Titel: | Das präservirte Fleisch der englischen Colonien in Australien und Neu-Seeland auf der Wiener Weltausstellung; von Adolph Ott, derzeit in Bern. |
Autor: | Adolph Ott |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. XXXVIII., S. 231 |
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XXXVIII.
Das präservirte Fleisch der englischen Colonien
in Australien und Neu-Seeland auf der Wiener Weltausstellung; von Adolph Ott, derzeit in
Bern.
Ott, über das präservirte Fleisch von Australien etc. auf der
Wiener Weltausstellung.
Der Exportation von conservirtem Fleisch aus den heerdereichen Districten
Südamerika's und Australiens trat bis jetzt hauptsächlich das Vorurtheil entgegen,
welches man gegen präservirtes Fleisch im Allgemeinen hegte. Verschiedene
Gesellschaften traten daher zusammen, um den Fleischüberfluß jener Länder zur
Fabrication von Fleischextract zu verwenden; wie weit es ihnen gelungen ist,
dasselbe als Nahrungsmittel einzubürgern, beweist der Umstand, daß man es bereits in
jedem Laden findet, wo „Eingemachtes“ gehalten wird; allein ein
Surrogat für Fleisch kann und soll es nicht seyn. Um so erfreulicher ist es nun zu
vernehmen, daß jenes Vorurtheil, wenigstens in England, wo man bekanntlich, was
Fleisch angeht, sehr heikel ist, in raschem Schwinden begriffen ist. Nach gefälligst
uns vom australischen Generalcommissär an der Weltausstellung, Hrn. Bevan, mitgetheilten Daten betrug der Fleischexport aus
Australien im Jahre 1872 17,518 Tonnen, im Werthe von 890,700 Pfd. Sterl.
(22,267,500 Frs.) gegen 11,853 Tonnen im Jahre 1871 und gegen nur 4 1/2 Tonnen im
Jahre 1866.
An diesem Export bethätigten sich im verflossenen Jahre:
Victoria
mit
141,416
Collis
Neu-Süd-Wales
„
66,778
„
Neu-Seeland
„
86,206
„
Queensland
„
16,891
„
Süd-Australien
„
10,500
„
––––––––––––––––––
Total
321,791
Collis.
Die Objecte der obgenannten Ausstellung bestehen aus verschiedenen Sorten gekochtem
und ungekochtem Fleisch in Blechbüchsen (ersteres nach Appert's Methode conservirt); aus gepökeltem, in Fett verpacktem und
geräuchertem Fleisch. Das ungekochte Fleisch zeigte sich bei der Prüfung durch die
Jury als vollkommen mit frischem Fleisch identisch, allein die Methode seiner
Zubereitung, welche nach dem Erfinder Manning's Proceß
genannt wird, ist noch Geheimniß.Nach einer Modification der Appert'schen Methode,
wie sie in einigen Etablissements in Australien zur Anwendung kommt, werden
die das Fleisch enthaltenden und nur mit einer kleinen Oeffnung versehenen
Blechbüchsen statt in Wasser, in einer Lösung von Chlorcalcium erhitzt, welches
bekanntlich eine höhere Temperatur annimmt. Die Erhitzung findet zwischen
260 und 270° Fahr. für 4 Stunden statt. Nach einem neuen, auch in
England adoptrirten Verfahren von Jones werden
sämmtliche Büchsen durch Röhren mit einem Vacuum in Verbindung gesetzt,
wodurch, wie beansprucht wird, die Operation bei einer viel niedrigeren
Temperatur geleitet werden kann. Das Fleisch soll daher auch weniger das
Aussehen von gekochtem Fleisch haben, wie das nach Appert conservirte beispielsweise aussieht. Das gepökelte Fleisch (cured meat) war, nachdem man es in einer
Mischung von 1 Theil Zucker und 2 Theilen Salz unter Zusatz von Kräutern behandelt
hatte, in Kisten oder Fässern schichtenweise mit geschmolzenem Talg übergossen
worden.
Die Preise sind zur Zeit in England für Hammelfleisch 6 1/2 Pence per Pfd. (67,6 Cts.), für Rindfleisch 7 Pence (72,8
Cts.), für gesalzenes und gekochtes Rindfleisch (corned
beef) 8 Pence (83,2 Cts.). Hierbei ist zu bemerken,
daß 6 Pfd. solchen Fleisches gleich 10 Pfd. frischen Fleisches sind, indem es
frei von Knochen ist und rohes Fleisch bekanntlich immer mehr als gekochtes
wiegt. Der Preis für Hammelfleisch würde sich daher thatsächlich nur auf 39
Cts., für Rindfleisch nur auf 42 Cts. stellen.
Ein Institut in der Nähe von London will durch den Gebrauch australischen Fleisches
in 6 Monaten an einer Rechnung von 150 Pfd. Sterl. nicht weniger als 50 Pfd. Sterl.
(1250 Frs.) erspart haben. Der Preis für Pökelfleisch wird von 3 1/2 bis 4 1/2 Pence
(36,4 – 46,8 Cts.) notirt und ist dasselbe daher beinahe um die Hälfte
billiger als das amerikanische.
Sämmtliche Fleischsorten (inclusive Känguruhsuppe) wurden bei einem von dem engl.
Generalcommissär Hrn. Owen gegebenen und mit den
trefflichen Colonialweinen (Highercombe, Ximenes, Riesling, Hermitage) gewürzten
Diner von der internationalen Jury versucht und allgemein ganz vortrefflich
befunden. Die Blechbüchsen waren von dieser selbst ausgewählt und unter ihren Augen
geöffnet worden.
Der alleinige Importeur in Europa ist Daniel Tallerman,
ein Ex-Colonist, jetzt an der Spitze der Australian Meat Agency, 113 Cannon Street,
London, dessen Energie und Scharfblick man es hauptsächlich zu verdanken
hat, daß der Fleischexport aus den Colonien so große Dimensionen angenommen hat.
Ohne Zweifel würde er das Ehrendiplom der Weltausstellung davongetragen haben, wenn
er selbst Producent wäre, allein dieser Umstand trat seiner Prämiirung hinderlich in
den Weg; doch wurden die von ihm vertretenen Gesellschaften reichlich bedacht.
Gegenwärtig bestehen in den erwähnten Colonien nicht weniger als 53
Fleischpräservirungsanstalten, davon 22 in Victoria. Die Zahl von Hornvieh betrug
daselbst im Jahre 1871 4,810,351 Stück, die Zahl der Schafe 53,680,752 Stück. Im
Verhältniß zur Bevölkerung, welche nur 1,919,303 Seelen beträgt, kommen daher 30
Stück Vieh auf jeden Kopf, während in Großbritannien dieses Verhältniß nur 1 : 1
ist. Noch ist aber das australische Fleisch auf dem Continente beinahe gänzlich
unbekannt; allein wir zweifeln nicht, daß, wenn die Bevölkerung einmal die Erfahrung
macht, daß dasselbe nicht allein eben so gut als das einheimische, sondern auch
bedeutend billiger ist, der Export bei der noch ungeschwächten Productionskraft der
genannten Länder bald weitaus bedeutendere Dimensionen annehmen wird.