips dieser Räder wurde bald
allgemein anerkannt und entstanden ums Jahr 1850 eine Menge anderer Constructionen von Scheibenrädern, theils mit einfacher
gerader, theils radial gerippter, theils concentrisch gewellter Scheibe, die jedoch alle in Folge mangelhafter Ausführung,
besonders wegen ungenügender Befestigung mit der Nabe im Anfang viele Anfechtungen zu erleiden hatten. Erst als es den
unermüdlichen Bestrebungen des früheren Oberingenieurs R. Daelen in Hörde gelungen, Scheibe und
Nabe aus einem Stück Schmiedeeisen (durch Ausschmieden unter dem Dampfhammer, Auswalzen und
Gesenkschmieden, sowie durch Anschweißen des T-förmigen Unterreifs) herzustellen, konnten
zuverlässige einfache Scheibenräder geliefert werden. Bei den Doppel-Scheibenrädern hat die Nietbefestigung rings um
die T-förmige Bandage sich stets als solid und zuverlässig erwiesen. erfüllt, welches von dem Hörder Bergwerks- und Hüttenverein für die
Wiener-Weltausstellung ausgeführt wurde und in Figur 22
bis 25 dargestellt ist. Das Princip dieser Radconstruction ist
ganz neu.
Die Räder bestehen aus zwei getrennten, convex ausgetriebenen, 10 Millimeter starken schmiedeeisernen Scheiben mit angeschweißten
halben Naben, welche letztere in der Mitte ihrer Länge getheilt sind und in einander greifen, sowie aus einer T-förmigen Bandage mit Spurkranz aus Gußstahl, Puddelstahl oder Feinkorneisen, die in eigenthümlicher Weise verbunden
sind.
Statt die Bandage wie gewöhnlich durch Glühen und Aufschrumpfen auf die Radscheiben zu befestigen, bleibt erstere nach dem
Ausdrehen
kalt und die beiden unter dem Dampfhammer ausgeschmiedeten, ausgewalzten, sowie convex ausgetriebenen und genau auf den inneren
Durchmesser des Radkranzes abgedrehten Radscheiben werden zu beiden Seiten der T-Rippe ohne
jegliche unnatürliche Spannung eingesprengt und durch Zusammenziehen an der Nabe auf einen etwas größeren Durchmesser gebracht.
Die nachträgliche Verbindung zwischen Radreif und Scheiben, sowie dieser unter sich, wird nicht allein durch warme Vernietung
der 15
Millimeter starken Nietbolzen, wovon 16 Stück rings um die Bandage und 6 Stück um die Nabe parallel zur Achse, angebracht
sind,
sondern auch noch durch 3 stählerne Schließkeile s, s (Fig. 24 und 25) bewirkt, welche in entsprechende Nuthen des Nabenloches eingelassen
sind und mit ihren Haken die beiden Außenflächen der Naben zusammenhalten, wodurch einestheils das Abscheren der Niete an der Nabe, als auch das Absprengen der Nietköpfe am wirksamsten verhindert
wird.
Diese Räder haben nach der Ansicht erfahrener Eisenbahn-Maschinen-Techniker eine sehr rationelle, solide und zuverlässige
Construction, doch stellt sich die Fabrication durch die getheilten in einander greifenden Naben und durch das Einpassen der
Keile
etwas kostspieliger als die der Scheibenräder mit einfacher Scheibe; ich habe daher neuerdings noch eine vereinfachte Construction
in
Vorschlag gebracht, welche gegenwärtig in Ausführung begriffen ist. Die Figuren 26 und 27 erläutern diese Construction; bei derselben sitzt die ungetheilte Nabe
an der inneren Scheibe, welche dieselben Dimensionen wie bei dem vorher beschriebenen Rade hat und ähnlich wie jene mit der
Nabe aus
einem Stück durch Auswalzen und Gesenkschmieden hergestellt wird, während die äußere Scheibe aus einer
6 Millimeter starken Blechtafel rund ausgeschnitten und rothglühend zwischen entsprechenden Gesenken unter dem Dampfhammer
wie die
innere Scheibe convex ausgetrieben wird. Nachdem Ringe aus 6 Millimeter starkem Flacheisen an der äußeren Peripherie und um
das
Nabenloch zur Verstärkung mit einigen versenkten Nieten aufgenietet sind, wird diese Scheibe auf den gleichen Durchmesser
mit der
inneren Scheibe am Rand mit dem Ring abgedreht, sowie auch am Nabenloch, entsprechend dem Ansatz der Nabe, etwas conisch ausgedreht.
Beim Einsprengen der beiden Scheiben wird die Bandage gering angewärmt (handwarm) und nachdem die Niete innerhalb der Bandage
und um
die Nabe eingezogen sind, wird zur Sicherung gegen das Absprengen der Nietköpfe an der Nabe noch der flache Schmiedeeisenring
r auf den nach außen etwas erweiterten Vorsprung der Nabe warm aufgezogen.
Vergleichen wir dagegen die bisher bekannten besten oder verbreitetsten Radconstructionen mit den eben beschriebenen, so wird
sich
ergeben, daß ein großer Theil der oben aufgestellten Bedingungen nicht bei folgenden Radconstructionen erfüllt werden:
A. Bei dem doppelwandigen gußeisernen Scheibenrad mit Schalengußreif sind die Bedingungen Nr. 5, 7, 8 und
9 unzulässig.
B. Bei dem einfachen Scheibenrad mit Schalengußreif ist außerdem noch die Bedingung Nr. 3 nicht
anwendbar.
C. Bei den schmiedeeisernen Scheibenrädern mit angeschmiedeter Nabe und angeschweißtem Unterreif können
die Bedingungen Nr. 3, 6, 8 und 9 nicht erfüllt werden.
D. Bei den Gußstahlscheibenrädern sind die Bedingungen Nr. 7, 8 und 9 nicht anwendbar.
E. Bei den Losh-Rädern mit zusammengenieteten Doppelspeichen und angegossener Nabe werden die Bedingungen Nr. 1, 2, 4, 5, 6, 8 und 9 nicht
erfüllt.
F. Bei den Losh-Rädern mit angeschweißter Nabe und an der Peripherie
zusammengeschweißten Doppelspeichen sind die Bedingungen Nr. 1, 2, 6, 8 und 9 unzulässig.
G. Bei den schmiedeeisernen Rädern mit flachen Speichen von rechteckigem und abgerundetem Querschnitt,
sowie angeschweißter Nabe und angeschweißtem Felgenkranz, können die Bedingungen Nr. 1, 2, 6, 8 und 9 nicht erfüllt werden.
H. Bei den Holzscheibenrädern (System Mansell) sind die Bedingungen Nr. 3, 4
und 5 unzulässig.
Hannover, im Mai 1873.
Edmund Heusinger von Waldegg,Oberingenieur.