Titel: | Ueber die Modificationen der magnetischen Kraft des Stahles durch das Härten und Anlassen; von J. Jamin. |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. III., S. 12 |
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III.
Ueber die Modificationen der magnetischen Kraft
des Stahles durch das Härten und Anlassen; von J. Jamin.
Aus den Comptes rendus, t. LXXVII p. 89; Juli
1873.
Jamin, über die Modificationen der magnetischen Kraft des Stahles
durch das Härten und Anlassen.
Die Methode, deren ich mich zur Bestimmung der Kraft eines Magnetes bediene, besteht
darin, daß ich an die zu untersuchende Stelle einen kleinen Probeanker aus weichem
Eisen anlege und mit Hülfe einer graduirten Feder, die man allmählich anspannt, die
zum Abreißen erforderliche Kraft in Grammen messe. Da jedoch diese Kraft von der
Größe und Gestalt jenes Contactstückes abhängt, so ist es nothwendig, die
Dimensionen desselben festzusetzen, wenn man sämmtliche Maaße auf eine bestimmte
Einheit, die man sich immer wieder leicht verschaffen kann, beziehen will. Das
Contactstück könnte etwa aus einem weichen Eisendraht von 1 Quadratmillimeter
Querschnitt und hinreichender Länge bestehen, um als unendlich betrachtet werden zu
können.
Da ich mich indessen überzeugt habe, daß die zum Abreißen desselben nöthige Kraft
immer dem Querschnitte der angewendeten Drähte proportional ist, so kann man auch
ein beliebiges Stück nehmen, und die beobachtete Kraft durch den Querschnitt
dividiren, um das der Querschnittseinheit zukommende Resultat zu erhalten. Man wird
sogar dem Probeanker behufs der bequemeren Anwendung eine beliebige unten
abgerundete Form geben und ein für allemal das Verhältniß seiner Indicationen zu
denjenigen der Einheit des Contactkörpers suchen können.
Unter vorstehender Voraussetzung will ich nun untersuchen, wie das magnetische
Verhalten verschiedener Stahlsorten nach dem Härten oder Anlassen sich ändert. Ich
erhitze die Stäbe in einer Muffel in der Mitte eines nach Perrot'schem System construirten Gasofens bis zum Rothglühen; dann Härte
ich sie in Wasser und lasse sie über mehreren in einer Linie angeordneten
Gasgebläse-Löthrohren an. Nach diesen Operationen magnetisire ich sie in
einer Spirale, bestehend aus 376 Metern Kupferdraht von 2 Quadratmillimetern
Querschnitt, durch die ich den Strom einer gewöhnlichen aus 12 Bunsen'schen Elementen bestehenden Batterie leite. Ich habe Stäbe
bearbeitet, welche ziemlich egal, nicht sehr lang (30 Centimeter), aber breit und
dick genug waren, um, bis zum Sättigungspunkt magnetisirt, normale Magnete
abzugeben. In diesem Falle ist, wie ich gezeigt habe, die zum Abreißen an dem Ende
erforderliche Kraft der Länge l proportional, so daß der
Quotient aus dieser
Kraft, dividirt durch die Länge, für jeden Stahl eine constante Größe, das Maaß
seiner Qualität ist.
Es sind zwei Fälle zu unterscheiden: 1) Man mißt die zur Trennung erforderliche Kraft
F während des Durchganges des galvanischen Stromes,
d.h. die temporäre Magnetisation, wie man sie bei den Elektromagneten beobachtet.
Sie variirt mit der Intensität des Stromes, mit den Dimensionen des Stabes; bleiben
sich aber diese Dinge gleich, so ist F/l = H der magnetischen Kraft
der zur Anwendung kommenden Materie proportional, und kann dazu dienen, sie zu
repräsentiren. 2) Hierauf mißt man die zum Abreißen erforderliche Kraft l nach unterbrochenem Strom, wobei es sich zeigt, daß
die Sättigungskraft unabhängig ist von der ursprünglichen Intensität des Stromes,
sowie von der Breite und Dicke des Stabes, aber proportional der Länge l, so daß f/l = k für einen und
denselben Stahl ein unveränderlicher Coefficient ist, welchen wir den Polaritätscoefficienten nennen wollen. Er ist ein Maaß
für die Fähigkeit, den Magnetismus nicht etwa anzunehmen, sondern festzuhalten. H und k ändern sich nicht
auf gleiche Weise; für weiches Eisen ist H sehr groß und
k gleich Null; für gehärtete Stahlsorten ist H kleiner und k nimmt um so
größere Werthe an, je besser der Magnet ist.
Gehärteter Stahl. – Weiches Eisen wird durch das
Ablöschen nicht hart. Anders verhält es sich mit dem Stahl. Diejenigen Stahlsorten,
welche an Kohlenstoff arm sind, nehmen einen geringen Härtegrad an, die von
mittlerem Kohlenstoffgehalt werden elastisch und leisten der Feile Widerstand; die
stark cementirten und gehämmerten Gattungen werden zerbrechlich wie Glas und
verlieren alle Festigkeit; man sagt alsdann, sie seyen verbrannt. Nun ist das weiche
Eisen von allen Substanzen diejenige, welche den stärksten temporären Magnetismus
annimmt. Bei gehärteten Stahlgattungen ist dieses in weit geringerem Maaße der Fall
und in um so geringerem Maaße, je energischer der Act des Härtens auf sie eingewirkt
hatte. Der Werth H vermindert sich vom weichen Eisen an
bis zu den reichsten und härtesten Stahlsorten. Diese letzteren leisten der
Magnetisirung Widerstand; man kann sagen, daß ihr Verhalten dem des Mangans und
Nickels analog sey, und daß sie beinahe gänzlich alle magnetische Fähigkeit
verlieren. Um hiervon einen Begriff zu geben, will ich eines Musters von sehr hartem
Gußstahl erwähnen, welches mir von Hrn. Dalifol, einem
unserer geschicktesten Stahlfabrikanten, zugestellt worden war. Dieses Muster war
gehämmert und hierauf
wieder cementirt worden. Geglüht bot es bei einem Strom von 12 Elementen den
bedeutenden Trennungswiderstand von 1290 Grammen dar. Sodann wurde das Stück
gehärtet, worauf die zum Abreißen erforderliche Kraft sich auf 75 Gramme, also so zu
sagen auf Nichts reducirte. Es fragt sich sogar, ob eine noch lebhaftere Härtung
nicht diesen Rest von Magnetismus ganz und gar verschwinden lassen würde. Jedenfalls
enthüllt diese seither noch nicht beobachtete Eigenschaft eine einfache Beziehung
zwischen den bekannten Wirkungen des Härtens und dem Werthe des magnetischen
Coefficienten.
Der Magnetismus, welchen ein Stab nach Aufhören des Stromes beibehält, ist immer viel
schwächer als während der Magnetisirung, d.h. k ist
immer kleiner als H. Hieraus folgt, daß
kohlenstoffreiche und streng gehärtete Stahlsorten in dünnen Lamellen, welche durch
den galvanischen Strom sehr wenig Magnetismus annehmen, nach Unterbrechung desselben
nichts behalten, und zu permanenten Magneten absolut untauglich sind. Dagegen
behalten die mittleren oder armen Stahlsorten, für welche H sehr groß ist, eine bemerkenswerthe Polarität d.h. einen ansehnlichen
Werth von k, wie aus der nachfolgenden Tabelle
ersichtlich ist. Sie können daher nach einer lebhaften Härtung und ohne Anlassen
ausgezeichnete Magnete abgeben.
Angelassener Stahl. – Um dem Stahl den gewünschten
Härtegrad zu ertheilen, sollte man ihn eigentlich von verschiedenen aber bestimmten
Temperaturen aus Härten, was jedoch mit Schwierigkeiten verbunden wäre. Man befolgt
daher eine andere Methode, welche darin besteht, daß man ihn vom rothglühenden
Zustande aus härtet und auf diese Weise den gewünschten Grad überschreitet, um ihn
dann durch Wiedererhitzen auf diesen Grad zurückzuführen, d.h. ihn anzulassen.
Behufs der Beurtheilung der Temperaturen bei diesem Anlassen benutzt man die von
einer oberflächlichen Oxydation des Metalles herrührenden Farben, ein sehr einfaches
und sehr präcises Verfahren. Wie die Werthe H und k während dieser Operation sich ändern, soll nun
erläutert werden.
Für alle Stahlsorten, sie mögen einen geringen oder mittleren Gehalt an Kohlenstoff
besitzen, oder spröde seyn, ändert sich H auf die
nämliche Weise: es nimmt zu, wenn die Anlaßtemperatur sich steigert, d.h. das
magnetische Attractionsvermögen nimmt von der straffen Härtung angefangen, wo sein
Werth ein Minimum ist, bis zur Rothglühhitze, wo es seinen Maximalwerth erreicht,
stufenweise zu. Ein Blick auf die Werthe H in der weiter
unten folgenden Tabelle wird dieses bestätigen. Man wird bemerken, daß diese Werthe
um so größer sind, je ausgesprochener die Wirkung des Härtens gewesen war.
Was den Polaritätscoefficienten k anbelangt, so ist er
das Ergebniß verwickelter Gesetze. Für kohlenstoffarme oder mittlere Stahlgattungen
erreicht er sein Maximum nach der straffen Härtung und vermindert sich stetig durch
das Anlassen, bis er durch das vollständige Glühen gleich Null oder sehr schwach
wird. So sind die Stahlsorten von Niederbronn beschaffen,
die im Handel unter der Bezeichnung „die drei Ochsenköpfe“,
„die drei Doppelhämmer“ u.s.w. bekannt sind. Für die
erstere Kategorie steigert sich die Fähigkeit, Magnetismus anzunehmen, von einem Minimum nach dem Härten bis zu einem Maximum nach
dem Anlassen, welches demjenigen des weichen Eisens nahe kommt, während die
Eigenschaft, den Magnetismus zu bewahren, zwischen diesen
beiden Grenzen sich vermindert.
Für spröde Stahlsorten, welche nach dem Härten nur eine temporäre Magnetisation ohne
Bedeutung annehmen, und nach Aufhören des galvanischen Stromes nichts behalten,
wachsen die anfangs sehr kleinen Polaritätscoefficienten k bis zu einem gewissen Grade des Anlassens, erreichen ein Maximum, und
nehmen nach Ueberschreitung dieses Grades bis zum vollständigen Ausglühen wieder ab,
ohne jedoch Null zu werden; sie bleiben öfters noch ziemlich bedeutend. Kurz, man
kann sagen, daß alle Kategorien des Stahles bezüglich ihres Polaritätscoefficienten
ein Maximum erreichen, jedoch unter verschiedenen Bedingungen: nämlich arme oder
mittlere Gattungen nach dem strengen Härten, reiche oder spröde und sehr stark
gehärtete nach einem Grade des Anlassens, dessen Temperatur um so höher liegt, je
größer die Wirkung des Härtens war; worauf die Werthe von k bis zu einem Minimum abnehmen.
Um mit einem gegebenen Stahl die möglich besten Magnete zu erzeugen, muß man jenes
Maximum erreichen, und dazu bedarf es einer verschiedenen Behandlung der
verschiedenen Stahlsorten: die mittleren Stähle muß man Härten, ohne sie anzulassen,
die reichen und spröden Stähle nach erfolgter Härtung anlassen, und zwar nach
Maaßgabe der Härtung, die einen, bis sie gelb, die anderen bis sie blau anlaufen,
hier und da auch weit darüber hinaus. Eine bestimmte Regel gibt es in dieser
Beziehung nicht; jeder Stoff verlangt eine besondere Behandlung. Aber nach
vorgängigen Versuchen mit einem Muster wird es immer leicht seyn die richtige
Behandlungsweise ausfindig zu machen. Die seitherige Unkenntniß dieser Bedingungen
erklärt alle jene Ungewißheit der Constructeure, die Mißerfolge des Einen, die
unerwarteten Erfolge des Anderen und die geheimen Praktiken Einzelner. Heut zu Tage
wird Jeder den möglich besten Magnet mit seinem Stahle machen können, er wird sogar
die unwirksamen Magnete, welche man überall findet, verbessern können; durch eine
neue Härtung und ein neues Anlassen wird er sie auf ihr Maximum bringen.
Folgende Tabelle enthält die verschiedenen Werthe von H
und k für verschiedene Stähle. Die fetteren Ziffern
bedeuten die Maximalwerthe von k. Um diese zu erlangen,
muß man, wie man sieht, die im Handel vorkommenden Stahlsorten Härten, dagegen die
sehr reichen Stähle des Hrn. Dalifol sogar bis zu
ziemlich hohen Temperaturen anlassen. Die Werthe von k
repräsentiren die zum Abreißen erforderliche Kraft in Grammen für einen Probedraht
von 1 Millimeter Querschnitt an den Enden eines Stäbchens von 1 Millimeter Länge.
Für eine Länge = l würde diese Kraft = kl seyn. – Diese Resultate sind zwar nur
als eine vorläufige Notiz zu betrachten, sie genügen aber nichtsdestoweniger, um die
Modificationen welche das Härten und Anlassen bei verschiedenen Stahlgattungen
hervorbringt, insgesammt begreiflich zu machen.
Textabbildung Bd. 210, S. 16
Bezeichnung des Stahles; Drei
Ochsenköpfe; Sheffield; Drei Doppelhämmer; Stähle des Hrn. Dalifol; gegossen;
gegossen, gestreckt; gegossen, gehämmert; Wolframstahl; Glühend abgelöscht;
Angelassen bis gelb; Angel. bis 1tes blau; blauweiß; 2tes blau; im Ofen
geglüht