Titel: | Ueber Bleiweißfabrication und die bei unregelmäßigem Betriebe des deutschen Kammerverfahrens auftretenden Producte; von K. v. Weise, Chemiker der Rhein. Eisenbahn-Gesellschaft in Cöln. |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. C., S. 435 |
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C.
Ueber Bleiweißfabrication und die bei unregelmäßigem Betriebe des deutschen Kammerverfahrens
auftretenden Producte; von K. v. Weise, Chemiker der Rhein.
Eisenbahn-Gesellschaft in Cöln.
Aus dem polytechnischen
Centralblatt, 1873 S. 646.
v. Weise, über Bleiweißfabrication.
Das Bleiweiß wird bekanntlich nach verschiedenen Methoden dargestellt. Nach dem neueren französischen
Verfahren wird eine Lösung von basisch-essigsaurem Blei durch Einleiten von Kohlensäuregas gefällt (Niederschlags-Bleiweiß); nach der alten holländischen Methode wird
metallisches Blei in Haufen von Pferdemist (oder ausgezogener Gerberlohe) der Einwirkung von Essigdämpfen und der durch die
Gährung
des Mistes entstehenden Kohlensäure ausgesetzt. Die französische Methode gibt ein Bleiweiß von großer Weiße, aber geringer
Deckkraft,
das holländische Verfahren umgekehrt ein Bleiweiß von größerer Deckkraft, aber geringerer Weiße. Das mit Mist dargestellte
Bleiweiß
ist stets durch schwarzes Schwefelblei verunreinigt, da der faulende Mist Schwefelwasserstoff entwickelt.
Seit einer Reihe von Jahren hat sich diesen beiden Methoden eine dritte beigesellt, welche im Princip mit der holländischen
übereinstimmt, aber wesentliche Vorzüge hat. Nach dieser Methode, welche man jetzt gewöhnlich die deutsche nennt, werden gegossene dünne Bleitafeln in geräumigen
gemauerten Kammern der Einwirkung von Wasser- und Essigdämpfen, atmosphärischer Luft und Kohlensäure ausgesetzt. Auf diese
Weise wird heute, wenigstens bei uns, fast alles Bleiweiß dargestellt. Das so erzielte Product ist reiner als das holländische,
da die
verwendete Kohlensäure aus Holzkohle oder völlig ausgeglühten Kohks erzeugt, auch vor dem Einleiten in die Kammer noch gewaschen
wird,
demnach von der das Bleiweiß schwärzenden Schwefelverbindung gänzlich frei ist. Das deutsche Bleiweiß übertrifft daher das
holländische an Weiße, während es demselben an Deckkraft vollkommen gleich steht. Unser Bleiweiß hat sich in Holland selbst,
wo an die
Arbeit des Anstreichers die höchsten Anforderungen gestellt werden, längst einen bedeutenden Markt erobert. Es ist ein Vorurtheil,
daß
das mit Mist dargestellte Bleiweiß das beste sey.
Der Unterschied in der Deckkraft des nach verschiedenen Methoden erzeugten Bleiweißes liegt in der verschiedenen Form, Größe
und
Zusammensetzung der kleinsten Theilchen. Das wenig deckende Niederschlags-Bleiweiß ist locker, grobkörniger, nicht selten
krystallinisch; das nach der holländischen oder deutschen Methode dargestellte ist dichter, feinkörniger, und das gelungene
Fabricat
hat niemals ein krystallinisches Gefüge. Das specifische Gewicht beider Bleiweißarten ist erheblich verschieden; holländisches
Bleiweiß nimmt einen bedeutend kleineren Raum ein, als das gleiche Gewicht Niederschlags-Bleiweiß. Hierauf beruht auch die
bekannte Erscheinung, daß dieses Bleiweiß erheblich mehr Oel zur Farbe bedarf, als das holländische oder deutsche, worauf
sich sogar
eine sichere und einfache Methode zur Unterscheidung gründet.
Das holländische Bleiweiß ist keineswegs von stets gleicher Beschaffenheit; es zeigt vielmehr, wie die Methode es nothwendig
mit sich
bringt, eine sehr wechselnde Qualität. Die Umstände des Processes, welche auf die Güte des Productes den wesentlichsten Einfluß
haben,
sind sehr dem Zufalle unterworfen, d.h. durchaus nicht mit genügender Sicherheit zu beherrschen. Schon in einem und demselben
Haufen
verläuft die Bleiweißbildung nicht gleichmäßig. Im Inneren des Haufens steigt die durch die Gährung des Mistes erzeugte Temperatur
sehr hoch (auf 90 bis 100°), während sie nach außen hin erheblich niedriger bleibt.
Anders ist es bei dem nach dem holländischen Princip arbeitenden deutschen Verfahren. Der große Vorzug
dieser Methode besteht darin, daß man die Zuleitung von Luft, Wasserdampf und Essig, sowie diejenige der Kohlensäure in der
Hand hat
und nach Bedürfniß reguliren kann. Dadurch wird die Fabrication sicherer und zuverlässiger, und das Product von mehr gleichbleibender Güte. Der vervollkommnete neuere Apparat
gestattet, die in die Kammer geleitete Kohlensäure zu messen, auch nach Bedürfniß Luft einzupumpen; Essig und Wasser werden
natürlich
ebenfalls in genau bekannter Menge zur Verdampfung gebracht; die Regulirung der Temperatur erfolgt mit Hülfe eines von außen
sichtbaren Thermometers. Die richtige Leitung des Processes in der Kammer bleibt aber immer noch schwierig und ist Sache bedeutender
Erfahrung. Störungen sind beim besten Betriebe immer noch nicht vollständig zu vermeiden. Der Proceß geräth manchmal in's
Stocken,
indem die Oxydation des Bleies nicht den gewünschten Fortgang nimmt; auch treten Producte auf, welche die Weiße, sowie das
Deckvermögen des Bleiweißes erheblich beeinträchtigen.
Häufige Untersuchungen von Bleiweiß, welche dem Verf. obliegen, führten ihn dazu, verschiedene bei dem Kammerverfahren auftretende
störende Producte kennen zu lernen. Von der Abwesenheit solcher Stoffe hängt die Güte des Bleiweißes
– neben der sonstigen Reinheit – sehr wesentlich ab.
Das Bleiweiß besteht bekanntlich aus Bleioxyd, Kohlensäure und Wasser. Das Mengenverhältniß dieser Bestandtheile kann bei
gutem
Bleiweiß in gewissen Grenzen schwanken, weicht aber stets nur wenig von folgendem ab:
Bleioxyd
86,32
Kohlensäure
11,36
Wasser
2,32
––––––
100,00
Diese Zusammensetzung kann als die normale betrachtet werden, als diejenige, welche ein guter Betrieb der Fabrication erstreben
muß.
Ihr entspricht die Formel 2 (PbO . CO²) + PbO . HO. Es kommen gute Bleiweiße vor mit einem etwas geringeren Gehalt an
Bleioxydhydrat, als dieser Formel entspricht; eine wesentliche Abnahme dieses Bestandtheiles aber, also eine erhebliche Vermehrung
des
kohlensauren Bleioxydes, macht das Bleiweiß hart und sogar ganz unbrauchbar; auch hat solches Bleiweiß nur sehr geringe Deckkraft.
Im
Allgemeinen ist es richtig, daß ein Bleiweiß um so besser ist, je geringer – innerhalb gewisser Grenzen – der Gehalt an
kohlensaurem Bleioxyd, je größer also der Gehalt an Bleioxydhydrat ist (damit steigt auch der Bleigehalt, da das Oxydhydrat
reicher an
Blei ist, als die kohlensaure Verbindung.)
Der schädliche Einfluß des überschüssigen kohlensauren Bleioxydes beruht auf dem Umstande, daß gerade dieses
die für die Deckkraft des Bleiweißes so gefährliche Neigung hat, krystallisirt aufzutreten. Der Verf. untersuchte ein bei unregelmäßigem Kammerbetriebe entstandenes
Product, welches unter dem Mikroskop sehr deutlich die glänzenden und das Licht stark brechenden Krystalle des natürlich vorkommenden
krystallisirten kohlensauren Bleioxyds zeigte. Die Analyse dieses Productes ergab folgende Zusammensetzung:
Bleioxyd
83,47
Kohlensäure
16,15
Wasser
0,25
–––––
99,87
welche mit derjenigen des reinen kohlensauren Bleioxydes – Bleioxyd 83,52, Kohlensäure 16,46 –
fast genau übereinstimmt.
Auch die sehr harten, wenig deckenden Rückstände, welche bei dem mit dem rohen Bleiweiß der Kammern
vorgenommenen Wasch- und Schlämmproceß in der Siebtrommel zurückbleiben und welche als Bleiweiß unbrauchbar sind, zeigten
einen
hohen Gehalt an kohlensaurem Bleioxyd. Die Analyse solcher Rückstände ergab:
Bleioxyd
84,69
Kohlensäure
14,10
Wasser
0,93
–––––
99,72
Ferner zeigten drei Sortirungen brauchbarer Bleiweiße, welche von dem Verf. selbst aus dem rohen Product der Kammern dargestellt
waren,
nämlich die durch Absieben unter möglichst gelindem Druck erhaltene sogenannte Blume, dann die bei etwas
stärkerem Druck gesonderte zweite, immer noch sehr gute Qualität und endlich die zurückbleibende dritte Sorte, der abnehmenden
Weiche
und Deckkraft entsprechend, einen zunehmenden Gehalt an kohlensaurem Bleioxyd. Die Analysen ergaben folgende Reihe, welcher
der Verf.
der besseren Uebersicht wegen die Zusammensetzung der Trommelrückstände und des krystallisirten kohlensauren Bleioxydes beifügt:
Bleioxyd
Kohlensäure
Wasser
1) Bleiweiß bester Qualität,
sogenannte Blume
86,80
11,16
2,00
2) Dito, zweite Qualität, noch sehr gut
86,24
11,68
1,81
3) Dito, dritte Sorte, noch
vollkommen brauchbar
86,03
12,28
1,68
Bleioxyd
Kohlensäure
Wasser
4) Trommelrückstände, sehr schlechtes
Bleiweiß
84,69
14,10
0,93
5) Anormales Product der Kammern,
ganz unbrauchbar
83,47
16,15
0,25
Härte und geringe Deckkraft gehen Hand in Hand und sind hiernach verursacht
durch überschüssiges kohlensaures Bleioxyd. Noch mehr, es wird dadurch auch eine graue Färbung des
Bleiweißes hervorgebracht. Schon die unter 4) aufgeführten harten Rückstände der Trommel waren sehr deutlich grau; noch mehr
aber
erschien das unter 5) genannte anormale Product, welches das Maximum von Kohlensäure auswies, von grauer Farbe. Häufig ist
übrigens
auch zart vertheiltes metallisches Blei, welches bei schlecht geschlämmtem Bleiweiß vorkommen kann, die
Ursache der grauen Farbe.
Im höchsten Grade nachtheilig für die reine Weiße ist ein Gehalt an freiem, also nicht mit Kohlensäure oder
Wasser verbundenem Bleioxyd. Dasselbe ist bekanntlich gelb oder roth, benimmt also dem Bleiweiß die Weiße und gibt ihm einen entsprechend farbigen Stich. Das Auftreten
gefärbter Oxyde ist die Folge eigenthümlicher Störungen in dem Verlaufe des in den Kammern stattfindenden Processes. Bei eingetretener
Stockung oder trägem Fortgang des Processes findet sich zuweilen dicht auf den Bleitafeln unter gutem Bleiweiß eine Schicht intensiv gefärbter Oxyde. Die Analyse dieser gefärbten Substanz, welche von den Bleitafeln mit
Wasser abgespült, durch Schlämmen von den specifisch leichteren aufgefärbten Gemengtheilen ziemlich befreit und darauf wieder
getrocknet war, ergab folgende Zusammensetzung:
Bleioxyd
93,70
Kohlensäure
5,31
Wasser
0,90
–––––
99,91
Da an 5,31 Kohlensäure
26,91 Bleioxyd,
an 0,90 Wasser
11,15 „
–––––––––––––
an Kohlensäure und Wasser zusammen also 38,06 Bleioxyd gebunden sind, so enthielt die gefärbte Substanz somit
93,70–38,06 oder 55,64 Proc. wasserfreies Bleioxyd, welches die Ursache der Färbung bildete.
Das Auftreten von hartem, nicht deckendem kohlensauren Bleioxyd und von gefärbtem, wasserfreiem Bleioxyd – die Verwendung
reinen
Bleies vorausgesetzt – verursacht die wesentlichsten Störungen der Bleiweißerzeugung in Kammern. Auf die Vermeidung dieser Bildungen zur Erzielung eines gut deckenden
und rein weißen Productes, so wie nicht minder zur Sicherung des flotten
Verlaufes des Processes in den Kammern, muß eine rationelle Betriebsführung daher vorzugsweise hinarbeiten. Die Entstehung
des harten kohlensauren Bleioxydes ist hauptsächlich die Folge einer allzu reichlichen Zuleitung von Kohlensäure in die Kammern,
und
die gefärbten freien Oxyde treten nur auf, wenn es in der Kammer an Wasser und Essigsäure mangelt. (Monatsschrift des Gewerbe-Vereines zu Cöln, 1872 S. 300.)