Titel: | Ueber Maschinen-Schuhmacherei; von F. Wirth in Frankfurt a. M. |
Autor: | F. Wirth |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. XIV., S. 95 |
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XIV.
Ueber Maschinen-Schuhmacherei; von
F. Wirth in Frankfurt a.
M.
Wirth, über Maschinen-Schuhmacherei.
Es gibt jetzt keine Arbeit am Schuh mehr, die nicht mit Maschine gemacht werden
könnte. Maschinen klopfen und walzen das Leder, schneiden es zurecht, befestigen es
am Leist, formen Sohle und Oberleder, legen die Sohle auf, befestigen sie am Schuh,
richten sie dann zu, nähen die Elastik an und wichsen sie dann schließlich.
Die am meisten verbreiteten Maschinen, welche in keiner großen Schuhmacherei fehlen
sollten, sind: die Elastik-Nähmaschine, welche nach allen Richtungen hin und
auch hohle Sachen näht, die Lederwalzmaschine welche das Klopfen des Leders mit dem
Hammer ersetzt, und die Lederschneidmaschine, eine Presse welche mit Hülfe von
Formen oder Stanzen das Oberleder und die Sohlen aus der Haut schneidet. Diese
Maschinen finden auch immer mehr Verbreitung und bilden den Uebergang zur
Maschinenschuhmacherei. Die Auslagen für diese Maschinen (ca. 600 Thlr.) lohnen sich selbst bei kleinem Betriebe schon; denn wenn
dieselben auch 3 bis 4 Tage in der Woche stillstehen, so liefern sie doch an den anderen so viel Arbeit,
daß mindestens ein halber Geselle erspart wird, d.h. ca.
100 Thlr. im Jahre.
Weniger angewendet, aber nicht minder nützlich, sind die
Pechdraht-Nähmaschinen zum Nähen von Stiefelschaften und stärkeren
Lederarbeiten, die je nach der Größe 100 bis 200 Thlr. kosten. Für feinere Arbeiten
empfiehlt sich die Howe-Nähmaschine als die beste.
Dazu gehört nun die Oesenmaschine, welche die Löcher in das Oberleder schlägt, die
Oesen einsetzt und festdrückt. – Diese Maschinen sind (bis auf die
Pechdraht-Maschine vielleicht) ziemlich einfach und können von jedem Arbeiter
bald in Gang gesetzt werden. Complicirter sind die nun folgenden, welche bisher auch
nur in Schuhfabriken mit Großbetrieb Eingang gefunden haben; einzelne bürgern sich
aber selbst in den kleinen Werkstätten ein, weil sie so enorm an Arbeit sparen, daß
selbst das hohe Anlagecapital dafür nicht in Betracht kommt. Es sind dieß die
Sohlen-Näh- und die Sohlen-Pflöck-Maschinen, beide
Maschinen von äußerst sinnreicher und wirksamer Construction. Die
Sohlen-Nähmaschine erschien im Jahre 1862 zuerst auf der Londoner
Ausstellung, war aber damals noch nicht vollkommen genug. Viele Jahre gingen darüber
hin, bis sie in ihrer jetzigen Gestalt vollendet war und nun rasch sich verbreitete
mit enormem Gewinn für ihre Besitzer. Die Blake-Maschine, später nach dem Nachfolger Mc. Kay benannt, erhielt bald einen Mitbewerber in der
Sohlen-Nähmaschine von Godwin und von Goodyear, welche jetzt auch in Deutschland angefertigt
werden. Diese Maschinen liefern 200 Paar Schuhe täglich und bei sehr geschickten
Arbeitern soll man es sogar bis 300 bringen können.
In einem großen Theile Amerika's und Englands, in ganz Norddeutschland und neuerdings
auch in manchen Gegenden Süddeutschlands befestigt man die Sohlen mittelst hölzerner
Nägel oder Pflöcke, welche früher auf besonderen Maschinen geschnitten und dann von
Hand eingeschlagen wurden, nachdem man vorher etwa mit der Lochmaschine die Löcher
dazu vorgestochen hatte. Das Pflöcken hat vor dem Nähen den wesentlichen Vorzug, daß
(bei richtiger Arbeit) die Sohle sich nie ablöst, sondern bis Kartendicke festhält,
während genähte bekanntlich fast immer losgehen. Der Wulst, welcher sich durch die
Naht bildet, drückt mehr als das übrige Leder auf den Boden und es nutzt sich
deßhalb die Sohle hier rascher ab, welchem Uebelstand die Schuhmacher durch Wölben
der Sohle oder Unterlegen zu begegnen suchen, meist jedoch ohne Erfolg. Gepflöcktes
Schuhwerk dagegen hält bis zuletzt fest und ist namentlich für Nässe allen anderen
vorzuziehen, dagegen ist die Sohle nicht so elastisch und weich als genähte; für feine
Damen- und Ballschuhe wird daher das Nähen nicht zu entbehren seyn.
In Amerika, von wo so ziemlich alle Schuhmaschinen stammen und wo schon seit 20
Jahren deren in ziemlich ausgedehntem Maaße in Anwendung sind, war es die Northampton Pegging Maschine Company, welche die erste
Pflöckmaschine an den Markt brachte, eine kleine Handmaschine, die 70 Thlr. kostete
und leichtes Schuhwerk recht gut bearbeitete, auch weit mehr leistete als ein
Arbeiter, für schwere Schuhe aber nicht ausreichte. Dieß veranlaßte den Bau einer
größeren Maschine, zuerst der von Blandfear und Whittemose, dann der des deutschen Mechanikers Kuhlmann in Holstein, welcher eine große Pflöckmaschine
in seltener Vollendung herstellte. Dieselbe liefert wie die
Sohlen-Nähmaschine 200 bis 300 Paar Schuhe täglich und ist ganz unabhängig
vom Arbeiter, was bei der Nähmaschine nicht der Fall ist; sie besteht aus einem
Gestelle, das am oberen Theil die arbeitende Maschine, am unteren eine Vorrichtung
zum Befestigen und Vorwärtsbewegen des Schuhes trägt. Alle Pflöckmaschinen verwenden
aufgerollte schmale Holzstreifen, welche durch eine Walze dem Messer zugeführt
werden. Letzteres schneidet über der zur Sohle führenden Rinne einen Pflock ab, der
Schuh bewegt sich dann durch eine Führung, wie bei den Nähmaschinen, um die Länge
eines Stiches weiter, worauf ein von einer starken Feder getriebener Hammer den
Pflock einschlägt. Die Löcher werden von einer starken Ahle gestochen, welche um
Stichweite vom Hammer entfernt ist. Bei den amerikanischen Maschinen preßt nun ein
starkes Gewicht den Schuh gegen das Schiebrad und gibt ihm sowohl den Halt gegen das
Stechen der Löcher und Einschlagen der Pflöcke, als zum Fortrücken des Schuhes. In
Letzterem beruht aber auch zugleich die Schwäche des Systemes. Es gehört einige
Uebung und Geschicklichkeit dazu, den Schuh richtig zu führen und so zu halten, daß
die Pflöcke genau in die Löcher kommen. Wird irgend etwas versäumt, so dringt der
Pflock nicht ein und der nächstfolgende, vom Hammer zusammengeschlagen, verstopft
das Schlagloch. Kuhlmann hat diesen Uebelstand durch
seine neue Maschine beseitigt, indem der Schuh durch einen besonderen Support oder
eine Führung, auf welcher er festsitzt, fortgerückt wird, der Hammer aber nicht nach
einer Fortrückung aufschlägt, sondern in derselben Stellung, in welcher das Loch
gestochen wurde. Die Ahle sticht das Loch und ohne daß sich der Schuh bewegt hat,
schlägt dann der Hammer den Pflock ein. Der Hammer-, und Pflockträger ist
nämlich etwas gebogen und bringt durch eine seitliche Bewegung den Pflockträger über
das Loch, worauf der Hammer herabfährt und den Pflock in derselben Stellung der
Sohle eintreibt, in der
das Loch gemacht wurde. Es ist begreiflich, daß dadurch eine weit größere Sicherheit
und Festigkeit erzielt wird und ein Fehlschlagen nie vorkommen kann, weil das Loch
sich nicht bewegt. Wegen dieser Sicherheit ist es auch möglich, Pflöcke von größerer
Dicke als der des Loches einzuschlagen, um so eine bedeutende Festigkeit zu
erlangen, und da die Arbeit von dem Arbeiter unabhängig ist, so kann man jeden dazu
verwenden. Eine zweite wichtige Verbesserung ist, daß man mit der Kuhlmann'schen Maschine zwei Reihen auf einmal pflöcken
kann und sie sehr leicht zu treiben ist; sie kann durch Trittbewegung oder
Dampfkraft in Gang gesetzt werden. Berücksichtigt man die enorme Leistung dieser
Maschine, welche die Arbeit von mindestens 10 Gesellen verrichtet, so ist klar, daß
man selbst bei ganz kleinem Betrieb noch bedeutend spart.
Außer diesen sind Schraubmaschinen construirt worden und zum Theil noch in Anwendung,
z.B. bei dem deutschen Heere, welche aus Messingdraht Schrauben schneiden und diese
sofort in die Sohlen eintreiben. Der Franzose Lemercier
hat die erste solche Maschine erbaut; dieselben haben aber nur in beschränktem Maaße
Anwendung gefunden, weil sie langsam arbeiten und ein hartes, nicht so haltbares
Schuhwerk liefern als die Pflöckmaschinen. Cabourg, Cazes,
Fourmentin und Ratouis haben diese Maschine
verbessert, letzterer namentlich hat sie selbstthätig gemacht, allein ohne
wesentlichen Erfolg, den vorher genannten Maschinen können sie nicht die Stange
halten. – In Amerika ist ebenfalls eine solche Maschine (cable screw wire machine) in Anwendung, die so
eingerichtet wurde, daß, sowie die Schraube die Sohle durchdrungen, worauf
gewöhnlich der Draht abbricht und mit vieler Mühe wieder eingerichtet werden muß,
eine elektrische Batterie in Thätigkeit gesetzt wird, welche das Messer bewegt und
die Schraube abschneidet. Die Gardner- oder Mc.
Kay-Stiftenmaschine treibt schraubenartige
Stifte in schiefer und verschiedener Richtung ein.
Ist nun die Sohle befestigt, so wird sie mit der Raspel- oder
Sandpapiermaschine geebnet, die Kante auf der Rändelmaschine (trimming and edge setting maschine) glatt geschnitten, und wer noch mehr
thun will, gibt den Sohlen vor dem Befestigen die Façon des Leistens mittelst
der Formmaschine (sole moulding machine) und macht mit
der Beating out Machine etwaige Risse zu, dem Schuh
zugleich die letzte Form gebend. Mit den neueren Lederschneidmaschinen kann man
ganze Häute behandeln, während man früher dieselben erst in Streifen von der Breite
der Sohlenlänge mittelst der Stripping Machine
zuschneiden mußte.
Für den Absatz wird das Leder erst auf der Spaltmaschine zugerichtet und dann mit der
Absatzpresse (heel press) zusammengefügt, worauf die Maschine zum
Bearbeiten des Absatzes ihn dann in die richtige Gestalt bringt. Mc. Kay hat eine besondere Heeling
Machine gebaut, die 400 Paar Absätze täglich macht und 10 Doll. Miethe
täglich kostet. Der Absatz wird dann auf der Schabmaschine (Heel shaver) abgeschabt; mit der Embossing
Machine wird das Fabrikzeichen aufgeprägt und mit der Wichs- und
Polir-Maschine das Oberleder blank gemacht und polirt, worauf der Schuh
fertig ist.
Für Stiefel gibt es außer den Kambrir- oder Walkmaschinen noch besondere
Maschinen zum Zusammennähen der Schäfte, mechanische Stiefelhölzer, um dem Stiefel
die Façon zu geben, Stiefel-Wendapparate (boot
turner), um die Schäfte zu wenden, Seam Rubbers
zum Aufbäumen von Stiefeln und Glätten der Naht.
Zum Bearbeiten des Oberleders hat man noch die (in Frankreich erfundene) fitting machine, welche aber sehr selten und nur in ganz
großen Fabriken angetroffen wird, ferner eine besondere
Oberleder-Spaltmaschine (Skiver), eine Maschine
zum Schneiden gespaltener Leder und Ränder (split lift
machine) und eine Abschrägmaschine (Counter
skiver) zum Abschrägen von Kappen, Kedern und Gelenkstücken. Die beiden
letzten Maschinen kommen auch zu Einer vereinigt vor. In Wien wird auch eine
Aufpappmaschine fabricirt, eine Art Presse, um Einsätze anzubringen und gleichzeitig
umzubügeln.
Es werden gegenwärtig mehrere deutsche Werkstätten und Fabriken, u.a. in Pirmasens,
Frankfurt, Wien, nach amerikanischem Muster eingerichtet, und bemerken wir
schließlich, daß das technische Geschäft von Wirth u.
Comp. in Frankfurt a. M. alle Arten von Schuhmaschinen zu Fabrikpreisen
liefert. (Arbeitgeber.)