Titel: | Ueber die Verwerthung städtischer Abfallstoffe; von Ferd. Fischer. |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. XX., S. 120 |
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XX.
Ueber die Verwerthung städtischer Abfallstoffe;
von Ferd.
Fischer.
Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereines,
1873 S. 200.
Fischer, über die Verwerthung städtischer Abfallstoffe.
Bekanntlich fällt im Haushalt der belebten Natur den chlorophyllhaltigen Pflanzen die
große Aufgabe zu, mit Hülfe der Sonnenstrahlen aus den Bestandtheilen des Bodens,
des Wassers und der atmosphärischen Luft die verschiedenen organischen Stoffe
aufzubauen, Sauerstoff („Lebensluft“ abzuscheiden und so der
Thierwelt die Stoffe zu liefern, welche sie zu ihrer Existenz bedarf.
Eine große Anzahl meist kleiner, und daher wenig beachteter Pflanzen, die Pilze
Schimmel und Hefe von de Barry. (Berlin, Lüderitz.) 1,5 Mark. sind dagegen wegen ihres Chlorophyllmangels außer Stande zu assimiliren, sie
consumiren vielmehr wie die Thiere die von den grünen Pflanzen gebildeten
organischen Stoffe und setzen sie wieder in einfachere Verbindungen um. Sie
entziehen ihre Nahrung theils lebenden Pflanzen und Thieren: Schmarotzer oder Parasiten, theils
abgestorbenen Organismen und deren Zersetzungsproducten: Fäulnißbewohner oder Saprophyten.
Der vegetative Körper (Thallus) der Pilze besteht aus verzweigten fadenförmigen
Zellfäden (Hyphen), welche sich immer nur durch Spitzenwachsthum
vergrößern. Die
Fortpflanzungszellen oder Sporen (σπορά Saat) beginnen ihre Entwicklung
damit, daß sie einen Schlauch austreiben, der sich mehr und mehr verlängert,
Scheidewände bekommt, und indem er sich verästelt, ein fadenförmiges Geflecht von
Hyphen, das Mycelium, bildet, welches sich in und auf dem Nährboden der Pilze
verbreitet. Aus dem Mycelium entspringen die Fruchtträger, aufrechte oder verzweigte
Hyphen, welche die Fortpflanzungsorgane tragen.
In neuerer Zeit hat man hiervon die Bakterien
F. Cohn, Bakterien (Berlin, Lüderitz) 0,8
Mark. (βακτηριον
Stäbchen), auch Schizomyceten genannt, als besondere Abtheilung getrennt: rundliche
(Monas) stäbchenartige (Bacterium) oder spiralige (Vibrio, Spirillum)
Zellchen, die sich durch fortgesetzte Zweitheilung vermehren. Bei passender
Temperatur (10–40°), reichlicher Nahrung und Anwesenheit von
Sauerstoff bewegen sie sich meist sehr lebhaft, so daß sie früher auch für Thiere
gehalten wurden, unter weniger günstigen Verhältnissen sind sie bewegungslos. In der
Regel einzeln oder zu zwei, sind namentlich die kugeligen nicht selten
perlschnurförmig aneinandergereiht (Leptothrix) oder mit
den cylindrischen zusammen in palmellaartigen Gallertmassen eingebettet (Zooglöa). Solche schleimige Massen bilden auch
diejenigen Bakterien, welche sich in feuchter Luft auf Fleisch, Brod u.s.w.
entwickeln, und als Nebenproducte ihrer Assimilationsthätigkeit häufig rothe
(„blutendes Brod“), braune, gelbe, grüne, blaue (Lackmus)
und violette, den Anilinfarben ähnliche Pigmente erzeugen. Nach Schröter entspricht jeder dieser Pigmentbildungen ein
specifisch verschiedener Organismus. (Beiträge zur Biologie der Pflanzen von F. Cohn; zweites Heft).
Da sich die Bakterien und Pilze bei allen Gährungs-(Fäulniß-) und
Verwesungsvorgängen massenhaftCohn berechnet, daß eine Bakterie unter günstigen
Umständen in 24 Stunden sich auf fast 17 Millionen vermehren kann, in zwei
Tagen schon auf 281 Billionen u.s.f. Bacterium
termo hat etwa einen Durchmesser von 0,001 Millimet. und eine Länge
von 0,002 Millimet.; 1 Kubikmillimeter würde demnach 600 Millionen dieser
winzigen Organismen umfassen und dennoch könnten die Nachkommen eines
einzigen Exemplars nach zwei Tagen 5 Liter und bei fortschreitender
Entwickelung schon nach fünf Tagen das ganze Weltmeer anfüllen. 600
Milliarden wiegen noch nicht ganz 1 Grm., aber schon nach drei Tagen könnte
das Gewicht der Nachkommen eines Stäbchens über 7 Millionen Kilogrm.
betragen. – Wenn die Vermehrung der Bakterien in Wirklichkeit weit
hinter diesen Zahlen zurückbleibt, so liegt dieses nicht etwa daran, daß sie
derselben überhaupt nicht fähig wären; sie wird vielmehr nur durch die
beschränkte Nahrung und andere ungünstige Umstände bedingt. 40 Millionen
Hefezellen wiegen etwa 1 Kilogrm. und doch können in einer Fabrik in 24
Stunden 5000 Kilogrm. Hefe erzeugt werden. – Die kolossale
Arbeitsleistung dieser winzigen Organismen wird dadurch erklärlich. entwickeln, so ist zuweilen behauptet, sie entständen durch Urzeugung, Generation spontanea,Botanische Zeitung. 27. 193, 413. als organisirte
Zersetzungsproducte. Es kann dagegen auf das Bestimmteste versichert werden, daß
noch kein Fall vorliegt, in welchem diese Organismen auftreten, ohne daß bei
gehöriger Sorgfalt ihre Entstehung aus Sporen (Conidien u.s.w.) nachweisbar gewesen
wäre. So hat die aufmerksame Beobachtung gezeigt, daß die Sporen auf der Oberfläche
der Eier, Nüsse u.s.w. bei hinreichender Feuchtigkeit keimen, die Keimschläuche und
Myceliumfäden selbst die unverletzten Eierschalen und die härtesten Fruchtsteine
durchbohren. Das Vorkommen von Schimmel in Nüssen u. dgl. wird dadurch hinreichend
erklärt.Siehe Note 24 Seite 120.
Andere sehen in der Zersetzung der abgestorbenen organischen Körper nur einen, durch
die verwickelte Zusammensetzung derselben prädisponirten, rein chemischen Vorgang,
eine langsame Verbrennung oder Verwitterung, in den Bakterien und Pilzen aber nur
zufällige Begleiter dieser Vorgänge. Die sorgfältigen Untersuchungen von Spalanzani und Appert, welche
das Hineinkommen der Keime durch Zuschmelzen (Appertisiren), von Schwann, Schröder, Pasteur und Cohn, welche die zutretende Luft durch Glühen oder Filtriren von den
Sporen befreiten, haben auf das Bestimmteste bewiesen, daß diese niederen Organismen
nicht Producte oder zufällige Begleiter, sondern Producenten dieser Zersetzung sind; nicht der Tod erzeugt
die Fäulniß, nicht der Sauerstoff die Verwesung, sondern das Leben der Bakterien und
Pilze vermittelt dieselben.
Gährung ist eine nothwendige Folge des Lebens, welches
ohne directe Verbrennung mittelst freien Sauerstoffes vor sich geht. Der Hefepilz
(Saccharomyces cerevisiae) und andere
organisirteDie Wirkung des Speichels, des Pancreassecretes, des Emulsins, der Diastase
und anderer nicht organisirter Fermente wird nicht durch Chloroform, Phenol
und ähnliche Stoffe beeinflußt, welche dagegen nicht nur das Leben der
organisirten Fermente (Bakterien und Pilze) vernichten, sondern auch die
durch diese veranlaßte Gährung und Fäulniß unterbrechen. Fermente sind Organismen, welche sich direct sauerstoffhaltige Substanzen
(wie den Zucker), die im Stande sind, durch ihre Zersetzung Wärme zu liefern,
assimiliren können, welche also die zu ihrer Entwickelung nöthige Wärme den
gährungsfähigen Substanzen entnehmen. Dem entsprechend muß die Hefe zur Erlangung
der erforderlichen Spannkraft große Quantitäten – nach Liebig das Hundertfache ihres eigenen Gewichtes – Zucker zerlegen.
Tritt aber freier Sauerstoff zu, so nähert sich allmählich das Gewicht der
gebildeten Hefe dem des zersetzten Zuckers (Comptes
rendus 7. Oct. 1872).
Der analoge Spaltungsproceß eiweißartiger Stoffe in Leucin, Tyrosin, Fettsäuren,
Ammoniakbasen, Phosphorwasserstoff, Schwefelwasserstoff. Kohlenwasserstoff u. dgl.,
die ammoniakalische Gährung des Harns und ähnliche Vorgänge, im gewöhnlichen Leben
Fäulniß genannt, werden ausschließlich durch die
Bakterien bewirkt, die zu ihrer Lebensthätigkeit nur geringe Sauerstoffmengen
beanspruchen. Bei jeder Verdunstung faulender Flüssigkeiten werden mit dem
Wasserdampf zahllose Bakterien in die Luft fortgerissen, beim Athmen verschluckt,
mit den meteorischen Niederschlägen auf alle Körper abgesetzt, und so auch an allen
der Luft ausgesetzten stickstoffhaltigen Körpern zu Erregern der Fäulniß, da ihre
Lebenskraft durch den Aufenthalt in der Luft nicht vernichtet wird (Botanische
Zeitung 29. 861).
Verwesung ist ein durch Pilze vermittelter
Oxydationsproceß; sie findet nicht statt, wenn die Pilzvegetation fehlt, auch wenn
Sauerstoff in hinreichender Menge vorhanden ist. – Tanninlösung verändert
sich nach Tieghem nicht, wenn kein Sauerstoff zutreten
kann, auch wenn die Sporen der beiden Schimmelpilze Penicillium glaucum und Aspergillus niger
hineingesäet sind, aber auch nicht bei freiem Zutritt von Sauerstoff, wenn diese
Pilze völlig fern gehalten werden. Bei unbeschränktem Sauerstoff entwickeln sich die
Pilze jedoch an der Oberfläche der Lösung unter Verbrennung des Tannins zu
Kohlensäure und Wasser. Wird das bereits gebildete Pilzmycelium untergetaucht, der
Zutritt der Luft also beschränkt, so wird das Tannin in Gallussäure und Zucker
gespalten, während ein Theil des gebildeten Zuckers von den Organismen absorbirt
wird. – Wird einer der häufigsten Schimmel-(Verwesungs-) Pilze
Mucor mucedo in eine Zuckerlösung untergetaucht, so
erfolgt keine Sporangienbildung wie an der Luft, um so reichlicher bilden sich aber
Gemmen oder Brutzellen, die als sogenannte Kugelhefe eine lebhafte Gährung
hervorrufen (Bericht, deutsch. chem. Ges. 6. 48) –
Zehntel-Oxalsäurelösung wird im Sommer in kurzer Zeit durch Pilzvegetation,
unter reichlicher Absorption von Sauerstoff, in Kohlensäure übergeführt. Wird aber,
nach Neubauer, die Lösung eine halbe Stunde auf
70° erhitzt, die Sporen also getödtet, so tritt diese Zersetzung nicht ein
(Zeitschr. analyt. Chem. 9. 392).
Sämmtliche Verwesungserreger vegetiren nur an der Oberfläche der organischen Körper
in unmittelbarer Berührung mit der atmosphärischen Luft. Unter reichlicher
Sauerstoffaufnahme setzen sie ihre organische Nahrung größtentheils in Kohlensäure,
Wasser und Ammoniak um; Letzteres geht dann unter weiterer Absorption von Sauerstoff
in salpetrige Säure und Salpetersäure über.
Selbstverständlich wird ein Pilz, der auf einem abgestorbenen organischen Körper
wächst, Verwesung desselben auf der der Luft ausgesetzten Oberfläche, aber auch
Gährung durch sein in die Substanz eingedrungenes Mycelium bewirken. Fast bei jeder
Verwesung werden demnach auch Gährungs- (und durch die gleichzeitig
anwesenden Bakterien Fäulniß-) Producte auftreten, die bei fortdauerndem
Luftzutritt durch die Pilzvegetation dann ebenfalls in Kohlensäure, Wasser u.s.w.
übergeführt werden.
Die Lebensthätigkeit dieser winzigen Organismen hindert demnach das Anhäufen der
Abfälle und Leichen von Pflanzen und Thieren; nur durch sie werden diese Massen dem
Kreislauf der Natur zurückgegeben, durch ihre Vermittelung in solche Verbindungen
zersetzt, welche die chlorophyllhaltigen Pflanzen zum Aufbau ihrer Organe gebrauchen
und so neuem Leben zugeführt. Die Erde würde in kurzer Zeit unbewohnbar werden, wenn
die Bakterien und Pilze diese ihre Thätigkeit einstellten!
Es ist hier nicht der Ort, auf die abweichenden Ansichten von Hallier, dessen Arbeiten von FachbotanikernSteudener, Ueber pflanzliche Organismen als
Krankheitserreger. (Leipzig, Breitkopf) 0,75
Mark. als nicht wissenschaftlich bezeichnet werden,Botanische Zeitung 27. 105.
Polotebnow und Crace Calvert,
welche die Fortpflanzung der Bakterien bestreiten, von Huxley, der sie aus Hefe und Penicillium entstehen läßt, von Hoppe-Seyler, Fleck u.a. näher einzugehen. Jedem,
der sich für diese, auch praktisch wichtigen Fragen interessirt, können die
sorgfältigen Untersuchungen und Arbeiten von de Barry,Siehe Note 24 Seite 120.
Cohn,Siehe Note 25 Seite 121.
Eidam,Eidam, Der gegenwärtige Standpunkt der Mycologie
(Berlin, Oliven) 8 Mark.
Hofmann,Botanische Zeitung. 27. 233. Lex,Lex, Fäulniß und verwandte Processe.
Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheit. 4. 47.
Schröter und Steudener bestens
empfohlen werden.
Wie das Leben der Saprophyten für öffentliche Reinlichkeit sorgt, so richtet sich die
Thätigkeit der Parasiten gegen das Ueberhandnehmen einzelner geselliger Species auf
Kosten anderer, somit auch gegen das Gedeihen unserer Culturpflanzen und Hausthiere,
ja gegen unser eigenes Leben.
Von den zahlreichen, durch Pilze bewirkten Krankheiten der Culturgewächse, bei denen
die Art und die Verbreitung der Ansteckung, der Zusammenhang zwischen
fortschreitender Krankheit und Pilzentwickelung auf das genaueste von Mohl, de Barry, Kühn u.a. beobachtet und durch exacte
Versuche festgestellt, sollen hier nur erwähnt werden der Getreidebrand, die
Kartoffelkrankheit durch Peronospora infestans die
Traubenkrankheit durch Oidium Tuckeri
Eidam, Der gegenwärtige Standpunkt der Mycologie
(Berlin, Oliven) 8 Mark. von den minder zuverlässig erkannten Krankheiten kleinerer Thiere das
Absterben der Stubenfliegen durch Empusa muscae (Brefeld, Botanische Zeitung 28. 161), der Seidenraupen
durch den Muskardine-Pilz Botrytis Bassiana (de Barry, Botanische Ztg. 25. 1) und die schwarze
Muskardine der Agrotis segetum (Cohn, Jahrbuch der schlesisch. Ges. f. vaterl. Cultur).
Daß verschiedene Hautkrankheiten der Menschen, wie Favus, Herpes, Soor durch ächte,
die äußere Haut und die Schleimhaut bewohnende parasitische Pilze hervorgerufen
werden, ist bekannt, daß Chionyphe Carteri den in Indien
gefürchteten Madura-Fuß verursacht, ist in den letzten Jahren bestimmt
nachgewiesenEidam, Der gegenwärtige Standpunkt der Mycologie
(Berlin, Oliven) 8 Mark. und Troube hat gezeigt, daß durch den
Catheterismus Bakterienkeime in die Harnblase, von dort in die Nieren gelangen und
hier höchst gefährliche Eiterungen erzeugen. Davaine
Steudener, Ueber pflanzliche Organismen als
Krankheitserreger. (Leipzig, Breitkopf) 0,75
Mark. hat bewiesen, daß der Milzbrand der Thiere und die damit zusammenhängende
Pustula maligna der Menschen durch das Eindringen
kleiner cylindrischer Bakterien in den Organismus, Buhl
und Oertel, daß die mörderische Diphtherie, Klebs, daß Pyämie und Septicamie nur durch Bakterien
verursacht werden.
Weniger glücklich ist man mit der Auffindung der specifischen Krankheitskeime anderer
Infectionskrankheiten gewesen; so hat sich das Choleraphyton als Ascarideneier, Cylindrotaenium cholerar asiaticae als Oidium lactis, ein auf jeder sauren Milch vorkommender
Schimmelpilz, herausgestellt. Nichtsdestoweniger aber bietet gerade der Verlauf und
die Verbreitungsweise der Cholera, die Art der Infection, sehr viele Momente dar,
welche auf niedere Organismen als Krankheitsursache unabweisbar hindeuten. Auch von
den übrigen Infectionskrankheiten (Typhus, Wechselfieber u.s.w.) ist es im höchsten
Grade wahrscheinlich geworden, daß die Erreger derselben niedere Organismen
sind.Siehe Note 30 Seite 124. Dem entsprechend sind faulende organische Stoffe nicht
nur die geeigneten Brutstätten für Bakterien, sondern auch für die
Infectionskrankheiten.
Die Ausdünstung (Malaria) großer Massen faulender Pflanzenstoffe in den Torfmooren
Norddeutschlands, den Reisfeldern der Lombardei und Venetiens, den Pontinischen
Sümpfen u.s.w. gelten als Krankheitsursache der Wechselfieber.
Ganz besonders gefährlich sind aber faulende thierische Stoffe, namentlich
menschliche Excremente, und wird deßwegen die Verunreinigung des Bodens mit
excrementellen Fäulnißproducten allgemein und mit Recht als Ursache der
gefährlichsten Krankheiten und der schlechten Mortalitätsverhältnisse der größeren
Städte angeklagt.
Mit jedem Jahre hat sich unter den Aerzten die wissenschaftliche Ueberzeugung mehr
festgestellt, daß die Ursache des Typhus in jenen Zersetzungsprocessen zu suchen
ist, welche sich im Erdboden entwickeln, wenn unreine organische Stoffe, und zwar
namentlich menschliche Excremente, in denselben eindringen.
Sinkt das Grundwasser, welches excrementielle Substanzen in sich aufgenommen hat, so
läßt es hinter sich feuchte und zugleich verunreinigte Bodenschichten, und je wärmer
Luft, Boden und Grundwasser sind, um so reichlicher werden die schädlichen
Zersetzungen vor sich gehen. Mögen nun die Krankheitserreger aus dem Boden in das
Trinkwasser der Brunnen, oder direct in die Luft übergehen, jedenfalls sind die
Leute, welche auf dem verunreinigten Boden leben, mehr oder weniger den schädlichen
Einflüssen ausgesetzt.Reinigung und Entwässerung Berlins.
Generalbericht über die Arbeiten der städtischen gemischten Deputation für
die Untersuchung der auf die Canalisation und Abfuhr bezüglichen Fragen,
erstattet von R. Virchow. (Berlin, Hirschwald) 5 Mark.
Wenn der Mensch die verunreinigte Luft in seiner Wohnung nicht durch frische Luft
erneuert, das verunreinigte Wasser und alle Abfallstoffe des Hauses in den Boden
dringen läßt, auf welchem sein Haus gebaut ist, wenn er vielleicht gar die faulenden
organischen Stoffe in der Nähe seiner Wohnung aufspeichert oder so ablagert, daß sie
den Boden verunreinigen und versumpfen, dann wird die aus dem Boden in sein Haus
eindringende Luft mit gesundheitsgefährlichen Stoffen geschwängert, das Wasser
seines Brunnens wird ungesund und die in seinen Körper eindringenden organischen
Schlacken werden ihn krank machen.
Es kann hier nicht unsere Aufgabe seyn, diese Sätze allererst zu beweisen, wir
müssen, falls sie wirklich noch bezweifelt werden sollten, auf die erörterten
Thatsachen der Wissenschaft uns berufen, welche für Alle, die
sehen wollen, eine überwältigende Macht der Ueberzeugung besitzen.
Nur im vollen Verständniß des Naturhaushaltes lernt der Mensch die Gefahren
vermeiden, welche seiner Gesundheit und seinem Leben drohen. In den großen Städten,
in denen durch das zusammengedrängte Wohnen Vieler die Lebensverhältnisse der
Menschen sich immer mehr von der Einfachheit des sich selbst ordnenden
Naturhaushaltes entfernen, kann nur in genauer Berücksichtigung aller aus diesem
engen Zusammenwohnen erwachsenen Gefahren die Gesundheit und das Leben der Einwohner
geschützt werden. Die Nichtberücksichtigung der zur schnellen und sicheren
Fortschaffung der Abfalls- und Auswurfstoffe aus dem Gebiete der Stadt
nothwendigen Maßregeln rächt sich sofort durch vermehrte Krankheiten und erhöhte
Sterblichkeit. – Alle Beobachter stimmen darin überein, daß die Entstehung
und Verbreitung gewisser Krankheiten (Infections-Krankheiten) an den
Fäulnißproceß gebunden ist, und daß es daher gefährlich ist, in einer volkreichen
Stadt Herde zu dulden, welche die Entstehung und Verbreitung derartiger Krankheiten
vermitteln.Bericht der Commission für öffentliche Gesundheitspflege in Hannover; vergl.
diese Mittheilung S. 131, 236 und: Ferd. Fischer,
Das Trinkwasser (Hannover, Hahn) 1873.
Daß die bisherigen Verfahren, sich der Abgänge zu entledigen, durchaus ungenügend
sind, wurde schon wiederholt hervorgehoben.Hannoversches Wochenblatt für Handel und Gewerbe 1872, 366. So sind in Hannover in fast allen Höfen und, oft den Grundmauern anliegend,
durchlässige Abortsgruben vorhanden, nicht selten unweit davon die Brunnen;
Schweineställe und Mistgruben kommen namentlich in den engen Höfen der kleineren
Straßen vor; Schmutzwasser wird auf die Straßen gegossen, das Blutwasser der
Schlachtereien fließt durch die Gossen der Straßen, das Erdreich in der Nähe der
Wohnungen ist weder rein noch trocken. Alles Verbrauchswasser aus Häusern, Küchen,
Wäschereien, Fabriken, selbst flüssiger Unrath von den Straßen, ja ein großer Theil
der Excremente von Menschen und Thieren fließt in gemeinsame Behälter, die Canäle
heißen, aber, um diesen Namen zu verdienen, weder genügend gespült werden, noch den
erforderlichen Abfluß besitzen, daher im Ganzen anzusehen sind wie netzartig durch
die Stadt verbreitete Jaucheröhren, welche aus allen Einlaßöffnungen, namentlich im
Sommer, unerträglich stinken.Bericht der Commission für öffentliche Gesundheitspflege in Hannover; vergl.
diese Mittheilung S. 131, 236 und: Ferd. Fischer,
Das Trinkwasser (Hannover, Hahn) 1873.
Ungl eich besser sind diese Verhältnisse in England, während in anderen Städten des
Continents ähnliche schauderhafte Zustände herrschen; in einigen Orten sind sie
etwas besser, in wenigen, welche eine ungünstigere Lage haben als Hannover,
schlechter als hier. Genauer untersucht sind diese Verhältnisse in Basel,Göttisheim, Das unterirdische Basel. Ein Beitrag
zur Canalisationsfrage. (Basel, Schweigerhauser
1868.) Berlin,Siehe Note 25 Seite 121. Breslau,Wolff, Der Untergrund und das Trinkwasser der
Städte. (Erfurt, Keyser) 1 Mark. Danzig,Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege. 1. 132; 3. 329. Dresden,Daselbst 1. 59. Frankfurt,Varrentrapp, Ueber Entwässerung der Städte, über
Werth oder Unwerth der Wasserclosette. (Berlin, Hirschwald.) 4,5 Mark. Heidelberg,Die Reinigung und Entwässerung der Stadt Heidelberg
nebst einem Anhange über die Wasserversorgung der Stadt.
(Heidelberg, Bassermann.) 3 Mark. Leipzig,(Kanalisation und Abfuhr mit besonderer Beziehung
auf Leipzig. (Leipzig, Wiegand 1869.) München,Pettenkofer, Das Canal- oder Sielsystem in
München. (München, Manz 1869.) OldenburgVierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege. 4. 655. u.a. – In Frankfurt und Heidelberg geht die neue Wasserversorgung und
Kanalisation ihrer Vollendung entgegen, in Danzig ist eine vollständige Canalisation
(mit Wasserclosetten) seit kurzer Zeit dem Gebrauch übergeben und Berlin hat die
Anlage einer solchen in Angriff genommen.
Eine der wichtigsten Forderungen der öffentlichen Gesundheitspflege ist also: jede Fäulniß in den Häusern oder in deren Nähe zu
verhindern. Es kann dieses dadurch geschehen, daß die Abfälle der Küchen
und Gewerbe, namentlich aber die menschlichen Excremente möglichst rasch aus der
Nähe der Wohnungen entfernt werden, und zwar durch Wasser (Wasserclosett) oder durch
häufige Abfuhr (Liernur), oder aber, indem die Fäulniß
derselben durch Desinfectionsmittel u. dgl. gehindert wird, so daß die Fortschaffung
gelegentlich geschehen kann.
Da, wie schon hervorgehoben, der Fäulnißproceß eine Lebensthätigkeit der Bakterien
ist, so kann die faulige Zersetzung menschlicher Excremente und anderer Abfälle
gehindert werden:
1) durch Vernichtung der Bakterien und zwar durch Chemikalien, durch Wasserentziehung
oder durch Hitze;
2) durch Zerstörung der fäulnißfähigen Substanz selbst; dieses kann geschehen durch
oxydirende Mittel, durch Verkohlen oder Verbrennen, durch Begünstigung der
Verwesung.
Zu den am häufigsten angewendeten Mitteln, die Zersetzung der menschlichen Excremente
zu hindern, gehört der Eisenvitriol, welcher schon Ende
des vorigen Jahrhunderts von der Akademie zu Dijon vorgeschlagen wurde. Auch von v. Pettenkofer,Cholera-Regulativ von Griesinger, Pettenkofer und Wunderlich (München 1867.) der in der alkalischen Gährung der Excremente eine wesentliche Bedingung der
Entwickelung der Cholera sieht, wird derselbe empfohlen. Er erachtet die
Desinfection dann als eine genügende, wenn die Excremente und was sich mit diesen
gemischt vorfindet, nicht alkalisch, sondern deutlich sauer reagiren, und diese
saure Reaction beibehalten, bis sie aus der Nähe menschlicher Wohnplätze entfernt
werden. Man kann nach ihm annehmen, daß 100 Grm. Eisenvitriol in 1 Liter Wasser
gelöst, für die Excremente von 4 Personen hinreichen. Diese Annahme setzt voraus,
daß die frischen Excremente nicht mit altem Grubeninhalt, mit bereits in alkalische
Zersetzung übergegangenen Excrementen zusammengebracht werden, sondern daß letztere
entweder vor Beginn der Desinfection möglichst entfernt, oder mit Eisenvitriol so
lange versetzt worden sind, bis der Inhalt der Grube oder des Fasses die alkalische
Reaction verloren hat und in eine saure übergegangen ist. Man kann mit Eisenvitriol
allein die Excremente sauer erhalten, aber es ist sehr rathsam, etwas rohe
Carbolsäure (Phenol) zuzusetzen. Wenn man der Eisenvitriollösung, welche für die
täglichen Excremente einer Person bestimmt ist, 2 Grm. roher Carbolsäure (durch
Schütteln in etwa 50 Kub. Cent. Wasser gelöst) zusetzt, so kann man die Menge des
Vitriols beträchtlich, um ein Drittel (auf 16 Grm.) verringern.Was man gegen die Cholera thun kann. Im Auftrage
des Gesundheitsrathes von München verfaßt von M. v. Pettenkofer (München, Oldenburg, 1873)
0,75 Mark. Um sich zu überzeugen, ob ausreichend desinficirt ist, genügt es, mit einem
reinen Stäbchen einen Tropfen der Flüssigkeit, welche Excremente enthält, auf blaues
Lackmuspapier zu legen und zu beobachten, ob dieses dadurch geröthet wird.
Schon Fuchs
Breslauer Gewerbeblatt 1866. 45. macht darauf aufmerksam, daß Eisenvitriol nur dann wirksam desinficirend
wirkt, wenn er mit den Excrementen vollkommen gemischt wird, und Ilisch hat nur bei starkem Zusatz von Eisenvitriol zu
Harn und Koth die Entstehung von Pilzen und Infusorien verzögern gesehen.
(Untersuchungen über Entstehung und Verbreitung des Choleracontagiums. Petersburg,
1866.)
Besonders ungünstig spricht sich Hoppe-Seyler
Hoppe-Seyler, medicinisch-chemische
Untersuchungen aus dem Laboratorium für angewandte Chemie zu Tübingen.
(Berlin 1871.) über die Wirkung des schwefelsauren Eisens aus. Weil eine Lösung von
Eisenvitriol einige
Producte der Fäulnißprocesse wie Schwefelwasserstoff und Ammoniak in feste
Verbindung überführt, hat man in diesem Salze eine desinficirende Substanz zu finden
vermeint. Es wird wohl weder die Vibrionen, Bakterien, noch andere dem Menschen
nachtheiligere Organismen sehr berühren, ob man diese Stoffe entfernt, denn daß sie
von diesen nicht leben, kann man wohl eben so sicher annehmen, als daß der Bierhefe
nichts an der Kohlensäure liegt, die bei der Alkoholgährung entweicht und die in
andere organische Stoffe überzuführen, ihr ebenso schwer fallen möchte, als den
Cholerakeimen, sich von Schwefelwasserstoff und Ammoniak zu nähren. Es ist durchaus
nicht zu verkennen, wie wichtig aus Gründen betreffend das Wohlbefinden der Menschen
und der Reinlichkeit es ist, diese Stoffe nicht in die Luft der Wohnungen übergehen
zu lassen, aber man darf sich auch nicht dem Glauben hingeben, daß man damit
Cholera- und Typhusansteckung beseitige, man darf sich nicht mit der
Anwendung des Eisenvitriols deßwegen zufriedenstellen, weil er die üblen Gerüche
beseitigt. Wesentlicher dürfte schon seyn, daß Eisenvitriol, besonders wenn er
theilweise oxydirt ist, wie alle Salze der schweren Metalle, in solchen
Flüssigkeiten Niederschläge erzeugt, durch die auch die Fermente und niederen
Organismen gefällt werden. Es ist jedoch sehr fraglich, ob die Organismen und
Fermente im Niederschlage getödtet sind, und nicht vielleicht bei Aenderung der
Verhältnisse zu neuer Thätigkeit erwachen können.
Krafft und Sucquet (französ.
Patent) vermischen eine Eisenoxydauflösung mit gefaultem Harn und verwenden das
gefällte Hydrat zur Desinfection. (polytechnisches Journal Bd. CIII S. 148.)
FleckDresdener Journal, 23. August 1871. empfiehlt 70 Grm. Eisenvitriol, 20 Grm. Chlorkalk und 1 Liter Wasser. Die
Bestandtheile zersetzen sich gegenseitig, so daß im Wesentlichen Eisenoxydhydrat
entsteht.
Das Desinfectionspulver von Lüder und Leidloff
Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheit. 3. 462. soll nach Lichtenberger – außer
Feuchtigkeit und nicht direct nutzbaren Stoffen – bestehen aus 16 Proc.
schwefelsaurem Eisenoxydul (Ferrosulfat), 36 Proc. schwefelsaurem Eisenoxyd
(Ferrisulfat) und 4 Proc. freier Schwefelsäure, außerdem Gyps in wechselnden
Antheilen. – Die Angabe, das Pulver enthalte 4 Proc. freie Schwefelsäure, ist
offenbar unwahr.
Wenn man die Absätze aus den eingesottenen Vitriollaugen oder die Mutterlauge der
Vitriolkrystallisation mit einer zur völligen Zersetzung ungenügenden Menge Kalk in
Pulverform mischt, erhält man ein dem genannten Pulver völlig entsprechendes Gemenge aus
Eisenoxyd, Gyps und Vitriol.
CoutaretMonit. industr. 1846 Nr. 1058; polytechn.
Journal Bd. CIII S. 119. (französ. Patent) wendet vorwiegend holzessigsaures Eisen zur Desinfection
an. – Wenn dasselbe noch Theerbestandtheile enthält, ist es gewiß
beachtenswerth.
Kral empfiehlt Eisenchlorid und schwefelsaures Eisenoxyd
(Uhland's Maschinenconstructeur 1869. 72.
CotterauJourn. Chim. médic. 1846. 696; polytechn.
Journal Bd. CII S. 458. versetzt 100 Liter Kothjauche mit 8 bis 10 Liter Manganlauge, d.h.
Rückstände der Chlorbereitung. Die saure Flüssigkeit wird filtrirt und liefert beim
Eindampfen etwa 4 Kilogrm. rohen Salmiak. – Das französische
Kriegsministerium erließ die Verfügung, daß in den Militär-Spitälern alle
Abtritte nach diesem Verfahren desinficirt werden sollen. (Monit industr. 1848 Nr. 1072.)
Alle diese Mittel wirken im Wesentlichen nur desodorisirend, wenn ihnen nicht, wie
Pettenkofer vorgeschlagen, Carbolsäure zugesetzt
wird.
Blanchard und Chateau
versetzen die Excremente mit Phosphorsäure und phosphossaurem Magnesium. (Comptes rendus 62. 446; polytechnisches Journal Bd. CLXXXVI S. 482).
Jacquotpolytechn. Journal, Bd. CIII S.
152. (französ. Pat.) wendet auf 1 Kubikmeter Excremente 3 Kilogrm. Gyps an;
offenbar völlig unzureichend. Blandet empfiehlt
Chlorbaryum. (polytechn. Journal Bd. CXXV S.
397.)
Poussier bringt in die Aborte schwefelsaure Thonerde.
(polytechn. Journal Bd. XC S. 320.)
Die Ostentation, mit welcher die Chloralum-Company
in London ihr Geschäft mit Desinfectionsmitteln in Gang gesetzt und in Schwung
erhalten hat, ließ entweder auf eine große Vorzüglichkeit der Desinfectionsmittel
oder auf einen großen Schwindel schließen. Die Chloralum-Company
empfiehlt:
1) Das Chloralum als von der Chemie und Physik datirtes
und in Großbritannien überraschend schnell sich einführendes, sicherstes,
geruchloses und ungiftiges Desinfectionsmittel, zur Desinfection von Latrinen und
Schlinggruben, Ställen u.s.w. Der flüssige Inhalt eines sauber etiquettirten Gefäßes
im Gewicht von 637 Grm. enthält nach der Untersuchung von Fleck:Industrieblatt 9. 25. 82,32 Procent Wasser, 13,9 Procent Chloraluminium, 3,11 Procent Chlorcalcium
sowie Chlorverbindungen
von Eisen, Blei und Kupfer. Preis 1,5, Werth kaum 0,2 Mark.
2) Chloralum Powder als Absorptionsmittel von organischen
Verunreinigungen, als Antisepticum und Adstringens in der Vermischung mit Weizenmehl
genossen, sowie als Desinfectionsmittel der Eisenbahnwagen, Schiffe, Aborte, Ställe
u.s.w. empfohlen. Eine schön etiquettirte Blechbüchse mit 370 Grm. eines weißen
Pulvers, welches enthält: 52,43 Proc. Chloraluminium, 32,15 Proc. Kieselerde und
Thon, 11,51 Proc. Chlorcalcium, 0,72 Proc. Chlorarsen, sowie Chlorverbindungen von
Blei und Kupfer. Preis, 0,5, Werth kaum 0,1 Mark.
3) Chloralum-
Wool and Wadding ist nichts als Watte mit Chloralum.
Preis 2, Werth 0,05 Mark.
Diese Präparate lassen sich demnach in folgender Weise herstellen: ein kalkhaltiger
Thon wird mit roher, rauchender Salzsäure übergossen und soweit möglich gelöst. Die
geklärte Flüssigkeit bildet das Chloralum, der eingetrocknete Schlamm das
Powder.
Das ChloraluminiumhydratDeutsche Industriezeitung 1871. 476. von Ehrhardt und Alexander in New-York enthält 21 Proc. Chloraluminium, sowie etwas
Eisen, Chlorcalcium u.s.w. Das Brom-Chloralum von Tilton und Comp. in New-York enthält
18,5 Proc. Chloraluminium, Chlorcalcium, Alkalien und etwas gebundenes Brom. Das
DesinfectionsmittelBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 5. 651. von Tilden, New-Libanon, Ver. St.
(englisch. Pat., 15. November 1871) ist ein Gemenge von Bromaluminium mit
Chloraluminium und etwas Jod. Ueber die Darstellung dieser Mittel wird man nicht
zweifelhaft seyn.
Diese Mittel binden zwar das Ammoniak, nicht aber den Schwefelwasserstoff, stehen
also noch hinter den Eisen- und Manganverbindungen zurück; sie wirken weder
desodosirend noch desinficirend (vergl. S. 135).
Das Girondin von Joseph Meyer
in New-York enthält 25,0 Proc. schwefelsaures Zink und 1,4 Proc.
schwefelsaures Kupfer.Deutsche Industriezeitung 1871. 476. Nach einem Bericht der städtischen Sanitätsbehörde (Board of Health) in New-York ist die Wirkung desselben
befriedigend.
Auch andere Zink-, Kupfer- und Arsenverbindungen sind vorgeschlagen,
doch steht ihrer allgemeinen Anwendung ihre Giftigkeit im Wege.
Nach Wegler
polytechn. Centralblatt 1867. 1582; bayerisches Kunst- und
Gewerbeblatt 1867. 415. ist der widrige Geruch, den alle Diarrhöekothe besitzen, der schon bei
30° flüchtigen Kothsäure zuzuschreiben. Sie wird durch Kalkmilch und
Kalilauge, nicht aber durch Ferrihydrat (Eisenoxydhydrat), noch weniger durch
Eisenvitriol, Zinkvitriol und andere Metallsalze gebunden. Uebermangansaures Kalium
oxydirt die Kothsäure zu Huminsäure.
Stenhousepolytechn. Journal Bd. XCVIII S. 448
und Bd. CIV S. 68. versetzt den Urin mit Kalkmilch, und Higgs (engl.
Pat.) vermischt die Excremente mit Kalk, fordert aber besonders construirte Gebäude
u.s.w. Aehnlich Mosselmann (Mittheilungen des
hannoverschen Gewerbevereines, 1865 S. 118).
Da Kalk Ammoniak entwickelt, ist er höchstens bei frischen Excrementen zu
empfehlen.
Sehr gut haben sich die Producte der trockenen Destillation bewährt.
PerreymondMonit. industr. 1845 Nr. 957; polytechn. Journal
Bd. XCVIII S. 336. macht den Vorschlag, 100 Liter Harn mit 1 Kilgrm. Theer zu versetzen;
derselbe geht dann selbst nach Monaten nicht in die faulige Gährung über. Dieser
desinficirte Harn aus Schulen, öffentlichen Pissoiren und dergl. soll durch
künstliche Wärme oder in großen Behältern mit künstlicher Ventilation verdunstet
werden; die zurückbleibende Masse gibt ein gutes Düngmittel, welches die Kosten der
Darstellung völlig decken soll. Chevallier empfiehlt zu
gleichem Zweck die Anwendung des Steinkohlentheeröles (Journ.
Chim. méd. 1852; polytechn. Journal Bd. CXXV S. 468).
Demeaux und Corne
polytechn. Journal Bd. CLVI S.
46. empfehlen ein Gemisch von 100 Gyps mit 2–4 Steinkohlentheer.
MacDougall's Desinfectionspulver ist nichts weiter als
gewöhnlicher Gaskalk. (Badische Gewerbezeitung 1867 Nr. 3).
Fuchs empfiehlt zur Desinfection Holzessig und Holztheer,
allein oder in Verbindung mit Eisenvitriol oder Zinkvitriol, oder auch Mineralöle.
Coutaret desinficirt die Aborte, sowie auch die
Abdeckerei zu Aubervilliers mit Kreosotwasser und einer Lösung von holzsaurem Eisen.
Nicht nur der Geruch, sondern auch Fliegen, Würmer und dergl. verschwanden.
Chlorkalk hatte sich als völlig unzureichend erwiesen. (Monit. industr. 1846. 1050; polytechn. Journ. Bd. CI S. 407).
Nach Paquet ist Thymol ein ausgezeichnetes
Desinfectionsmittel; für Aborte u. dgl. ist es zu theuer. (Bullet. génér. thérapeut; polytechn. Notizbl. 24.
286). Dotsch hat sich die Anwendung desselben in England
patentiren lassen. (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 5. 543).
Pelouze empfiehlt die Desinfection mittelst Naphtalin.
(Bulletin de la société chim. 1866.
351).
Calvertpolytechn. Journal Bd. CLVI S.
50. empfahl schon 1855 die Anwendung der Carbolsäure, und Letheby hat dieselbe mit sehr gutem Erfolge angewendet (Chem. News. 1866. 267; polyt. Journal Bd. CLXXXIII
225).
Homburg in Berlin hat Desinfectionstafeln eingeführt.
Dieselben bestehen aus Pappe, welche wie ein Schwamm mit Carbolsäure vollgesogen
ist, so daß dieselbe fast das 1 1/2fache ihres Gewichtes an roher Carbolsäure und
zwar 1 Quadratmeter fast 1 Kilogrm. davon enthält. Die Anwendung derselben ist
offenbar sehr bequem. (Industrieblatt. 8. 295.)
Liebreich, Schür und Wichelhaus empfehlen Carbolsäurewasser (1 Theil reiner krystallisirter
Carbolsäure auf 100 Theile Wasser) zum Spülen der Wasser-Closetts, Pissoirs,
Röhrenleitungen an Abtritten u.s.w., Carbolsäurepulver (100 Theile Torf, Gyps, Erde,
Sand, Kohlenpulver mit 1 Theil Carbolsäure) für Nachtstühle, Abtritte,
Düngerhaufen.
Eine Specialcommission der Pariser Akademie empfiehlt 1 Theil Carbolsäure (Phenol)
mit 3 Theilen Sand oder Sägespänen zu mischen und in offenen Gefäßen an den zu
desinficirenden Orten aufzustellen. Phenol, mit 15 bis 25 Th. Wasser verdünnt, wurde
zum täglichen Besprengen des Fußbodens und des Bettzeuges der Krankenzimmer sehr
nützlich befunden. – Weder durch Chlor noch durch unterchlorigsaure Salze
konnten die von den Leichen in der Pariser Morgue während der Sommerhitze
ausgegebene Gase zerstört werden. Der Zweck wurde aber erreicht, indem man 1 Liter
Phenol in dem 1900 Liter frisches Wasser enthaltenden Reservoir auflöste, welches
zum Besprengen der Leichen diente. Die faulige Gährung wurde dadurch vollständig
unterdrückt (polytechn. Journal 1872, Bd. CCIII S. 326.)
Schrader und Behrend in
Schönefeld bei Leipzig bringen Carbolsäurepulver in den Handel. Sie fordern pro Person und Tag 1 Grm. Phenol zur Desinfection der
Abgänge. 100 Kilgrm. des Pulvers (Kieselsäure mit 10 Proc. Phenol) kosten 20 Mark.
Westerton (engl. Pat. vom 31. März 1871) vermischt
Phenol mit Aether, Alkohol oder sonst einem flüchtigen Körper, um so die Verbreitung
desselben in der Luft zu begünstigen. (Berichte der deutschen chemischen Ges. 4.
893.)Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 3. 823.
Ziurek empfiehlt, 100 Theile Kalk mit Wasser zu löschen
und unter das erkaltete
Pulver 5 Th. Karbolsäure zu mischen. Wiederhold gibt
einer schwefelsauren Lösung derselben den Vorzug. (Neue Gewerbebl. f. Kurhess. 1866.
836.)
Crookes (engl. Pat. v. 18. Oct. 1871) wendet Carbolsäure
an, in welche schweflige Säure geleitet worden. (Berichte der deutsch. chemischen
Gesellsch. 5. 541.)
Hoppe-Seyler hat gefunden, daß keine niederen
Organismen in einer Flüssigkeit leben können, welche 1 Proc. Phenol enthält.
(Medicinisch-chemische Untersuchungen, 4. Heft).
Aehnliche Resultate haben die Versuche von Plugge ergeben.
(Berichte der deutschen chem. Ges. 5. 823.)
Crace-Calvert hat Eiweiß und Mehlkleister in
unverschlossene Flaschen gebracht; diese Lösungen versetzte er mit verschiedenen
Mengen der gegenwärtig als Antiseptica am meisten gebräuchlichen Substanzen. Die
erhaltenen Resultate sind aus folgender Tabelle ersichtlich:
Textabbildung Bd. 210, S. 135
Angewandtes Antsepticum; Menge des
Antsepticums in Procenten; Zeit, binnen welcher die Lösung einen üblen Geruch
annahm; Temperatur 21 bis 28° Cels.; Eiweiß; Mehlkleister; Mac Dougall's
Desinfectionspulver Proc.; Tage; Carbolsäurehaltig. Desinfectionspulver; blieb
unzersetzt; sogen. Chloralaun; Chlorzink; Chlorkalk; übermangansaures Kalium.;
Theeröl; Carbolsäure; Cresylsäure; ohne Zusatz
Diese Tabelle zeigt deutlich, daß Carbolsäure und Cresylsäure die einzigen wahren
Antiseptica sind und diese Ergebnisse stimmen mit denen überein, welche W. Crookes, Dr. Angus Smith und Dr. Sansom erhielten; denn die Wirkung beider Säuren hielt
an, bis sowohl die Eiweißlösung als der Mehlkleister gänzlich eingetrocknet
waren.
Es ergibt sich daraus, daß, wenn zur Beseitigung des schädlichen Geruches von irgend
einer im Zustande der Fäulniß oder Zersetzung begriffenen Substanz bloß
desodorisirendeDesodorisirend nennt man bekanntlich, (nach A. W.
Hofmann) eine Substanz, welche unangenehme
oder schädliche Gerüche beseitigt; desinficirend
eine solche, welche die Verbreitung von Ansteckung verhindert; antiseptisch endlich ist ein Körper, welcher
verhütet, daß die Substanz, mit welcher er in Berührung ist, in Gährung oder
Fäulniß übergeht. Beispiele von desodorisirenden Mitteln sind Manganchlorür
und Eisenvitriol. Zu den antiseptischen Mitteln gehören Quecksilberchlorid,
Chlorzink, Chlornatrium, arsenige Säure, mehrere ätherische Oele,
Carbolsäure (Phenol) und die ihr homologe Cresylsäure. Die desinficirenden
Mittel zerfallen in zwei Classen: in die erste Classe gehören diejenigen,
welche durch Oxydation wirken und die Infection veranlassende organische
Substanzen zerstören, wie das übermangansaure Kali, der Chlorkalk und die
Salpetersäure; die zweite Classe begreift diejenigen Desinfectionsmittel,
welche die Krankheitskeime vergiften oder unschädlich machen. Zu dieser
Classe gehören Kampfer, schweflige Säure und ebenfalls Carbolsäure.
Natürlich besitzen die sämmtlichen oben genannten Substanzen nicht
ausschließlich die Eigenschaften der Classe, der sie hier zugetheilt worden
sind; sie charakterisiren sich jedoch vorwiegend durch die ihnen damit
zugeschriebene Wirkungsweise. Mittel erforderlich sind, Manganclorül, Chlorkalk, übermangansaures
Kalium, Chloralaun etc, mit Vortheil benutzt werden können. Wird aber die Verhütung
der Zersetzung einer organischen Substanz bezweckt, dann muß man zur Anwendung von
Phenol schreiten, weil der Zweck nur mit diesem erreicht werden kann.
Da die von faulender organischer Substanz ausgegebenen Producte bekanntlich die
Zersetzung von Körpern, welche gleicher Natur sind, begünstigen (indem, wie bereits
erwähnt, die Luft als Vehikel für die Uebertragung der Bakterienkeime dient), so
stellte Calvert nachstehende Versuche an, um zu
ermitteln, welche von den genannten Substanzen das stärkste Vermögen besitzt, solche
Keime zu zerstören, und somit die animalische Substanz vor Fäulniß zu schützen. Auf
den Boden weithalsiger Flaschen brachte er eine bekannte Menge von jedem der
antiseptischen Mittel und hängte mittelst eines Drahtes über denselben ein Stück
frisches Fleisch auf. Die folgende Tabelle enthält die erhaltenen Resultate:
Angewandtes Antisepticum
Das Fleischzeigte Fleckennach:
Es wurdefaul nach:
Uebermangansaures Kalium
2 Tagen
4 Tagen
Chloralaun
2
„
10 „
Dougall's
Desinfectionspulver
12
„
19 „
Chlorkalk
14
„
21 „
Theeröl
16
„
25 „
Chlorzink
19
„
– „
Carbolsäurehalt.
Desinfectionspulv.CarbolsäurCresylsäure
wurde nicht fleckig, sonderntrocknete
allmählich zu einerganz harten Masse ein.
(polytechn. Journal Bd. CXCIX
S. 68).
LaujorroisComptes rendus, 76. 630; polytechn. Journal Bd. CCVII S. 515. hat gefunden, daß Fleisch und ähnliche Stoffe nicht in Fäulniß übergehen, wenn 1
Proc. Fuchsin zugesetzt wird. – Auch Pikrinsäure, Strychnin und Opium wirken
fäulnißwidrig. (polytechn. Journal Bd. CXXI S.
70).
Nach den Versuchen von Augend
Journal Chim. médic. 1851; polytechn.
Journal Bd. CXXI S. 72. ist Chloroform ein starkes Antitisepticum. Schon 1/200 desselben reicht hin,
jede Zersetzung zu hindern. – Orfila empfiehlt den
Aether.
Diese Substanzen sind zur Desinfection der Excremente zu theuer, dagegen können
Benzin und Petroleum, wo dieselben billig zu beschaffen, mit Erfolg angewendet
werden.
DesmartisComptes rendus 54. 1116; polytechn. Journal CLXV
S. 73. empfiehlt Campecheholzextract. – Robin
Comptes rendus, 1852; polytechn. Journal Bd. CXXV S. 468. hat gefunden, das Fleisch, in starken Kaffee getaucht, sich über 9 Monate
unverändert erhält. Nach einem französischen Patent vom 10. Februar 1843 wird zur
Desinfection der Aborte Kaffeesatz angewandt, (polytechn. Journal Bd. CIII S. 149.)
Nach den Versuchen von Rabuteau und Papillion
Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 5. 938. genügen 1–2 Proc. kieselsaures Natrium, jede Fäulniß zu hemmen. Sussex versetzt den flüssigen Abtrittinhalt mit
Natronwasserglas, dann mit einer Säure und trocknet die erhaltene gallertartige
Masse aus. (polytechn. Journal Bd. CXXIX S.
390.)
Harn mit Salzsäure versetzt soll nicht faulen, (polytechnisches Journal Bd. CXXVII S. 400.)
Hoppe-Seyler empfiehlt zur Desinfection der Luft
in abgeschlossenen Räumen die schweflige Säure. Directe Versuche lehrten ihm, daß
man durch Anwendung derselben auf das Leichteste und völlig zuverlässig alle
Pilzsporen und damit wohl auch alle Krankheitskeime zerstören kann.
Nach Hirzel bestehen die Desinfectionsschwärmer von Magirus in Ulm aus Patronen, welche mit einem langsam
abbrennenden, sehr viel schweflige Säure entwickelnden Pulversatz gefüllt sind. Sie
werden zur Desinfection von Aborten (da sie auch unter Wasser fortbrennen) und
solchen Localen empfohlen, in denen Kranke oder Leichen gelegen haben,
(polytechnisches Notizblatt 22. 269.)
Durch Wasserentziehung wirken Kochsalz, Alkohol u.a.
tödtlich auf die Bakterien und damit fäulnißwidrig. Zum Conserviren der menschlichen
Excremente dürften sich diese Stoffe wohl ebensowenig eignen, als das Eintrocknen
derselben durch künstliche Wärme.
Leider sind die Angaben, in wieweit die organischen Stoffe durch Erhitzen unschädlich
gemacht werden, noch einigermaßen widersprechend. Daß sich in den 97,8°
heißen Quellen Islands noch lebende Organismen finden, ist bekannt. (botanische
Zeitung 27. 244.)
Cohn gibt an, daß kurzes Kochen, oder selbst Erwärmen auf
80° hinreiche, die Entwickelung der Bakterien zu hindern. (Verhandl. der
schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur 1871.)
Nach Hoffmann werden die Bakterien beim Kochen in offenen
Gefäßen erst nach längerer Zeit, rasch dagegen bei gewöhnlicher Siedhitze in
zugeschmolzenen Glasröhren getödtet; Wymann fand erst
5- bis stündiges Kochen ausreichend, die letzten Keime zu vernichten,
(botanische Zeitung 27. 244.)
Pasteur gibt an, daß diese Organismen erst durch
Erhitzung auf 110° getödtet werden und Lex (Klin.
Wochenschrift 1867) hat selbst nach kurzem Erwärmen auf 127° noch vitale
Bewegung beobachtet, ja Crace-Calvert hat
gefunden, daß die Bakterien erst durch Erhitzen auf 204° vernichtet
werden.
Wenn demnach schon die Desinfection der Decken und Betten aus Hospitälern durch
Erhitzen auf 100 bis 110° bedenklich bleibt, so ist dieselbe für menschliche
Abgänge schon aus dem Grunde nicht empfehlenswerth, als dieselben in wenig Tagen
wieder in Fäulniß übergehen würden, da die Luft, und damit neue Bakterien, nicht
völlig abgehalten werden kann.
Die Vernichtung der fäulnißfähigen Substanz durch Verkohlen oder Verbrennen dürfte
wegen des hohen Wassergehaltes derselben kaum durchzuführen seyn. Selbst zum
Verbrennen der Leichen, welche etwa 70 Proc. Wasser enthalten, ist ein sehr
bedeutender Aufwand an Brennmaterial erforderlich, da erst die großen
Feuchtigkeitsmassen verdampft werden müssen, ehe von einer Verbrennung nur die Rede
seyn kann.
Nach den Versuchen von Fleck
Erster Jahresbericht der chemischen Centralstelle für öffentliche
Gesundheitspflege in Dresden, (Dresden 1872.) ist wenigstens das Zwanzigfache des Gewichtes an Holz nothwendig, um die
Verbrennung der Leichen zu einer vollständigen zu machen. Petroleum und andere
schnell abbrennende Theeröle sind noch weniger vortheilhaft.
Von den oxydirenden Stoffen erfreut sich namentlich der
Chlorkalk einer allgemeinen Anwendung. So empfiehlt Fuchs
denselben als in jeder Beziehung ausreichend. (polytechnisches Notizblatt 21.
291.)
Pagnon-Vuatrin schüttet in die Gruben
Steinkohlenasche, dann eine Lösung von Chlorkalk und Salzsäure.Monit. industr. 1847 Nr. 1148; polytechn.
Journal Bd. CVI S. 160.
Collin's Desinfectionspulver (engl. Patent) ist ein
Gemisch von Chlorkalk mit schwefelsaurer Thonerde. (polytechn. Journal Bd. CXIV S. 239 aus London. Journal of arts 1849.)
Eckstein,Wochenschrift des nieder-österreichischen Gewerbevereins 1872, Nr. 47;
polytechn. Journal Bd. CCVI S.
423. Pergamentpapier-Fabrikant in Wien, empfiehlt in einem Memorandum an
den Gemeinderath daselbst zur Desinfection Chlorkalk, in einen Pergamentsack
gefüllt, in die Aborte, Canäle u.s.w. zu bringen. Am Schluß des Memorandums hält er
es selbst für nöthig, sich gegen jede Zumuthung einer Geschäftsreclame zu verwahren.
Gegen die Desinfection der Aborte mit Phenol spricht er sich entschieden aus, weil
dann in kurzer Zeit die Brunnen damit vergiftet würden. – Als ob es
angenehmer wäre, wenn die Brunnen die nicht desinficirten
Excremente aufnehmen!
Der Polizeipräfect von Paris ordnete 1848 die Anwendung der Javelli'schen Lauge zum Desinficiren der Abtritte an. – Wiederhold
Deutsche Industriezeitung 1870. 442. empfiehlt die Excremente, namentlich von Typhus- und Cholerakranken,
in einen Steinzeugtopf zu entleeren, in welchem sich concentrirte Salzsäure
befindet. Bei jedesmaligem Einschütten wird eine Messerspitze Kaliumchlorat
hinzugethan.
v. Pettenkofer spricht sich gegen die Anwendung des
Chlorkalkes aus. (polytechn. Notizblatt 21. 248.)
Die Specialcommission der Pariser Akademie empfahl zur Desinfection von
Oertlichkeiten, in denen sich während der Belagerung von Paris an ansteckenden
Krankheiten leidende Personen aufgehalten hatten, salpetrige Säure. Für 30 bis 40
Kubikmeter werden 2 Liter Wasser, 1500 Grm. Salpetersäure und 300 Grm. Kupferspäne
in Steinzeuggefäßen aufgestellt, Thüren und Fenster verklebt. Nach dem Urtheil der
Commission läßt sich jedoch Phenol weit bequemer anwenden; es ist nicht so
gefährlich, überdieß billiger und erwies sich von ganz gleicher Wirksamkeit.
Kunheimpolytechn. Centralblatt 1867. 675. empfiehlt zur Desinfection der Aborte übermangansaures Natrium mit
schwefelsaurem Eisenoxyd (Ferrisulfat). Auch übermangansaures Kalium ist mehrfach
vorgeschlagen. – Schleuther und Bochanicki
polytechn. Notizblatt 23. 337; Industrieblätter 1869. 80. haben eine Desinfectionsseife in der Art hergestellt, daß sie Seifenschnitzel mit
Kaliumpermanganat durch Pressen in eine harte Masse verwandelten. Leider zersetzt
sich dieselbe in kurzer Zeit, so daß ein ganz werthloses Gemisch von Manganoxyd mit
Seife entsteht. Hager
polytechn. Notizblatt 26. 319. mischt statt dessen 100 Theile mit Salpetersäure gereinigten Thon und 5
Theile übermangansaures Kalium, und verwendet diese Masse als Waschmittel.
Nach dem Vorschlage von Böttcher werden die starken
Ausdünstungen von eiternden Wunden durch ein aufgelegtes Bäuschchen Schießwolle,
welches mit übermangansaurem Kalium getränkt ist, sofort beseitigt. (polytechn.
Notizblatt 26. 33 und 129.)
FleckSiehe Note 76 Seite 138. hat 47,2 Kub. Cent. Düngerjauche, welche aus einer alkalischen Silberlösung
(vergl. Seite 149) 100 Milligrm. Silber abscheiden, mit einem großen Ueberschuß der
verschiedenen Desinfectionsmittel versetzt. Wurde hierauf die Flüssigkeit (nach dem
Absetzen) mit alkalischer Silberlösung gekocht, so resultirte eine um so geringere
Menge Silber, je mehr Fäulnißstoffe durch das Desinfectionsmittel oxydirt oder
gefällt worden waren.
Es wurden somit, nach Einwirkung von
Nummer
Desinfectionsmittel
nochabgeschiedenMilligrm.Silber
DesinfectionswerthentsprechendMilligrm.Silber
WirkungswerthNr. 1 = 100.
1
Chlorkalk mit Schwefelsäure
29,5
70,5
100,0
2
Chlorkalk mit Eisenvitriol
30,2
69,8
99,0
3
Lüder und Leidloff's
Pulver
35,1
64,0
92,0
4
Carbolsäurepulver
39,6
60,4
85,6
5
Kalk
40,3
59,7
84,6
6
Alaun
43,3
56,7
80,4
7
Eisenvitriol
45,9
54,1
76,7
8
Chloralaun
47,8
52,2
74,0
9
Bittersalz
59,7
40,3
57,1
10
übermangansaures Kalium
mit Schwefelsäure
63,8
36,2
51,3
Es schließt daraus, daß, mit Ausnahme des übermangansauren Kaliums, die oxydirenden
Desinfectionsmittel die größte Wirkung haben, daß das Lüder- und Leidloff'sche
Desinfectionspulver wirksamer ist als Phenol u.s.w. Dem gegenüber ist hervorzuheben,
daß die Mittel 3 bis 9 hier die organischen Massen nur gefällt haben, daß aber die
erhaltenen
Niederschläge, mit Ausnahme des durch Phenol, in kurzer Zeit dennoch in Fäulniß
übergehen werden, die aufgestellten Werthe daher wohl nur bei der Reinigung von
Canalwässern zur Geltung kommen können. Bei Nr. 2 kommt die präcipitirende Wirkung
des, durch die Zersetzung der Bestandtheile frisch gefällten Ferrihydrates
(Eisenoxydhydrat) und die oxydirende des überschüssigen Chlorkalkes zusammen.
– Die Excremente und Abfälle einer Stadt aber mit soviel Chlorkalk oder
übermangansaurem Kalium zu versetzen, daß die fäulnißfähigen Stoffe völlig oxydirt
werden, ist praktisch gar nicht durchführbar. Geringere Mengen dieser Substanzen
sind fast werthlos. (Vergl. Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheit 4.
602.)
Es wird demnach die Hauptaufgabe der Gesundheitspflege seyn müssen, die Concurrenz
der Verwesung zu unterstützen und die Bedingungen dazu möglichst rasch und
vollständig herzustellen. Dieser Forderung wird am Vollkommensten durch Ausbreitung
der städtischen Abfallstoffe, namentlich der menschlichen Excremente, auf Feldern
und Wiesen (durch Berieseln) genügt werden.
Nach Davy
Philosoph. Magaz. 1856; polytech. Journal Bd. CXLI S. 229. ist Torf sehr gut geeignet, Dünger u. dgl. geruchlos zu machen; Torfkohle
ist weniger gut, da sie kaum 1/4 soviel Ammoniak zu absorbiren vermag. Rogers
polytechn. Journal Bd. CXI S.
318. (engl. Pat.) empfiehlt dagegen die Torfkohle, Tamling
polytechn. Journal Bd. CXVIII S.
320. stark verkohlte Lohkuchen. Auch Kohle von Seetang ist vorgeschlagen.
SalmonBulletin de la Société
d'Encouragement 1835, 39; polytechn. Journal Bd. LVI S. 398. hat von der französischen Akademie einen Preis von 8000 Fr. erhalten für die
Erfindung seiner animalisirten Kohle zum Desinficiren der Abtritte und Nachtstühle.
Er glüht in Cylindern den Schlamm aus Flüssen, Teichen u.s.w. oder Erde mit 1/10
ihres Gewichtes organischen Stoffen. Excremente, mit gleichen Theilen dieses Pulvers
gemischt, sollen sofort geruchlos werden. Poittevin hat
sich dasselbe Verfahren in England patentiren lassen. (polytechn. Journal Bd. LXXIII S. 317.)
SoldanNotizblatt des hannoverschen Gewerbevereines, 1845 Nr. 3. empfiehlt erdige Braunkohle, Steinkohlengruß u. dergl. – Auch Erde,
Steinkohlenasche, Straßenkehricht, Stroh, überhaupt alle Substanzen, welche die
Excremente trocknen und lockern, sind zu gleichem Zweck angewendet.
Diese Stoffe machen die Excremente zwar geruchlos durch Absorption der riechenden
Gase, die Fäulniß ist aber nur durch Zusatz großer Massen zu beschränken, völlig
gehindert wird sie wohl nur in den seltensten Fällen. Nach Crace-Calvert wird die Entwickelung der Vibrionen durch Holzkohle,
übermangansaures Kalium, Kalk, phosphorsaures Natrium und Ammoniak sogar begünstigt.
(Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 5. 938).
Von sonstigen Vorschlägen mögen noch folgende erwähnt werden:
Calloud empfiehlt zum Desinficiren der Aborte die
Mutterlauge der Salinen, (polytechn. Journal Bd.
CXV S. 387.)
Mangon will die städtischen Excremente mit Kalkstein und
ozonisirter Luft behandeln. (Annal. de Chim. et de
Physique 1856; polyt. Journal Bd. CXLI S.
456).
VohlPolytechn. Journal Bd. CXCVIII S.
449. schlägt gebrannten Dolomit mit Kohlenpulver vor, Herpin Kohle und Gyps; die so geruchlos gemachten Excremente werden
wöchentlich abgefahren und zu Poudrette verarbeitet. (polytechn. Journal Bd. CXIV S. 65).
SiretPolytechn. Journal Bd. XC S. 80 u.
Bd. XCVI S. 255. in Meaux desinficirt die Aborte mit Holzkohle und Eisenvitriol; für dieses
Verfahren erhielt er von der französischen Akademie der Wissenschaften einen Preis
von 1500 Fr. Später setzt derselbeComptes rendus 1845; polytechn. Journal Bd. CIII S. 148. noch Kalk, Gyps u. dgl. hinzu. Maillet versetzt
den Grubeninhalt mit Eisenvitriol und Kohle und bringt die so geruchlos gemachten
Excremente auf's Feld. Die jährlichen Abgänge eines Menschen sollen 20 Ares Land
völlig düngen. (polytechn. Journal Bd. CVIII S.
309).
BrownLondon. Journ. of arts 1847, S. 118. (engl. Pat.) versetzt den Abtrittinhalt mit Eisenvitriol, Manganlauge u.
dgl., rührt um, bestreut die Masse mit einem Pulver, welches er durch Erhitzen von
75 Theilen Asche oder Straßenkehricht mit 25 Th. Abfällen aus Gerbereien, Sägespänen
u.s.w. erhalten hat, und trocknet das Gemisch an der Luft. Broquet und Marie (franz. Pat.) nehmen ein
Gemenge von Kohle, Eisenvitriol, Chlorkalk und schwefelsaurem Blei. (polytechn.
Journal Bd. CIII S. 149; Monit. industr. 1846.)
Pauletpolytechn. Journal Bd. CIII S.
151. hat sich in Frankreich ein Gemisch von Eisenvitriol und Seife (also ölsaures
Eisen) patentiren lassen. Später versetzt er den Inhalt der Abtrittsgruben in
Paris mit einer Lösung von Zinkvitriol und Oelemulsion. (Journ. Chim. médic. 1850; polytechn. Journal Bd. CXIX S. 319).
RobinetMonit. industr. 1845. bedeckt die Excremente mit einer mehrere Millimeter dicken Schicht Oel, um
jeden üblen Geruch beim Ausräumen der Aborte zu vermeiden. Faucille
polytechn. Journal Bd. C S. 196. schlägt vor, die Abtritte durch Wasserdampf geruchlos zu machen. Nach einem
französischen Patent werden mittelst einer Locomobile gespannte Wasserdämpfe in die
Grube eingeführt, dann durch eine Chlorentwickelung die letzten Gerüche zerstört.
(Monit. industr. 1846.) Le
Voir hat gefunden, daß ein mit Wasser benetztes Gewebe, in den Abtritten
aufgehängt, den Geruch beseitigt. (Journal für praktische Chemie. 84. 147.)
Louvet-Milan mischt Eisenvitriol, Kalk, Kohle, Ruß
und etwas Wohlriechendes, um damit Aborte und Gossen zu desinficiren. (polytechn.
Journal Bd. CXVI S. 237; Monit industr. 1849.)
Dubois (franz. Pat.) wendet eine Abkochung von Gerberlohe
und Raute mit Eisenvitriol an, färbt die Excremente also einfach durch Tinte
schwarz. (Monit. industr. 1846.)
Matthon (franz. Pat.) leitet die Dämpfe von brennendem
Hopfen, Wachholderbeeren, Wermuth und Anis in die Abtrittsgrube bis zum Siedepunkt
(!) des gesammten Kothinhaltes. Dann wird ein kochend heißes Gemisch von
Schwefelsäure, Eisenvitriol, Alaun, Anis, Wachholder, metallischem Kupfer (!)
hineingeschüttet und schließlich die Masse noch mit zerquetschten Pommeranzen und
Citronen parfümirt. (Monit. industr. 1846.)
Ueber den Werth oder Unwerth dieser sogenannten Desinfectionsmethoden wird kaum ein
Zweifel seyn. Nur das Phenol
Man vergl. S. 135 und 136. (Carbolsäure) ist von allen vorgeschlagenen wirksamen Desinfectionsmitteln
einer allgemeinen Anwendung fähig und werth.
Es bleibt demnach den Städten nur die Wahl zwischen gründlicher
Desinfection mittelst Phenol und gelegentlicher Abfuhr oder sofortiger
Entfernung der Excremente und sonstigen organischen Abfälle!
In einem Tage liefern Gramme:
darin
darin
Fäces
Stickstoff
Phosphate
Urin
Stickstoff
Phosphate
Männer
150
1,74
3,23
1500
15,0
6,08
Frauen
45
1,02
1,08
1350
10,73
5,47
Knaben
110
1,83
1,62
570
4,72
2,16
Mädchen
25
0,57
0,37
450
3,68
1,75
100000 Personen (37610 Männer, 34630 Frauen, 14060 Knaben, 13700 Mädchen) produciren
dem entsprechend jährlich etwa 3,3 Millionen Kilogrm. Fäces und 44 Millionen Liter
Harn, im Ganzen also fast 48 Millionen Kilogrm. feste und flüssige Excremente und
darin 433000 Kilogrm. Stickstoff und 241000 Kilogrm. Phosphate.
Diese Massen kommen bekanntlich größtentheils in die Abtrittsgruben, die durchweg
besser als Schwindgruben zu bezeichnen sind, da sie kaum die Hälfte, ja selbst nur
1/10 der hineingelangten Excremente zurückhalten, somit Boden und Brunnen vergiften.
Die Herstellung wasserdichter Gruben ist sehr schwer, die Controlle über die
Beschaffenheit älterer Gruben fast unmöglich; daß daher die Abtrittsgruben
überhaupt, selbst mit Desinfection, zu verwerfen sind, ist längst anerkannt. Auch
das am 16. October 1867 erstattete Gutachten der königl. preußischen
wissenschaftlichen Deputation, dessen Beschlüssen sich der Minister der geistlichen,
Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten angeschlossen hat, stellt
namentlich zwei maßgebende Sätze auf, welche für die Entscheidung auch der
städtischen Behörden bestimmend seyn müssen:
1) Das System der Abtrittsgruben muß gänzlich verlassen
werden.
2) Es darf keine Einleitung der unreinen Wasser in die
öffentlichen Stromläufe erfolgen.
Man hat nun die Abtrittsgruben durch Abtrittskübel zu ersetzen versucht.
Bei einem geordneten Kübelsystem sind folgende drei Forderungen festzuhalten:
1) daß jede Haushaltung (wenigstens) einen Kübel (Faß, Tonne),
dessen Größe höchstens die Dejectionen einer Woche aufzunehmen im Stande ist, nebst
einem Reserve-Kübel sich beschaffe,
2) daß wenigstens einmal wöchentlich die Abfuhr dieses Kübels
inverschlossenen Wagen bei Nacht stattfinden müsse,
3) daß der Kübel nur in vollständig gereinigtem Zustande nach
der Entleerung wieder in Gebrauch genommen werden dürfe.
Diese Forderungen erscheinen sehr hart, sie sind aber vom sanitären Standpunkte aus
noch nicht hart genug. Schon im Laufe eines Tages gerathen die Excremente,
namentlich der Harn, in Zersetzung; soll daher die Tonne nur einmal die Woche
abgefahren werden, so ist eine ausreichende Desinfection unbedingt erforderlich.
Mit dem Verfahren von Mosselmann, die Excremente durch
Kalk zu desinficiren und so in Dünger zu verwandeln, ist in keiner Stadt, wo bisher
Versuche damit angestellt sind, irgend welcher zufriedenstellender Erfolg erreicht
worden. Für größere Städte ist es aber völlig unbrauchbar wegen des kolossalen
Verbrauches an gebrannten Kalk; eine Stadt von 100,000 Einwohnern würde jährlich 20
bis 30 Millionen Kilogrm. nöthig haben.
Beim Rochdale-System,Lefeldt, Der gegenwärtige Stand der Abfuhr und
Canalisationsfrage in Großbritannien. (Berlin, Hempel) 2,25 Mark. Patent von Alderman Tailor, befindet sich unter
jedem Closetsitze ein Gefäß, welches eine kleine Quantität chemischer (?)
Desinfectionsflüssigkeit enthält, in welcher die Fäces und der Urin gesammelt
werden. Die Gefäße werden bei Tage in einem geschlossenen Wagen nach einer
Düngerfabrik geschafft, wochentlich oder noch öfter, wenn nöthig, indem ein
wichtiger Punkt bei dem Processe in der Verhinderung, resp. Verzögerung der fauligen
Gährung der Excremente besteht, so daß sie daran gehindert werden, die Atmosphäre zu
verpesten und am Düngerwerth zu verlieren. Die Schlacken und trockenen Abfälle von
den Häusern werden nach derselben Fabrik gebracht, die Pflanzentheile verbrannt und
mit der Kohlenasche bei der Fabrication des Düngers verwandt, die Schlacken unter
den Kesseln der Fabrik verwendet, um die nöthige Triebkraft zu erzeugen. –
Ueber die Erfolge dieses Systemes ist noch nichts bekannt.
Morrel's AschenclosetLefeldt, Der gegenwärtige Stand der Abfuhr und
Canalisationsfrage in Großbritannien. (Berlin, Hempel) 2,25 Mark. hat gleich eine Siebvorrichtung, welche die Asche von den Schlacken trennt.
Moule wendet dagegen trockene Erde zum Desodorisiren
der Excremente an. Nach neueren Versuchen, welche im Berliner Arbeitshause mit
trockener Gartenerde, Torfasche und mit getrocknetem pulverisirtem Lehm gemacht
sind, erfüllten diese Substanzen den Zweck der Geruchlosmachung, wenn der Koth von
ihnen vollständig und in nicht zu geringer Menge bedeckt war; pro Stuhlgang sind etwa 3,5 Kilogrm. Erde erforderlich, für eine Stadt von
100,000 Einwohnern also
jährlich etwa 200 Millionen Kilogrm. derartiger Deckstoffe. Nach Müller würden 100 Kilogrm. dieser Mischung einen
landwirthschaftlichen Werth von etwa 0,2 Mark haben; die Kosten für Hin- und
Rücktransport dieser großen Massen werden also bei weitem nicht gedeckt. Jemand hat
angerathen, den Kübelinhalt in einen eisernen Topf zu schütten und diesen auf den
von der Bereitung der Mahlzeit noch heißen Herd zum Trocknen zu bringen. Dieser
Vorschlag, ob ernst oder spöttisch gemeint, charakterisirt in seiner Uebertreibung
vollständig jede Idee die Trocknung des Düngers und die mehrmalige Benutzung
desselben in den Kübeln zu empfehlen.Vergleiche Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheit 3. 80 und 554.
Hope
Offener Brief an einen preußischen Civilingenieur als Antwort auf seine
Fragen in Betreff der Cultur und Befruchtung des Bodens von dem Right Hon. The Earl of Dunmoro, F. R. G. S.
(Berlin, Wiegandt u. Hempel) 0,75 Mark. sagt darüber: Ich habe zuweilen die Anwendung von Moule's System gebilligt, und ich muß daher zur Aufklärung sagen, daß
diese Billigung nur auf solche Fälle beschränkt bleibt, wo kein genügender
Wasservorrath da ist, oder wo strenge Disciplin herrscht, wie in einem Arbeitshause
oder in Casernen. – Abgesehen von diesen Schwierigkeiten ist es auch noch
sehr fraglich, ob die Excremente auf diese Weise auch wirklich desinficirt werden,
ob nicht vielmehr in diesem Gemisch sich die Krankheitskeime erst recht entwickeln.
Pettenkofer verspricht sich von der Desinfection mit
Erde und Torf nicht nur keinen Nutzen für die Salubrität, sondern befürchtet im
Gegentheil die größten Gefahren, speciell bezüglich der Cholera.
Das Müller-Schür'sche ClosetMittheilungen des hannoverschen Gewerbevereines, 1867. 54. beruht bekanntlich auf dem Princip der Trennung von Harn- und
Kothmassen, welche letzteren mit einem Streupulver aus gebranntem Kalk,
Holzkohlenpulver und Phenol bedeckt werden. Im Berliner ArbeitshauseSiehe Note 38 Seite 126; Reinigung und Entwässerung Berlins (Berlin, Hirschwald) Heft IX. wurden auch mit diesem Closet zahlreiche Versuche angestellt, welche das
Resultat ergaben, daß, so lange es möglich war, das Personal zu aufmerksamer
Behandlung anzuhalten, alles gut ging, daß dieses aber nicht lange der Fall war. Es
ist dieser Umstand sehr bemerkenswerth, da leicht einzusehen ist, daß eine Ordnung,
welche in einer öffentlichen Anstalt mit so strenger Disciplin, wie das Arbeitshaus,
nicht durchzuführen ist, in einer größeren Zahl von Privathäusern nicht erst
angefangen werden kann.
Nach dem Gutachten der Berliner Kommission kann es unmöglich gestattet werden, daß
die Abfallröhren aus den verschiedenen Stockwerken, ohne gespült oder sonstwie
gereinigt zu werden, in eine einzige Sammeltonne, die etwa im Keller steht,
einmünden. Abgesehen von der großen Calamität, welche bei einer solchen Einrichtung
tatsächlich nicht ganz selten vorkommt, daß gelegentlich das Faß im Keller sich
früher füllt, als man erwartet hatte und endlich überläuft, – ist die
zunehmende Verunreinigung der Abfallröhren ganz unvermeidlich; diese Röhren werden
dann Herde der Verpestung für das Haus. Es muß daher von Anfang an gefordert werden,
daß mit der Einführung eines Tonnensystemes obligatorisch die Einrichtung von
entsprechenden, mit Tonnen versehenen Abtritten in jeder Etage und in jeder
Haushaltung vorgeschrieben wird. Außerdem fordert selbst Lefeldt,Siehe Note 98 S. 145. der die Abfuhr befürwortet, daß der Ventilation wegen stets von diesen
Closets aus ein eigener gemauerter senkrechter Canal in die Höhe oder ein blechernes
Rohr in dem nächsten Schornstein geführt und dieser, wenn nicht heizbar, mit Howarth' oder ähnlichem Schrauben-Ventilator an
der Spitze versehen seyn muß!
Gegen das pneumatische System des Capt. Liernur
Siehe Note 38 Seite 126. wird vom sanitären Standpunkte aus der Vorwurf des mangelhaften, ja
unzulässigen Kothverschlusses der Abtrittstrichter geltend gemacht. Die technischen
Sachverständigen, namentlich Oberbaurath Koch und Geh.-Rath Reulaux sind der Meinung, daß das System nicht leisten
könne, was es verspreche. Es wurde auf dem Wege der Rechnung nachgewiesen, daß das
durch die Luftpumpe bewirkte Vacuum für die Entleerung langer Rohrleitungen zu
schwach sey, daß ferner das System verzweigter Röhren eine sichere Räumung aller
Zweigröhren durch das Ansaugen des Sammelkastens ausschließe, insofern die durch die
Abtrittstrichter einströmende Luft sich stets die bequemsten, also die am wenigsten
geschlossenen Zugänge suche und die stärker gefüllten vermeide. Ueberdieß sey die
Einrichtung so complicirt und zu vielen Unterbrechungen ausgesetzt, als daß man sich
für sie entscheiden könne.
Die Anlage kostet pro Person etwa 25 Mark, für 100,000
Einwohner also 2,5 Millionen, die Kosten des Betriebes, einschließlich der Zinsen
des Anlagecapitals, aber jährlich 3 – 400,000 Mark. Das Liernur'sche System ist daher finanziell noch ungünstiger als das einfache
Tonnensystem. – Allerdings kann pneumatischer Koth besser bezahlt werden als
Tonnen-Koth, weil er den Landwirthen frisch zugeführt wird. Es fragt sich
aber, ob in der Nähe einer größeren Stadt, sich überhaupt Abnehmer für solche Mengen
Excremente finden werden. Die bisherigen Erfahrungen sprechen nicht dafür.
Nach Abendroth
Siehe Note 46 Seite 128. u.a. entsprechen die Auswurfstoffe von 100,000 Menschen einem Gesammtwerth
von fast 1,5 Millionen Mark, nach zweimonatlicher Fäulniß aber kaum noch 0,7
Millionen, da mehr als die Hälfte des sämmtlichen Stickstoffes, also des
werthvollsten Bestandtheiles bei dieser Zersetzung als StickstoffDie Versuche von Reiset, Gilbert u.a. haben
gezeigt, daß selbst bei Gegenwart von alkalischen Erden bei der Fäulniß
stickstoffhaltiger organischer Stoffe bis 40 Proc. gasförmiger Stickstoff
entwickelt wird. (Comptes rendus, 42. 53; Phil. Transact. 1861. 500.) und Ammoniak verloren gehen.
Wenn der Landwirth in dem Städter nur den Düngerproducenten sieht, die Stadt nur als Poudrettefabrik schätzt und dem
entsprechend fordert, die Excremente in Gruben zu sammeln und so lange
aufzubewahren, bis sie im Frühjahr und Herbste dem Felde zugeführt werden können, so
ist dieses, wegen des bedeutenden Verlustes an Dungwerth, durchaus unvortheilhaft,
vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege aber muß diese Forderung
entschieden zurückgewiesen werden.
Gegenüber dem theoretischen Werth der frischen Excremente ist zu bemerken, daß Paris
mit seinem Abfuhrsystem jährlich einen baaren Verlust von 3–4 Millionen Mark
hat, daß selbst aus der Poudrettefabrik zu Bondy große Massen Excremente
vortheilhafter in die Seine geschafft als verarbeitet werden, daß aber außerdem,
nach dem Berichte des Polizeipräfecten, schon jetzt die Abfuhr eine schwere
Unbequemlichkeit für die Einwohner von Paris ist.Siehe Note 46 Seite 128.
Die Eureka sanitary and manure company in Hyde bei Manchester fängt die Excremente in hölzernen
Schachteln (!) auf, verdampft den Inhalt in Kesseln zu einem zähen Brei und
verwandelt diesen durch Zusatz von Asche, Kohle oder Knochenmehl in einen festen
Dünger. Die Auslagen übersteigen aber den theoretischen Werth des gewonnenen Düngers
um fast 100 Proc. und doch waren den Aktionären 34 Proc. Zinsen versprochen.
HausserVergl. Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege. 3. 456. berichtet über das Tonnensystem von Graz: Nach etwa 4 bis 5 Tagen sind die
Fässer mit festen und flüssigen Excrementen bereits gefüllt, und indem die Oeffnung
mit einem besonderen aber einfachen Verschluß versehen ist, dessen Fugen noch mit
plastischem Thon verschmiert werden, daß kein Ausfluß oder Aussickern der Flüssigkeit möglich (?)
wird, werden die Fässer auf einen gewöhnlichen Fuhrwagen aufgeladen und außer Graz
verführt. Dieselben werden – was im Sommer gewöhnlich der Fall ist –
in die untere Mur ausgeleert... Man läßt die
Excremente also erst im Hause faulen, um sie dann dem Flusse zu übergeben. –
Berliner Abfuhrleute schütten Nachts ganze Wagenladungen von Excrementen in dem
Thiergarten aus. Nicht besser ist es in München und anderen Städten.
Alle Poudrettefabriken haben sich bis jetzt schlecht rentirt und sind zu Grunde
gegangen; wo sie noch bestehen, hat dieß seinen Grund darin, daß die den Privaten
auferlegten Abfuhrkosten den Verlust der Fabrication mehr als genügend deckten.
Selbst das Abfuhrsystem von Gröningen, welches gewöhnlich
als mustergültig hingestellt wird, hat, nach holländischen Berichten, große
Nachtheile, und sind die Klagen hierüber wie speciell mit Rücksicht auf Mortalität
und Krankheitsfälle immer mehr im Steigen begriffen.Vergl. Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege 5. 326.
Alle bis jetzt bekannten Abfuhrsysteme sind also (für
größere Städte wenigstens) vom sanitären, technischen und
finanziellen Standpunkte aus durchaus nicht empfehlenswerth.
Nach Lefeldt,Siehe Note 97 S. 145. Anhänger der Abfuhr, müßte für die flüssigen Küchenabfälle und Waschwässer
– was bei jedem Abfuhrsystem in Städten
unerläßlich – eine Röhrenleitung hergestellt, deren Inhalt
desinficirt und in den Flußlauf gelassen, oder, wo Acker,
Anlage, Leitung u.s.w. nicht zu theuer und die Verhältnisse günstig –
nach der Desinfection zur Berieselung auf Land verwandt werden. Das
Regenwasser soll durch die gewöhnlich bestehenden Rinnsteine seinen Weg in den
nächsten Flußlauf nehmen. – Also Abfuhr, Canalisation und Rinnsteine mit
gelegentlicher Ueberschwemmung bei starkem Regen.
Bei jedem Abfuhrsystem müssen die gesammten Abwässer der
Küchen, Schlachtereien, Fabriken, ja der größte Theil des menschlichen Harns durch
die öffentlichen Canäle abgeleitet, bei jedem Schwemmsystem aber Straßenkehricht,
Steinkohlenasche u. dgl. abgefahren werden. Bei der Fragestellung: Canalisation oder
Abfuhr?, kann es sich also nur um die festen und einen Theil der flüssigen
Excremente handeln.
Die Berliner gemischte Deputation ist nach einer eingehenden Erörterung aller
einschlagenden Verhältnisse zu dem Schlusse gekommen:
daß das einzuführende Canalsystem wesentlich von der gleichen Größe
und Einrichtung seyn müsse, gleichviel, ob die menschlichen Excremente durch Abfuhr
entfernt oder dem Canalwasser beigemengt werden,
daß das unreine Wasser dieses Canalsystemes weder mit, noch ohne
menschliche Excremente einfach in die öffentlichen Stromläufe geleitet werden dürfe,
daß es also in dem einen wie in dem an deren Falle entweder desinftcirt, oder zu
Berieselungen verwendet werden müsse,
daß aber die Kosten für die Canal-Anlagen in beiden Fällen
nahezu gleich hoch ausfallen.
Berlin hat sich dem entsprechend für das Schwemmsystem entschieden. – Ueber
dieses später.